B E R I C H T

 

des Bundesministers für Gesundheit und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur

 

Entschließung 189/E XXIV.GP des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Reform und Neustrukturierung der Kontrollen entlang der Lebensmittelkette

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

erstellt von der Reformarbeitsgruppe

des Bundesministers für Gesundheit und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

unter Berücksichtigung

der Evaluierungsergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, eingerichtet von der

LandesgesundheitsreferentInnenkonferenz am 4. März 2011 und

der Evaluierungsergebnisse des Projektes „Hochrisikobetriebe“

 

unter Einbeziehung  

der Sozialpartner, des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend

 


 B E R I C H T

 

des Bundesministers für Gesundheit und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur

Entschließung 189/E XXIV.GP des Nationalrates vom 8. Juli 2011 betreffend Reform und Neustrukturierung der Kontrollen entlang der Lebensmittelkette

 

Gemäß der Entschließung des Nationalrates 189/E XXIV.GP vom 8. Juli 2011 wurden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht, dem Nationalrat bis Ende Mai 2012 ein Reorganisationskonzept für eine effiziente, transparente, risikobasierte und bundesweit einheitliche Lebensmittelkontrolle unter Berücksichtigung der gesamten Lebensmittelkette (vom Feld/Stall bis zum Teller) und der Ausschöpfung der Synergiepotentiale vorzuschlagen.

 

Eine Reformarbeitsgruppe des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) fügten die hierfür notwendigen Arbeiten zusammen.

 

1.       Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BL-AG), eingerichtet von der LandesgesundheitsreferentInnenkonferenz am 4. März 2011

(Anlage Bund-Länder-Arbeitsgruppe):
Es wurden Modellannahmen zur Arbeitsentlastung und Effizienzsteigerung der Lebensmittelinspektion berechnet und Vorschläge zur Effizienzsteigerung erarbeitet. Eine erläuternde Vorstellung und Diskussion des Endberichtes der BL-AG sowie eine entsprechende Positionierung der Länder waren für die LandesgesundheitsreferentInnenkonferenz am 22. und 23. Mai 2012 vorgesehen, dieser Termin wurde jedoch von den Ländern kurzfristig abgesagt. Die Ergebnisse dieser BL-AG bilden die Grundlage für den Vorschlag B.1.1. und Vorschläge unter B.2.

 

2.       Ergebnisse betreffend Weiterentwicklung des risikobasierten Kontrollansatzes – effizientere Kontrollen von zulassungspflichtigen Betrieben mit hoher Risikoeinstufung (Anlage Hochrisikobetriebe):
Von ExpertInnen des BMG und der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, AGES, wurden Vorschläge für eine risikobasierte Anpassung der amtlichen Kontrolle gemäß Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, LMSVG, erarbeitet.

 

3.       Ergebnisse betreffend Planung, Steuerung, Transparenz, Prozessoptimierung:
Die BL-AG und ExpertInnen des BMG haben weitere Vorschläge zur Verbesserung der Planung und Steuerung der Lebensmittelkontrollen bzw. zur Prozessoptimierung vorgelegt. Arbeiten zur Verbesserung der Transparenz wurden bereits implementiert.

4.       Ergebnisse betreffend landwirtschaftliche Primärproduktion:
Von ExpertInnen des BMLFUW wurde ein Konzept zur Effizienzsteigerung im Bereich der Kontrollen der landwirtschaftlichen Primärproduktion erarbeitet.

 

Die Sozialpartner, das  Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend wurden im Rahmen von Besprechungen am 30. April 2012 und am 25. Mai 2012 einbezogen.

 


A.  Ausgangslage

 

A.1. Amtliche Kontrollen der Länder an der Leistungsgrenze

 

Die Vollziehung der meisten Materiengesetze mit Bezug zur Lebensmittelsicherheit erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung auf Ebene der Länder.

 

Steigende Erwartungen der KonsumentInnen, der Fortschritt der Wissenschaften und damit vertieftes Wissen um Gefahren und Risiken sowie der internationale Handel erhöhen Umfang und Anforderungen hinsichtlich des Spezialisierungsgrads der amtlichen Kontrolle. Dieser Umstand wurde auch im europäischen Recht[1]  berücksichtigt. Demzufolge sind vordergründig die LebensmittelunternehmerInnen für die Sicherheit ihrer Waren verantwortlich. Die Mitgliedstaaten (und ihre Behörden) haben durch Implementierung eines Kontrollsystems dafür zu sorgen, dass die UnternehmerInnen ihren Verpflichtungen nachkommen. Durch eine gute Ausbildung und eine aufwendige Koordinierung steht der Vollzug in Österreich durchaus auf hohem Niveau. Die bestehende Komplexität erschwert jedoch Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie die rasche Reaktionsfähigkeit in Anlassfällen.

