Parlament Österreich

 

 

 

IV-16 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Freitag, 21. Oktober 2011

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode               Freitag, 21. Oktober 2011

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

13078/11 CO EUR-PREP 27

Europäischer Rat (Tagung am 17./18. Oktober 2011)

- Entwurf der erläuterten Tagesordnung

(58412/EU XXIV.GP)

 

 

 

(Der für den 14. Oktober 2011 anberaumte EU-Hauptausschuss wurde auf den 21. Oktober 2011 verschoben, nachdem auch der EU-Gipfel um eine Woche - auf den 23. Oktober - später angesetzt worden war.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Finanz- und Schuldenkrise in Europa  -  Euro-Rettungsschirm

 

 

Das Ringen um eine gemeinsame Vorgangsweise innerhalb der Europäischen Union zur Bewältigung der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise, die Komplexität der damit in Zusammenhang stehenden Fragestellungen und insbesondere die Möglichkeiten, wie man das Instrument des EFSF flexibler gestalten kann, stand nach der Debatte im Plenum des Nationalrats vom 20. Oktober 2011 auch im Mittelpunkt dieses EU-Hauptausschusses. Der Ausschuss trat im Vorfeld des Europäischen Rats am 23. Oktober zusammen.

 

Welch steinigen Pfad die Verantwortlichen in der EU vor sich haben, zeigt bereits die Tatsache, dass bei diesem EU-Gipfel noch keine Beschlüsse gefasst werden und eine weitere Sitzung der Staats- und Regierungschefs/-innen in der folgenden Woche nötig ist. Bundeskanzler Werner Faymann begründete dies damit, dass für politische Entscheidungen noch rechtliche Expertisen notwendig seien, inwieweit eine größere Flexibilität des EFSF und der EZB rechtskonform gestaltet werden kann. Diese Unterlagen lägen jedoch noch nicht auf dem Tisch. Die Finanzminister/innen würden am 21. Oktober 2011 im ECOFIN darüber beraten, am Tag darauf werde der Allgemeine Rat der Außenminister/innen zusammentreten. Der Bundeskanzler begegnete damit auch dem Vorwurf der Opposition, die Regierung würde das Parlament nicht ausreichend informieren. Sobald er beschlussreife Vorlagen zur Verfügung habe, werde er diese selbstverständlich sofort an die Abgeordneten weiterleiten, sicherte er zu.

 

Bundeskanzler Faymann ließ in seinem Statement eine Präferenz für den Vorschlag Deutschlands erkennen, den EFSF wie eine Teilkaskoversicherung zu nützen. Die Unsicherheit bestehe aber darin, dass man nicht wisse, ob diese angedachte Versicherungsleistung von 20% auch funktioniert. Er erinnerte daran, dass auch die EZB-Ankäufe von Staatsanleihen Private nicht ermuntert haben, selbst zu kaufen. All diese Fragen müssten einer eingehenden Bewertung unterzogen werden. In der Diskussion selbst unterstützten seitens der Opposition vor allem die Grünen die Versicherungslösung, während FPÖ und BZÖ sich vehement dagegen aussprachen. Die Politik fange nun an, sich jener Methoden zu bedienen, die man bei Ausbruch der Krise scharf kritisiert habe, hieß es aus den Reihen von BZÖ und FPÖ.

 

FPÖ und BZÖ traten im Hinblick auf die bestehenden Unsicherheiten für eine Nachdenkpause auf europäischer Ebene ein und forderten, mittels Anträgen auf Stellungnahme von der Regierung ein Veto gegen die Ausweitung des EFSF einzulegen. Dies wurde umgehend von den anderen Parteien als ein Rückschritt zurückgewiesen, der das Problem nur verschärfen würde. Die beiden Anträge fanden daher auch nicht die erforderliche Mehrheit.

 

Ebenso wenig Erfolg hatte der Antrag auf Stellungnahme der Grünen, in dem u.a. die Einberufung eines europäischen Konvents zur Etablierung einer demokratisch legitimierten europäischen Wirtschaftsregierung, zur Einführung von Eurobonds und das Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip in Fragen der Steuerharmonisierung gefordert wird. Der Bundeskanzler warnte eindringlich davor, in der gegenwärtigen Situation vom Einstimmigkeitsprinzip in derart sensiblen Fragen abzugehen, um die Interessen Österreichs entsprechend wahrnehmen zu können. Die Notwendigkeit für die Einberufung eines Konvents sah Faymann dann, wenn man Sanktionsmöglichkeiten für jene Mitgliedsländer beschließt, die sich nicht an die vorgegebenen Regeln, insbesondere an die Maastricht-Regeln, halten. Ein derartiger Sanktionsmechanismus würde eine wesentliche Änderung der Verfassung bedeuten, erläuterte er, weshalb in diesem Falle eine Volksabstimmung durchzuführen wäre.

 

Einen breiten Raum nahm in der Diskussion auch die notwendige Rekapitalisierung der Banken ein. In einem geplanten informellen Gespräch werde darüber beraten, wie im Rahmen der EZB die Bewertung der Banken besser erfolgen könnte, informierte der Bundeskanzler. Die letzten Stresstests hätten sich als nicht aussagekräftig genug herausgestellt, denn daraus seien die Probleme der Banken, vor denen man jetzt stehe, nicht vorhersehbar gewesen. Man beabsichtige nun, die EZB zu beauftragen, einen Stresstest vorzulegen, der beantwortet, wie viel Kernkapital die einzelnen Banken benötigen. Infolgedessen werde an die Banken selbst der Auftrag ergehen, das nötige Eigenkapital aufzubauen. Mitdiskutiert werde, ob der EFSF dafür genützt werden könne, systemrelevante Banken in Ländern zu stützen, wo dies aus eigener Kraft nicht möglich ist. Ziel sei aber, dass die Banken selbst in der Lage sind, das nötige Kapital aufzubringen, sagte Faymann.

