Parlament Österreich

 

 

 

IV-14 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Freitag, 8. Juli 2011

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode               Freitag, 8. Juli 2011

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

Vorschaubericht der Ständigen Vertretung über die Aktivitäten des Europäischen Parlaments in der 25. Kalenderwoche 2011 (54171/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jerzy Buzek, Präsident des Europäischen Parlaments, diskutierte mit den österreichischen ParlamentarierInnen im EU-Hauptausschuss des Nationalrats vom 8. Juli 2011 aktuelle politische Fragen.

 

Dabei unterstrich er besonders die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Europäischem Parlament und nationalen Parlamenten, insbesondere vor dem Hintergrund der Stärkung der Volksvertretungen im Rahmen des EU-Gesetzgebungsprozesses durch den Lissabon-Vertrag. "Wir sind ein einziger parlamentarischer Körper" rief er den Anwesenden zu. "Das Europäische Parlament braucht die Unterstützung der nationalen Parlamente, denn wir beschäftigen uns mit den selben Gesetzen, die alle europäischen BürgerInnen betreffen.

 

Buzek warb auch für eine sachliche Diskussion des Finanzrahmens für die EU bis 2020 und appellierte angesichts notwendiger Investitionen in Forschung, Bildung, Kultur und Umweltschutz Mut zu haben, nicht allzu sparsam zu sein.

 

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wies in ihrer Begrüßung auf die eindeutigen Beschlüsse des Nationalrats und der Bundesregierung nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene hin. Diese werde vom Europäischen Parlament angedacht, informierte Buzek.

 

Prammer erinnerte aber auch an die österreichischen Wurzeln von EP-Präsident Buzek. Sein Großonkel Josef Buzek war von 1907 bis 1918 Mitglied des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrats. Buzek selbst erzählte, seine Familie habe das Leben in Galizien in guter Erinnerung. Auch innerhalb der österreichischen Monarchie hatte man die Freiheit, sich in der eigenen Sprache auszudrücken und sich frei zu bewegen, zog er einen Bogen zum heutigen Abbau der Grenzen in der EU. Europa könne nur funktionieren, wenn man Grenzen öffnet, bekräftigte er.

 

An der Sitzung des EU-Hauptausschusses nahmen nicht nur die Ausschussmitglieder selbst teil, sondern es waren alle Abgeordneten zum Nationalrat, alle Mitglieder des Bundesrats sowie die österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments dazu eingeladen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In seinem Einleitungsstatement ging Jerzy Buzek zunächst auf die Stärkung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente  im europäischen Gesetzgebungsprozess aufgrund der Bestimmungen des Lissabon-Vertrags ein. Seither habe es zu Gesetzesvorschlägen über 300 Einsprüche aus den Parlamenten gegeben, davon hätten 113 das Subsidiaritätsprinzip betroffen, erläuterte Buzek, räumte aber gleichzeitig ein, dass kein Rechtsakt die gelbe oder orange Karte, die zum Stoppen eines EU-Gesetzesvorschlags führen könnte, erhalten habe. Zu einer guten Vorbereitung bedürfe es einer engen Zusammenarbeit aller, betonte er und forderte die nationalen Parlamente auf, ihre Einflussmöglichkeiten auf die Haltung ihrer Regierungsmitglieder in den europäischen Gremien auch wahrzunehmen. Das Europäische Parlament sei für alle Themen offen und um eine Intensivierung der Kontakte auf sämtlichen Ebenen bemüht. Bereits jetzt kooperierten die Ausschüsse der Parlamente, und die BerichterstatterInnen der Ausschüsse seien gerade dabei, ein enges Kontaktnetz aufzubauen. Buzek hielt es ferner für notwendig, dass sich die nationalen Parlamente auch im Bereich der Verteidigung, der Sicherheit und der Außenpolitik besser koordinieren.

 

Der EP-Präsident ging auch kurz auf die Europäische Bürgerinitiative ein, die ab 2013 eingeführt wird. "Wir sollten diese aktiv fördern", sagte er, "und die BürgerInnen dazu bringen, mehr persönlichen Einfluss auf den europäischen Entscheidungsprozess auszuüben".

 

Die Rotation der Präsidentschaft in der EU hielt Buzek für wichtig und stellte fest, dass der Präsidentschaft innerhalb der europäischen Gesetzgebung eine zentrale Bedeutung zukomme. Das Europäische Parlament nehme seine gestärkte Verantwortung wahr und arbeite eng mit dem Rat zusammen. Das sei auch notwendig, denn nunmehr hätte das Europäische Parlament bei über 90% aller EU-Gesetzesvorschläge das Recht der Mitbestimmung, hielt er fest, während dies früher nur bei 40% der Fall gewesen sei. Man habe aber in der Form der Zusammenarbeit noch Verbesserungen in Angriff zu nehmen, die ungarische Präsidentschaft habe dazu wichtige Schritte gesetzt.

