Parlament Österreich

 

 

 

IV-20 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 22. Mai 2012

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode               Dienstag, 22. Mai 2012

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

EUCO 72/12

Schreiben des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, an die Mitglieder des Europäischen Rates

(80040/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie sieht ein guter Mix aus Konsolidierungspfad und wachstumsfördernden Maßnahmen aus? Diese Frage beherrschte die Diskussion im EU-Hauptausschuss, der im Vorfeld des informellen Treffens der Staats- und RegierungschefInnen der EU stattfand. Dass es sowohl gezielter Investitionen zur Belebung der Wirtschaft und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als auch einer verlässlichen Haushaltsdisziplin bedarf, darin waren sich vor allem Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Michael Spindelegger sowie die Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen im Grundsatz einig. "Auf die Dosis kommt es an", formulierte dazu Abgeordneter Josef Cap (S). Der Außenminister meinte, es müsse das eine, wie auch das andere geben. Abgeordneter Werner Kogler (G) mahnte, ein Patentrezept werde man nicht finden, und sprach sich gegen jegliche Ideologie in dieser Frage aus. Er warnte aber vor einem Kaputtsparen Europas. Kogler stellte der Regierung die Rute ins Fenster und forderte klare Worte der österreichischen Vertreter in Europa, sonst werde es keine Zustimmung der Grünen zum ESM geben.

 

Bundeskanzler  Werner Faymann betonte in seinen einleitenden Worten, es gehe beim kommenden Treffen nicht nur um Budgetdisziplin, sondern auch um die Frage, wie man Wachstum vorantreiben kann. Aspekte wie Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen in Forschung, Entwicklung und Bildung spielten dabei eine wichtige Rolle. Österreich werde sich vor allem für Wachstumsinvestitionen einsetzen. Er befürworte auch Vorzieheffekte und die Einführung von Projekt-Bonds zur Förderung von Infrastruktur. Der Kanzler sprach sich auch für eine Ausweitung der Möglichkeiten der EZB aus, machte aber gleichzeitig klar, dass man an einer strengen Haushaltsdisziplin festhalten müsse. Zur Finanzierung wachstumsfördernder Maßnahmen sei die Finanztransaktionssteuer aus seiner Sicht unumgänglich, bekräftigte er einmal mehr. Ohne Fiskaldisziplin könne es aber keine gemeinsamen Haftungen innerhalb der EU geben, so Faymann.

 

"Kein Land kommt daran vorbei, seinen Haushalt zu konsolidieren", betonte auch Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger. Er wandte sich strikt dagegen, den Fiskalpakt in Frage zu stellen und machte sich für die Schaffung eines EU-Fonds für Wachstum und Innovation stark, der vor allem den KMU zugutekommen soll.

 

 

 

FPÖ und BZÖ konzentrierten sich in ihren Wortmeldungen auf die kritische Situation in Griechenland und forderten mittels Anträgen auf Stellungnahme die Entlassung Griechenlands aus der Europäischen Währungsunion (F) beziehungsweise einen Zahlungsstopp an Griechenland (B). Griechenland drohe, ein Fass ohne Boden zu werden, argumentierte Abgeordneter Johannes Hübner (F), die Mitglieder der Eurozone, vor allem die Nettozahler, hätten ihren Solidarbeitrag gegenüber Griechenland bereits in den vergangenen 10 bis 15 Jahren übererfüllt. Abgeordneter Rainer Widmann (B) trat in seinem Antrag auf Zahlungsstopp einmal mehr für die Schaffung einer Euro-Kernzone der wirtschaftlich starken Euroländer ein und forderten den Bundeskanzler auf, "sich schützend vor die Interessen der ÖsterreicherInnen zu stellen, um weitere finanzielle Belastungen für Österreich zur vermeintlichen Sanierung maroder Euro-Mitgliedstaaten abzuwenden".