 

In Österreich stehe das Instrument des Partizipationskapitals zur Verfügung, zuvor müssen aber die Möglichkeiten ausgeschöpft werden, sich das nötige Geld auf den Kapitalmärkten zu beschaffen. Grundsätzlich zeigte der Bundeskanzler große Sympathie für die Trennung von Kerngeschäft und Investmentgeschäft in den Banken, da hier das Risiko ein unterschiedliches ist.

 

Das Ganze koste viel Geld, stellte Faymann offen klar. Die Finanztransaktionssteuer könnte daher auch als ein Finanzierungsausgleich dienen, weshalb man sie als einen Bestandteil des Ganzen sehen müsse. Er sei durchaus auch dafür, gegebenenfalls die Finanztransaktionssteuer allein in der Eurozone einzuführen. Jedenfalls sei diese Steuer als Punkt 12 in den vorbereiteten Schlussfolgerungen für den Gipfel vorgesehen, ergänzte Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger.

 

Die Grünen machten auch klar, dass ihre Zustimmung zur Etablierung des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) an Bedingungen geknüpft ist. Darin müsse auf alle Fälle eine Gläubigerbeteiligung und ein Entschuldungsverfahren enthalten sein. Die Einführung des ESM bedarf einer Vertragsänderung, die im österreichischen Parlament mit Zweidrittelmehrheit ratifiziert werden muss. Daher ist die Zustimmung von mindestens einer Oppositionspartei notwendig.

 

Der Bundeskanzler hob ferner hervor, dass die EU ihre Politik auch dahingehend ändern werde, als man mehr auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum Wert legen möchte. Bisher habe man sich allzu sehr auf die Staatsschulden konzentriert, ohne zu überlegen, wie man das Wachstum fördern könne. Auf dieses zweite Standbein werde nun mehr geachtet, indem man zielgerichtet investiert. Man werde daher auch die Regeln für die Kofinanzierung ändern, damit Länder, die die notwendigen Mittel selbst nicht aufbringen können, Mittel aus den Strukturfonds erhalten können.

 

 

 

Die Opposition zeigte sich mit den Ausführungen des Bundeskanzlers wenig zufrieden. Klubobmann Heinz-Christian Strache (F) fehlten vor allem eine klare österreichische Position und eine ausreichende Information. Dies forderten auch die Abgeordneten Alexander Van der Bellen (G) und Josef Bucher (B) ein. Dem hielt Abgeordneter Martin Bartenstein (V) entgegen, der EU-Hauptausschuss stelle ein gelungenes Format für Information und Diskussion und auch als Begleitung für EU-Gipfel dar. Bartenstein erteilte auch der Forderung von FPÖ und BZÖ nach einem Veto, wie sie dies in ihren Anträgen formuliert haben, eine klare Absage. Es wäre "gemeingefährlich" nichts zu tun und zu warten, was passiert. Das Rezept der Stunde wäre vielmehr ein großer Wurf, den die Finanzmärkte auch akzeptieren. Abgeordneter Josef Cap (S) vermisste angesichts der Kritik der Opposition konkrete Vorschläge von BZÖ und ÖVP.

 

 

 

 

Man stehe vor dem Hintergrund der Etablierung eines europäischen Bundesstaats, wodurch die EU-Mitgliedsländer ihre Budgethoheit verlieren werden, warnte Klubobmann Heinz-Christian Strache (F) in seiner Beurteilung der Lage. Auch sei die Summe von 2,5 Billionen €, die nun bei der Flexibilisierung des EFSF im Raum stehen, unvorstellbar. Wahrscheinlich müssten, wenn sie schlagend werden, die heute noch gesunden Staaten wie Österreich dafür gerade stehen. Viel eher hätte man das Geld im eigenen Land nötig. Die Einführung einer Transferunion ist seine Meinung nach unverantwortlich, die geplante Erhöhung des EFSF "gemeingefährlich". Er halte es daher für geboten, in einer solch entscheidenden Frage das Volk mit einzubeziehen.

 

Die Finanz- und Spekulationsblase könne platzen, deshalb müsse man sich nun mit allen möglichen Szenarien auseinandersetzen. Der Regierung und den anderen Verantwortlichen in der EU warf er vor, mit ihrer Politik die Krise nur noch hinauszuzögern. Die Vergangenheit habe gezeigt, wie groß die Ansteckungsgefahr durch den Rettungsschirm ist, Italien und Spanien seien bereits heftig betroffen. Er plädierte daher dafür, eine Nachdenkpause einzulegen mit dem Ziel, eine harte Nordwährung und eine weiche Südwährung einzuführen.

 

In die gleiche Kerbe schlug sein Fraktionskollege Abgeordneter Johannes Hübner. Auch er sprach sich gegen eine zentrale europäische Wirtschaftsregierung aus und bewertete die Versicherungslösung für den EFSF als ein unzumutbares Risiko. Deshalb müsse Österreich gegen all diese Pläne ein Veto einlegen.

 

Demgegenüber forcierte Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) die von Deutschland vorgeschlagene Versicherungslösung. Sie sei der von Frankreich ins Spiel gebrachten Banklizenz für den EFSF vorzuziehen, eine solche Lösung ist laut Van der Bellen auch nicht vertragskonform. Die Versicherungsvariante bringt ihm zufolge keine höheres Risiko und stelle auch keine Hebelwirkung dar.

 

Grundsätzlich erachtet die grüne Fraktion eine Vertragsänderung für unumgänglich, um eine europäische Wirtschaftsregierung unter parlamentarischer Mitentscheidung und Kontrolle einzuführen. Er wurde in dieser Auffassung auch von EU-Abgeordneter Ulrike Lunacek (G) unterstützt, indem sie eindringlich für eine stärkere Handlungsfähigkeit der EU, unter anderem auch durch Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips, warb.

