Parlament Österreich

 

 

 

IV-7 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 24. März 2010

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode               Mittwoch, 24. März 2010

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

6493/10 CO EUR

Europäischer Rat (25. und 26. März 2010) - Entwurf einer erläuterten Tagesordnung (26717/EU XXIV.GP)

 

und

 

KOM (10) 2020 endg.

Mitteilung der Kommission

Europa 2020

Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum

(27578/EU XXIV.GP)

 

sowie

 

7570/10 CO EUR

European Council (25 and 26 March 2010) - Draft conclusions

(28157/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Großteils kritische Stimmen seitens der Abgeordneten, wenn auch in unterschiedlicher Nuancierung, gab es im Hauptausschuss vom 24. März 2010 zur Strategie "Europa 2020". Die von der EU-Kommission ausgearbeitete Strategie laut Entwurf für die Schlussfolgerungen im Mittelpunkt des kommenden EU-Gipfels am 25. und 26. März 2010 in Brüssel und soll von den Staats- und RegierungschefInnen dort bestätigt werden. Die Regierungsparteien begrüßten zwar grundsätzlich die Zielsetzungen dieser "Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum", stießen sich aber, wie auch die Abgeordneten der Opposition, vor allem an zu starken zentralistischen Tendenzen des Papiers. Während man in Bezug auf die Kontrolle der Finanzmärkte nichts weiterbringt, wolle man nun in nationalstaatliche Politikbereiche eingreifen, so der allgemeine Tenor. Eine grundsätzliche Debatte über die Kompetenzen der EU und der Nationalstaaten wird nicht ausbleiben können, das deutete sich auch in der Diskussion im Ausschuss an. Darüber hinaus zeigten sich die Abgeordneten enttäuscht über das Fehlen konkreter Aussagen und Maßnahmen in der gegenständlichen Strategie.

 

Der Antrag der Grünen auf Stellungnahme, in dem sie die Strategie als verfehlt bezeichnen, wurde von den anderen Parteien abgelehnt. Die Grünen vermissen den notwendigen Kurswechsel mit einer stärkeren Orientierung an sozialen und umweltpolitischen Zielen. Die Kommission hält ihrer Ansicht nach hinter einem scheinbar grüneren und sozialeren Deckmantel an den bisherigen verfehlten Zielsetzungen der Lissabon-Strategie fest. 

 

Auch der Antrag des BZÖ auf Ausschussfeststellung, wonach sich die Bundesregierung mit Nachdruck gegen Bestrebungen aussprechen soll, die dazu führen, dass die Europäische Kommission künftig in die Planung der nationalen Budgets eingebunden werden soll, fand nicht die erforderliche Mehrheit.

 

 

 

Zweites beherrschendes Thema des Ausschusses waren die budgetären Probleme Griechenlands und mögliche Hilfsmaßnahmen seitens der EU-Staaten. Bundeskanzler Werner Faymann betonte, dass ein Beschluss dazu auf dem kommenden Gipfel nicht zu erwarten sei, weil Griechenland aller Voraussicht nach keinen Antrag auf Hilfe stellen wird. Die Griechen erwarteten sich insbesondere politische Unterstützung von den europäischen Partnern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Strategie Europa 2020

 

 

Kommissionspräsident José Manuel Barroso schreibt in seinem Vorwort zur Mitteilung der Kommission "Europa 2020", die Krise sei ein "Weckruf". Jetzt sei die "Zeit für entschlossenes und ambitioniertes Handeln". Es gehe um mehr Arbeitsplätze und mehr Lebensqualität.

 

Ziel der Strategie ist es, aus der Krise gestärkt hervorzugehen und die EU in eine intelligente, nachhaltige und integrative Wirtschaft zu verwandeln, die durch ein hohes Beschäftigungs- und Produktionsniveau sowie einen ausgeprägten sozialen Zusammenhalt gekennzeichnet ist. Das Papier spricht in diesem Zusammenhang von einer "Vision der europäischen sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts".