 

Gegen diese Forderungen wandte sich Bundeskanzler Faymann vehement. Unter Hinweis auf die geschichtliche Entwicklung der 30er Jahre erklärte er, man habe bewusst die damaligen Fehler vermeiden wollen, sowohl was die wirtschaftlichen als auch die sozialen Konsequenzen betrifft. Eine Insolvenz Griechenlands gefährde massiv das friedliche Zusammenleben, warnte er. Außerdem sei die exportorientierte österreichische Wirtschaft genauso wie die deutsche von Absatzmärkten innerhalb Europas abhängig. "Wir würden unsere Lebensader abschneiden, wenn die Nachbarn nichts mehr kaufen", sagte er. Man dürfe sich daher keine Illusionen darüber machen, dass auch der Austritt Griechenlands aus der Eurozone enorm viel kostet, warnte er. Gefragt sei nun ein Plan, wie man den Ausgleich innerhalb Europas sowohl durch Investitionen als auch durch Haushaltsdisziplin herbei führen kann. Dabei gebe es eine Reihe von Risken, räumte er ein, trotzdem ist der bisher beschrittene Weg für ihn nicht falsch. Es gehe um ein faires und friedliches Zusammengehen in Europa, welchen Weg die Griechen beschreiten, das liege aber allein in ihrer Hand. Jeder Weg sei jedoch teuer, ob Griechenland nun in der Euro-Zone bleibt oder nicht, wiederholte er.

 

Abgeordneter Josef Cap (S) warf FPÖ und BZÖ vor, nicht in Zusammenhängen zu denken, und wies ebenfalls auf die Abhängigkeit der österreichischen Exportwirtschaft und die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt hin. Klar sei, dass in Griechenland einiges danebengegangen ist und dass die Staatsorganisation, vom Steuersystem angefangen, geändert werden müsse. Wenn man aber den Ausgleich mit der Peripherie in Europa nicht schaffe, dann komme es zu einem großen Migrationsdruck, warnte Cap.

 

Die beiden Anträge auf Stellungnahmen von FPÖ und BZÖ wurden schließlich mehrheitlich von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt.

 

 

 

Der kommende informelle Sondergipfel dient der Vorbereitung des europäischen Rats Ende Juni und soll Gelegenheit für einen offenen Austausch über die Stärkung von Wachstum und Beschäftigung dienen, informierte Bundeskanzler Werner Faymann. Er erwarte sich daher bei diesem Treffen keine Beschlüsse.

 

Er, Faymann werde jedenfalls die Bemühungen um die Förderung des Wachstums und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unterstützen. Nach der Wahl Hollandes in Frankreich werde man verstärkt darüber diskutieren, inwieweit sich das Ziel der notwendigen Fiskaldisziplin mit Maßnahmen zur Wachstumsförderung verbinden lässt. Die Diskussion müsse differenziert geführt werden, meinte Faymann und brachte die Idee der Projekt-Bonds aufs Tapet, um Investitionsprojekte in Ländern voranzutreiben, die diese Investitionen selbst nicht leisten können. Dazu könne man die Strukturfonds heranziehen.

 

Man brauche nun kurzfristige Entscheidungen, erklärte Faymann weiter, gleichzeitig komme man nicht darum herum, langfristige Perspektiven zu erarbeiten. Es werde keine Tabus geben, langfristig müsse man auch in Richtung Vertragsänderung denken. 

 

Auch Vizekanzler Michael Spindelegger zeigte sich überzeugt davon, dass es ein Miteinander von Wachstum und Haushaltsdisziplin geben müsse. Ohne Konsolidierung komme man aber dem Ziel, Stabilität und Vertrauen auf den Märkten zu erzielen, nicht näher. Er verteidigte daher den Fiskalpakt, den 25 EU-Staaten beschlossen haben und der bereits von drei Staaten ratifiziert worden ist. Spindelegger appellierte, sich den Inhalt des Fiskalpakts näher anzuschauen, denn er enthalte die Schuldenbremse, Konsequenzen für ein Abgehen vom Konsolidierungskurs, eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitiken und Verbesserungen bei den Steuereinnahmen. Für ihn komme daher ein Aufschnüren des Fiskalpakts nicht in Frage.

 

Spindelegger erinnerte an die Strategie "Europa 2020", die Wachstumsimpulse vorsehe und das Ziel verfolge, krisenfeste Arbeitsplätze zu schaffen, die Bedingungen für Forschung und Entwicklung zu verbessern und den sozialen Frieden zu sichern. Konkret schlug der Vizekanzler die Schaffung eines EU-Fonds für Wachstum und Innovation vor, der zwar keine zusätzlichen Mittel erfordert, aber die bisherigen Finanzmittel und Programme im Sinne des Prinzips "one-stop-shop" konzentriert und zugänglicher macht. Dies solle vor allem den KMUs zugutekommen, sagte er und formulierte pointiert "die Produkte sollen schneller von der Werkbank auf den Weltmarkt kommen".