 

Die amtliche Überwachung steht grundsätzlich auf zwei Beinen, einerseits Marktkontrollen durch Probenziehung und Probenuntersuchung und andererseits Betriebskontrollen (Revisionen/Inspektionen). Durch bisherige Effizienzsteigerungsmaßnahmen (z.B. gemeinsames IT-System, landesinterne Spezialisierungen und Kooperationen) konnte das Kontrollsystem zwar klar verbessert werden, es wird allerdings den neuen Anforderungen nicht vollständig gerecht. Die Tätigkeitsberichte der Länder über die Vollziehung des LMSVG weisen zum Teil signifikante Untererfüllungen im Bereich der Revisionen auf, auch bei Betrieben mit höherer Risikoeinstufung (z.B. Milchbe- und -verarbeitungsbetriebe). Daneben ist auch ein Verbesserungspotential hinsichtlich Revisionen von „Spezialbetrieben“ erkennbar (Unternehmen, die Lebensmittelverpackungsmaterialien/-kontaktmaterialien, Lebensmittelzusatzstoffe, kosmetische Mittel herstellen bzw. verarbeiten), ebenso wie bei Betrieben, die natürliches Mineralwasser gewinnen und abfüllen. Zur verlässlichen Revision dieser Betriebe ist spezielles und regelmäßig an den aktuellen Stand der Wissenschaft adaptiertes Know-how der Aufsichtsorgane notwendig.

 

Ein zusätzliches Thema für Effizienzsteigerungen in der Kontrollkette ist eine verbesserte Überwachung der unabhängigen (privaten) BIO-Kontrollstellen. Die Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen für die Erzeugung und Produktion von biologischen Lebensmitteln wird von akkreditierten Kontrollstellen durchgeführt. Derzeit sind die Länder für die Zulassung und Überwachung dieser Kontrollstellen zuständig. Da Kontrollstellen länderübergreifend tätig sind, muss die Zulassung in mehreren Ländern erfolgen. Die Überwachung der Kontrollstellen ist daher mit einem (zunehmenden) Koordinationsbedarf der beteiligten Länder verbunden. Diese Mehrgleisigkeit stellt einen ineffizienten und hohen Verwaltungsaufwand dar. Eine Zusammenführung der Kontrolldaten, die insbesondere auch für eine verlässliche Mengenstromanalyse und damit effiziente Überwachung der biologischen Produktion notwendig erscheint, fehlt aufgrund dieser Kontrollstruktur derzeit, ebenso wie eine einheitliche Sanktionspraxis.

 

In den letzten Jahren ist der Personalstand der LebensmittelinspektorInnen der Länder trotz steigenden Aufwandes bei rund 250 Vollzeitäquivalenten gleich geblieben.

 

Schwächen zeigen sich vor allem in Bezug auf Revisionen bei Hochrisikobetrieben. Aufgrund der Erfahrungen mit der Kontrolle von Hygieneanforderungen in Betrieben mit hohem Risiko besteht Verbesserungsbedarf bei der Kontrollintensität und dem Know-how in Bezug auf die Überwachung der betrieblichen Eigenkontrolle (Hazard Analysis and Critical Control Point, HACCP).

 

Das System der amtlichen Kontrolle ist an seiner Leistungsgrenze angelangt. Werden keine strukturellen Veränderungen unter Ausschöpfungen der Synergien vorgenommen, ist ein erhöhter Finanzierungsaufwand notwendig, der derzeit weder aus dem Bundes- noch den Länderbudgets entsprechend geleistet werden kann. Es bestehen zudem berechtigte Bedenken, dass insbesondere komplexe und neue Herausforderungen nicht mehr ausreichend und flächendeckend bewältigt werden können.

