Parlament Österreich

 

 

 

IV-18 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Freitag, 27. Jänner 2012

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode               Freitag, 27. Jänner 2012

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

1.    EUCO 6/12

Informal meeting of members of the European Council

(69686/EU XXIV.GP)

 

 

2.    Delegation von Aufgaben und Kompetenzen an den Ständigen Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Differenzen zwischen Regierung und Opposition in Bezug auf den vorliegenden Vertrag zu einem Fiskalpakt mit dem Ziel der Einhaltung der Budgetdisziplin durch die EU-Staaten wurden im EU-Hauptausschuss des Nationalrats vom 27. Jänner 2012 einmal mehr deutlich, wobei die Ablehnung des Vertrages durch FPÖ, Grüne und BZÖ unterschiedlich argumentiert wurde. Die Grünen führten insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken ins Treffen, da der Vertrag außerhalb des EU-Rahmens ohne Einbeziehung der Parlamente geschlossen wird. Seitens der Regierung wurde betont, dieser Weg sei deshalb gewählt worden, weil Großbritannien nicht mitmache und man nicht weiter warten könne und wolle. Das BZÖ warf der Regierung dezidiert Verfassungsbruch vor und die FPÖ sah den Grund für die hohe Arbeitslosigkeit in Europa vor allem in den hohen Zuwanderungsraten. Sämtliche Anträge der Opposition wurden mehrheitlich abgelehnt.

 

Der EU-Hauptausschuss trat im Vorfeld des informellen Europäischen Rats am 30. Jänner zusammen.

 

 

 

Wie Außenminister Michael Spindelegger darlegte, ist vorrangiges Ziel des Vertrags, die Länder zu mehr Budgetdisziplin anzuhalten und ein ausgeglichenes Budget zu erreichen. Dafür seien klare Kriterien für einen Anpassungspfad festgelegt. Der Vertragstext beinhalte weiters eine verpflichtende Schuldenbremse, automatische Korrekturmechanismen für Länder, die den Anpassungspfad verloren haben, und die Verpflichtung zu einem konsequenten Schuldenabbau, um die Gesamtverschuldung auf das Maastricht-Kriterium von 60% zu reduzieren. Im Hinblick auf spürbare Konsequenzen soll der EuGH als Schiedsgericht fungieren, erläuterte Spindelegger. Die EU wolle auch einen Grundstein für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik schaffen.

 

Der Pakt soll mit 1. Jänner 2013 in Kraft treten, offen sei jedoch noch die Frage des Ratifikationsverfahrens. Darüber hinaus sei man sich noch uneinig darüber, ob es nur für das Defizitverfahren, also die Einhaltung von 3% Neuverschuldung, oder auch bei der Nichteinhaltung der Gesamtverschuldung von 60% Sanktionsmechanismen gelten soll. Diskutiert werde ferner, ob nur die Euro-Länder an den Sitzungen teilnehmen sollen oder sämtliche EU-Mitglieder.

 

Laut vorliegendem Text soll die Schuldenbremse sowohl bindenden als auch permanenten Charakter haben, ergänzte Bundeskanzler Werner Faymann, und sollte vorzugsweise in der Verfassung verankert sein. Diese Formulierung habe man deshalb gewählt, weil einige Länder Schwierigkeiten haben, eine solche Bestimmung in die Verfassung zu schreiben.

 

Der Bundeskanzler thematisierte den permanenten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und vertrat dabei die Auffassung, dass ein Schutzschirm von mehr als 500 Mrd. € eine bessere Präventivwirkung gegen Spekulanten haben würde. Er trete daher dafür ein, über Kombinationen nachzudenken, um den Betrag auf 750 Mrd. € zu erhöhen. Auch wenn Griechenland nicht auf der offiziellen Tagesordnung stehe, werde es Gespräche darüber geben, weil bis März entschieden werden müsse, ob dem Land neuerlich Mittel zuerkannt werden. Dabei habe man auch die Realisierbarkeit eines Schuldenschnitts zu berücksichtigen.

 

Das informelle Treffen werde sich auch mit Wachstumsmaßnahmen auseinandersetzen, erläuterte Faymann, und machte sich einmal mehr für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer als gerechten Beitrag des Finanzmarktes stark. Wichtig sei vor allem, Maßnahmen zur Beschäftigung zu setzen, betonte der Bundeskanzler und informierte die Abgeordneten, dass er aufgefordert sei, zum Thema Jugendarbeitslosigkeit zu sprechen, zumal hier Österreich einen erfolgreichen Weg gehe. Er könne sich vorstellen, noch nicht ausgeschöpfte Mittel aus dem europäischen Sozialfonds in der Höhe von 10 Mrd. € im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit einzusetzen, wobei man hier die Kofinanzierungsbedingungen ändern müsse, weil sich gerade Länder mit hohen Arbeitslosenraten die Kofinanzierung nicht leisten können.

