Parlament Österreich

 

 

 

IV-23 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 17. Oktober 2012

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode               Mittwoch, 17. Oktober 2012

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

 

 

13386/12

Europäischer Rat (Tagung am 18./19. Oktober 2012)

– Entwurf der erläuterten Tagesordnung

(91483/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weitgehende Übereinstimmung bestand im EU- Hauptausschuss vom 17. Oktober 2012 über die Notwendigkeit eines neuerlichen EU-Konvents. Die Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen unterstützten die Einberufung eines Konvents ausdrücklich und meinten, es brauche ein Mehr an Europa. FPÖ und BZÖ hingegen äußerten sich skeptisch dazu und sprachen sich strikt gegen jegliche weitere Abgabe von Souveränitätsrechten aus.

 

Der Ausschuss tagte im Vorfeld des Europäischen Rates am 18. und 19. Oktober. Im Mittelpunkt des Europäischen Rats steht der Wachstums- und Beschäftigungspakt, ein wesentliches Thema dabei ist auch die Schaffung einer gemeinsamen Bankenaufsicht.

 

 

 

 

 

Die Union brauche Strukturänderungen, insbesondere eine Stärkung der demokratischen Legitimation, so der Tenor vieler Wortmeldungen. Ein Konvent sei sicherlich kein Allheilmittel, sondern der Start einer Diskussion und die Chance, Europa wieder stärker zusammenzuführen, sagte dazu Bundeskanzler Werner Faymann. Aufgrund der oft unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der EU 27 habe man vermehrt den Weg der verstärkten Zusammenarbeit beschritten, Österreich könne aber an einer Kluft in Europa nicht interessiert sein, bekräftigte er. Um dem gegenzusteuern, halte er daher eine Vertragsdiskussion für unumgänglich. Auch im Hinblick auf die Vertiefung der Union müsse man dem Ausbau und der Kontrolle der rechtsstaatlichen Strukturen ein besonderes Augenmerk widmen, ergänzte er.

 

Ebenso machte sich Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger für einen Konvent stark. Österreich habe den Vorschlag gemacht, einen solchen am Jahresende einzusetzen, berichtete er und zeigte sich erfreut über die diesbezügliche positive Reaktion des deutschen Finanzministers. Das Erfordernis eines solchen Konvents mache auch der Zwischenbericht der vier Präsidenten, Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker deutlich, so Spindelegger. Darin würden zahlreiche technische Vorschläge präsentiert, etwa im Hinblick auf die europäische Bankenaufsicht oder eine mögliche Bankenunion, unklar bleibe das Papier jedoch im Zusammenhang mit Fragen der demokratischen Legitimation. Die Außenminister seien für eine stärkere Einbindung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente eingetreten, erläuterte Spindelegger, was Vertragsänderungen notwendig mache.

 

Die Einsetzung eines EU-Konvents sei sinnvoll und unterstützenswert, meinte auch der Zweite Präsident des Nationalrats, Fritz Neugebauer, um die vielen Ideen zur Stärkung der EU zu bündeln und nachvollziehbar zu machen. Er warnte davor, den Eindruck zu erwecken, die Probleme schubladisieren zu wollen. Jedenfalls sei die Rolle des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente zu stärken, hielt er fest.

 

Seitens vieler Ausschussmitglieder wurde diese Position der Bundesregierung unterstützt. So meinte etwa Abgeordnete Christine Muttonen (S), es seien in den letzten Jahren zahlreiche Reformen unter hohem Druck umgesetzt worden, die Wirtschafts- und Währungspolitik sowie die Sozialpolitik der EU bedürften jedoch demokratischer Strukturen, und einen solchen Umbau könne es nur über einen Konvent geben. Ähnlich äußerte sich Klubobmann Josef Cap (S). Auch Abgeordneter Martin Bartenstein (V) unterstrich in diesem Zusammenhang, dass man ein Mehr an EU brauche. Seine Klubkollegin Katharina Cortzolezis-Schlager merkte an, angesichts der globalen Herausforderungen müssten in der EU neue Strukturen geschaffen werden. Abgeordneter Bruno Rossmann (G) vertrat die Ansicht, dass auch die von den Grünen kritisch beurteilte Fiskalunion in einem Konvent diskutiert werden müsse.

 

Skeptisch zeigten sich jedoch Abgeordneter Johannes Hübner (F) und EU-Abgeordneter Ewald Stadler (B). Es sei falsch zu glauben, dass es am Ende eines solchen Konvents zu einer weiteren Abgabe von Souveränitätsrechten kommt, meinte Stadler, das werde schon allein an Großbritannien scheitern. Man werde sich mit dem Konvent eine blutige Nase holen, formulierte er drastisch.