 

Erfreut zeigte sich Abgeordnete Christine Muttonen (S) darüber, dass der Gedankte der wachstumsfördernden Maßnahmen nun Aufwind bekommt. Der radikale und unsoziale Sparkurs habe nicht die Zustimmung der Menschen gefunden und sei auch wirtschaftlich nicht erfolgreich gewesen, merkte sie an. Selbstverständlich dürfe von einer soliden Haushaltsführung nicht abgewichen werden, fügte Muttonen hinzu, aber es könne nicht sein, dass das europäische Modell des Sozialstaats ausgehöhlt wird.

 

Muttonen unterstützte die Bemühungen, Gelder der Strukturfonds für Wachstumsimpulse und Beschäftigungsprogramme heranzuziehen und konnte sich eine Reduzierung der Kofinanzierungsquoten vorstellen. Einmal mehr drängte sie auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sowie auf die Förderung von Bildung, Innovation, Forschung und Entwicklung und auf den Ausbau transeuropäischer Infrastrukturnetze.

 

Für dringend geboten hielt die SPÖ Abgeordnete ein Sofortprogramm gegen die Jugendarbeitslosigkeit und wiederholte ihren Vorschlag, in den einzelnen Mitgliedstaaten verbindliche Obergrenzen für die Arbeitslosenrate einzuziehen.

 

Gegen die Infragestellung des Fiskalpakts wandte sich dezidiert Abgeordneter Martin Bartenstein (V), der es für falsch hielt, ein diesbezügliches Feindbild aufzubauen. Ohne Konsolidierung der Haushalte würde das Wachstum wie ein Strohfeuer verpuffen, formulierte er, es gelte, die Finanzmärkte zu beruhigen und deren Funktionieren zu gewährleisten.

 

Wie man Wachstum fördert, dafür gebe es kein Patentrezept, meinte er und gab zu bedenken, dass hier noch viel zu tun ist. Der österreichische Weg sei aber durchaus ein Vorbild, wie man diesen Mix aus Wachstums- und Konsolidierungspolitik gestalten und vor allem wie man erfolgreich gegen die Jugendarbeitslosigkeit ankämpfen kann. Die Basis dafür sei die duale Ausbildung und ein breiter Konsens innerhalb der Sozialpartnerschaft.

 

Auch sein Klubkollege Wolfgang Gerstl betonte die Notwendigkeit, das Vertrauen der Finanzmärkte zurück zu gewinnen und die Investitionsmärkte zu stärken. Das Motto muss ihm zufolge eine "wachstumsfreundliche Konsolidierung" sein, wobei Ideologien keinen Platz haben. Sowohl Bartenstein, als auch Gerstl begrüßten die Idee Spindeleggers hinsichtlich des Wachstumsfonds.

 

Gegen jegliche Ideologie sprach sich auch Abgeordneter Werner Kogler (G) aus. Es gebe keine eindeutigen Antworten auf die gestellten Fragen, denn sämtliche Richtungen seien von sich aus überzeugt, das Wachstum zu fördern. Man habe aber einen großen "Instrumentenkoffer" zur Hand, der vom europäischen Rettungsschirm über Investitionen bis hin zu Instrumenten der Regulierung der Finanzmärkte und sozialer Gerechtigkeit reicht. Dieser Instrumentenkoffer sei so zu befüllen, dass mehrere ökonomische Ziele erreichbar sind, sagte Kogler.

 

Kogler machte sich insbesondere für eine Eigenkapitalaufstockung der Europäischen Investitionsbank und damit für zusätzliche Investitionen stark. Er trat einmal mehr für die Einführung von Euro-Bonds ein, denn diese würden seiner Meinung nach die Zinssätze im gesamten Euro-Raum drücken. Seiner Meinung nach müsse daher der Fiskalpakt Euro-Bonds beinhalten und Investitionen möglich machen. Finanziert soll dies durch die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer werden. Man brauche auch eine geordnete Entschuldung und eine vorausschaubare private Gläubigerbeteiligung, ergänzte der G-Mandatar.