 

Die FPÖ sprach sich sowohl gegen weitere Zahlungen an Griechenland sowie gegen eine europäische Transferunion und eine europäische Wirtschaftsregierung aus. Die zwei diesbezüglichen Anträge auf Stellungnahme fanden jedoch nicht die Mehrheit der Ausschussmitglieder. Abgeordneter Johannes Hübner (F) machte sich einmal mehr für die Einführung einer Hartwährungsunion ("Euro Nord") stark und verlangte die Durchführung einer Volksabstimmung bei jeder grundlegenden Änderung der europäischen Verträge, insbesondere auch der geplanten Einführung des ESM.

 

Jean Claude Juncker habe die Katze aus dem Sack gelassen, sagte Hübner, indem er für den Verzicht eines Teils der Forderungen der Staaten an Griechenland plädiert habe. Man könne bezüglich des ESM auch nicht von einer tatsächlichen Feuermauer sprechen, wie dies der Bundeskanzler immer tue, sondern man habe es dabei lediglich mit einer Feuermauer zu tun, die die Spekulation schütze. Der F-Mandatar ortete die Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit innerhalb der EU-Staaten in den hohen Zuwanderungsraten. Nur wenn man diese einschränke, werde man auch im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit erfolgreich sein, meinte er.

 

Europa-Abgeordneter Andreas Mölzer (F) war der gleichen Ansicht, das Vertrauen der Bevölkerung in die EU schwinde ständig, merkte er an. Der Ruf nach einer "höheren Feuermauer" klinge für die Menschen nach einer gefährlichen Drohung, da sie sich fragten, was sie diese wieder kosten werde. Mölzer befürchtete, dass der EU-Ratsgipfel die tatsächlichen Probleme nicht behandeln werde. Der Fiskalpakt führe die bestehenden EU-Institution ad absurdum und zeige nur die Bedeutungslosigkeit des Vertrags von Lissabon auf, stellte er aus seiner Sicht fest.

 

Den Ausführungen von Abgeordneten Hübner widersprach Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) heftig. Je länger die Krise an der Peripherie andauere, desto stärker sei der Migrationsdruck, erwiderte er.

 

Im Hinblick auf den Fiskalpakt fand Van der Bellen äußerst kritische Worte. Bei aller Notwendigkeit, die Defizite abzubauen, werde bei einer scharfen und europaweit gleichzeitigen Konsolidierung die ohnehin schwächelnde Konjunktur vollständig abgewürgt. Die Grünen sähen die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit innerhalb der EU, konstatierte er, der vorliegende Fiskalpakt beruhe aber auf einer falschen Diagnose. Er fasse vieles zusammen, was in der EU ohnehin schon vorhanden sei, sagte der grüne Abgeordnete und äußerte vor allem große verfassungsrechtliche Bedenken. Was hier mit dem automatischen Mechanismus vorliege, sei die Unterwerfung Österreichs unter ein Schiedsgericht, was mit einer Beeinträchtigung der Budgethoheit des Nationalrats einhergehe. Hier werde ein völkerrechtlicher Vertrag außerhalb des EU-Rahmens geschlossen, der demokratische Spielregeln und jene des EU-Rechts völlig ausheble. Das Europäische Parlament werde de facto ignoriert, die Europäische Kommission zu einer Art Hilfsagentur der Räte degradiert. Den nationalen Parlamenten würden die ausgehandelten Deals ohne Alternative zur Absegnung vorgelegt.

 

Abgeordneter Van der Bellen stieß sich vor allem auch daran, dass die automatischen Konsolidierungsmechanismen an das strukturelle Defizit anknüpfen, ein statistisches Konstrukt, dessen Berechnungen je nach Methode stark schwanken. Die Grünen fordern daher die Einberufung eines europäischen Konvents zur Etablierung einer handlungsfähigen und demokratisch legitimierten europäischen Wirtschaftsregierung. Der diesbezügliche Antrag auf Stellungnahme fand jedoch ebenfalls keine ausreichende Zustimmung.

 

Die Forderung nach einem europäischen Konvent wurde von der grünen Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek unterstrichen. Es sei außerdem wichtig, weitere Staaten von der Notwendigkeit der Finanztransaktionssteuer zu überzeugen, sagte sie. 

 

Auch Europa-Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) bekräftigte die Kritik der Grünen am Fiskalpakt, der ein Demokratiedefizit aufweise, ohne etwas Neues gegenüber dem bereits zur Verfügung stehenden Instrumentarium zu bringen. Sie trat für das Recht des Präsidenten des Europäischen Parlaments ein, an den Sitzungen des Europäischen Rats teilzunehmen.

 

Abgeordneter Werner Kogler (G) ließ das Argument, der Fiskalpakt diene der Beruhigung der Märkte, nicht gelten. Bundeskanzlerin Merkel brauche ihn zur Beruhigung der deutschen Öffentlichkeit, meinte er. Falls damit aber die Einführung der Finanztransaktionssteuer beschleunigt werde, sei aus Sicht der Grünen immerhin etwas Positives entstanden.

 

Abgeordneter Stefan Petzner (B) warf der Regierung Verfassungsbruch vor, weil sie ohne verfassungsmäßige Vollmacht illegale Verhandlungen über den Fiskalpakt geführt und das Parlament falsch über die Verhandlungsrunden informiert habe. Er führte seine Vorwürfe, die sich insbesondere gegen Außenminister Michael Spindelegger richteten, noch in zwei weiteren Wortmeldungen im Detail aus. Für die Aussage, Spindelegger habe den Nationalrat eindeutig belogen, erhielt er von Ausschussobmann Fritz Neugebauer einen Ordnungsruf.