 

Eine demokratisch legitimierte Wirtschaftsregierung wäre vor allem für kleinere Staaten ein Souveränitätsgewinn, zeigte sie sich überzeugt. Dafür erntete sie Widerspruch bei den anderen Fraktionen, insbesondere auch seitens des Bundeskanzlers, der meinte, in der jetzigen Situation brauche man das Einstimmigkeitsprinzip in derartigen Fragen zur Wahrung der eigenen Interessen. Ähnlich sah dies Abgeordneter Josef Cap (S) im Hinblick auf die Souveränität kleiner Länder. Abgeordneter Werner Kogler (G) wiederum argumentierte, die Instrumente zur Bewältigung der Krise und zur Zurückdrängung der Finanz- und Wirtschaftsexzesse könnten nur transnational funktionieren, und das sei ein Souveränitätsgewinn für die Bürger/innen.

 

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) warf zur Frage der europäischen Wirtschaftsregierung ein, es gehe um eine sinnvolle Kontrolle und um Sanktionsmechanismen gegen jene, die sich nicht an die Regeln halten. Eine starke europäische Wirtschaftsregierung könne nicht dazu führen, dass einzelne große Staaten dann das Sagen haben, warf Klubobmann Josef Cap (S) in diesen Teil der Diskussion ein.

 

Abgeordneter Werner Kogler (G) unterstrich seinerseits die Forderung der Grünen nach Einführung der Euro-Bonds und meinte, die Finanztransaktionssteuer sollte schon 2014 eingeführt werden.

 

In der Frage eines sogenannten Haircuts für Griechenland befürchtete Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) einen Teufelskreis. Systemrelevante Banken müssten sich rekapitalisieren, wobei zu bedenken sei, dass das angesichts des Zustands der Börsen schwierig sein werde. Die Staaten selbst verfügten nicht über das dafür notwendige Geld, was wiederum dazu führen könnte, dass die Papiere der Staaten unter Druck geraten, die Konsequenz sei ein neuer Druck auf die Rekapitalisierung der Banken. Er stellte daher die Frage in den Raum, warum man nicht schon längst die rechtskonforme Möglichkeit genützt hat, über den EFSF und die EZB laufend griechische Papiere zu kaufen. Damit hätte man automatisch einen Schuldenerlass von rund 20% herbeigeführt.

 

Die freiwillige Privatbeteiligung etwa bei der Lösung der Probleme in Griechenland setzt voraus, dass dies auch funktioniert, erwiderte Bundeskanzler Werner Faymann. Er unterstütze derartige Bemühungen, in Verhandlungen mit dem Bankenverband habe sich aber gezeigt, dass man zusätzliche Haftungen benötige. Geht man bei den Maßnahmen von der Freiwilligkeit weg, so bedeutet das eine Insolvenz des Staates, und diese Entscheidung hänge dann nicht mehr von einem politischen Beschluss, sondern von den Ratingagenturen ab, sagte Faymann, der damit die Schwierigkeit der diesbezüglichen Verhandlungen untermauerte.

 

Griechenland sei ein Fall, der speziell zu behandeln ist, stellte Abgeordneter Josef Bucher (B) fest. Damit das Land den Weg der Selbständigkeit beschreiten könne, halte er einen Schuldenerlass für notwendig. Das BZÖ habe nie davon gesprochen, Griechenland in die Insolvenz zu schicken, stellte er klar, vielmehr erwarte er sich vom Gipfel die Auslotung, welche Regelungen man für einen Schuldenerlass in die Wege leiten könne.

 

Unverständlich ist für den BZÖ-Klubobmann, dass man nach drei Jahren der Krise es nicht geschafft hat, das Bankensystem zu regulieren. Bis in die achtziger Jahre hätte es eine Trennung der Banken in Kommerzbanken und Investmentbanken gegeben, erst dann sei man in Richtung Konzernsysteme gegangen. Bei der Rekapitalisierung der Banken müsse man daher genau abwägen, welche Banken Geld erhalten. Kein Geld dürfe es jedenfalls für Investmentbanken geben, die Bucher als "Spielbanken" titulierte. Bucher sprach sich dezidiert dafür aus, diese Trennung wieder herbeizuführen und unterstützte die Forderung nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

 

Den Überlegungen nach einem Hebel im Rahmen des EFSF erteilte Bucher eine klare Absage. Die Staaten bedienten sich einer Methode, die die Krise herbeigeführt habe. Um neues Geld zu drucken, sei der Politik offensichtlich jedes Mittel recht, sagte er. Die Europäische Union befinde sich derzeit in einer Situation, wo keiner weiß, was man will, weshalb man dringend eine Nachdenkphase benötige. Es habe keinen Sinn, weiterhin Geld in ein Fass ohne Boden zu pumpen, das keine Wirkung hat.

 

Als eine interessante Variante, wodurch man eine Hebelwirkung erzielen könnte, bezeichnete Abgeordneter Reinhold Lopatka (V) die Idee der Versicherungsvariante für den EFSF. Damit könnte man den Haftungsrahmen besser als bisher nützen, ohne ihn auszuweiten.

 

Lopatka machte sich auch für die Heranziehung des Partizipationskapitals zur Rekapitalisierung der österreichischen Banken stark. Das wurde auch von seinem Fraktionskollegen Martin Bartenstein unterstützt. Die Banken seien im Interesse ihrer Kunden/-innen abzusichern, weshalb die Rekapitalisierung vorgezogen werden müsse. Für das Partizipationskapital stünden noch rund 6 Mrd. € zur Verfügung, um die Banken mit 9% Kernkapital auszustatten, würde man 3 bis 5 Mrd. € benötigen, rechnete der ehemalige Wirtschaftsminister vor. Keinesfalls sei eine Verstaatlichung der richtige Weg, konstatierte Bartenstein. Sollte für die Rekapitalisierung der EFSF herangezogen werden, so müsse auf alle Fälle sichergestellt sein, dass Österreich dabei nicht auch ausländische Banken finanziert.