 

Selbstverständlich brauche es einer Haushaltsdisziplin, stellte Kogler klar, wenn man aber nur an der Sparschiene drehe, gehe die Spirale nach unten. Das hielten nicht einmal gesunde Wirtschaften aus, bemerkte er. Kogler kritisierte in diesem Zusammenhang heftig Finanzministerin Fekter, die sich gegen die Vorschläge des neuen französischen Präsidenten hinsichtlich des Verhältnisses Fiskalpakt und Investitionen gestellt habe. Dies veranlasste Abgeordneten Martin Bartenstein (V) die Finanzministerin mit dem Hinweis zu verteidigen, dass diese nur die Einhaltung der Verträge eingemahnt habe.

 

Sympathie für die Vorschläge Hollandes zeigte auch Abgeordneter Josef Cap (S). Dieser nehme eine differenzierte Position im Hinblick auf Wachstumseffekte ein, wobei dessen Vorschläge vielem entsprächen, was der österreichische Bundeskanzler immer wieder auf EU-Ebene verlangt. Österreich sei es gelungen, einen Mix aus vernünftiger Konsolidierung und antizyklischer Investitionspolitik zu tätigen. Es komme immer auf die Dosis an, sagte er, und dass man differenziert.

 

Über die Kapitalaufstockung der Europäischen Investitionsbank diskutiere man gerade, reagierte Vizekanzler Spindelegger auf die vorangegangenen Wortmeldungen und befürwortete durchaus die Idee der Projekt-Bonds. Es sei aber zu kurz gedacht, das alles nur über die Beiträge der Mitgliedstaaten finanzieren zu wollen. Die Forderung Koglers, die Finanztransaktionssteuer müsse um die Jahresmitte eingeführt werden, hielt der Vizekanzler für unrealistisch, sie werde in Österreich erst ab 2014 im Budget berücksichtigt.

 

Ein völlig düsteres Bild über die gegenwärtige Situation zeichnete Abgeordneter Johannes Hübner (F). Das Beschwören des österreichischen Wegs helfe auf der EU-Ebene nicht, vielmehr sei ein Kassasturz geboten, denn all die Bemühungen bisher hätten in einem Desaster gemündet. Hübner konnte die Kritik an einem radikalen Sparkurs in Griechenland, Spanien und Portugal nicht nachvollziehen, einen solchen hat es seiner Meinung nach in diesen Ländern nicht gegeben. Vielmehr habe man dort nur das Schuldentempo verlangsamt. Einen radikalen Sparkurs habe man lediglich in Estland und Lettland durchgezogen, beide Staaten seien nun makroökonomisch stabil.

 

Das bislang getätigte gigantische Transferieren von Geldern diene nur einem Hinausschieben der Probleme und stelle eine "Geldvernichtungsaktion der Sonderklasse" dar, meinte er. Hübner teilte auch nicht den Optimismus so mancher PolitikerInnen, die meinen, man könne durch gezielte Maßnahmen die unterschiedlichen Volkswirtschaften synchronisieren und harmonisieren.

 

In diesem Zusammenhang merkte Vizekanzler Spindelegger an, die Harmonisierung der Volkswirtschaften sei nur ein, wenn auch kein unwichtiger Aspekt des Projekts EU und dabei spielten die Regionalfonds eine wichtige Rolle. Man dürfe nicht vergessen, wie viel allein Österreich der Binnenmarkt gebracht hat, erinnerte er.

 

Ins gleiche Horn wie Abgeordneter Hübner stieß Abgeordneter Rainer Widmann (B) und trat für ein langsames Hinausgleiten Griechenlands aus dem Euro ein. Das österreichische Geld sei verloren, kritisierte er und warf SPÖ und ÖVP vor, sich damit zu begnügen, die Krisensituation aufrecht zu erhalten. Wenn Spanien und Portugal abgleiten, dann werde das auch der ESM nicht schaffen, zeigte er sich überzeugt.

 

Den Fiskalpakt befürwortete Widmann nur in Teilbereichen. Für ihn stellt es auch keine kongruente Politik dar, Menschen aus Drittstaaten zu holen, wenn gleichzeitig in Europa eine hohe Jugendarbeitslosigkeit vorherrscht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Hübner, Strache und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Entlassung Griechenlands aus der Europäischen Währungsunion

 

 

 

Europäische Staaten, insbesondere die Mitglieder der Eurozone, haben in den vergangenen Jahren (de facto seit Einführung der Währungsunion 1999) bereits zig Milliarden in Griechenland investiert, dazu kommen die Milliarden-teuren Rettungspakete der letzten zwei Jahre. Und das gleich auf mehrfache Weise: Nicht nur durch den Ankauf griechischer Staatsanleihen, sondern etwa auch durch die mehr als großzügigen Landwirtschafts- und Regionalförderungen der EU, von welchen beispielsweise Griechenland als Nettoempfänger weit überproportional profitierte. Außerdem kam den Griechen das niedrigere Zinsniveau in der Währungsunion zugute.