 

Mit intelligentem Wachstum strebt die EU die Entwicklung einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft an; die EU setzt in Zukunft auch prioritär auf eine ressourcenschonende, ökologischere und wettbewerbsfähigere Wirtschaft; das Wachstum soll darüber hinaus ein integratives sein. Darunter versteht man die Förderung einer Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und ausgeprägtem sozialen und territorialen Zusammenhalt.

 

In diesem Sinn schlägt die Kommission fünf messbare Leitziele für die EU-Ebene vor, die bis 2020 verwirklicht und in nationale Ziele umgesetzt werden sollen: 75 % der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren sollen in Arbeit stehen; 3 % des BIP der EU sollen für Forschung und Entwicklung aufgewendet werden; die Klimaschutzziele sollen, einschließlich einer Erhöhung des Emissionsreduktionsziels auf 30 %, erreicht werden; der Anteil der SchulabbrecherInnen soll auf unter 10 % abgesenkt werden, mindestens 40 % der jüngeren Generation sollen einen Hochschulabschluss haben; die Zahl der armutsgefährdeten Personen sollte um 20 Millionen sinken.

 

7 Leitlinien für diesen Weg sollen für die EU und ihre Mitglieder bindend sein: Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Zugang zu Finanzmitteln für Forschung und Entwicklung ("Innovationsunion"); leistungsfähigere Bildungssysteme und Erleichterungen für Jugendliche beim Eintritt in den Arbeitsmarkt ("Jugend in Bewegung"); Ausbau schneller Internet-Zugangsdienste ("Digitale Agenda für Europa"); Abkoppelung des Wirtschafswachstums von Ressourcennutzung, Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft, Nutzung erneuerbarer Energieträger und Förderung der Energieeffizienz ("Ressourcenschonendes Europa"); Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen, insbesondere für die KMU ("Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung"); Modernisierung der Arbeitsmärkte, Chancen für den lebenslangen Erwerb von Qualifikationen und Erhöhung der Erwerbsquote ("Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten"); Vorteile von Wachstum und Beschäftigung für alle ("Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut").

 

Die Kommission macht in ihrem Papier deutlich, dass eine stärkere wirtschaftliche Steuerung notwendig sein wird, um Ergebnisse erzielen zu können. Konkret will man dies mit Hilfe des Systems der Länderberichte erreichen. Sie sollen die Mitgliedstaaten unterstützen, eigene Strategien zu nachhaltigem Wachstum und soliden öffentlichen Haushalten auszuarbeiten, heißt es in dem Papier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diskussion

 

 

Bundeskanzler Werner Faymann unterstrich, er unterstütze die Zielsetzungen der Strategie, hätte sich aber eine stärkere Gewichtung bei der Armutsbekämpfung und bei der Transaktionssteuer gewünscht. Er kenne aber die Widerstände dazu in anderen Ländern. Der Bundeskanzler unterstrich in diesem Zusammenhang auch, dass eine einigermaßen soziale Budgetkonsolidierung allein ausgabenseitig nicht möglich sei, wenn man die Kaufkraft und den Wirtschaftsstandort nicht gefährden wolle.

 

Wesentliche Schwerpunkte der Strategie seien weiters Forschung und Entwicklung, sowie Bildung, sowohl in der EU-Politik als auch auf nationaler Ebene. Man müsse nun konkrete Schritte festlegen, denn nur der werde nach der Krise die Nase vorne haben und Kapital schaffen, der rechtzeitig in zukunftsweisende Technologien investiert. Da diese Bereiche in erster Linie nationale Kompetenzen betreffen, werde beim kommenden Gipfel insbesondere die Diskussion darüber geführt werden, wie man bei den unterschiedlichen Systemen in den Nationalstaaten gemeinsam wird vorgehen können.