 

Darauf reagierte Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) mit dem Hinweis, dass die genannten 6 Mrd. € nicht nur für das Partizipationskapital reserviert seien und diese Form auch kein geeignetes Instrument darstelle, weil laut Basel III das Partizipationskapital nicht mehr angerechnet werden darf. Krainer widersprach auch der Auffassung Bartensteins, es handle sich derzeit in erster Linie um eine Staatsschuldenkrise und weniger um eine systemische Krise. Bis zum Ausbruch der Krise wären die Schulden Österreichs und vieler anderer Mitgliedsländer im Einklang mit den Maastricht-Kriterien gestanden. Durch die richtigen und wichtigen Maßnahmen zur Abfederung der Krise hätten sich die Staatschulden in Europa durchschnittlich um 20%, in Österreich um rund 15% erhöht. Die Staatsschuldenkrise sei daher eine Folge der Finanzkrise und nicht deren Ursache, sagte Krainer.

 

Er schätzte das Versicherungsmodell auch nicht so optimistisch ein wie dies Abgeordneter Van der Bellen getan hatte. Über diese Idee könne man aber am ehesten diskutieren, sagte er, man wisse jedoch nicht, wie die Märkte darauf reagieren.

 

Der wahre Konflikt stelle sich als ein Machtkonflikt zwischen Finanzmärkten und Politik dar, stellte Klubobmann Josef Cap (S) fest. Es gelte daher, den Primat der Politik wieder herzustellen und darauf zu drängen, die Finanzmärkte wieder zu regeln. Man müsse sich aus der Gefangenschaft eines selbst gebauten Wirtschafts-Lobbying-Systems wieder befreien.

 

Die Geschlossenheit der EU sei in einem weltweiten Wirtschaftssystem unbedingt erforderlich, stellte Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) fest. Die Einführung einer Schuldenbremse, wie es das österreichische Haushaltsrecht vorsieht, könne wieder zu mehr Stabilität beitragen, zeigte sie sich überzeugt. Erforderlich sei es weiters, die Realwirtschaft wieder stärker an die Finanzwirtschaft heranzuziehen, weshalb sie die Forderung nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer unterstütze. Österreich müsse sich für neue Spielregeln in der EU einsetzen, Österreich müsse sich einbringen in die EU, sagte sie, falsch wäre aber, sich aus der EU herauszulösen. Damit wären sechs von zehn Arbeitsplätzen gefährdet, da Österreich als Exportland von der EU bisher enorm profitiert habe.

 

Zum Abschluss der Debatte griff der Bundeskanzler noch einmal die Diskussion um die Vertragsänderung auf. Derzeit gebe es eine, wie er sagte, Ideensammlung, die einerseits auf Freiwilligkeit beruhe, andererseits auf Sanktionsmechanismen. Eine wichtige Lehre aus der Krise sei, dass man die Einhaltung der Regeln kontrollieren müsse. Formulierungen in Richtung Haushaltsrecht und Schuldenbremse auf freiwilliger Basis nach österreichischem Vorbild sei grundvernünftig.

 

Ebenso der Vorschlag, dass die Länder freiwillig ihre Budgets der Beurteilung der Kommission in Form von Empfehlungen unterziehen. Diese freiwilligen Schritte bräuchten keinerlei Vertragsänderungen, anders sei dies bei der Einführung von Sanktionsmechanismen, die man ohne Vertragsänderungen nicht durchführen könne. Das müsste auch in einem Referendum den Bürger/innen vorgelegt werden.

 

 

 

Außenpolitische Themen

 

Beim EU-Gipfel stehen auch außenpolitische Themen auf der Tagesordnung. Wie Vizekanzler Michael Spindelegger berichtete, werde man sich mit der neuen Lage in Libyen nach dem Tod Gaddafis auseinandersetzen. Die EU sei bereit, beim Aufbau demokratischer Strukturen mitzuhelfen, etwa bei der Ausbildung von Richter/innen, Polizeibeamte/-innen und Diplomaten/-innen.

 

Was Syrien betrifft, so überlege die EU weitere Sanktionen. Auch die Arabische Liga habe sich nun klar gegen die Vorgangsweise der syrischen Regierung positioniert und einen Fristenlauf bis zu allgemeinen Wahlen verlangt.

 

Im Hinblick auf die Gewalt gegen Kopten in Ägypten sicherte Spindelegger zu, dass Österreich, aber auch die EU insgesamt, sehr darauf achten werde, was die ägyptische Regierung dagegen unternehme. Österreich werde sich zudem auch im Menschenrechtsrat engagieren.

 

Spindelegger berichtete darüber hinaus, dass der Kandidatenstatus für Serbien realistisch sei. Dieser sei jedoch mit der Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo verknüpft. Gewalt könne nicht akzeptiert werden, stellte er fest.

 

Schließlich bewertet die EU das Strafverfahren gegen die ehemalige Premierministerin Timoschenko in der Ukraine als kein faires Verfahren. Die EU habe daher vor, das Berufungsverfahren genau zu beobachten.

 

 

 

Grüne Initiative zum Klimaschutz

 

Die Frage des Klimaschutzes war im Ausschuss nur aufgrund eines Antrags der Grünen auf Stellungnahme Thema. Sie fordern u.a. eine kollektive CO2-Reduktion von mindestens 30% bis 2020 und eine Unterstützung der Entwicklungsländer bei Klimaschutzmaßnahmen. Atomkraft und andere Risikotechnologien dürften nicht als Klimaschutzmaßnahmen anerkannt werden. Dieser Antrag auf Stellungnahme blieb jedoch in der Minderheit.