 

Abgeordneter Hübner (F) warf den Koalitionsparteien und den Grünen vor, im Hinblick auf ihre Forderung nach demokratischer Legitimation nicht ehrlich zu sein, und äußerte den Verdacht, dass für diese die demokratische Legitimation dort endet, wo eine andere Meinung befürchtet wird. Deshalb wagten sie es auch nicht, an die BürgerInnen im Zuge einer Volksabstimmung heranzutreten.

 

Er brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem sich die FPÖ für den Erhalt und die Rückgewinnung nationaler Kompetenzen im Rahmen der EU ausspricht. Dieser blieb jedoch aufgrund der Ablehnung durch SPÖ, ÖVP und Grüne in der Minderheit.

 

 

 

EU-Abgeordneter Ewald Stadler (B)  übte harsche Kritik an der EU-Politik. In jedem EU Staat werde derzeit ein etwaiges Referendum über eine weitere Vertiefung der Union scheitern, zeigte er sich überzeugt. Der Binnenmarkt habe zu hohen Arbeitslosenraten wie nie geführt und beweise, genauso wie die Nicht-Bewältigung der Krise, dass ein Mehr an Europa keine Lösung bringen könne. Alles gehe viel zu schnell, überall denke man darüber nach, wie man aus den Verträgen teilweise herauskommt. Auch werde dem Wildwuchs auf dem Finanzsektor nichts entgegengesetzt, alles laufe aus dem Ruder, kritisierte Stadler und sprach sich dezidiert gegen die Idee eines "Euro-Superkommissars" sowie gegen zwei EU-Budgets – eines für die gesamte Union und eines für die Euro-Gruppe – aus. Scharf griff der EU-Mandatar EZB-Präsident Draghi an, dem er eine zu große Nähe zu Goldman Sachs nachsagte und ihm vorwarf, kein Konzept auf den Tisch zu legen und nicht bereit zu sein, den Brand zu löschen, den er selbst gelegt habe. Die EZB hätte ausreichend Möglichkeiten, mit der Krise in Griechenland fertig zu werden, meinte Stadler, so aber zahlten die EU-Mitgliedsstaaten in ein Fass ohne Boden.

 

Auch Abgeordneter Johannes Hübner (F) vermisste vernünftige Konzepte und sprach von einer "Voodoo-Zombie-Schuldenpolitik", eine Diktion, die Vizekanzler Michael Spindelegger ebenso auf das Schärfste zurückwies wie die Aussagen Stadlers. Spindelegger bezeichnete diese als nicht konstruktiv. Es sei falsch zu glauben, dass man ohne die EU keine Probleme hätte, bemerkte er, es sei auch nicht logisch, einerseits von einem "Bürgerkrieg" in Griechenland zu sprechen, wie das Stadler getan hatte, gleichzeitig aber zu fordern, keinen Cent nach Griechenland zu schicken. Auch Klubobmann Josef Cap (S) konnte den Ausführungen Stadlers nichts abgewinnen. Er vermisse Lösungsvorschläge des BZÖ-Mandatars, außerdem sei die Konsequenz von Stadlers Ausführungen eine Kapitalismuskritik und ein Mehr an Europa, das vermeide Stadler aber zu sagen, so Cap.

 

Der BZÖ Antrag auf Stellungnahme, der von Abgeordnetem Gerhard Huber (B) eingebracht wurde und in dem sich das BZÖ ebenfalls gegen Souveränitätsverluste Österreichs, die Aufgabe nationaler Budgethoheit, die Schaffung eines eigenen Eurozonenbudgets und die Gründung einer politischen Union ausspricht, blieb in der Minderheit. Dafür votierten nur die Abgeordneten des BZÖ und der FPÖ. 

 

 

 

Im Mittelpunkt des kommenden Europäischen Rates wird der Pakt für Wachstum und Beschäftigung stehen, wie Bundeskanzler und Vizekanzler informierten. Außenminister Michael Spindelegger äußerte seine Zufriedenheit darüber, dass sich Österreich erfolgreich für kleineren und mittleren Unternehmen einsetzen konnte und in den Schlussfolgerungen ein Passus aufgenommen wird, dass sich die EU auf diesen wichtigen Wirtschaftszweig konzentrieren werde. Vor allem gehe es um notwendige Verbesserungen beim Zugang der KMU zu EU- Fördermitteln. Das wurde auch von Abgeordnetem Martin Bartenstein (V) begrüßt.