 

Auch Außenminister Michael Spindelegger hielt die Strategie grundsätzlich für wichtig, weil sie auch eine Weichenstellung vornimmt. Er teilte die Auffassung des Bundeskanzlers, wonach die Armutsbekämpfung eine wesentliche Frage der Politik innerhalb der EU bleiben muss. Er habe sich daher bei den quantitativen Kernzielen dafür eingesetzt, die Armutsbekämpfung aufzunehmen. Schon aus Gründen der politischen Signalwirkung ist es aus seiner Sicht notwendig, die soziale Dimension zu betonen.

 

Spindelegger begrüßte auch die Kernziele im Bildungsbereich und wies darauf hin, dass die Besonderheiten des österreichischen Bildungssystems berücksichtigt werden. Somit würden etwa Abschlüsse der pädagogischen Hochschulen und anderer postsekundärer Ausbildungen als Abschlüsse im tertiären Sektor anerkannt, was zu einer Gleichbehandlung gegenüber anderer Staaten führen werde.

 

Der Minister machte prinzipiell klar, dass die Festlegung der Ziele in der Strategie keine Präjudizwirkung auf die nächste Finanzperiode haben werde.

 

 

 

In der Diskussion ließen die Abgeordneten ihre Enttäuschung darüber durchblicken, dass die EU offensichtlich eine neue Strategie mit zentralistischen Tendenzen plant, während bei der Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte nur wenig weiter geht. So meinte etwa Abgeordneter Josef Cap (S), die Bevölkerung sei in Bezug auf ihre Erwartungen enttäuscht worden. Dass es noch immer keine Regelung der Hedge-Fonds gibt, bedauerte Cap außerordentlich und sah darin einen weiteren Grund für die sinkende Zustimmung der Menschen zur EU.

 

Dem stimmte auch der Bundeskanzler zu, indem er bedauerte, dass vor allem die Briten im Hinblick auf den Schutz vor übertriebenen Spekulationen nicht die gleichen Maßstäbe anlegen wie andere Länder. Die Briten wollen ihre Finanzplätze nicht gefährden, sagte Faymann und bekräftigte, dass er sich weiterhin für eine Kontrolle der Finanzmärkte und Maßnahmen zur Verhinderung von Spekulationen einsetzen werde.

 

Ähnlich kritisch äußerte sich Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V). Viele Themen, beispielsweise europäische Ratingagenturen und eine Regelung der Finanzmärkte, seien zwar diskutiert, aber nicht umgesetzt worden, bemerkte er. Man müsse sich daher darüber Gedanken machen, wie man in Europa schneller Beschlüsse fassen kann. Schüssel rief zu "extremer Vorsicht" auf, wenn sich die EU nun neue Ziele setzt, denn diese beträfen zum Großteil nationale Kompetenzen, und diesen Ansatz halte er für falsch. Die Frage, wie zentral und wie subsidiär Europa handeln soll, wurde auch von Abgeordnetem Martin Bartenstein (V) thematisiert. Er sprach sich dafür aus, die Entscheidungshoheit im eigenen Land zu verteidigen. Die Ansätze der Strategie hielt er zwar prinzipiell für positiv, einiges darin sei aber nicht akzeptabel.

 

Was die Zustimmung der Bevölkerung zur EU betrifft, so machte Abgeordneter Schüssel (V) auf die sinkende Anzahl der akkreditierten JournalistInnen in Brüssel aufmerksam. Er halte die Entwicklung für bedenklich, denn dies wirke sich negativ auf eine breite und transparente Berichterstattung aus. Schüssel regte daher an, dazu Überlegungen im Rahmen der Presseförderung anzustellen.