(Schluss)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner und weiterer Abgeordneter

 

 

betreffend die Verhinderung einer europäischen Transferunion & Ablehnung einer Europäischen Wirtschaftsregierung

 

eingebracht in der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 21. Oktober 2011

 

 

 

Vor dem Hintergrund der Finanzkrisen und drohenden Staatspleiten in Griechenland, Irland und Portugal, und künftig vielleicht auch in Italien und Spanien, hat die politische Führung der Europäischen Union vor etwa eineinhalb Jahren zunächst ein Griechenland-Rettungspaket und in weiterer Folge den ersten Euro-Rettungsschirm, der eigentlich den sperrigen Namen „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“ (EFSF) trägt, beschlossen.

 

Beide Maßnahmen, die rund 750 Milliarden Euro an Bürgschaften und tatsächlich gezahlten Steuermilliarden ausmachten, werden zu Recht von zahlreichen Experten zum einen als rechtswidrig, zum anderen auch in der Sache als grundlegend falsch erachtet. Der damals beschlossene Euro-Rettungsschirm, der nur befristet bis 2012 geplant ist, wurde mittlerweile schon einmal erhöht, und soll durch sogenannte „Hebelungen“ auf bis zu 2000 Milliarden Euro weiter erhöht werden.

 

Dennoch hat sich zu allem Überdruss aufgrund der nicht enden wollenden Malversationen in Ländern wie Irland oder Portugal, aber auch Italien und vermutlich auch Frankreich, der erste, provisorische Rettungsschirm als nicht ausreichend erwiesen.

 

Daher hat man auf europäischer Ebene festgelegt, einen dauerhaften Euro-Rettungsschirm einzurichten, genannt „Europäischer Stabilitätsmechanismus“, oder kurz „ESM“. Dazu hat man einer Reihe von Maßnahmen, genannt „Pakt für den Euro“, geplant, die den Euro angeblich stabilisieren sollen.

 

Grundlegend ist festzuhalten, dass mit der Beschlussfassung dieses Europäischen Stabilitätsmechanismus und den damit einhergehenden Maßnahmen die Europäische Union zur Transferunion wird, in der die gutwirtschaftenden Staaten wie Deutschland oder Österreich den schlecht wirtschaftenden Euro-Ländern ihre Misswirtschaft mit Milliarden-Zahlungen weiterhin ermöglichen müssen. Die  dazu beschlossenen Mechanismen zur Kontrolle der nationalen Budgets bedeuten de facto die Einführung einer zentralistischen Brüsseler Wirtschaftsregierung über die Hintertür. Unabhängige Experten kritisieren diese Vorgänge scharf.

 

Das Ende und die Auswirkungen der Milliarden-Geldspritzen für Deutschland und gleichgeltend auch für Österreich sind nicht abzuschätzen. Schon jetzt hat Österreich „echte“ Geldflüsse in der Höhenordnung von acht Milliarden Euro aus dem Steuersäckel zu bewältigen, rechnet man die Griechenlandhilfe, den ersten Euro-Rettungsschirm und den kommenden zusammen.

 

Daraus resultierend drohen also weitere gravierende finanzielle Einschnitte in das österreichische Sozial- und Pensionssystem, in den österreichischen Bildungsapparat oder in die Infrastruktur.

 

Dabei gäbe es aber Alternativen, wie es der deutsche Währungsexperte Prof. Wilhelm Hankel aufzeigt:

 

„Eine mögliche Lösung heißt: Die Währungssünder verlassen die Europäische Währungsunion (EWU) und sanieren sich selbst: Durch Umschuldung, Währungsabwertung und Neustart mit Entwicklungsoffensiven. EU und IWF können dabei helfen. Die andere – vernünftigere – Alternative wäre, die Euroländer kehren zu ihren nationalen Währungen zurück. Länder wie die Schweiz, Norwegen oder Schweden beweisen schlagend, dass sie mit eigener Währung besser fahren als alle EWU-Länder. Das Törichteste aller Totschlag-Argumente lautet: Die daraus folgende Aufwertung von D-Mark, Schilling, Gulden usw. würde diesen Ländern schaden. Das Gegenteil ist richtig: Sie würde den Wert der Währung steigern, die Zinsen senken und den Binnenmarkt beleben.“

 

Als besorgter Bürger darf man sich daher berechtigt die Frage stellen, warum SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann gemeinsam mit seinen europäischen Kollegen so stur an den hunderte Milliarden teuren Rettungsschirmen festhält, anstatt von Experten vorgeschlagene Maßnahmen zu erwägen, die sicher auch schmerzhaft sein mögen, jedoch zumindest im Risiko kalkulierbarer wären.

 

Dazu kommt, dass die Einführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus einer grundlegenden Änderung des EU-Rechts bedarf. SPÖ-Kanzler Faymann, der bekanntlich vor der letzten Wahl das Versprechen abgegeben hat, sämtliche grundlegende Änderungen des EU-Rechtes in Österreich einer Volksabstimmung zu unterziehen, hat dieses Versprechen bereits gebrochen, indem er angekündigt hat, dass der ESM nur im Nationalrat beschlossen werden soll – ohne den Volkswillen zu berücksichtigen.

 

 

Aufgrund der genannten Umstände stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, auf europäischer Ebene – insbesondere auf dem Europäischen Rat am 23. Oktober 2011 2011 – angesichts der bevorstehenden extremen Ausweitung der EFSF-Haftungen (Hebelung um bis zu 400%) die Zustimmung zum EFSF zurückzuziehen beziehungsweise ein Veto gegen alle diesbezüglichen Beschlüsse einzulegen.