 

Als einen ersten wichtigen Schritt in Richtung Bankunion bezeichnete Bundeskanzler Werner Faymann die Schaffung einer gemeinsamen Bankenaufsicht. Diese Frage werde in der Diskussion im Rat großen Raum einnehmen, dabei werde europaweit die Kompetenz und das Know-how der EZB herangezogen werden müssen. Die Frage werde sich darum drehen, wie lange ein derartiger Aufbau bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der vollen Qualität dauere. Abgeordneter Martin Bartenstein (V) erhofft sich eine Bankenaufsicht "as soon as possible" und zeigte sich zufrieden darüber, dass in Bezug auf eine Einlagensicherung nun der Weg der Harmonisierung gegangen wird. Man müsse einen Schritt nach dem anderen setzen, sagte er, eine Bankenkonzession für den ESM könnte dann ein letzter Schritt sein. Eine Bankenaufsicht ohne EZB hält er für nicht denkbar. Der EZB komme eine besondere Rolle bei der Bekämpfung der Inflation zu, bemerkte er.

 

Ausdrücklich betonte der Bundeskanzler, dass die Abhaltung eines eigenen Euro-Gipfels nicht geplant sei. Er ging dabei auf die jüngsten Beschlüsse der EZB im Zusammenhang mit dem europäischen Stabilitätsmechanismus ESM ein und verteidigte den verstärkten Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB. Diese mache ihr Eingreifen davon abhängig, ob sich ein Land an die Vorgaben hält, stellte er klar. Der Prozess zur Umsetzung der Finanztransaktionssteuer sei im Laufen, neun zustimmende Briefe seien bereits eingelangt, mindestens zwei werden noch folgen. Nachdem sich elf von 27 Mitgliedsstaaten für die Einführung dieser Steuer ausgesprochen haben, werde sich der ECOFIN am 13. November damit befassen.

 

 

 

Kritik an den bisherigen Maßnahmen im Rahmen des Pakts für Wachstum und Beschäftigung kam von Abgeordnetem Bruno Rossmann (G). Ihm zufolge ist bislang zu wenig passiert, die Austeritätspolitik habe sogar große Wirtschaftsräume in die Rezession geführt, skizzierte er. Er plädierte daher für einen Paradigmenwechsel innerhalb der EU wie ihn kürzlich auch der IWF für seine Politik angekündigt hat. Der IWF habe eingesehen, dass ab einem bestimmten Schwellenwert die Politik des Sparens wiederum nur zu neuerlichen Schulden und höherer Arbeitslosigkeit führe. Der Mandatar sprach sich für einen Wachstumspakt mit ökologischen Weichenstellungen aus, der diesen Namen auch verdient. 

 

Die Aussagen Rossmanns wurden auch von Abgeordnetem Werner Kogler (G) bekräftigt, indem er meinte, die Glaubwürdigkeit der Union kranke auch daran, dass man den Eindruck habe, es setzen sich bestimmte ideologische und ökonomische Richtungen durch. Das Problem des Fiskalpakts besteht nach Ansicht Koglers insofern, dass man eine Lösung darin sieht, mit allem zurückzufahren. Der IWF "spucke jetzt auf einmal aber ganz andere Töne" meinte Kogler pointiert. Dazu bemerkte der Bundeskanzler, der Fiskalpakt bedeute nicht Sparen am falschen Platz, sondern alles zu tun, um die Verschuldung zurückzuführen. In bestimmten Bereichen sei durchaus sinnvolles Sparpotenzial zu finden. Im Zusammenhang mit der neuen Politik des IWF sprach Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) von einem "Realitätsruck der Institution" und bewertete den Schwenk positiv.

 

Unbehagen äußerte Abgeordneter Rossmann (G) auch über die angedachte Selbstverpflichtung der Staaten, die Empfehlungen der Kommission im Rahmen des "Europäischen Semesters" umzusetzen. Offensichtlich denke man hier, ähnlich wie beim Fiskalpakt, an den Abschluss völkerrechtlicher Verträge unter Umgehung der EU-Verträge und ohne Einbindung der Parlamente. Dem entgegnete  Bundeskanzler Faymann, angesichts der Tatsache, dass man sowohl weltweit als auch in der EU der 27 aufgrund unterschiedlicher Auffassungen nicht das Maximum zustande bringe, sei es besser, mit einer kleineren Gruppe die Gemeinsamkeiten zu suchen und Projekte umzusetzen als gar nichts zu tun. Jedenfalls bedürfe es rechtsstaatlicher Strukturen, stellte der Kanzler unmissverständlich fest.