 

Vom Ansatz einer "zentralen Planwirtschaft" sprach Abgeordneter Johannes Hübner (B) im Hinblick auf die Strategie. Für ihn hat das gemeinsame Europa zur Bewältigung der Krise nichts gebracht, denn diese habe nirgendwo so stark zugeschlagen wie in Europa. Dem widersprach der Bundeskanzler heftig, indem er meinte, ohne EU wäre es nicht besser, sondern wesentlich schlechter gegangen, und vieles wäre nicht gelungen. Hübner zog für die Ablehnung zentral gesteuerter Strategien Italien als negatives Beispiel heran. Man habe dort versucht die Kluft zwischen Nord und Süd zu schließen, was im Süden zu noch mehr Kriminalität und Korruption geführt habe.

 

Als weitgehend belanglos bezeichnete Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) den Entwurf für die Schlussfolgerungen. Die Agenda enthalte einige vernünftige und andere weniger vernünftige Zielsetzungen, er habe aber angesichts der vorgelegten Schlussfolgerungen das Gefühl, der Europäische Rat habe wenig Lust, sich damit zu befassen.

 

Abgeordneter Ewald Stadler (B) appellierte, Österreich solle sich gegen die Versuche der Bevormundung zur Wehr setzen. Das Strategiepapier der Kommission sah er als eine "visualisierte Ratlosigkeit". Die EU werde sich auf den Weg begeben, an der Straße zu scheitern. Ihn erinnere das Programm an die großen Parteitage der KPdSU, wo man auch geglaubt habe, auf Parteitagen wirtschaftliche Entwicklungen beschließen zu können. Die Kommission müsse die Probleme dort angehen, wo sie entstanden sind, nämlich bei den Finanzmärkten und bei jenen Ländern, die falsche Daten liefern, sagte er.

 

Die Abgeordneten übten auch Kritik sowohl am Mangel konkreter Maßnahmen als auch an einigen Zielen. So meinte Abgeordnete Christine Muttonen (S), ihr fehle die richtige Balance zwischen Wirtschaft und Sozialem. Armutsbekämpfung sei ein wesentliches Ziel, weshalb trotz einiger Widerstände die Kernziele nicht verwässert werden dürften. Bei der Beschäftigung dürfe es nicht nur um die Quantität der Beschäftigung, sondern auch um die Qualität gehen. Muttonen sprach damit die große Zahl der "Working Poor" an. Im Hinblick auf die Beschäftigung müsse man ein besonderes Augenmerk auf die Jugendlichen und auf die Frauen wenden, um für eine bessere Einkommensgerechtigkeit zu sorgen, sagte sie. Abgeordneter Werner Kogler (G) forderte die Einführung europäischer Mindeststandards in der Sozialpolitik. Er hätte sich bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise mehr gemeinsame Kompetenzen gewünscht.

 

Abgeordneter Johannes Hübner (F) hielt eine quantitative Festlegung einer Akademikerquote für falsch, da es um Qualifikationen gehen müsse und darum, was am Arbeitsmarkt gefragt ist. Außerdem wisse man, dass vor allem jene Personen Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt haben, die über keine Qualifikationen verfügen. Diese Auffassung wurde vom Europaabgeordneten Andreas Mölzer (F) geteilt. Er warnte davor, AkademikerInnen am Markt vorbei zu produzieren und appellierte, gegen das Lohndumping vorzugehen.

 

 

 

Frage der finanziellen Unterstützung für Griechenland

 

 

Zweites beherrschendes Thema im heutigen Hauptausschuss war die Frage nach möglichen Hilfen für Griechenland bei der Bewältigung seiner aktuellen Budgetprobleme. Die Abgeordneten schnitten auch den geplanten Auswärtigen Dienst der EU, die Klimaziele und den nahen Osten an.

 

 

Bundeskanzler Werner Faymann warnte in der Frage Griechenland vor Populismus. Er erwartete keine Beschlüsse über etwaige Hilfsmaßnahmen innerhalb der EU, weil Griechenland wahrscheinlich keinen Antrag stellen wird, erläuterte er. Den Griechen gehe es in erster Linie um Solidarität.