 

 

A.2. Mehrfachkontrollen im Primärproduktionsbetrieb

 

Die landwirtschaftliche Primärproduktion ist von vielen Kontrollthemen betroffen:

·         Förderkontrollen (Kontrollen durch die Agrarmarkt Austria GmbH [AMA]; in Bezug auf „Cross Compliance“ erfolgen Kontrollen vielfach durch die Länder)

·         Qualitätskontrollen (freiwillige Qualitätsprogramme wie „BIO“ oder Qualitätsprogramme der AMA)

·         Amtliche Kontrollen im Bereich der Materiengesetze entlang der Lebensmittelkette (Betriebsmittelrecht, Veterinärrecht [Tiergesundheit, Tierschutz] und Lebensmittelrecht)

 

Mehrfachkontrollen ergeben sich v.a. auch durch unzureichende landesinterne und bereichsübergreifende Koordination.


B.   Lösungsansätze

 

Die folgenden Reformvorschläge wurden unter Beachtung der Zielvorgabe „keine Verteuerung des gesamten Systems“ erstellt. Die gegebenen Strukturen mit ihren Stärken bleiben im Wesentlichen unberührt, die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen auf Lösungen für konkrete Schwachstellen in den Systemen ab.

 

B.1. Neuordnung, strukturelle Änderungen

 

B.1.1. Revisionen in Hochrisikobetrieben durch ein Bundesamt für Lebensmittelsicherheit

 

Die größten Gefahren für die KonsumentInnen gehen von den sogenannten „Hochrisikobetrieben“ aus. Im Sinne des risikobasierten Kontrollansatzes und zur Gewährleistung bestmöglicher KonsumentInnensicherheit erfordern diese Betriebe eine intensivere und vertiefte amtliche Kontrolle (durch SpezialistInnen). Eine Analyse orientiert an Betriebsstrukturen und Risikoeinstufungen der Lebensmittelbetriebe in Österreich kommt zum Schluss, dass Hochrisikobetriebe mit großen Produktionsmengen (mehr als 400 Betriebe) einmal im Monat bzw. Hochrisikobetriebe mit mittleren Produktionsmengen (250 – 300 Betriebe) viermal jährlich behördlich kontrolliert werden sollten. Nachdem derzeit für Betriebe mit hoher Risikoeinstufung eine Kontrollfrequenz von einmal in 12 bis 15 Monaten vorgesehen ist (in begründeten Ausnahmefällen sind noch seltenere Revisionen möglich), bedeuten Adaptierungen im Sinne dieser Analyse eine Intensivierung der Kontrollen in diesen Bereichen, im Gegenzug kann es ohne Sicherheitsverlust bei gleichzeitigem Effizienzgewinn (eventuelle Sicherheitsprobleme können an der Wurzel gepackt und abgestellt werden, bevor lebensmittelrechtlich nicht konforme Waren auf den Markt kommen) zu Verringerungen im Bereich der Marktkontrollen kommen. Um Revisionen in den oben erwähnten Hochrisikobetrieben entsprechend den Ergebnissen des Projektes „Hochrisikobetriebe“ durchzuführen, sind österreichweit bis zu 30 SpezialistInnen erforderlich.

 

Ein zielorientierter Lösungsansatz (mehr KonsumentInnensicherheit, einheitliche Kontrollen und Sanktionspraxis) wäre die Übertragung dieser Aufgaben an ein (neu zu gründendes) Bundesamt. Damit wäre die Möglichkeit geschaffen, SpezialistInnen effizient im Hochrisikobereich einzusetzen und auch im Krisenfall bundesweit rasch reagieren zu können. Die erforderlichen Ressourcen sind in der AGES vorhanden bzw. aufzubauen. Das Bundesamt wäre – vergleichbar dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (§ 6a Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, GESG) – eine dem BMG nachgeordnete Behörde.

 

Die Finanzierung erfolgt durch bereits existierende Kontrollgebühren gemäß LMSVG (LMSVG-KontrollgebührenVO) und durch die vorhandene AGES-Basisfinanzierung.

 

B.1.1.1. Zusätzliche Aufgaben für das Bundesamt

Dem Bundesamt wären auch Revisionen in mobilen Lebensmittelunternehmen, die zwischen mehreren Bundesländern verkehren (Züge, Schiffe) zu übertragen. Bei rund 200 Zügen, die einen Speisewagen oder ein Trolley-Service führen und geschätzten 120 Donauschiffen mit Speisenangebot bedeutet dies einen Kontrollaufwand von 0,5 Vollzeitäquivalenten. So könnte im Sinne der KonsumentInnensicherheit dem evidenten Kontrolldefizit in diesen Unternehmen durch einen für das Bundesamt kaum merkbaren Mehraufwand beigekommen werden.