 

Die Grünen legten ihrerseits auch einen Antrag auf Stellungnahme vor, indem sie die im Ausschuss geäußerte Kritik bekräftigen und einen europäischen Konvent fordern. Auch dieser blieb in der Minderheit und wurde von den anderen Fraktionen nicht unterstützt.

 

Sorge, dass neben dem Wachstums- und Beschäftigungspakt auch ein Liberalisierungspakt entstehen könnte, äußerte Abgeordnete Christine Muttonen (S). Dies sei der falsche Weg, vielmehr bedarf es ihrer Meinung nach verstärkter sozialpolitischer Maßnahmen. Ihr schwebt unter anderem die Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung sowie eines Verfahrens bei übermäßiger Arbeitslosigkeit ähnlich dem Defizitverfahren vor. In gleicher Weise trat ihr Klubkollege Kai Jan Krainer dafür ein, sich nach der Neuausrichtung des IWF zu orientieren. Eine Lösung der Refinanzierung der Staaten müsse unabhängig von den Finanzmärkten erfolgen können, ergänzte er.

 

Muttonen sprach sich auch für eine gemeinsame Schuldenbewirtschaftung aus und zeigte sich überzeugt davon, dass die Demokratiedefizite in der EU behoben werden müssen. Man müsse den Zusammenhalt der EU stärken, um eine Kluft innerhalb der Mitgliedsstaaten verhindern. Dagegen sprach sich jedoch Abgeordneter Johannes Hübner (F) aus. Die Vorstellungen Muttonens hielt er für unrealistisch.

 

 

 

Eine Diskussion ergab sich im Ausschuss auch über die Zuerkennung des Friedensnobelpreises an die EU. Zweiter Präsident des Nationalrates Fritz Neugebauer hielt den Preis für berechtigt und meinte, trotz aller Schwierigkeiten in Teilbereichen könne es zu den Friedenszielen der EU keine Alternative geben. Sein Unverständnis galt daher den Aussagen von EU-Abgeordnetem Stadler, der gemeint hatte, dieser Preis negiere die ökonomischen Tatsachen, im Zuge der Krise herrsche etwa in Griechenland Bürgerkrieg.

 

 

 

Vizekanzler  Michael Spindelegger nahm im Ausschuss auch Stellung zu außenpolitischen Fragen und betonte, dass man im Hinblick auf die Entwicklung in Syrien und die größer werdenden Flüchtlingsströme die humanitäre Hilfe verstärken werde. Er bekräftigte weiters die österreichische Forderung, die Verantwortlichen in Syrien für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Verantwortung zu ziehen. Ferner kündigte er die Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran an, man sei aber zu weiteren Gesprächen bereit, fügte er hinzu. Was die Situation in Mali betrifft, so prüfe die EU eine militärische Intervention.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

des Abgeordneten Dr. Hübner und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Erhalt und Rückgewinnung nationaler Kompetenzen im Rahmen der Europäischen Union

 

 

Vor dem Hintergrund des bereits beschlossenen Fiskalpaktes, dem Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion also, der Umsetzung desselben, sowie der geplanten haushaltspolitischen Überwachung ("Zweierpaket"), dem verstärkten Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP), und dem Gesetzgebungspaket zur wirtschaftspolitischen Steuerung ("Sechserpaket") sind grundlegende Bedenken in Sachen Souveränität der Republik Österreich zu äußern.

 

Nicht nur, dass weitere Schritte zur Abgabe von Souveränität von Wien nach Brüssel geplant sind, bereits derzeit gibt es zahlreiche zentrale Kompetenzen, die nicht mehr in der Entscheidungshoheit der Republik Österreich stehen. Über solche „Renationalisierungs-Schritte“ in verschiedenen Politik-Bereichen nachzudenken, ist Gebot der Stunde. Nicht die „Vollendung der Wirtschafts- und Währungs-Union“ ist die Lösung der derzeitigen Probleme, sondern eine Umkehr des eingeschlagenen Weges in Richtung mehr Zentralismus wäre vonnöten.

 

Dabei ist eben klar, dass nicht eine einheitliche Wirtschafts- und Währungspolitik das Ziel sein kann, sondern nur unterschiedliche Politiken dem volkswirtschaftlichen Gefälle innerhalb der Europäischen Union im speziellen, ab auch Europa überhaupt gerecht werden können.