 

Petzner brachte außerdem einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem sowohl der Fiskalpakt als auch der Vertrag zur Einrichtung des europäischen Stabilitätsmechanismus strikt abgelehnt werden. Dieser Antrag blieb jedoch in der Minderheit und wurde somit abgelehnt.

 

Seitens der Regierung fand man wenig Verständnis für die Haltung der Opposition. Die SPÖ betonte in ihren Debattenbeiträgen insbesondere die Notwendigkeit einer Wachstumsstrategie und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Mit Sparmaßnahmen allein werde man die Krise nicht lösen, meinte etwa Abgeordnete Christine Muttonen (S). Es sei Tatsache, dass zur Schuldenkrise nun auch eine schwere Sozialkrise mit hoher Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern dazugekommen sei. Das bringe die Gefahr mit sich, dass eine ganze Generation die Perspektive verliert, was auch zu einer Krise der Demokratie führen könne, warnte Muttonen.

 

Sie begrüßte es daher, dass die Union nun ein umfassendes Konzept vorlege, das eine konsequente Finanzmarktregulierung sowie eine nachhaltige Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zum Inhalt hat. Es gehe darum, die soziale Säule der EU zu stärken, sagte sie und forderte eine "Europäische Jugendgarantie", wodurch kein Jugendlicher länger als 4 Monate ohne Arbeit sein soll. Muttonen hielt darüber hinaus die Verankerung einer verbindlichen Obergrenze für die Gesamtarbeitslosigkeit in einem EU-Land für wünschenswert. Dabei sollte bei einer Überschreitung einer bestimmten Arbeitslosenrate die Verpflichtung bestehen, sofort Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

 

Ähnlich argumentierte die Europaparlamentarierin Evelyn Regner (S), die ein großes Problem in den Ungleichgewichten innerhalb der europäischen Staaten sah. Sie unterstützte die Idee der Finanztransaktionssteuer und unterstrich, dass der Fiskalpakt auch eine Einnahmenpolitik bedeute. Leise Kritik äußerte sie daran, dass das Europäische Parlament nicht eingebunden war und daher zur Möglichkeit der Resolution greifen musste.

 

Auch S-Abgeordneter Kai Jan Krainer begrüßte den neuen EU-Schwerpunkt auf Wachstum und Beschäftigung. Er sprach sich für Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und meinte, eine Obergrenze der Arbeitslosenrate, wie es sie für die Defizitquote bereits gibt, sei sicher ein komplexes Thema, sollte aber ernsthaft diskutiert werden.

 

Klubobmann Josef Cap (S) schließlich meinte, die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa habe mit Strukturproblemen des Arbeitsmarkts dort zu tun und dürfe nicht auf eine Frage der Zuwanderung verkürzt werden. Der Fiskalpakt sei aus einem "Realpakt" Deutschlands und Frankreichs als den beiden wichtigsten Volkswirtschaften der Eurozone entstanden. Es sei wesentlich für Österreich, sich in den Dialog, der zwischen Berlin und Paris stattfinde, einzubringen.

 

Die Vorschläge der SPÖ nach Einführung von Obergrenzen für Arbeitslosenraten hielt Abgeordneter Martin Bartenstein (V) für nicht realisierbar. Er teilte aber ihre Auffassung im Hinblick auf eine notwendige Wachstumspolitik zur Hintanhaltung von sozialen Konflikten. Deshalb müsse man den Binnenmarkt weiter entwickeln und Wachstumshemmnisse abbauen, sagte er.

 

Die ablehnende Haltung der Opposition zum Fiskalpakt fand bei Bartenstein kein Verständnis, da es darum gehe, einen praktikablen Weg zu beschreiten, nachdem Großbritannien ausgeschert ist. Der ehemalige Wirtschaftsminister trat auch dafür ein, dass Sanktionen nicht nur bei der Überschreitung des Nettodefizits von 3% sondern auch bei der Überschreitung der Gesamtverschuldung von 60% in Kraft treten. Hinsichtlich der Weigerung der Opposition, der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung zuzustimmen, warf er dieser Populismus und Kurzsichtigkeit vor. Seiner Meinung nach sollte man auch der Erhöhung der Mittel für den ESM auf 750 Mrd. € nicht die Tür verschließen.

 

Abgeordneter Reinhold Lopatka (V) sah keinen Widerspruch zwischen der Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit Europas und Wachstumsmaßnahmen einerseits und den notwendigen Maßnahmen zu Strukturreformen und zum Schuldenabbau andererseits. Es sei wichtig, das Vertrauen der Finanzmärkte wieder herzustellen. Auch wenn noch nicht alle Probleme, die der Pakt aufwerfe, gelöst seien, wäre doch ein Nichthandeln die schlechtere Option, meinte er.