 

Griechenland sei aber nur der Anlassfall dazu, sich generell Gedanken darüber zu machen, welche Regulative man in der Eurozone schaffen könne, damit man derartige Probleme in der EU löst und Stabilität in die Eurozone bringt. Es müsse Kontrollmöglichkeiten geben, sagte Faymann, sowie Eingriffsmöglichkeiten. Dazu werde man auch auf die Erfahrungen des Internationalen Währungsfonds zurückgreifen. Er halte es für den richtigen Weg, eine Finanzmarktarchitektur in Europa aufzubauen. Um das in Angriff nehmen zu können, müsse nun analysiert werden, wo Europa jetzt steht.

 

Leise Kritik am derzeitigen Sparkurs in Griechenland kam von Abgeordnetem Josef Cap (S). Es sei deshalb Vorsicht angebracht, meinte er, weil das rigide Programm der Budgetkonsolidierung den Aufschwung dämpfen könnte. Außerdem sei darauf hingewiesen worden, meinte Cap, dass ein hoher Anteil griechischer Schwarzgelder in der Schweiz liege. Bei aller Notwendigkeit, die Griechen zu unterstützen, sei auf die weitere Unabhängigkeit der Eurozone gegenüber den USA Bedacht zu nehmen und seien strukturelle Veränderungen in Griechenland einzufordern. Sein Klubkollege Kai Jan Krainer (S) wandte sich in seiner Wortmeldung gegen all jene, die eine Hilfe für Griechenland ablehnen. Gegen Griechenland sei massiv spekuliert worden, machte Krainer aufmerksam, und vor solchen Spekulationen innerhalb der Eurozone müsse man die EU-Mitglieder schützen. Außerdem sei es notwendig zu verhindern, dass die Refinanzierung von Volkswirtschaften durch extrem hohe Zinsen erschwert wird.

 

Verständnis für die Position der Deutschen in dieser Frage zeigte Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V). Man brauche einen Automatismus, wenn sich ein Land nicht an die Spielregeln hält, sagte er. Dennoch befürwortete er eine Hilfe für Griechenland, sollte das Konsolidierungsprogramm vernünftig sein. Kritische Bemerkungen kamen in diesem Zusammenhang von Schüssel aber im Hinblick auf hohe Rüstungsinvestitionen in Griechenland. Auch Abgeordneter Martin Bartenstein (V) hielt es für verfehlt, Griechenland eventuell in den Bankrott schicken zu wollen. Er gab jedoch zu bedenken, dass eine eventuelle Einbeziehung des IWF Auswirkungen auf die Bewertung der Eurozone haben werde. Abgeordnete Ursula Plassnik (V) vermisste in der politischen Diskussion um Griechenland das Wort "Korruption". Sie ortete diesbezüglich viele Missstände in EU-Ländern und sprach sich für Maßnahmen aus, um die Korruption einzudämmen. Diese Maßnahmen müssen jedoch nicht zentral gesteuert sein, hielt sie dabei fest.

 

Der Europaabgeordnete Andreas Mölzer (F) sprach sich für die Möglichkeit aus, dass sich ein Land selbst aus der Eurozone ausschließt.

 

Abgeordneter Robert Lugar (B) trat sogar dafür ein, Griechenland eventuell bankrott gehen zu lassen. Das Ganze sei ein Problem der Gläubiger, meinte er, und es sei nicht einzusehen, warum alle dafür zahlen sollen, wenn Banken Staatsanleihen mit hoher Verzinsung und gleichzeitig hohem Risiko zeichnen. Es gehe nicht an, dass alle für die Verluste aufkommen und die Gewinne nur die betreffenden Institute einstreifen. Damit würden all jene, die korrekt handeln, bestraft und all jene, die sich über die Regeln hinwegsetzen, belohnt. Die Auswirkungen des Bankrotts in Griechenland auf den Euro bewertete Lugar als nicht dramatisch, da seiner Meinung nach der Euro ohnehin 20 % überbewertet ist.