 

Die politische und wirtschaftliche Vielfalt Europas muss als Stärke anerkannt werden – sie gleichmachen zu wollen, ist ein Unterfangen, welches von vornherein zum Scheitern verurteilt war, nach wie vor ist und weiterhin sein wird.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, auf europäischer Ebene auf gar keinen Fall weitere Teile österreichischer Souveränität preiszugeben und sich außerdem dafür einzusetzen, möglichst viele Schritte zur Renationalisierung von diversen politischen Kompetenzen zu unternehmen.“

 

Wien, am 17. Oktober 2012

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e B-VG

 

 

der Abgeordneten Bruno Rossmann und Werner Kogler

 

 

betreffend Europäischer Rat (Tagung am 18./19. Oktober 2012) - Entwurf der erläuterten Tagesordnung (91483/EU XXIV. GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am  17.10.2012.

 

 

 

Das "Europäische Semester" ermöglicht der Europäischen Kommission die Überprüfung nationalstaatlicher Haushalts- und Reformentwürfe vor Beschlussfassung in den nationalen Parlamenten. Hauptziel ist dabei die Einhaltung der haushaltspolitischen Vorgaben sowie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Kommission spricht im Rahmen des Europäischen Semesters länderspezifische Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten aus, die diese bei der Verabschiedung ihrer Haushalte berücksichtigen sollen. Im Folgejahr findet eine Evaluierung darüber statt, wie und ob diese länderspezifische Empfehlungen Eingang in die Politiken der Mitgliedstaaten gefunden haben.

 

Im Entwurf der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 15. Oktober 2012 wird nunmehr eine Selbstverpflichtung der Staaten der Eurozone zur automatischen Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der EU Kommission angedacht - und zwar offensichtlich in Form eines  völkerrechtlichen Vertrags. Dort heißt es:

 

"Das reibungslose Funktionieren der WWU erfordert mehr nachhaltiges Wirtschaftswachstum, mehr nachhaltige Beschäftigung und mehr nachhaltigen sozialen Zusammenhalt und macht eine stärkere Koordinierung, Konvergenz und Durchsetzung der Wirtschaftspolitik notwendig. In diesem Zusammenhang sollte der Gedanke geprüft werden, dass die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets mit den EU-Organen individuelle Vereinbarungen vertraglicher Natur über die von diesen Mitgliedstaaten zugesagten Reformen sowie über deren Umsetzung schließen. Solche Vereinbarungen könnten für die in den länderspezifischen Empfehlungen des Rates genannten Reformen vorgesehen werden und auf EU-Verfahren aufbauen."

 

Noch deutlicher kommt diese Absicht im Zwischenbericht zur Vollendung der WWU vom 12.10. 2012 unter Leitung des Präsidenten des Europäischen Rates Van Rompuy zum Ausdruck: "Promoting structural reforms through arrangements of a contractual nature", wobei angedacht wird, die Reformfreudigkeit durch "limited, temporary, flexible and targeted financial incentives" zu erhöhen.

 

In Bezug auf die Beteiligung der Parlamente wird im Entwurf der Schlussfolgerungen vom 15.10.2012 lediglich drauf hingewiesen, dass "im Kontext des Europäischen Semesters eine Debatte sowohl im Europäischen Parlament als auch in den nationalen Parlamenten" stattfinden soll.

 

Wenngleich die Vorschläge derzeit noch vage sind, so ist die Stoßrichtung deutlich erkennbar. Beim Europäischen Rat am 18./19. Oktober 2012 sollen diese Überlegungen diskutiert  werden, und beim Europäischen Rat am 13./14. Dezember 2012 sollen Entscheidungen mit einem Zeitplan zur Umsetzung fallen. Der Vorschlag der vertraglichen Festlegung über Strukturreformen und länderspezifische Empfehlungen würde konkret bedeuten, dass die  Empfehlungen von Seiten der EU-Kommission in den Staaten der Eurozone  gleichsam automatisch umgesetzt werden müssen. Damit würden ohne sorgsame Debatten im Vorfeld - wie schon beim "Fiskalpakt" - demokratische Spielregeln verletzt, parlamentarische Verfahren zur Entscheidungsfindung empfindlich eingeschränkt und europaweit eine einseitige Wirtschaftspolitik im Sinne der Austerität verordnet.