 

Die Kontrolle der Gewinnung und Abfüllung von natürlichem Mineralwasser erfordert hohes spezifisches Wissen. Bei insgesamt 18 Betrieben in Österreich ist es ineffizient (und auch schwer möglich), in allen Ländern ausreichende Expertise aufzubauen und bereit zu stellen. Aus Sicht einer effizienten und fachlich fundierten Kontrolle bzw. auch entsprechenden Beratung der Unternehmen und damit rascheren Anerkennungs- und Erweiterungsverfahren, wäre auch diese Aufgabe im Bundesamt besser aufgehoben.

 

Denkbar wäre auch, Kontrollen von sogenannten „Spezialbetrieben“ (siehe B.1.2.) – abhängig von der Finanzierbarkeit – dem Bundesamt zu übertragen.

 

B.1.1.2.Effizienzsteigerung der Kontrolle der biologischen Produktion

Das Bundesamt könnte auch die zentrale Stelle für Zulassung und Kontrolle der unabhängigen BIO-Kontrollstellen sein. Damit wäre die Möglichkeit geschaffen, österreichweit die privaten Kontrollstellen effizient und einheitlich zu überwachen. Auch die Steuerung und die Schwerpunktsetzung wären ebenso wie die Umsetzung des risikobasierten Kontrollansatzes in den Kontrollplänen erleichtert. Zudem kann im Fall eines Verdachtes der Nichteinhaltung der Bestimmungen bundesweit rasch reagiert werden.

 

Die erforderlichen Ressourcen wären in der AGES vorhanden. Aufgrund bisheriger Erfahrungen wird der Personalbedarf auf vier Vollzeitäquivalente geschätzt. Im Gegenzug würde sich der Aufwand der Länder in einem höheren Ausmaß reduzieren.

 

è Zur Umsetzung des Bundesamtes sind Anpassungen im LMSVG und GESG erforderlich.

 

 

B.1.2. Verstärkte Kooperation bei der Kontrolle von „Spezialbetrieben“

 

Technologien mit speziellen fachlichen und rechtlichen Anforderungen stellen die Herstellung von Lebensmittelkontaktmaterialien, von Lebensmittelzusatzstoffen, Aromen und Enzymen sowie die (industrielle) Herstellung von Kosmetika dar. Die amtliche Kontrolle dieser Betriebsarten erfordert hohe spezifische, fachliche und rechtliche Kompetenz. In Österreich gibt es nur wenige dieser Betriebe. Nicht alle Länder haben die erforderlichen SpezialistInnen.

 

Ein Lösungsansatz zur Verbesserung der Effizienz der Vollziehung des LMSVG in diesen Betrieben (anstelle der Übertragung der Aufgaben an das Bundesamt – siehe oben) wäre auch eine verstärkte Kooperation der Länder, indem entsprechend spezialisierte und qualifizierte Kontrollorgane eines Bundeslandes auf Anfrage einem anderen Bundesland als Sachverständige zur Unterstützung befristet zur Verfügung gestellt werden. Ein nicht bezifferbarer Mehraufwand für die Länder ergibt sich hier dadurch, dass entsprechende dienst- und haftungsrechtliche Vorkehrungen durch die Länder fallbezogen zu treffen wären.

 

Dieser Vorschlag erfordert keine zusätzlichen Bediensteten in den Ländern. Die Effizienz der Kontrollen ist auch dadurch verbessert, dass die in den Ländern verfügbaren SpezialistInnen eine höhere Routine und verbessertes Know-how erreichen. Zudem wird damit auch eine einheitliche Vollziehung des LMSVG unterstützt.

 

è Eine Anpassung des LMSVG eröffnet diese Möglichkeit[2].
B.2.
Planung, Steuerung, Transparenz, Prozessoptimierungen

 

Für folgende Themen ist, falls beim jeweiligen Unterpunkt nichts anderes ausgeführt ist, die Umsetzung im LMSVG erforderlich.

 

B.2.1. Revisions- und Probenplan NEU

 

Eine Steigerung der Effizienz der Kontrollen kann auch durch eine neue Planungsstrategie gemäß § 31 LMSVG erreicht werden. Der Revisionsplan und der Probenplan sollen zu einem risikobasierten Plan zusammengeführt werden. Eine präzisere Planung und Abstimmung der Kontrollaktivitäten „Betriebsrevision“ und „Probenuntersuchung“ ermöglicht gezielte Aufwandsreduktionen, ohne die Lebensmittelsicherheit oder den Schutz vor Irreführung zu beeinträchtigen. In einer Arbeitsgruppe des BMG mit AGES und LänderexpertInnen wird derzeit ein Umsetzungsvorschlag ausgearbeitet.