 

In Beantwortung der von den Abgeordneten aufgeworfenen Fragen sagte Vizekanzler Michael Spindelegger, der Fiskalpakt bringe mit dem automatischen Korrekturmechanismus sehr wohl etwas wesentlich Neues. Bisher seien Versuche der Kurskorrekturen in der Budgetpolitik der Mitgliedsstaaten nur über einen umständlichen Prozess mit ungewissem Ausgang möglich gewesen. Die Frage, warum man stattdessen nicht eine große Vertragsänderung anstrebe, sei einfach zu beantworten. Großbritannien lasse klar erkennen, daran nicht interessiert zu sein. Statt zu warten, bis alle Mitgliedsstaaten von den Maßnahmen überzeugt seien, habe man daher den Weg gewählt, der auch beim Schengen-Vertrag gegangen wurde, und beginne mit einem Abkommen zwischen jenen Mitgliedsstaaten, die bereit seien, dem beizutreten. Es werde natürlich angestrebt, dieses sukzessive auszuweiten und es in einigen Jahren in die europäische Rechtsordnung zu integrieren.

 

Die Verfassung sei von ihm sicher nicht gebrochen worden, diese sehe auch keine "Verhandlungsvollmacht" vor, wie Petzner es darstelle. Vielmehr gehe es um eine Unterzeichnungsvollmacht, die er zeitgerecht eingeholt habe. Die Vorwürfe von Abgeordnetem Petzner, er habe das Parlament bewusst falsch informiert, wies Spindelegger mit Entschiedenheit zurück.

 

Bundeskanzler Werner Faymann kam in seiner Stellungnahme zu den Fragen der Abgeordneten nochmals auf das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu sprechen. Gerade viele südeuropäische Länder hätten einen sehr ungeregelten Arbeitsmarkt und Mängel bei der Ausbildung von Facharbeitern, hielt er fest.

 

Der Fiskalpakt diene dazu, gewisse Versäumnisse bei der Gründung der Eurozone zu beheben, erläuterte er. Das notwendige Instrumentarium, um auf Finanzkrisen adäquat reagieren zu können, werde jetzt geschaffen. Da aber eine Einigung nach dem Einstimmigkeitsprinzip schwierig sei, bediene man sich mit dem Fiskalpakt eines Hilfskonstrukts. Es werde in Zukunft deshalb zweifellos Treffen des Europäischen Rats mit unterschiedlichem Teilnehmerkreis geben. Neben Treffen der EU-27 werde es auch Treffen der Mitglieder der Währungsunion und der Mitglieder des Fiskalpakts geben. Eine Teilnahme des Präsidenten des Europäischen Parlaments daran erachte er nur unter der Bedingung als sinnvoll, dass diese mehr sei als ein leeres Ritual.

 

Die Diskussion über die Definition des strukturellen Defizits, welches den Korrekturmechanismus in Gang setzt, sei noch nicht abgeschlossen, betonte er, sie werde sich zweifellos ähnlich gestalten, wie es beim Maastricht-Defizit der Fall war. Größeres Vertrauen in die EU könne es seiner Ansicht nach nur geben, wenn diese mehr gemeinsame Aktionen setzt. So spreche er sich für eine Banklizenz für den ESM aus, um diesen zu befähigen, auf spekulative Angriffe gegen den Euro zu reagieren. Was die Forderung nach Einstellung der Hilfszahlungen an in der Krise befindlichen EU-Mitgliedsstaaten betreffe, so sei es unseriös zu meinen, dass man sich damit etwas ersparen würde. Die Kosten einer Insolvenz von Staaten wie Griechenland würden weit höher ausfallen als die des Euro-Rettungsschirms. Er werde sicher nicht den von Ratingagenturen gewünschten Weg zur Lösung der Finanzkrise befürworten, der auf einen Abbau der Sozialsystem hinauslaufe, stelle Faymann klar. Die Diskussion, wie zusätzliches Wachstum erzielt werden könnte, werde aber sicher noch lange nicht beantwortet sein. Er werde zweifellos noch öfters Gelegenheit haben, diese Frage mit den Abgeordneten zu diskutieren, schloss Werner Faymann.  

 

 

 

 

 

Am Ende der Debatte nahmen die Ausschussmitglieder mittels eines Antrags eine Präzisierung der Aufgaben des EU-Ausschusses einstimmig an, der in erster Linie für Änderungen des Primärrechts (EU-Verträge) und Vorhaben des Europäischen Rats zuständig ist. Nachdem immer öfter auch informelle Treffen der Staats- und RegierungschefInnen der EU oder der Eurozone stattfinden, für die meist keine Tagesordnung im engeren Sinn vorliegt, wird nun explizit festgehalten, dass nicht nur Themen Gegenstand der Ausschussberatungen sind, die auf der Agenda des nächsten Europäischen Rats stehen, sondern allgemein auch jene, die bei bevorstehenden Treffen von Staats- und RegierungschefInnen der EU oder der Eurozone diskutiert werden sollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

 

des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner und weiterer Abgeordneter

 

 

betreffend Zahlungsstopp an Griechenland

 

 

eingebracht in der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 27. Jänner 2012

 

 

 

 

Folgende Meldung war heute der APA zu entnehmen:

 

"APA0649 5 WA 0390 II/AA         Siehe  APA0479/26.01   Do, 26.Jän 2012

 

Juncker: Euro-Staaten sollen Griechen Schulden nachlassen -"Standard"

Utl.: Eurogruppenchef: Banken-Nachlass "wird nicht zur Gänze zu erreichen" - Keine Empfehlung an die EZB, Kredite abzuschreiben  - "Muss nicht sofort von Bürgern verstanden werden" =

 

   Wien (APA) - Seit Tagen tobt hinter den Kulissen der Streit darüber, ob der IWF, die Euro-Staaten oder die Europäische Zentralbank (EZB) Griechenland die seit eineinhalb Jahren gewährten bilateralen Kredite (teilweise) erlassen sollen, nun lässt der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker die Katze aus dem Sack: Die Gläubigerstaaten sollen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, legt der Eurogruppenchef in einem Interview mit der Tageszeitung "Der Standard" nahe (Freitagausgabe). Eine Summe nennt Juncker dabei nicht.

 

   Mit einem Teilerlass könne das Ziel, die öffentliche Verschuldung des südosteuropäischen Landes bis 2020 auf "tragfähige" 120 Prozent reduziert werden, noch erreicht werden, so Juncker. Ursprünglich sollte das Ziel dadurch erreicht werden, dass die private Gläubiger/Banken "freiwillig" auf entsprechend hohe Forderungen verzichten (über eine teilweise Streichung der Schulden und die niedrigere Verzinsung neuer Griechenland-Anleihen).

 

   Bei den offiziell noch nicht beendeten Verhandlungen mit den Banken werde dieses Vorhaben aber "nicht zur Gänze zu erreichen sein", gibt Juncker zu Protokoll. "Wenn die griechische Schuldentragfähigkeit unter Beweis gestellt wird und es ein Gesamtverständnis mit dem privaten Sektor gibt, wird sich auch der öffentliche Sektor fragen müssen, ob er nicht die Hilfestellung leistet."

 

   Der EZB, die ebenfalls Milliarden verborgt hat, wolle er "als Chef der Eurogruppe keine öffentlichen Empfehlungen geben", so der Sprecher der Euro-Finanzminister. Für die Regierungen der Gläubigerstaaten sei es zwar schwierig, ihren Wählern einen solchen "unpopulären" Schritt zu vermitteln - es handle sich aber um "keine Maßnahme die sofort von den eigenen Bürgern verstanden werden" müsse, "das ist keine Frage, die mich sonderlich bewegt".

 

   Die Finanzminister der Gläubigerstaaten hatten seit Beginn des bilateralen Kreditprogramms für Griechenland Mitte 2010 immer beteuert, dass es sich bei dem Hilfspaket nicht um verlorene Zuschüsse handle und dass die Kreditgeber daran "sogar verdienen" könnten. In den vergangenen eineinhalb Jahren haben die Euroländer 73 Mrd. Euro nach Athen fließen lassen,  rund 2,3 Mrd. davon stammten aus Wien.

 

   Gegenüber dem "Handelsblatt" (Freitagausgabe) deutete Juncker an, dass das zweite Hilfspaket für Griechenland teurer ausfallen könnte als bisher erwartet. Die Eurozonen-Staaten müssten Griechenland länger helfen müssen als bisher diskutiert. Zehn Jahre bis 2010 würden nicht genügen, sagte Juncker der Zeitung. Zuletzt war davon ausgegangen worden, dass Griechenland schon 2020 auf die Kapitalmärkte zurückkehren können wird.

 (Schluss) mer"

 

 

 

 

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

 

"Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, auf österreichischer und europäischer Ebene alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen,

·         dass an Griechenland seitens der Republik Österreich keine weiteren Hilfskredite mehr ausbezahlt werden;

·         dass Griechenland seitens der Republik Österreichs in keinem Fall ein Nachlass auf bereits direkt ausbezahlte Kredite gewährt werden darf,

·         sowie darauf hinzuwirken, dass die Europäische Zentralbank keine weiteren griechischen Staatsanleihen ankauft, bzw. Griechenland keinen Nachlass auf bereits angekaufte Staatsanleihen gewährt."

 

 

Wien, am 27. Jänner 2012

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

 

des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner und weiterer Abgeordneter

 

 

betreffend die Verhinderung einer europäischen Transferunion & Ablehnung einer Europäischen Wirtschaftsregierung, sowie die Einführung eines Hartwährungsverbandes – genannt „Euro Nord“

 

 

eingebracht in der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 27. Jänner 2012

 

 

 

Vor dem Hintergrund der Finanzkrisen und drohenden Staatspleiten in Griechenland, Irland und Portugal, und künftig vielleicht auch in Italien und Spanien, hat die politische Führung der Europäischen Union vor etwa eineinhalb Jahren zunächst ein Griechenland-Rettungspaket und in weiterer Folge den ersten Euro-Rettungsschirm, der eigentlich den sperrigen Namen „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“ (EFSF) trägt, beschlossen.