 

Da der Pakt für Wachstum und Beschäftigung schon aufgrund seines bescheidenen Volumens nicht geeignet ist, die nachteiligen Effekte der europaweiten Austeritätspolitik auszugleichen, reichen Lippenbekenntnisse zur Förderung von Beschäftigung und sozialer Inklusion nicht aus. Inzwischen hat sogar der IWF auf Basis neuer Schätzungen über fiskalische Multiplikatoren von Veränderungen der Staatsausgaben erkannt, dass bei Multipliaktoren über 1 Austerität zur falschen Medizin wird, weil dann die Wirtschaft rascher schrumpft als der Staatshaushalt und sich dadurch die Schuldenproblematik verschärft. Bisher ging der IWF von fiskalischen Multiplikatoren von 0,5 aus. Das bedeutet, dass die Wirtschaft bei jeden eingesparten Euro der öffentlichen Hand um 0,5 Cent schrumpft. Nach den neuen Schätzungen liegt die Bandbreite bei 0,9 bis 1,7.

 

Darüber hinaus tauchten am Rande des IWF-Treffens in Tokio am vergangenen Wochenende in den Medien Meldungen auf, wonach der Beginn der gemeinsamen Bankenaufsicht auf 2014 verschoben werden soll.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art 23e B-VG

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

 

Der Bundeskanzler bzw. das zuständige Mitglied der Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene, insbesondere beim nächsten Europäischen Rat am 18. und 19. Oktober 2012, dafür einzusetzen,

 

·         die im Entwurf der Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 15. Oktober 2012 angedachte völkerrechtliche Verpflichtung der Eurostaaten, Strukturreformen, darunter länderspezifische Empfehlungen der EU-Kommission, automatisch umzusetzen, aus dem genannten Dokument zu streichen und diesen Vorschlag entschieden abzulehnen,

 

·         dass EU-Recht nicht über völkerrechtliche Verträge umgangen wird.

 

·         dass derart weitreichende Reformen in der Europäischen Union nur im Rahmen der europäischen Verträge bzw. entsprechender geordneter Verfahrensregeln zu einer Reform der EU und ihrer Institutionen ("Europäischer Konvent") durchgeführt werden,

 

·         angesichts einer zu erwartenden Abwärtsspirale durch die europaweite Austeritätspolitik alles zu unternehmen, um in der EU einen Wachstumspakt mit ökologischen Weichenstellungen umzusetzen, der diesen Namen verdient,

 

·         dass die gemeinsame Bankenaufsicht durch die EZB  mit Jahresbeginn 2013 -  wie im Richtlinienvorschlag der Kommission vorgesehen - ohne Verwässerungen  in Kraft treten wird und dass grenzüberschreitrende Bankenprüfungen in allen Staaten der EU ermöglicht werden.

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag des BZÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

 

des Abgeordneten Gerhard Huber

 

betreffend keine weiteren Kompetenzen nach Brüssel!

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 17. Oktober 2012

 

 

 

Die vorliegenden Schlussfolgerungen für den kommenden Europäischen Rat stellen ein weiteres Mosaiksteinchen am Weg hin zu einer weiteren Abgabe von nationaler Souveränität und in Richtung der Schaffung einer politischen Union dar.

 

Bereits die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2012 haben diese Entwicklung vorgezeichnet.

 

Bereits in dem im Vorfeld des Junigipfels seitens des Präsidenten Rompuy vorgelegten Papier war von der Gründung einer Bankenunion, einer Fiskalunion, einer weiteren Verstärkung der Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaftspolitik sowie letztlich einer politischen Union die Rede.

 

In der Praxis geht es dabei unter anderem um nicht mehr und nicht weniger als die Vergemeinschaftung von Schulden und Haftungen, um die Abgabe weitreichender Souveränitätsrechte und insbesondere der Budgethoheit der Mitgliedstaaten.

 

Mit den vorliegenden Schlussfolgerungen ist eine Weiterentwicklung dieser Pläne vorgezeichnet. 

 

 

 

Der unterfertigte Abgeordnete stellt daher nachstehenden

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

 „Der Bundeskanzler wird einmal mehr aufgefordert, auf Europäischer Ebene bzw. beim  Europäischen Rat am 18. und 19. Oktober  2012 mit Nachdruck jegliche Bestrebungen und Formulierungen in den Schlussfolgerungen abzulehnen, die zu weiteren Souveränitätsverlusten Österreichs, zur Aufgabe der nationalen Budgethoheit, zur Schaffung eines eigenen Eurozonenbudgets sowie letztlich zur Gründung einer politischen Union führen.“

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

Wien, 17. Oktober 2012