 

In die gleiche Kerbe schlug Abgeordneter Ewald Stadler (B). Er hatte Verständnis für die Proteste der Bevölkerung in Griechenland, da die Probleme nun auf die kleinen Leute abgewälzt werden. Stadler befürchtete, dass Portugal, Italien und Spanien die nächsten Länder sein werden, die große budgetäre Probleme haben. Wenn man die Stabilität in Europa halten wolle, dann müsse man nachdenken, ob Länder nicht auch die Eurozone verlassen können, oder ob man mit Hilfe des IWF Potemkinsche Dörfer weiter aufrecht erhalten will. Das gesamte Konzept Europa scheitere an der Frage, ob man ein Europa wolle, das über einen Kamm geschoren wird, oder ob es nicht besser sei, den Weg eines Kerneuropa zu gehen, wie das BZÖ vorschlage. Die Antwort der Union auf Griechenland sei nun offensichtlich, Einfluss auf nationale Budgetpolitik und Sozialpolitik nehmen zu wollen, die Verursacher der Krise, die Finanzmärkte, wolle man nicht kontrollieren. Ein solcher Weg sei zum Scheitern verurteilt, stellte Stadler fest.  

 

 

 

 

Klimaschutzpolitik

 

Die aktuelle Klimaschutzpolitik wurde im Ausschuss kurz kritisch unter die Lupe genommen. Abgeordnete Christiane Brunner (G) hielt das, was seit Kopenhagen geschehen ist, für unzureichend. Wenn man so weiter mache wie bisher, dann komme es zu einer Reduktion der Emissionen bestenfalls um 2 %, rechnete sie vor und bekräftigte, dass man beim Ziel von 30 % Reduktion unbedingt bleiben müsse. Vor allem müssen Schlupflöcher geschlossen werden, verlangte Brunner.

 

Darauf räumte der Bundeskanzler ein, dass sich seit Kopenhagen tatsächlich wenig getan habe. Viele Länder wollten sich nicht gemeinsamen Regelungen unterwerfen, erklärte er und stellte fest, man müsse sich Strategien überlegen für den Fall, dass sich manche Länder nicht an Zielsetzungen halten.

 

 

 

 

Europäischer Auswärtiger Dienst

 

Bundesminister Michael Spindelegger äußerte sich auch zum Aufbau eines Europäischen Auswärtigen Dienstes. Österreich unterstütze das Projekt eines professionellen Dienstes voll inhaltlich, sagte er. Derzeit liege ein Entwurf der hohen Repräsentantin der Außenpolitik im Hinblick auf die Struktur vor, den er unterstütze. Vorgesehen sei ein/e GeneralsekretärIn, zwei StellvertreterInnen und sechs Generaldirektionen. Dennoch seien noch viele offene Fragen zu klären.

 

Seiner Ansicht nach könne der Dienst nur dann funktionieren, wenn Bedienstete der Mitgliedstaaten auf allen Ebenen gleichberechtigt mit den BeamtInnen aus Kommission und Sekretariat des Rats zusammenarbeiten können und in diesem Dienst auch zahlenmäßig entsprechend vertreten sind. In Zusammenarbeit mit zehn anderen Staaten habe man in der Frage der geografischen Ausgewogenheit bei der Repräsentation von BeamtInnen aus den Mitgliedstaaten und in der Frage der Ausbildung der DiplomatInnen Fortschritte in den Verhandlungen erzielen können. Wesentlich sei auch die Beibehaltung von Deutsch als Amts- und Arbeitssprache.

 

Was die Kosten des Dienstes für die Nationalstaaten betrifft, so konnte der Außenminister keine konkreten Zahlen nennen, da man die Synergieeffekte noch nicht abschätzen könne. Spindelegger beantwortete damit Fragen der Abgeordneten Alexander Van der Bellen (G), Christine Muttonen (S), Ursula Plassnik (V) und des Europaabgeordneten Andreas Mölzer (F). Plassnik legt im Hinblick auf den gegenständlichen Dienst Wert darauf, dass dieser vor allem im Krisenmanagement und im Bürgerservice tätig ist. In diesem Sinn hielt sie es für sinnvoll, über ein Rotationsprinzip nachzudenken, da der Wechsel zwischen EU und nationalstaatlicher Ebene den BeamtInnen mehr Bodenhaftung bringen würde.