 

B.2.2. E-Netzwerk Lebensmittelsicherheit

 

Das Lebensmittelrecht (gemeinschaftsweit und national), der technische Stand und das Wissen um Gefahren und Risiken entwickeln sich ständig weiter. Dies erfordert eine ständige Anpassung der Verwaltungsinstrumente, intensive Beratungen und mehr Informationsaustausch. Derzeit erfolgt die laufende Anpassung in verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen unter Beteiligung der LeiterInnen der Lebensmittelinspektionen und ExpertInnen aller Länder. Es besteht ein hoher Sitzungs- und Dokumentationsaufwand bei allen beteiligten Stellen. Doppelgleisigkeiten und Missverständnisse sind nicht auszuschließen. Die Kommunikation in den Arbeitsgruppen und die Dokumentation soll künftig durch die elektronische Plattform „Verbrauchergesundheit“ des BMG maßgeblich unterstützt werden. Dadurch wird der Sitzungsaufwand, insbesondere der Reiseaufwand, reduziert. Die Umsetzung erfolgt auf Verwaltungsebene vom BMG gemeinsam mit den ExpertInnen der Länder.

 

B.2.3. Erleichterungen bei der Kontrolle der unternehmerischen Eigenkontrolldaten

 

Eine ausführliche Prüfung und sachgerechte Beurteilung der Unterlagen der Eigenkontrolle vor Ort ist bei Betrieben mit zahlreichen, unterschiedlichen Produktionslinien zeitaufwendig und mitunter ohne Hilfsmittel nicht möglich. Durch die Schaffung der Möglichkeit für Unternehmen, Unterlagen über die Eigenkontrolle (z.B. HACCP, mikrobiologischen Untersuchungsergebnisse, Rückverfolgbarkeit) der zuständigen Lebensmittelaufsicht zu übermitteln, kann die Effizienz der Kontrollen durch Zeitersparnis und Prüfung im Team an der Dienststelle erfolgen, insbesondere bei umfangreichen Dokumenten. Dazu wäre von den Ländern eine gesicherte Datenübertragung aufzubereiten und anzubieten. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Eigenkontrolle ist ein Faktor für eine Verlängerung der Kontrollintervalle (Entlastung für UnternehmerInnen).

 

B.2.4. Information des Herstellers bei Probenziehung im Einzelhandel

 

Die derzeitige Verpflichtung zur schriftlichen Verständigung des Herstellerbetriebs über erfolgte Probenziehungen im Einzelhandel durch die Lebensmittelinspektion versursacht zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Bei etlichen Proben ist die Ermittlung des Herstellers oder Vertreibers mit zeitaufwendigen Recherchen (Internet, Befragung der Zentrale von Handelsketten etc.) der Lebensmittelinspektion verbunden. Das Unternehmen, bei dem die Probe entnommen wurde, hat diese Informationen (Rückverfolgbarkeitsverpflichtung). Der Handel wäre daher zu verpflichten, die verfügbaren Informationen über HerstellerInnen und/oder ImporteurInnen unverzüglich der Behörde schriftlich bekannt zu geben.

 

B.2.5. Eigenkontrollsysteme, Risikoeinstufung

 

Diese Ziele sind bereits umgesetzt:

Bei der amtlichen Lebensmittelinspektion werden das Vorhandensein und die Funktionsfähigkeit eines betrieblichen Eigenkontrollsystems für die Entscheidung des Zeitpunktes der nächsten Plankontrolle herangezogen.

Gemäß § 38 LMSVG sind die Unternehmer verpflichtet, die Ergebnisse der Eigenkontrollen betreffend Zoonosen und Zoonosenerregern zu verwahren und Isolate dem gemäß § 75 LMSVG zuständigen Referenzlabor zu übermitteln oder deren unverzügliche Übermittlung durch das untersuchende Labor zu veranlassen.