 

Einen Schwerpunkt seiner Stellungnahme widmete EP-Präsident Buzek dem kommenden EU-Finanzrahmen bis 2020. Dabei dürfe man nicht den Maßstab heutiger Schwierigkeiten anlegen und sollte den Mut aufbringen, das Budget nicht allzu sparsam zu gestalten, konstatierte er. Dies deshalb, weil die Strategie 2020 nicht nur helfen soll, Europa gesunden zu lassen, sondern vor allem auch dazu beitragen soll, dass Europa in 10 Jahren voll wettbewerbsfähig ist. Vieles sei auf EU Ebene besser zu lösen, etwa Fragen der Energie- und der Umweltpolitik. Als eine Stärke bezeichnete Buzek die Internetverbindungen und forderte dazu auf, die Synergien von Wissenschaftszentren zu nützen. Für die Zukunft Europas haben vor allem Wissenschaft und Forschung besondere Bedeutung, unterstrich Buzek und warb daher für den Vorschlag der Kommission und des Europäischen Parlaments, mehr Geld in Forschung, Bildung und Kultur zu investieren.

 

Buzek verteidigte auch den oft in der Öffentlichkeit kritisierten Europäischen Außendienst, denn die Bedrohungen der EU kämen in erster Linie von außen, der Außendienst habe die Aufgabe, diesen Gefährdungen der EU zu begegnen.

 

Bis zur Beschlussfassung des Finanzrahmens habe man noch eineinhalb Jahre Zeit, bemerkte Buzek, doch man müsse bereits heute intensiv darüber diskutieren, weil jetzt die Grundlagen dafür gelegt würden. Das EU-Budget werde zu 94,5% für Initiativen und Aufgaben der Union verwendet, nur 5,5% flössen in die Verwaltung, versuchte der EP-Präsident der oftmals vorgebrachten Kritik am EU-Budgetvollzug zu begegnen.

 

Weitere wichtige aktuelle Themen sind laut EP-Präsident neben Griechenland auch der Beitritt Kroatiens, der Nahe Osten sowie die südliche und die östliche Partnerschaft.

 

 

Diskussion

 

Nach diesem Statement hatten die österreichischen ParlamentarierInnen die Gelegenheit, über anstehende EU-Themen zu diskutieren. Ihre Fragen betrafen die Zukunft des europäischen Projekts. Sie gingen vor allem auf die Griechenlandkrise und die Dynamik der internationalen Finanzmärkte ein und thematisierten die wachsende EU-Skepsis der Bevölkerung  – Herausforderungen, denen man sich, wie Buzek ausführte, gemeinschaftlich und strategisch zu stellen habe. Nationalistische Ressentiments und Rückzug auf das Eigene hielt der EP-Präsident dabei nicht für die richtigen Antworten.

 

 

S-Klubobmann Josef Cap zeigte sich überzeugt davon, dass eine enge Kooperation zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Volksvertretungen überaus sinnvoll ist. Diese funktioniere allerdings nur, wenn man sich auch auf Augenhöhe begegnen könne – ein Grundsatz, den es auch bei der Frage der Kompetenzverteilung zu beachten gelte. Die nationalen Parlamente wollten schließlich ihre Budgethoheit gewahrt wissen, gab Cap zu bedenken. Was die von Kommissionspräsident Barroso vorgeschlagene Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer anbelange, stehe man ihr in Österreich durchaus positiv gegenüber. Es gelte schließlich die Spekulanten, die ursächlich zur Entstehung der Finanzkrise beigetragen hätten, entsprechend zur Verantwortung zu ziehen.

 

Auch Caps Fraktionskollegin Abgeordnete Christine Muttonen nahm sich dieses Themas an und sprach vom Bestehen einer Krise zwischen Finanzmärkten und Politik. Die SPÖ stehe dem im EU-Jargon als "Six Pack" bezeichneten Paket von sechs Gesetzesvorschlägen zur Stärkung des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts positiv gegenüber, stellte die Mandatarin fest, man müsse jedoch darauf achten, dass diese Reform nicht dazu führe, dass eine Minderheit über eine Mehrheit entscheiden könne. Des Weiteren sprach sich die S-Abgeordnete für die Einrichtung einer Europäischen Rating Agentur und das Initiieren eines Know-how-Transfers in die nordafrikanischen Staaten aus.