 

Desweiteren wird die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich eine Volksabstimmung beziehungsweise eine verbindliche Volksbefragung über die weitere Teilnahme Österreichs am „Euro-Rettungsschirm“ abzuhalten“.

 

Wien, am 21. Oktober 2011

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

 

der Abgeordneten Van der Bellen, Kogler, Brunner

 

betreffend Europäischer Rat (Tagung am 23. Oktober 2011) - Entwurf einer erläuterten Tagesordnung (58412/EU XXIV.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 21.10.2011.

 

 

 

Infolge des Treffens von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am 9. Oktober 2011 hat der Präsident des Europäischen Rates, Hermann Van Rompuy, den ursprünglich für 17. und 18. Oktober geplanten Europäischen Rat um eine Woche auf Sonntag 23. Oktober verschoben. Merkel und Sarkozy hatten nämlich angekündigt, bis Ende Oktober 2011 ein "Gesamtpaket" zur Lösung der Euro-Schuldenkrise und zur Stützung von Europas Banken vorzulegen. Um die Situation in Griechenland in den Griff zu bekommen, die Banken zu rekapitalisieren und die Effizienz der Stabilisierungsinstrumente (EFSF) zu steigern, werden weitere Informationen benötigt, so der EU-Ratspräsident.

 

Diese weiteren Informationen werden jetzt offensichtlich hinter verschlossenen Türen zwischen den EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht. Neben einer tragfähigen Lösung für Griechenland, bei der in den Medien über einen Schuldenschnitt von bis zu 80 Prozent die Rede ist, sollen Banken rekapitalisiert werden, um so auf die bevorstehende Insolvenz Griechenlands vorbereitet zu sein. Im Zusammenhang mit der Rekapitalisierung der Banken dürfen die Fehler der Bankenrettung von 2008 nicht wiederholt werden. Damals wurde auf klare europäische Vorgaben für öffentliche Bankenhilfe, u.a. mittels direkter Beteiligung am Grundkapital der Banken, verzichtet oder vergessen.

 

Außerdem soll eine Entscheidung über den effektiven Einsatz des Euro-Rettungsschirms EFSF getroffen werden. Die Rede ist von einem Hebel für die EFSF, durch den de facto auf den Finanzmärkten ein Vielfaches ihrer durch die Mitgliedstaaten besicherten Mittel wirksam werden kann. Offen ist nach wie vor, wie der EFSF-Vertrag nach dem letzten Gipfelbeschluss im Juli und nach Aufstockung des EFSF-Kapitals durch alle 17 Mitgliedstaaten geändert wird. Die Kommission schlägt darüber hinaus vor, dass der ESM, dessen Vertrag derzeit in Teilen neu verhandelt wird, früher als bislang geplant in Kraft treten soll.

 

An einem Europäischen Konvent führt kein Weg vorbei

 

Angesichts der schwerwiegenden wirtschaftlichen Probleme in Europa und der bisher fehlgeschlagenen Lösungsversuche bedarf es eines Perspektivenwechsels auf europäischer Ebene, der die Schaffung einer demokratisch-ökologisch-sozial verantwortlichen

Wirtschafts-, Währungs- und Fiskalunion zum Ziel hat. Da die bisherigen Rettungsmaßnahmen auf EU-Ebene durchsetzt mit Fehlern und geprägt von einer zögerlichen Haltung der Staats- und Regierungschefs waren, ist nun entschlossenes Handeln gefordert.

 

Mittlerweile erachten, von der EK-Vizepräsidentin Viviane Reding bis zum deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, führende PolitikerInnen in Europa eine Vertragsänderung zur Vertiefung der wirtschaftspolitischen Integration Europas für notwendig. Das ständige Hinterherlaufen von einem Krisenschauplatz zum nächsten muss genauso beendet werden wie die Intransparenz der Entscheidungen und ihre mangelnde demokratische Legitimierung. Undurchsichtige, zum Teil abenteuerliche, Konstruktionen außerhalb der EU-Verträge können nicht weiter mit Alternativlosigkeit argumentiert werden. Nun führt kein Weg mehr an einem Europäischen Konvent vorbei, der die Lehren aus der Krise zieht und auf breiter demokratischer Basis Lösungsvorschläge hin zu einer stärkeren wirtschaftlichen Integration erarbeitet. Darin müssen die Weichen dahingehend gestellt werden, dass u.a. europäische Anleihen, eine demokratisch legitimierte Europäische Wirtschaftsregierung, parlamentarische Mitentscheidung und Kontrolle europäischen Regierens sowie ein Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit in Steuerfragen möglich werden.

 

 

In diesem Sinne stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

Der Bundeskanzler bzw. das zuständige Mitglied der Bundesregierung wird aufgefordert, folgende Vorschläge auf europäischer Ebene, insbesondere am Europäischen Rat am 23. Oktober 2011, einzubringen und sich für gemeinsame europäische Wege zur raschen Umsetzung derselben einzusetzen:

 

·         Initiative für die Einberufung eines Europäischen Konvents zur Etablierung einer demokratisch legitimierten europäischen Wirtschaftsregierung unter parlamentarischer Mitentscheidung und Kontrolle.

·         Einführung von Euro-Bonds entsprechend dem Vorschlag des Präsidenten der Eurogruppe Jean-Claude Juncker.

·         Die rasche und ernsthafte Vorbereitung eines geordneten Ent- bzw. Umschuldungsverfahrens für Staaten (unter Beteiligung privater Gläubiger). Dazu gehört auch die Frage, wer für welche Rekapitalisierung transnationaler Banken zuständig sein wird.