 

Man kann daher mit Fug und Recht sagen, dass die Nettozahler ihren Solidarbeitrag gegenüber Griechenland bereits in den vergangenen 10 bis 15 Jahren übererfüllt haben.

 

Trotz der Milliardeninvestitionen, -krediten und -haftungen in Griechenland in den letzten Jahren gelang es Griechenland weder seine Produktivität zu erhöhen noch seine Volkswirtschaft vernünftig zu restrukturieren. Daher ist es auch 2012 mehr als unwahrscheinlich, dass es mitten in der weltweiten Wirtschaftskrise zu einer Verbesserung der griechischen Finanz- und Wirtschaftslage kommen wird. Vielmehr steht zu befürchten, dass weitere Milliardeninvestitionen verloren gehen werden.

 

Der Fall Griechenlands droht zu einem Fass ohne Boden zu werden. Dieser Zustand wird aber vermutlich so lange aufrechterhalten werden, bis das risikobehaftete Investment tatsächlich „too big to fail“ ist, d.h. dass beispielsweise Österreich selbst massiven Schaden erleidet, wenn Griechenland irgendwann doch fällt.

 

Unterschiedliche (historisch gewachsene) Wirtschaftsräume (wie Nationalstaaten) unterliegen unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Diese stellen unterschiedliche politische Herausforderungen dar und bedürfen unterschiedlicher Lösungen.

 

Es heißt, es wären Hilfspakete nötig, um Marktverzerrungen zu beseitigen – das ist eine gröbliche Verdrehung von Ursache und Wirkung. Der Markt zeigt als ultimatives Regulativ die politisch verursachten Verzerrungen auf und urgiert deren Korrektur. Man kann jetzt weitere Mittel aufwenden, um diese Korrektur hinauszuzögern, aber man wird sie sicher nicht ewig verhindern können (vgl. das Schicksal von UdSSR, DDR).

 

Staaten, deren makroökonomische Kennzahlen so starke Verwerfungen aufweisen, dass sie sinnvollerweise kein Mitglied eines optimalen Währungsraumes (i.S.v. Mundells Theorie) sein sollten und auf die Hilfe anderer angewiesen sind, sind aus der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu entfernen.

 

 

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Staaten wie Griechenland, deren makroökonomische Kennzahlen einen Verbleib in der gemeinsamen Währungsunion nicht rechtfertigen, aus dieser entlassen werden und ihre alten Währungen wieder einzuführen haben.“

 

Wien, am 22. Mai 2012

 

 

           

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag des BZÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

 

 

des Abgeordneten Mag. Rainer Widmann

 

betreffend Zahlungsstopp an Griechenland - Schaffung eines Schutzschirms für die Österreicherinnen und Österreicher anstelle des Versenkens von Milliardenbeträgen in europäische Fässer ohne Boden!

 

 

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union am 22. Mai 2012

 

 

Das seitens der Europäischen Union erzwungene Kaputtsparen in Griechenland hat nunmehr zu einer völlig destabilisierten politischen Lage geführt, wovor das BZÖ immer wieder gewarnt hat.

 

Diese Ansicht teilten unter anderem auch Experten, wie beispielsweise Markus Marterbauer:

 

„Es ist gefährlich jetzt diesen Sozialstaat zu zerschlagen, das passiert aber gerade in Griechenland, Portugal, Irland und anderen Ländern. Man bedenkt zu wenig, dass diese massiven Kürzungen bei den Sozialausgaben die Wirtschaftsleistung einbrechen lassen, die Arbeitslosigkeit ansteigen lassen und damit aber wieder die Steuereinnahmen nach unten drücken und so die Budgetziele verfehlt werden.“

 

Die Bildung einer neuen Regierung in Griechenland ist gescheitert. Am 17. Juni werden Neuwahlen stattfinden und es ist mit starken Zugewinnen jener Parteien zu rechnen, die die weitere Bedienung der Staatsschulden ablehnen, so dass schon heute feststeht, dass Österreich die bislang übernommenen Kredite und Haftungen niemals wieder sehen wird.