 

Abgeordneter Stefan Prähauser (S) bedauerte, dass mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wesentliche Institutionen wie die WEU aufgelöst wurden. Obgleich man eine Nachfolgeorganisation in Aussicht gestellt habe, seien noch keine dahingehenden Schritte zu verzeichnen. Er halte diese Frage aber für wesentlich, da der Dialog über Sicherheitsfragen nicht vernachlässigt werden dürfe.

 

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) sah die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten vor allem in Hinblick auf die Themen Staatsverschuldung, Beschäftigung und Absicherung des Sozialstaats gefordert. Was letztere Frage anbelange, konstatierte der S-Abgeordnete ein grundsätzliches Missverhältnis zwischen der Besteuerung von Arbeit und Kapital, das es dringend zu beheben gelte. In Hinblick auf die Frage der Staatsverschuldung würden in vielen Diskussionen Ursache und Wirkung verkehrt: Schließlich sei Verschuldung in den meisten Ländern nicht die Wurzel der Krise, sondern vielmehr ihr Effekt, gab Krainer zu bedenken.

 

Für SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach stand außer Frage, dass es auf europäischer Ebene Prioritäten zu setzen gelte, um den großen Herausforderungen adäquat begegnen zu können. Hierzu bedürfe es aber auch der entsprechenden finanziellen Mittel. Besonderes Augenmerk gelte es außerdem darauf zu legen, dass die europäischen Institutionen entsprechenden Bezug zu den BürgerInnen, die sie vertreten, behielten.

 

Für V-Klubobmann Karlheinz Kopf stand fest, dass man derzeit eine Phase der Transformation der europäischen Institutionen durchlebe, die eine verstärkte Demokratisierung mit sich bringe. Die Aufwertung der nationalen Parlamente durch den Vertrag von Lissabon und die Umsetzung der Möglichkeit der Europäischen Bürgerinitiative hielt der Mandatar dabei für wesentliche Schritte, um das Vertrauen der Bevölkerung in das Friedensprojekt Europa sicherzustellen. Kopf plädierte außerdem für eine kohärente europäische Wirtschaftspolitik und strengere Regelungen betreffend Budgetdisziplin. Die Schwierigkeiten, vor denen man heute stehe, resultierten schließlich vor allem aus der Schuldenkrise vieler europäischer Staaten. Der Implementierung einer Finanztransaktionssteuer und einer Europäischen Rating Agentur könne auch seine Fraktion einiges abgewinnen: Kritisch wolle man sich allerdings zur geplanten Kürzung des Gemeinsamen Agrarbudgets äußern, die Österreich mit aller Kraft zu verhindern versuche – eine Position, die auch Bundesrat Georg Keuschnigg (V) bekräftigte.

 

V-Mandatar Wolfgang Schüssel nahm in seiner Wortmeldung auf die Griechenlandkrise Bezug und schlug vor, dem südosteuropäischen Staat nicht nur durch finanzielle Mittel, sondern auch durch Know-how-Transfer zur Seite zu stehen. Schließlich verfügten einige Länder über einen großen Erfahrungsschatz betreffend die Durchführung von Privatisierungen, die auch Griechenland durchzuführen haben werde. Know-how gelte es aber auch in die Staaten Nordafrikas zu exportieren, stellte Schüssel fest, der für eine diesbezügliche europäische Initiative warb. Was die Erweiterungspolitik anbelangt, zeigte sich der V-Abgeordnete überzeugt, dass die Aufnahme Kroatiens und der Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Serbien wichtige Eckpfeiler markierten. Europapolitik brauche Optimismus, merkte Schüssel abschließend an: Deshalb habe man auch Beethovens "Ode an die Freude" und nicht dessen "Wut über den verlorenen Groschen" zur EU-Hymne erkoren.

 

Auch ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas plädierte für die Bejahung des europäischen Projekts. Ihm zufolge brauche es kein Entweder-Oder und kein Ausspielen von Gewinnern und Verlierern, sondern Einigkeit und ein neues Zusammenspiel der Institutionen. Deshalb gelte es, das Wir gegenüber dem Ich zu stärken, stellte Karas fest. Nur so könne man auf die Herausforderungen einer globalisierten Welt reagieren, schloss er.