·         Die ehestmögliche Einführung einer Finanztransaktionssteuer

·         Der Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit in Fragen der Steuerharmonisierung.

·         Die europaweite Harmonisierung der Bemessungsgrundlage und des Satzes der Körperschaftsteuer.

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e B-VG

 

 

der Abgeordneten Brunner, Kogler und Van der Bellen

 

betreffend Europäischer Rat (Tagung am 23. Oktober 2011) - Entwurf einer erläuterten Tagesordnung (58412/EU XXIV.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 21.10.2011.

 

 

 

Die voranschreitende globale Erwärmung ist die größte Bedrohung des 21. Jahrhunderts. Das Zeitfenster, in dem unser Handeln die Klimakatastrophe noch aufhalten kann, schließt sich schnell. Spätestens 2015, so die Berechnungen des Weltklimarats (IPCC), müssen die weltweiten klimaschädlichen Emissionen absinken und so rasch wie möglich auf null gebracht werden. Nur so kann die Erderwärmung auf die gerade noch für unser Ökosystem verträglichen zwei Grad Celsius begrenzt werden.

 

Vom 28. November bis zum 9. Dezember 2011 findet die UN-Klimakonferenz in Durban (Südafrika) statt. Es ist die 17. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP 17) und die 7. Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-Protokolls (CMP 7).

 

Nachdem die Konferenzen von Kopenhagen (COP 15) und Cancun (COP 16) keine erhoffte Einigung über ein verbindliches globales Klimaabkommen erbracht haben, kommt, angesichts des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls, dieser Konferenz eine entscheidende Rolle zu. In Durban muss die Verlängerung des Kyoto-Protokolls, sowie eine Weichenstellung für die rechtsverbindliche Einbeziehung der übrigen Industrie- und Schwellenländer erreicht werden. Eine weitere zentrale Frage für Durban ist ein Szenario für den schrittweisen Ausbau der Klimafinanzierung für Entwicklungsländer nach 2012.

Andernfalls droht der gesamte internationale Verhandlungsprozess zu kollabieren.

 

Die Europäische Union hat bei ihrem Umweltministerrat am 10. Oktober ihre Verhandlungsposition für Durban festgelegt. Die EU bekennt sich klar zu einer zweiten Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll. Dies ist ein wichtiges Signal für die Verhandlungen in Durban. Das Weiterführen der Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls alleine reicht aber keinesfalls, um den Klimawandel zu bekämpfen. Die EU muss jetzt endlich auch konkrete Maßnahmen beschließen und ihr CO2-Reduktionsziel auf minus 30 % bis 2020 (im Vergleich zu 1990) erhöhen. Dies wäre das zweite wichtige Signal für die Klimakonferenz Ende des Jahres.

 

Entscheidend wird überdies sein, dass in Durban die berüchtigten Schlupflöcher im Kyoto-Protokoll durch überschüssige Emissionseinheiten aus dem Zusammenbruch der osteuropäischen Volkswirtschaften ("heiße Luft") und kreative Waldnutzungsanrechnung ("Landuse, landuse change, and forestry" - LULUCF) geschlossen werden. Hier ist vor allem Österreich aufgefordert, sich zu bewegen. In der Vergangenheit hat sich die Bundesregierung vor allem in der Frage der Treibhausgasbuchhaltung bei der Waldnutzung als Blockierer einer guten Lösung hervorgetan.

 

Wir erwarten, dass die Bundesregierung mit dem Ziel nach Durban fährt, den afrikanischen Klimagipfel zu einem Meilenstein und Wendepunkt im Kampf gegen den Klimawandel zu machen. Ihr Beitrag, die Zukunft eines umweltpolitisch integren Kyoto-Protokolls zu sichern, kann zugleich den Weg zu einem umfassenden Abkommen mit den Schwellenländern für 2015 freimachen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art 23e B-VG

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, werden aufgefordert, sich beim Europäischen Rat am 23. Oktober sowie bei weiteren Positionsbestimmungen der Europäischen Union im Vorfeld und während der Klimakonferenz von Durban für folgende Position einzusetzen:

 

 

·         Auf Basis der aktuellen Reduktionsempfehlungen des Weltklimarats verpflichtet sich die Europäische Union zu einer kollektiven CO2-Reduktion von mindestens 30% bis 2020 (Basisjahr 1990).

 

·         Als Scheitelpunkt (peak year) der Emissionen ist das Jahr 2015 verbindlich festzulegen.

 

·         Ein Review-Prozess soll zwischen 2013 und 2015 die Lücke zwischen den derzeitigen Reduktionszielen ("pledges") und der zur Erreichung des Zwei-Grad-Limits notwendigen Reduktion identifizieren, um diese dann zu schließen.

 

·         Die Industrienationen als Hauptverursacher der globalen Erwärmung müssen zur Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern 110 Mrd. Euro pro Jahr ab 2020 bereitstellen. Die EU hat sich in Kopenhagen und in Cancun zu einer "fast-start" Finanzierung für Entwicklungsländer von 2,4 Mrd. Euro für die Jahre 2010-2012 verpflichtet. Die Bereitstellung dieser Finanzierung ist neu und zusätzlich zu bestehenden Entwicklungshilfegeldern (ODAs) zu gewährleisten.

 

·         Atomkraft und andere Risikotechnologien (wie CO2-Abscheidung und -lagerung) werden weiterhin nicht als Klimaschutzmaßnahmen anerkannt.

 

·         Die innerhalb der EU nicht konsumierten Emmissionszertifikate ("heiße Luft") sollen für weitere Verpflichtungsperioden ab 2013 nicht mehr zur Verfügung stehen.

 

·         Für die Bilanzierungsmethode von Emissionsbudgets unter LULUCF-Regeln ist der Ist-Zustand der Wälder bzw. ein "net-net accounting" als Berechnungsgrundlage zu wählen.