 

Beide Maßnahmen, die rund 750 Milliarden Euro an Bürgschaften und tatsächlich gezahlten Steuermilliarden ausmachten, werden zu Recht von zahlreichen Experten zum einen als rechtswidrig, zum anderen auch in der Sache als grundlegend falsch erachtet. Der damals beschlossene Euro-Rettungsschirm, der nur befristet bis 2012 geplant ist, wurde mittlerweile schon einmal erhöht, und soll durch sogenannte „Hebelungen“ auf bis zu 2000 Milliarden Euro weiter erhöht werden.

 

Dennoch hat sich zu allem Überdruss aufgrund der nicht enden wollenden Malversationen in Ländern wie Irland oder Portugal, aber auch Italien und vermutlich auch Frankreich, der erste, provisorische Rettungsschirm als nicht ausreichend erwiesen.

 

Daher hat man auf europäischer Ebene festgelegt, einen dauerhaften Euro-Rettungsschirm einzurichten, genannt „Europäischer Stabilitätsmechanismus“, oder kurz „ESM“. Dazu hat man einer Reihe von Maßnahmen, genannt „Pakt für den Euro“, geplant, die den Euro angeblich stabilisieren sollen.

 

Grundlegend ist festzuhalten, dass mit der Beschlussfassung dieses Europäischen Stabilitätsmechanismus und den damit einhergehenden Maßnahmen die Europäische Union zur Transferunion wird, in der die gutwirtschaftenden Staaten wie Deutschland oder Österreich den schlecht wirtschaftenden Euro-Ländern ihre Misswirtschaft mit Milliarden-Zahlungen weiterhin ermöglichen müssen.dem  dazu beschlossenen Mechanismen zur Kontrolle der nationalen Budgets bedeuten de facto die Einführung einer zentralistischen Brüsseler Wirtschaftregierung über die Hintertür. Unabhängige Experten kritisieren diese Vorgänge scharf.

 

Das Ende und die Auswirkungen der Milliarden-Geldspritzen für Deutschland und gleichgeltend auch für Österreich sind nicht abzuschätzen. Schon jetzt hat Österreich „echte“ Geldflüsse in der Höhenordnung von acht Milliarden Euro aus dem Steuersäckel zu bewältigen, rechnet man die Griechenlandhilfe, den ersten Euro-Rettungsschirm und den kommenden zusammen.

 

Daraus resultierend drohen also weitere gravierende finanzielle Einschnitte in das österreichische Sozial- und Pensionssystem, in den österreichischen Bildungsapparat oder in die Infrastruktur.

 

Als besorgter Bürger darf man sich daher berechtigt die Frage stellen, warum SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann gemeinsam mit seinen europäischen Kollegen so stur an den hunderte Milliarden teuren Rettungschirmen festhält, anstatt von Experten vorgeschlagene Maßnahmen zu erwägen, die sicher auch schmerzhaft sein mögen, jedoch zumindest im Risiko kalkulierbarer wären.

 

Dazu kommt, dass die Einführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus einer grundlegenden Änderung des EU-Rechts bedarf. SPÖ-Kanzler Faymann, der bekanntlich vor der letzten Wahl das Versprechen abgegeben hat, sämtliche grundlegende Änderungen des EU-Rechtes in Österreich einer Volksabstimmung zu unterziehen, hat dieses Versprechen bereits gebrochen, indem er angekündigt hat, dass der ESM nur im Nationalrat beschlossen werden soll – ohne den Volkswillen zu berücksichtigen.

 

 

Aufgrund der genannten Umstände stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

 

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, auf europäischer Ebene alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einführung des ESM, sowie einer Europäischen Wirtschaftsregierung oder eines Vertrages für eine Fiskalunion zu verhindern.

 

Darüber hinaus werden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung aufgefordert, auf europäische Ebene alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um mit möglichen Partnerländern in Verhandlungen über die Einführung einer Hartwährungsunion („Euro Nord“) zu treten.

 

Desweiteren wird die Bundesregierung aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicher zu stellen, dass jede grundlegende Änderung der europäischen Verträge einer Volkabstimmung in Österreich unterzogen wird – das gilt besonders für die geplante Einführung des ESM.“

 

 

 

Wien, am 27. Jänner 2012

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

der Abgeordneten Glawischnig, Kogler, Van der Bellen

 

betreffend informeller Europäischer Rat (Tagung am 30.1.2012)

 

eingebracht in der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 27.01.2012.

 

 

 

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem letzten Gipfeltreffen im Dezember 2011 die Ausarbeitung eines fiskalpolitischen Vertrags mit dem Ziel der Verschärfung nationaler Budgetdisziplin beschlossen. Der nun in seiner vierten Version vorliegende Vertragsentwurf ist makroökonomisch bedenklich und weist schwerwiegende demokratiepolitische Defizite auf.

 

Bei aller Notwendigkeit der Reduktion der strukturellen Defizite wird bei einer scharfen und europaweit gleichzeitigen Konsolidierung die ohnehin schwächelnde Konjunktur vollständig abgewürgt. Die Sparziele werden unter diesen Umständen nicht erreicht werden können. Eine genaue Lektüre der Begründung von Standard & Poor's für die Bonitätsherabstufung empfehlen wir der Bundesregierung mit Nachdruck.