 

F-Klubobmann Heinz-Christian Strache hielt den Weg, den die Europäische Union als Friedensprojekt eingeschlagen hat, für durchaus anerkennenswert. Allerdings nehme seine Fraktion auch Entwicklungen wahr, die durchaus kritisch zu bewerten seien: So orte man etwa eine verstärkte Tendenz zu zentralistischem Handeln und einen Mangel an verbindlichen direkt-demokratischen Instrumenten. Die angestrebte Europäische Bürgerinitiative sei schließlich hinsichtlich ihrer Wirkung kaum anders zu bewerten als ein österreichisches Volksbegehren. Des Weiteren beanstandete Strache, dass sich die Europäische Union zunehmend von ihren ursprünglichen Zielen entferne. Es sei deshalb auch möglich geworden, Steuergelder an marode Staaten wie Griechenland zu transferieren. Dieses Land hätte aber angesichts offenkundiger Budgetfälschungen niemals in die Eurozone aufgenommen werden dürfen, erläuterte der F-Klubobmann, der bei dieser Gelegenheit für ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten" warb. Schließlich sei die "zwanghafte Gleichschaltung" der Staaten der Eurozone für die produktiven Volkswirtschaften problematisch. Es gelte also dringend einen Systemwechsel vorzunehmen. Eine europäische Wirtschaftsregierung zu implementieren, hielt der F-Klubobmann dabei für verfehlt, denn dies bedeute einen "Anschlag" auf die Budgethoheit der Mitgliedsstaaten. Positiv äußerte er sich hingegen zur Verankerung einer Finanztransaktionssteuer und der Einrichtung einer Europäischen Rating Agentur.

 

Auch sein Fraktionskollege Abgeordneter Johannes Hübner übte scharfe Kritik an der auf EU-Ebene zu beobachtenden Zentralisierung: Sie sei nicht im Sinne der BürgerInnen und löse auch nicht, wie stetig postuliert werde, die Probleme, die mit der Finanzkrise einhergingen. Wozu es führe, wenn die Europäische Union einen Politikbereich zentral zu steuern versuche, illustriere schließlich die erfolglose Geschichte des Agrarsektors. Der "Schwärmerei" über den Vertrag von Lissabon wolle er sich, so Hübner, nicht anschließen. Schließlich hätten die nationalen Parlamente dadurch keine Mitwirkungsrechte im eigentlichen Sinn erhalten: Man könne sich zwar mitteilen, doch nicht mitbestimmen. Was seine Fraktion außerdem "schmerzlich vermisse", seien Regelungen betreffend die Sanktionierung des Missbrauchs öffentlicher Gelder. Es mag folgerichtig sein, dass Buzek vor dem Hintergrund seiner Erfahrung mit dem kommunistischen Regime zum EU-Enthusiasten geworden ist, doch gelte es zu bedenken, dass Österreich angesichts seiner eigenen Entwicklung einen skeptischeren Blick auf die Situation Europas werfe. Dass die kritische Haltung der österreichischen Bevölkerung zur Europäischen Union begründet sei, merkte auch F-Mandatar Walter Rosenkranz an.

 

G-Mandatar Alexander Van der Bellen nutzte seine Wortmeldung, um auf die Sorgen seiner Fraktion betreffend der geplanten Adaptierung von Art. 136 des Vertrags von Lissabon aufmerksam zu machen. Diese lasse schließlich eine "intergouvernementale Renaissance" befürchten, die in Widerspruch zum eigentlichen Geist des Vertrags stehe. Die Grüne Fraktion werde einer solchen Änderung nicht ohne Weiteres zustimmen, kündigte Van der Bellen an: Die für die Vertragsänderung erforderliche 2/3-Mehrheit sei in Österreich deshalb nicht gegeben. Was die politischen Verflechtungen innerhalb der Europäischen Union anbelange, hätten sie mit den wirtschaftlichen nicht Schritt gehalten, konstatierte der G-Mandatar. Auf große Begeisterung seitens seiner Fraktion sei die Antrittsrede des polnischen Premiers Donald Tusk gestoßen, ließ Van der Bellen Buzek wissen – ein Befund, den auch die Grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek im Rahmen ihrer Wortmeldung hervorhob.

 

Lunacek sprach sich außerdem für häufigere Zusammentreffen von Nationalratsabgeordneten und Mitgliedern des Europaparlaments aus, denn es brauche diesen Brückenschlag, zeigte sie sich überzeugt. Ein Rückzug auf die nationale Ebene, der etwa in Hinblick auf die Diskussion über die Schengen-Grenzen manifest werde, sei schließlich nicht der richtige Weg. Was das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative anbelangt, halte sie es für ein wesentliches: Ihre InitiatorInnen sollen im Europäischen Parlament außerdem Anhörung finden, informierte Lunacek F-Klubobmann Strache.