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

Folgender Antrag des BZÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

 

des Abgeordneten Josef Bucher

 

betreffend Veto jetzt, Herr Bundeskanzler!

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 21. Oktober 2011

 

 

 

Der Finanzsprecher der SPÖ, Kai Jan Krainer, ist – laut einem Zeitungsartikel der Tageszeitung „Kurier“ – im Besitz eines so genannten „non-papers“ über die Pläne der Kommission für den 23. Oktober 2011. Nach Kenntnis dieses Papiers spricht Krainer von einem Big-Bang-Gipfel, bei dem, so Krainer, „echte Hämmer auf uns zukommen“.

 

Einer der „Hämmer“ (© Krainer) ist offenbar die geplante Hebelung der EFSF-Mittel von 440 Mrd. Euro auf 2.500 Mrd. Euro, d.s. 2,5 Billionen Euro. Während die Ausweitung der Haftungen auf rund 29 Mrd. Euro im Rahmen des EFSF noch vom Nationalrat beschlossen wurde, soll diese Hebelung am Parlament vorbei geschehen. Damit bestätigen sich die Befürchtungen des BZÖ, das schon im Rahmen der Beschlussfassung über die Ausweitung der EFSF-Mittel davor gewarnt hat, dass das österreichische Parlament in Hinkunft keinerlei Mitbestimmung über die Mittelverwendung haben wird.

 

Die Hebelung soll über den Ankauf von Staatsanleihen durch den EFSF erfolgen, der diese Staatsanleihen bei der EZB als Sicherheit hinterlegt und dafür die „gehebelten“ Mittel ausbezahlt bekommt. Damit kann Österreich „blühen“, dass es nicht nur die Mittel und Haftungen für den Rettungsschirm beisteuern muss, sondern auch über die Nachschusspflicht zum Grundkapital der EZB ein zweites Mal in fünffacher Höhe zur Kassa gebeten werden kann. Ganz abgesehen davon, dass diese Art der Geldschöpfung über kurz oder lang in Form von Inflation von den Österreicherinnen und Österreichern getragen werden muss.

 

Ein weiterer „Hammer“ (© Krainer) sind geplante Durchgriffsrechte auf die nationale Budgetgestaltung bis hin zur kommissarischen Zwangsverwaltung eines Landes.

 

Wenig verwunderlich, dass der Finanzsprecher der SPÖ, Kai Jan Krainer, nunmehr ebenfalls zur Überzeugung gelangt ist, dass eine Volksabstimmung – so wie schon vom BZÖ seit längerem gefordert – notwendig ist.

 

Interessant ist auch, dass offenbar ein weiterer Hammer (© Krainer), nämlich ein Schuldenschnitt für Griechenland in der Höhe von 40 bis 60 Prozent, geplant ist. Wobei den Schuldennachlass nur jene Gläubiger leisten sollen, die tatsächlich auf griechischen Staatsanleihen sitzen. In erster Linie sind das Banken und die EZB. Dabei zeichnet sich schon zum heutigen Zeitpunkt ab, dass die heimischen Banken einen derartigen Schuldenschnitt nur mit staatlicher Hilfe überstehen werden.

 

Die Erste Group hat vor einigen Tagen der Öffentlichkeit offenbart, dass sie Verluste von 700 bis 800 Mio. Euro schreiben wird, auch die Österreichische Volksbanken AG hat bereits Verluste angekündigt. Einer Studie der Großbank Credit Suisse zufolge werden auch die Raiffeisen Bank International und die BAWAG frisches Kapital benötigen. Insgesamt wird ein Betrag von 4 Mrd. Euro erwartet, wobei sich die Erste mit 1,3 und die Raiffeisen Bank International mit 1,2 Mrd. Euro voraussichtlich zu Buche schlagen werden.

 

Es stellt sich die Frage, ob die Republik diesmal den Banken nicht in Form direkter Beteiligungen helfen soll. Dies umso mehr, als einzelne Banker bereits heute ankündigen, dass sie, um die höhere Kapitalquote zu erreichen, das Geschäft reduzieren, d. h. weniger Kredite an die Wirtschaft vergeben wollen. Diesem Erpressungsversuch gilt es seitens der Politik jedenfalls entschieden entgegenzutreten.

 

Insgesamt zeigt sich ein Bild, das fatal an die Ballade vom Zauberlehrling erinnert. „Die Geister, die man rief, man wird sie nicht mehr los.“

 

Dazu kommt noch der unerträgliche Zustand, dass offenbar die deutsche Bundeskanzlerin Merkel und der französische Ministerpräsident Sarkozy im Vorfeld der Verhandlungen in bilateralen Besprechungen – hinter dem Rücken der übrigen EU-Staaten – festlegen, was beim eigentlichen Gipfel nur mehr durchgewunken wird. Es bestimmen zwei und zahlen dürfen alle!

 

Im Interesse Österreichs wäre es allerhöchste Zeit die Notbremse zu ziehen und mit einem Veto beim EU-Gipfel am 23. Oktober 2011 für eine Nachdenkpause in der Eurozone zu sorgen. Sonst setzt die Bundesregierung die Zukunft unseres Landes und das Vermögen der Steuerzahler aufs Spiel und es droht eine gewaltige Belastungswelle für die nächsten Generationen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

 

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

 

 „Der Bundeskanzler wird aufgefordert, sich beim Europäischen Rat am 23. Oktober 2011 endlich schützend vor die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher zu stellen und gegen weitere finanzielle Belastungen oder zusätzliche Haftungen Österreichs zur finanziellen Unterstützung anderer Euro-Länder, Rettungsschirme oder ausländischer Banken sein Veto einzulegen.“

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

Wien, 21. Oktober 2011