 

B.2.6. Erhöhung der Transparenz

 

Ein hohes Maß an Transparenz die Lebensmittelsicherheit betreffend wurde durch den Lebensmittelsicherheitsbericht erreicht, dessen jährliche Vorlage bis zum 30. Juni des Folgejahres im § 32 LMSVG verankert wurde. Im Juni 2011 wurde der erste Bericht an den Nationalrat übermittelt. Er enthält Daten und Fakten über die Ergebnisse der Vollziehung des LMSVG im Jahr 2010. Der Bericht zum Jahr 2011 wird derzeit fertiggestellt. Die Berichte schaffen nicht nur Transparenz sondern belegen auch, dass der risikobasierte Kontrollansatz geeignet ist, Schwachstellen aufzuzeigen und KonsumentInnen bestmöglich zu schützen.

 

B.2.7. „Einzelhandelsproben-ProbenzieherInnen“

 

Für die Ziehung von statistischen Zufallsproben könnten speziell geschulte FachassistentInnen anstelle hochqualifizierter LebensmittelinspektorInnen herangezogen werden. So stünde erforderliches Personal kosteneffizient für die Länder zur Verfügung und es werden gleichzeitig die LebensmittelinspektorInnen für andere Arbeiten freigespielt. Der geschätzte Aufwand beträgt österreichweit 15 bis 20 Vollzeitäquivalente.

 

 

B.3. Nutzung der Synergiepotentiale in der landwirtschaftlichen Primärproduktion

 

Die amtlichen Kontrollen im Bereich der Materiengesetze liegen weitgehend in der Vollzugskompetenz (auf Basis unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Verankerung) der Länder. Hier wird noch weiteres Synergiepotential sowohl innerhalb des Wirkungsbereiches der Länder als auch in Relation zu anderen Kontrollbereichen gesehen. Einerseits gibt es für den Bereich der landwirtschaftlichen Primärproduktion Kontrollbereiche, für die wenig Kontrollpersonal zur Verfügung steht, andererseits kann eine etwaige Reduktion der Doppelkontrollen am landwirtschaftlichen Primärproduktionsbetrieb durch verbesserte landesinterne und vor allem bereichsübergreifende Koordination erfolgen.

 

Im Bereich des Betriebsmittelrechts optimieren die Länder ihre Kontrollplanung.

Zur Unterstützung der Länder und zur Verbesserung und Abstimmung der Kontrollen zwischen den Kontrollbereichen am landwirtschaftlichen Primärproduktionsbetrieb soll eine Clearingstelle (z.B. bei der AMA) eingerichtet werden. Dabei wird die Möglichkeit für die Länder geschaffen, die Clearingstelle für die optimierte Umsetzung der Kontrollen zu beauftragen.

 

Bei den Kontrollen von Materiengesetzen mit Relevanz für die Verbrauchergesundheit wird folgender Ansatz vorgeschlagen:

Die Kontrollen der pflanzlichen Lebensmittelproduktion gemäß dem LMSVG erfolgen grundsätzlich gemäß dem Flaschenhalsprinzip auf der ersten Verarbeitungs- oder Vertriebsstufe.

Für viele Kontrollthemen der tierischen Primärproduktion (Tiergesundheit, Tierseuchen, Arzneimittelanwendung, Tierschutz) sind amtliche TierärztInnen bei den Kontrollen vor Ort. Diese können auch weitere verwandte Themen wie Arzneimittelrückstände, Milchhygiene oder Hygiene in Eipackstellen kontrollieren. Im Bereich des Tierschutzes wären die entsprechenden Cross Compliance Kontrollen grundsätzlich den TierärztInnen zu übertragen.

 


Anlage Bund-Länder-Arbeitsgruppe

 

Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe

 

Folgende Grundprobleme wurden identifiziert:

·         Rechtliche Vorgaben und Spezialisierungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen (Globalisierung, gestiegene Qualitätsanforderungen, Spezialisierungen)

·         Notwendige Ressourcen wurden nicht erhöht. Bisherige Effizienzsteigerungsmaßnahmen reichten nicht aus. Zur Erfüllung des österreichweiten Kontrollplans fehlen geschätzte 92 Lebensmittelaufsichtsorgane

·         qualitative Problemzonen wurden im Rahmen von Inspektionsbesuchen der Europäischen Kommission (Lebensmittel- und Veterinäramt) identifiziert: LM-Kontaktmaterialien, LMZusatzstoffe, Kontrolle von HACCP (betriebliche Hygieneeigenkontrolle)