 

Am derzeit vorliegenden Vertragsentwurf gibt es einige verfassungs- und EU-primärrechtliche Bedenken z.B. hinsichtlich der Rolle des EuGH (Art. 8 Vertragsentwurf, Art. 126 AEUV, Art. 273 AEUV) sowie der Unterwerfung Österreichs unter ein Schiedsgericht (Art. 9 Abs. 2 B-VG) und der etwaigen Beeinträchtigung der Budgethoheit des Nationalrates.

Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Vertrag an der Verfassungs- und Primärrechtswidrigkeit nur vorbeischrammt, werden durch die Tatsache, dass ein völkerrechtlicher Vertrag außerhalb des EU-Rahmens abgeschlossen wird, demokratische Spielregeln und jene des EU-Rechts völlig ausgehebelt. Mit dem Europäischen Parlament fanden Pseudo-Verhandlungen zum Vertrag statt, ohne dass das EP die geringsten Mitentscheidungsrechte hätte; die Regierungen ignorieren de facto das EP. Gleichzeitig degradieren die Regierungen der Mitgliedstaaten die Europäische Kommission zu einer Art Hilfsagentur der Räte, die berechnen und berichten darf bzw. muss, aber von ihrer ursprünglichen Rolle als Hüterin der Verträge Schritt für Schritt entfernt und isoliert wird. Den nationalen Parlamenten werden die von den Staats- und Regierungschefs ausgehandelten Deals ohne Alternative zur Absegnung vorgelegt.

 

Angesichts der schwerwiegenden wirtschaftlichen Probleme in Europa und der bisher fehlgeschlagenen Lösungsversuche bedarf es eines Perspektivenwechsels auf europäischer Ebene, der die Schaffung einer demokratisch-ökologisch-sozial verantwortlichen

Wirtschafts-, Währungs- und Fiskalunion zum Ziel hat. Das ständige Hinterherlaufen von einem Krisenschauplatz zum nächsten muss genauso beendet werden wie die Intransparenz der Entscheidungen und ihre mangelnde demokratische Legitimierung. Undurchsichtige, zum Teil abenteuerliche, Konstruktionen außerhalb der EU-Verträge können nicht weiter mit Alternativlosigkeit argumentiert werden. Nun führt kein Weg mehr an einem Europäischen Konvent vorbei, der die Lehren aus der Krise zieht und auf breiter demokratischer Basis Lösungsvorschläge hin zu einer stärkeren wirtschaftlichen Integration erarbeitet. Darin müssen die Weichen dahingehend gestellt werden, dass u.a. europäische Anleihen, eine demokratisch legitimierte Europäische Wirtschaftsregierung, parlamentarische Mitentscheidung und Kontrolle europäischen Regierens sowie ein Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit in Steuerfragen möglich werden.

 

 

 

In diesem Sinne stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

Der Bundeskanzler bzw. das zuständige Mitglied der Bundesregierung wird aufgefordert, folgende Vorschläge auf europäischer Ebene, insbesondere am informellen Europäischen Rat am 30. Januar 2012, einzubringen und sich für gemeinsame europäische Wege zur raschen Umsetzung derselben einzusetzen:

 

·         Ablehnung des vorliegenden Vertrags über "Stability, Coordination and Governance in the Economic and Monetary Union".

·         Initiative für die Einberufung eines Europäischen Konvents zur Etablierung einer handlungsfähigen und demokratisch legitimierten europäischen Wirtschaftsregierung.

·         Einführung von Euro-Bonds entsprechend dem Vorschlag des Präsidenten der Eurogruppe Jean-Claude Juncker zur nachhaltigen Absicherung europäischer Anleihenmärkte.

·         Die rasche und ernsthafte Vorbereitung eines geordneten Ent- bzw. Umschuldungsverfahrens für Staaten (unter Beteiligung privater Gläubiger).

·         Die ehestmögliche Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

·         Der Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit in Fragen der Steuerharmonisierung.

·         Die europaweite Harmonisierung der Bemessungsgrundlage und des Satzes der Körperschaftsteuer.

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag des BZÖ auf Stellungnahem wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

 

 

des Abgeordneten Stefan Petzner

 

betreffend Ablehnung des ESM sowie des Fiskalpakts!

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union am 27. Jänner 2012

 

 

 

Bereits der im Juni 2011 vorgelegte Vertragstext zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hat klar offen gelegt, dass dieser geeignet ist, in einigen Bereichen Souveränitätsrechte Österreichs sowie nationale parlamentarische Mitspracherechte nachhaltig zu untergraben.

 

Mit dem im November des letzten Jahres vorliegenden Entwurf wurde diese für die Mitgliedstaaten unbefriedigende Situation nicht nur nicht verbessert sondern diese sogar noch verschärft, wie an nachstehendem Beispiel dargelegt wird:

 

So müssen Finanzhilfen gem. Art. 5 Abs. 6 lit. e zwar grundsätzlich vom Gouverneursrat, in dem jeder Mitgliedstaat vertreten ist, gem. Art. 4 Abs. 3 einstimmig beschlossen werden, jedoch soll nunmehr eine Möglichkeit vorgesehen werden, wonach im Einzelfall von der Einstimmigkeit abgegangen werden kann. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn durch eine ausbleibende Unterstützung die wirtschaftliche und finanzielle Tragfähigkeit der gesamten Eurozone gefährdet wäre.