 

 

 

 

Nahost-Konflikt

 

Der Außenminister ging auch auf die Schwierigkeiten bezüglich des Nahostfriedensprozesses ein. Er hoffte, dass die indirekten Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern wieder in Gang kommen. Die Politik Israels des Siedlungsbaus in Ost-Jerusalem bezeichnete er als einen schweren politischen Fehler. Spindelegger wies darauf hin, dass die EU in der Region als Partner sehr geschätzt werde und man sich sogar wünsche, dass sich die Union noch mehr einbringe. Das Quartett habe in der Vorwoche seine Unterstützung für die Rückkehr der Parteien an den Verhandlungstisch angeboten, berichtete Spindelegger.

 

Auch Abgeordneter Josef Cap (S) kritisierte den israelischen Regierungschef. Der Siedlungsbau sei inakzeptabel, sagte er, Europa und die USA müssten eine klarere Sprache sprechen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde von den anderen Parteien abgelehnt:

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e B-VG

 

 

 

der Abgeordneten Van der Bellen, Brunner und Kogler betreffend Schlussfolgerungen des Europäischen Rates am 25. und 26. März 2010 (28157/EU XXIV.GP) zur EU-2020-Strategie

 

 

 

eingebracht im Zuge des EU-Hauptausschusses am 24. März 2010

 

Nach dem Auslaufen der Lissabon-Strategie stehen auf europäischer Ebene derzeit Verhandlungen zu einer Nachfolgestrategie "EU 2020" auf der Agenda. Die Lissabon-Strategie, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Europa bis 2010 zum "wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" zu machen, hat keines der 2000 festgelegten Ziele erreicht und kann daher als gescheitert bezeichnet werden. Insofern bedarf es für die neue Strategie eines Neuanfangs sowohl die Ziele als auch die Umsetzung dieser betreffend.

 

Für die Grünen muss diese neue Strategie eine klare Ausrichtung auf eine neue Art des Wirtschaftens mit umfassender Finanzmarktregulierung, Investitionen in Klimaschutz, Bildung und Soziales, für zukunftsfähige Arbeitsplätze sowie Verteilungsgerechtigkeit, Bekämpfung der Armut und Chancen für alle haben. Sie darf die Ideen für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit nicht nur in den Überschriften verankern, sondern muss konkrete und verbindliche Ziele und Maßnahmen zu deren Erreichung enthalten.

 

Am 3. März 2010 wurde von der Kommission ein Vorschlag für die EU-2020 Strategie vorgestellt, die Europa aus der Krise führen soll. Ein dafür notwendiger Kurswechsel mit einer stärkeren Orientierung an sozialen und umweltpolitischen Zielsetzungen sowie einer modernen, grünen Wirtschaftspolitik ist nicht in Sicht. Die Kommission hält hinter einem scheinbar grüneren und sozialeren Deckmantel an bisherigen verfehlten Zielsetzungen der Lissabon-Strategie fest. So werden z.B. zum Themenbereich Beschäftigung nur quantitative Zielsetzungen mit Hauptaugenmerk auf angebotsorientierte Arbeitsmarktpolitik und flexicurity-Strategien formuliert.

 

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art 23e B-VG

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, werden aufgefordert, sich beim Europäischen Rat in Brüssel am 25. und 26. März 2010 für folgende Position einzusetzen:

 

·         Neben den drei auf Wachstum ausgerichteten Schwerpunkten muss ein eigener Schwerpunkt zur Schaffung einer Europäischen Sozial- und Beschäftigungsunion implementiert werden, die das Unterlaufen von Lohn- und Sozialstandards verhindert, die die Absicherung der BürgerInnen in allen Lebenssituationen (auch außerhalb der Erwerbsarbeit) beinhaltet, die die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zum Ziel hat und die auf eine Verringerung der Ungleichheiten zwischen Arm und Reich abzielt.