 

Auch davor haben das BZÖ aber auch zahlreiche Experten seit längerem gewarnt:

 

„Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher von den bereits bar nach Griechenland gezahlten Steuergeldern für immer verabschieden müssen, ist schon fast zur Gewissheit geworden,“ so ein Auszug aus einer Dringlichen Anfrage des BZÖ vom 21. September 2011.

 

Dies wurde jüngst von Bernhard Felderer bestätigt, der im Kurier vom 10. Mai 2012 feststellte:

 

„Ich gehe davon aus, dass wir das Geld von Griechenland nicht zurückbekommen."

 

Die Situation sei "sehr ernst" zu nehmen, sagte am Donnerstag der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und EZB-Rat Ewald Nowotny. Die Risiken seien gestiegen. APA267 10. Mai 2012

 

Trotz der Vorhersehbarkeit dieser drastischen Entwicklungen in Griechenland hat diese Bundesregierung kontinuierliche Realitätsverweigerung betrieben, wie nachfolgende Chronologie – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – eindrucksvoll bestätigt:

 

24. März 2010

 

Faymann im EU-HA:

Er erwarte keine Beschlüsse über etwaige Hilfsmaßnahmen innerhalb der EU, weil Griechenland wahrscheinlich keinen Antrag stellen werde.

 

 

25. März 2010

 

Bereits am nächsten Tag, 25. März 2010 wurde von Faymann folgender Beschluss der Staats- und Regierungschefs mitgetragen:

„… Die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sind bereit, im Rahmen eines Pakts, das eine erhebliche Finanzierung durch den IWF und einen Mehrheitsanteil aus europäischen Finanzmitteln umfasst, zu koordinierten bilateralen Darlehen beizutragen.“

 

 

23. April 2010

 

Vier Wochen später – am 23. April 2010 suchte Griechenland formell um Hilfe an.

 

 

18. Mai 2010

 

Bereits am 18. Mai 2010 überwies der Finanzminister im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler die ersten 451,7 Mio. Euro nach Griechenland!

 

 

5. Mai 2010

 

Finanzminister Pröll in Beantwortung einer Dringlichen Anfrage von KO Bucher :

Wir gehen von einer vollständigen Rückzahlung des Kredits samt Zinsen aus. (Ironische Heiterkeit bei FPÖ und BZÖ. – Abg. Mag. Stadler: Es darf gelacht werden!)

 

 

21. September 2011

 

Finanzministerin Fekter in Beantwortung einer Dringlichen Anfrage des BZÖ:

Wenn Griechenland seine Verpflichtungen erfüllt, zeigen die Modelle, dass Griechen¬land die Hilfsmittel zurückzahlen kann, (…).

 

 

20. Oktober 2011

 

Bundeskanzler Faymann:

Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen übernommenen Haftungen und Steuerbelastungen. Wir sind bemüht, bei allen für die Krisenbewältigung notwendi¬gen Maßnahmen auch auf europäischer Ebene die Belastung für die Steuerzahler und für die Wirtschaft in Österreich zu minimieren.

Wie eingangs bereits dargelegt hat sich die Bundesregierung in ihrer Einschätzung betreffend die Entwicklungen in Griechenland und die Rückzahlungs-wahrscheinlichkeit der gewährten Kredite massiv verschätzt. Das BZÖ tritt daher weiterhin mit Nachdruck für einen Zahlungsstopp an Griechenland  ein.

 

Der unterfertigte Abgeordnete stellt daher nachstehenden

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

 

 „Der Bundeskanzler wird aufgefordert, sich auf Europäischer Ebene bzw. beim  informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs am 23. Mai 2012 mit Nachdruck für die Schaffung einer Euro-Kernzone der wirtschaftlich starken Euroländer einzusetzen.

 

In diesem Zusammenhang wird der Bundeskanzler weiters aufgefordert, sich für einen sofortigen Zahlungsstopp an Griechenland auszusprechen.

 

Grundsätzlich wird der Bundeskanzler ersucht, sich auf Europäischer Ebene schützend vor die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher zu stellen, um weitere finanzielle Belastungen für Österreich zur vermeintlichen Sanierung maroder Euro-Mitgliedstaaten abzuwenden.“

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

 

 

Wien, 22. Mai 2012