 

In einem solchen Fall sollten laut Vertragstextentwurf vom November 2011 entweder 85 % der Stimmen ausreichen, oder es dürfen maximal zwei Länder dagegen stimmen, um dennoch eine Zustimmung zu erwirken.

 

Das im Vorfeld der Sitzung des EU-UA am 22.11. des letzten Jahres seitens des Bundesministeriums für Finanzen übermittelte Vorblatt zeigte einmal mehr Österreichs Musterschülerimage innerhalb der Europäischen Union, wenn in der gegenständlichen Stellungnahme in diesem Zusammenhang folgendes  wörtlich festgeschrieben war:

 

„Abstimmungsregeln: Notfallparagraph wird nicht unterstützt. Für Österreich wäre maximal Option i) akzeptabel, in der jedes Land eine Stimme hat und maximal zwei Länder dagegen sind. Keinesfalls aber ist Option ii) akzeptabel, in der eine qualifizierte Mehrheit von Ländern, die über 85% der gewichteten Stimmen verfügen, Beschlüsse fassen kann.“

 

Der nunmehr jüngste ESM-Vertragstext sieht nun diese für Österreich keinesfalls akzeptable  Option ii) vor, wonach eine Einstimmigkeit auch bereits bei einer Mehrheit von 85 % der Stimmen gegeben ist.

 

Ein seitens des BZÖ in diesem Zusammenhang eingebrachter Antrag auf Stellungnahme wurde von den Regierungsfraktionen selbstverständlich abgelehnt.

Damit hält sich Österreich nicht nur nicht an die eigenen Positionen sondern geht vorsätzlich vom Prinzip der gerade in so wesentlichen Fragen, wie die Gewährung von Finanzhilfen, entscheidenden Einstimmigkeit ab und schwächt damit seine eigene Verhandlungsposition und Mitspracherechte.

 

 

Dazu kommt der als höchst problematisch einzustufende sogenannte Fiskalpakt, auf den sich die EU-26 in den Grundzügen anlässlich des Europäischen Rates am 9. Dezember 2011 geeinigt haben.

 

Dieser Vertrag soll in Form eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossen werden. Dies wohl nicht zuletzt aus dem Grund, da für diesbezügliche primärrechtliche Vertragsänderungen keine Mehrheit besteht und dann die „Gefahr“ der Notwendigkeit von Volksabstimmungen gegeben wäre.

 

Damit wird neben dem bestehenden EU-Primärrecht neues „Schattenrecht“ geschaffen, was unter anderem auch in den Verhandlungen zum Fiskalpakt dazu führte, dass immer wieder Zweifel an der Primärrechtskonformität einzelner Bestimmungen zum Ausdruck gebracht wurden.

 

In der FAZ vom 17. Jänner 2012 ist dazu folgendes zu lesen:

„Überflüssig und in Teilen europarechtswidrig

Dieser Vertrag schafft zusätzlich neue Schwierigkeiten, die sich aus der Rechtsnatur eines zwischenstaatlichen Vertrags ergeben, der neben das gültige Europarecht gestellt wird. Nach dem Urteil renommierter Europajuristen ist der Pakt de facto überflüssig und in Teilen europarechtswidrig.“

 

Noch drastischer wird die gegenwärtige Situation Europas im Deutschlandfunk zum Ausdruck gebracht, wie nachfolgendes Zitat eindrucksvoll veranschaulicht:

 „(…) Aber tatsächlich macht der neue Vertrag Europa noch unübersichtlicher. Das Grundprinzip, dass in normalen wirtschaftlichen Situationen praktisch keine Schulden mehr gemacht werden dürfen, ist inzwischen EU-Recht. Jetzt wird es noch einmal Recht in einem zwischenstaatlichen Vertrag und in nationalen Gesetzen.

Noch schöner: Wenn der Vertrag so wie jetzt vorgesehen in Kraft tritt, wird es künftig drei Sorten von EU-Gipfeln geben.

Die regulären mit 27 Staats- und Regierungschefs.

Die Gipfel der Eurozone für 17 Staaten.

Und schließlich die Treffen der Unterzeichner des Fiskalpaktes, mit allen oder fast allen Staaten außer Großbritannien.

Welcher Bürger soll da noch durchblicken, was eigentlich dieses Europa ist?“ (Deutschlandfunk vom 21.01.2012)

 

 

Der unterfertigte Abgeordnete stellt daher nachstehenden

 

Antrag auf Stellungnahme

 gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler werden aufgefordert, sich endlich schützend vor die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher zu stellen und daher sowohl das geplante Internationale Abkommen für eine verstärkte Wirtschaftsunion als auch den geänderten Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bei den entsprechenden Räten auf Europäischer Ebene abzulehnen und am Einstimmigkeitsprinzip festzuhalten.“

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

Wien, 27. Jänner 2012