·         Themen aus der Praxis: Projekt „RIK Hochrisikobetriebe“; Kontrolle von natürlichen Mineralwässern, Kosmetika, Bundesländer übergreifende Kontrollen in fahrenden Zügen;

·         stark gestiegener Verwaltungsaufwand

 

Ergebnisse

Drei Modellannahmen und weitere Vorschläge zur Arbeitsentlastung im Bereich der Tätigkeiten der Lebensmittelinspektion:

 

Modell 1 „jedes Bundesland hat alle SpezialistInnen“

Dieses Modell geht davon aus, dass jedes Land die erforderlichen SpezialistInnen in seinem Wirkungsbereich zur Verfügung hat. Aus dieser Modellannahme errechnen sich zusätzlich 63 Personen.

 

Modell 2 „SpezialistInnenaustausch“ (Verstärkung bestehender Kooperationen)

Dieses Modell sieht eine verstärkte Kooperation zwischen den Bundesländern vor, die bestehende Unterstützung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) bleibt aufrecht. Diese Modellannahme erfordert keine zusätzlichen Kontrollpersonen aber mehr Verwaltungs- und Koordinierungsaufwand.

 

Modell 3 „bundesweit agierende Stelle vollzieht SpezialistInnenthemen“

Dieses Modell nimmt eine bundesweit agierende Stelle für alle Spezialbetriebe an und entlastet damit die Lebensmittelinspektion auf diesen Gebieten vollständig. Diese Modellannahme enthält nicht die Kontrolle von Hochrisikobetrieben im Fleischbereich, diese werden von den Veterinärverwaltungen der Länder vollzogen. Diese Modellannahme erfordert zusätzlich 21 Personen.

 

Weitere Vorschläge zur Arbeitsentlastung der Lebensmittelinspektion

·         Einzelhandelsproben-ProbenzieherInnen (zusätzliche Bedienstete des Fachdienstes [„C“] entlasten LebensmittelinspektorInnen)

·         E-Netzwerk LM-Sicherheit (E-Kommunikation verringert Sitzungsaufwand)

·         Eigenkontrolldaten; Prüfung am Dienstort der Lebensmittelaufsicht (Dokumentenkontrolle an der Dienststelle erhöht Effektivität)

·         Information des Herstellers bei Probenziehung im Einzelhandel (Einzelhändler informiert Hersteller über Probenziehung, Arbeitsentlastung für LebensmittelinspektorInnen)

·         Revisions- und Probenplan NEU (der Revisionsplan und der Probenplan sollen zu einem risikobasierten Plan zusammengeführt werden)


Anlage Hochrisikobetriebe

 

Ergebnisse des Projektes „RIK Hochrisikobetriebe“

 

Definition

 

Hochrisikobetriebe sind

·         zugelassene Betriebe gemäß § 10 LMSVG (Verordnung [EG] NR. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs)

·         von deren Produkten ein erhöhtes Risiko durch bakterielle Zoonoseerreger gemäß Zoonosegesetz Anhang I lit. A (z.B. Listeriose, verotoxinbildende Escherichia coli, Salmonellose, Campylobacter …) ausgeht

·         und mittlere oder große Mengen produzieren bzw. verarbeiten.

 

Risikoeinschätzung

 

Die Produktionslinie mit dem höchsten Risikopotential bestimmt die Einstufung des gesamten Betriebes. Die Risikoeinschätzung der Produktionslinien (in Folge als Produkte dargestellt) erfolgt in den RIK-Stufen 0 bis 9 (RIK – Risikobasierter Integrierter Kontrollplan). ExpertInnen führen eine vertiefte Analyse in den relevanten, höheren Risikobereichen durch.

RIK-Einschätzung 5:

Brühwurst, Kochwurst, langgereifte Rohwürste, Pökelware, Fischkonserve, pasteurisiertes Speiseeis, Trinkmilch (pasteurisiert, ESL - extended shelf live, UHT – ultrahoch erhitzt), fermentierte Milchprodukte

RIK-Einschätzung 6:

Putensalami, frische Rohwürste, Pökelware „ready to eat“ und ungekühlt lagerfähig, marinierter Fisch, Butter

RIK-Einschätzung 7:

Frischfleisch lose und verpackt, Pökelware „ready to eat“ und „gekühlt lagern“, Frischkäse aus pasteurisierter Milch, Hartkäse aus Rohmilch und pasteurisierter Milch

RIK-Einschätzung 8:

Faschiertes, Frischfisch, geräucherter Fisch, Weichkäse aus pasteurisierter Milch, Schnittkäse aus pasteurisierter Milch, Frischkäse aus Rohmilch

RIK-Einschätzung 9:

Rohwürste „ready to eat“, Butter aus Rohmilch, oberflächengereifter Weichkäse aus pasteurisierter Milch, Weichkäse und Schnittkäse aus Rohmilch, Eierzeugnisse

 

Zuordnung von Betrieben zu Hochrisikobetrieben

 

Für die Risikoeinstufung ist die Einschätzung des Risikos der einzelnen Produktionslinien relevant. Neben dem mikrobiologischen Gefährdungspotential spielt auch die Menge der in Verkehr gebrachten Produkte (Schadensausmaß) eine Rolle bei der Einstufung, ob ein Betrieb in die Kategorie Hochrisikobetriebe fällt. Betriebe, die auf Grund der von ihnen in Verkehr gebrachten Produkte in eine hohe RIK Kategorie (RIK > 6) eingestuft wurden und große Mengen produzieren, wurden als Hochrisikobetriebe „HR*“ bezeichnet. Betriebe, die in eine hohe RIK Kategorie (RIK > 6) fallen, und mittlere Mengen produzieren, werden als Hochrisikobetriebe „HR“ klassifiziert. Betriebe mit kleinen Mengen oder einer RIK Einstufung

< 7 werden als „N“ Betriebe mit normalem Risiko eingestuft.

 

Kontrollfrequenzen für Hochrisikobetriebe

 

Vorgangsweise

Im Rahmen der Jahresvollrevision werden die Produktionslinien und Produktionsmengen festgestellt. Die weitere Kontrollfrequenz innerhalb eines Jahres richtet sich dann jeweils nach der Produktionsmenge und der Linie, welche die höchste RIK Einstufung hat.

 

Vorschlag Kontrollfrequenzen

Für „HR“ Betriebe gilt eine Kontrollfrequenz von 1+3. Das bedeutet eine Jahresvollrevision und 3 kleinere Überwachungsrevisionen (Schwerpunktkontrollen).

Für „HR*“ Betriebe gilt eine Kontrollfrequenz von 1+11, d.h. eine Jahresvollrevision und 11 kleinere Überwachungsrevisionen (Schwerpunktkontrollen).

Stellt sich im Zuge der Jahresvollrevision heraus, dass „HR“ oder „HR*“ Betriebe keine Hochrisikolinien (RIK > 6) haben bzw. nicht mehr die entsprechenden Mengen verarbeiten oder produzieren, so können die Überwachungsrevisionen entsprechend reduziert werden.

 

Die Zuordnung der Betriebsarten in folgender Tabelle entspricht der Einschätzung von ExpertInnen. Eine konkrete Zuordnung des einzelnen Betriebes kann erst nach durchgeführter Jahresvollrevision erfolgen.

 

Betriebsart

„mittel“

Hochrisikobetrieb „HR“ (1+3)

„groß“

Hochrisikobetrieb „HR*“ (1+11)

Menge

Anzahl Betriebe

Menge

Anzahl Betriebe

Fleischverarbeitungsbetriebe/ Geflügelfleischverarbeitungs-betriebe

150 – 250 t

47

> 250 t

88

Huftierschlachtbetriebe

1001 – 5000 GVE

33

> 5000 GVE

47

Zerlegungsbetriebe (inkl. Faschiertes, Separatorenfleisch und Zubereitungen)

51 – 250 t

123

> 250 t

191

Wildfleischbearbeitungsbetriebe

< 251 t

31

> 250 t

3

Geflügel- und Kaninchenschlachthöfe

10.001 – 150.000 Stück

4

> 150.000 Stück

8

Geflügel- und Kaninchenzerlegungsbetriebe

50 – 250 t

3

> 250 t

2

Fischverarbeiter

-

-

 

5

Milchbe- und –verarbeiter

500 Tsd – 2 Mio Liter

26

> 2 Mio Liter

56

Eiproduktehersteller

-

-

-

8

Flüssigeihersteller

-

-

-

18

Summe

 

267

 

426

Legende: GVE Großvieheinheiten


Anlage Entschließung 189/E XXIV.GP

 



[1] insbesondere Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 28. Jänner 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit sowie Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über die amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz

[2] Darüber hinaus ist das Länderdienstrecht zu beachten.