 

·         Im Zusammenhang mit den Beschäftigungszielen müssen Zielsetzungen implementiert werden, die auf die Schaffung qualitätsvoller Arbeitsplätze abzielen und nicht dem Motto "Arbeit um jeden Preis" folgen. Es geht um: die Verringerung von Erwerbsarmut, die Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen, die existenzsichernd sind, sowie Anreize zur Umwandlung bestehender Arbeitsplätze in grüne Arbeitsplätze (Green New Deal).

 

·         Neben dem quantitativen Ziel, die Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsausgaben auf 4 Prozent des BIP zu steigern, muss insbesondere die Forschung in jenen Bereichen gefördert werden, die den Umstieg der Wirtschaft in Richtung ressourcenschonend und CO2-arm  vorantreibt.

 

·         Die EU verpflichtet sich im Rahmen der EU-2020 Strategie zu einer kollektiven CO2-Reduktion von 40% bis 2020, zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energieträger auf mindestens 25 Prozent bis 2020 und zur Verbesserung der Ressourceneffizienz um mindestens 3 Prozent jährlich.

 

·         In der EU-2020 Strategie muss als Ziel festgelegt werden, dass 100 Prozent der Schulkinder eine sekundäre Ausbildung erhalten. Zusätzlich müssen klare Qualitätsziele und Indikatoren für den Primär- und Sekundarunterricht vorgegeben werden.

 

·         Im Bereich der Armutsbekämpfung sind die jetzigen EU-Zielsetzungen zu wenig ambitioniert. In die Erfassung der Armutsrate müssen auch jene miteinbezogen werden, die als armutsgefährdet gelten und von Ausgrenzung bedroht sind.

 

·         Der Ansatz der Kommission, den Umstieg von alten gefährdeten Industriebereichen auf neue zukunftsfähige Jobs - Green Jobs - voranzutreiben, ist positiv hervorzuheben und muss als eine der Hauptprioritäten der EU-2020 Strategie gesehen werden.

 

·         Der Ausstieg aus den staatlichen Konjunkturmaßnahmen und die Rückkehr zur Haushaltskonsolidierung muss im Einklang mit der Konjunkturentwicklung stehen und darf nicht zu früh erfolgen. Der Zeitpunkt dafür ist erst gekommen, wenn die Konjunktur tatsächlich wieder angesprungen ist. Bis dahin müssen grüne konjunkturpolitische Impulse gesetzt werden, die auf die Schaffung von Green Jobs abzielen.

 

·         Im Zusammenhang mit alternativen Finanzierungsinstrumenten muss auf europäischer Ebene sobald als möglich eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Die Einnahmen dieser Steuer müssen der Umsetzung der EU2020-Strategie zu gute kommen und insbesondere in die Bereiche Klimaschutz, Beschäftigung und Armutsbekämpfung fließen.

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen oder auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

Folgender Antrag des BZÖ auf Ausschussfeststellung wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

 

der Abgeordneten Mag. Stadler

und Kollegen

 

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 24. März 2010

 

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

 

„Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union geht davon aus, dass sich der Bundeskanzler bzw. der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten bei den jeweiligen Ratsformationen bzw. beim Europäischen Rat am 25. und 26. März 2010 vehement und mit Nachdruck gegen jegliche Bestrebungen aussprechen werden, die dazu führen, dass die Europäische Kommission künftig in die Planung der nationalen Budgets eingebunden werden soll.

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union beschließt, diese Ausschussfeststellung gem. § 39 GOG als Kommuniqué zu veröffentlichen und der auszugsweisen Darstellung beizufügen.“

 

 

 

 

Wien, am 24. März 2010