 

Ihr Fraktionskollege Werner Kogler hielt fest, dass es letztlich um europäische Lösungen gehen müsse. Wie G-Abgeordneter Van der Bellen verwies auch er auf die Bedenken seiner Fraktion in Hinblick auf die Adaptierung von Art. 136 des Lissabon-Vertrags. Diese lasse befürchten, dass man hinter das Niveau der schon erzielten demokratischen Errungenschaften zurückfalle. Die österreichischen Grünen hätten deshalb einen Brief an die Euro-Gruppe geschickt, den Buzek jedoch nicht als Zeichen einer anti-europäischen Haltung, sondern als Ausdruck einer pro-europäischen Initiative verstehen solle.

 

B-Klubobmann Josef Bucher hielt fest, die Lebenswirklichkeit der Menschen sei häufig eine andere, als von den EU-Institutionen wahrgenommen. Die Bevölkerung fühle sich damit zunehmend missverstanden, was wiederum zur Verstärkung der Skepsis gegenüber der Europäischen Union führe. Das BZÖ stehe zum europäischen Projekt, mache aber auch auf Dinge aufmerksam, die "schief liefen", stellte Bucher fest. Dabei hinterfrage man vor allem die von Seiten der Union vorgenommene Reihung von Prioritäten. Das BZÖ fordere hier vor allem eine stärkere Konzentration auf Kernaufgaben wie die Finanzmarktpolitik, die auf Ebene der Nationalstaaten kaum reguliert werden können. Der Frage, wie es in Zukunft möglich sein solle, Wohlstandsausgleich und Schuldenkrisen zu bewältigen, gelte es sich dringend anzunehmen. Schließlich könne es nicht darauf hinauslaufen, dass die "reichen Staaten des Nordens", die "ärmeren Länder des Südens" dauerhaft finanzierten, stellte Bucher fest. Was Griechenland anbelange, glaube er nicht, dass es noch aufgefangen werden könne: Man müsse deshalb den Weg in Richtung Rückkehr in die eigenstaatliche Währung frei machen. Außerdem gelte es, ein Insolvenzrecht für Banken zu implementieren, forderte Bucher.

 

Für B-Mandatar Ewald Stadler stand fest, dass es die EU-kritischen Stimmen wahrzunehmen gelte statt in "künstliche EU-Euphorie" zu verfallen. Wenn die Union bei den BürgerInnen ankommen wolle, müsse sie sich schließlich an die großen Herausforderungen und Probleme heranwagen. Da dies nicht der Fall sei und man sogar gegebene Garantien ins Gegenteil verkehre, zweifelten die Menschen zu Recht an der Glaubwürdigkeit der Union, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt.

 

EP-Präsident Jerzy Buzek hielt fest, es gelte den Fokus auf jene Dinge zu lenken, die es gerade erforderten. Das seien die Rettungsschirme für Griechenland, Portugal und Spanien, aber auch Fragen betreffend der Vorsorge gegen weitere Finanzkrisen. Er halte eine Reform des Stabilitätspakts für dringend geboten, erklärte Buzek, es gelte schließlich aus der Vergangenheit zu lernen. Eine Automatisierung und Verschärfung der Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen diesbezügliche Auflagen sei notwendig. Die als "Six Pack" bezeichneten Legislativvorhaben, mit denen man sich derzeit auf europäischer Ebene befasse, wären dazu angetan, erklärte er.

 

Was die Griechenlandkrise anbelangt, kämen die Mittel, die man überwiesen habe, durchaus auch der griechischen Bevölkerung selbst zu Gute: Schließlich könnten ohne die nächste Tranche im Juli keine Gehälter mehr ausbezahlt werden. Griechenland müsse man aus Solidarität unterstützen, sonst wären letztlich die Spareinlagen der BürgerInnen verloren. Der Weg, den die Griechen in den kommenden eineinhalb bis zwei Jahren zu beschreiten hätten, führe durch die "Hölle", doch gebe die Entwicklung Litauens und Lettlands Hoffnung, dass es auch der südosteuropäische Staat schaffen werde.

 

In Hinblick auf die EU-Skepsis weiter Teile der Bevölkerung gab Buzek zu bedenken, dass man von den BürgerInnen nicht verlangen könne, sich vorzustellen, wie die Union in fünf bis 10 Jahren aussehen wird. Es sei vielmehr die Aufgabe der Politik, strategisch zu denken und Lösungen zu finden. Die Bedenken der Menschen gelte es dabei ernst zu nehmen, doch müsse man sich dagegen verwehren, sie einfach im Sinne des Populismus zu übernehmen. Eine neue Trennung Europas könne er aus eigener Erfahrung nicht gut heißen, schloss Buzek.