146/J XXIV. GP

Eingelangt am 12.11.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Ursula Haubner, Josef Bucher

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend Aufsichtspflicht in der Zeit zwischen Vormittags- und Nachmittagsunterricht

Die österreichische Bundesverfassung definiert Schulen als Einrichtungen, die neben dem Bildungsauftrag auch einen umfassenden Erziehungsauftrag wahrzunehmen haben. Um diesen Erziehungsauftrag, welcher jenen der Erziehungsberechtigten ergänzt, nachkommen zu können, sind Kinder für die Zeit des Schulaufenthaltes der Obsorge ihrer Erziehungsbe-rechtigten entzogen und hat daher auch gleichzeitig die Schule für die an sich den Obsorge-berechtigten zukommende Beaufsichtigung der Kinder Sorge zu tragen. Die Beaufsichtigung verfolgt zwei Ziele gleichermaßen: einerseits soll durch eine angemessene Beaufsichtigung der Schüler deren eigene Sicherheit gewährleistet werden, andererseits soll die Verursa-chung von Schäden am Eigentum und anderer Person anderer Schüler weitgehend hintan gehalten werden." (Aufsichtserlass 2005, allgemeine Erwägungen)

Trotz des in den allgemeinen Erwägungen angesprochenen umfassenden Erziehungsauf-trags umfasst der zeitliche Geltungsbereich der Beaufsichtigung im Aufsichtserlass 2005 explizit jenen Zeitraum nicht, der als Mittagspause" in der Regel die längste Zeitspanne zwi-schen zwei Unterrichtseinheiten darstellt. Abgesehen von diesem systemischen Wider- spruch, stellt diese Tatsache Eltern von Kindern bis zur 7. Schulstufe, die keine Ganztags- schule besuchen, vor zumindest zweierlei Probleme. Zum einen bedürfen ihre Kinder gemäß der geltenden Rechtslage einer Aufsicht, die sie ihren für die Zeit des Schulaufenthaltes ihrer Obsorge entzogen Kindern" natürlich auch zukommen lassen wollen, zum anderen muss diese Aufsicht jedoch von Lehrern (gemäß Aufsichtserlass) nicht geleistet werden.

Die Elternvereine begegnen dieser Problematik, indem sie einerseits die Betreuung für die unterrichtsfreie Mittagszeit selbst organisieren, was allerdings Kosten in der Höhe bis zu 80.- pro Stunde für die Eltern mit sich bringt, andererseits werden Kombinationen mit der Nachmittagsbetreuung versucht. Darüber hinaus sind jedoch Fälle bekannt, in denen Kin-dern, die nicht für die privat organisierte Aufsicht angemeldet waren, der Aufenthalt in der Schule untersagt wurde. De facto werden sie damit vor die (Schul-) Türe gesetzt, was wohl nicht im Einklang mit dem eingangs zitierten Anspruch eines umfassenden Erziehungs- und Obsorgeauftrags steht. Abgesehen von diesem augenscheinlich grundsätzlichen Mangel an sozialer Sensibilität und dem eigentlichen Verstoß gegen die generelle Aufsichtspflicht, näm-lich durch eine angemessene Beaufsichtigung der Schüler deren eigene Sicherheit" zu ge-währleisten, ergibt sich die groteske Situation, dass Kinder ab der 7. Schulstufe im Schulge-bäude verbleiben dürfen, da sie gemäß dem Aufsichtserlass keiner Aufsicht bedürfen, Schü-ler bis zur 7. Schulstufe jedoch des Gebäudes verwiesen werden, wenn sie nicht für eine Aufsichtsbetreuung angemeldet sind. Somit entledigt sich einerseits die Schule bzw. das Lehrpersonal ihrer Aufsichtspflicht mit dem Hinweis, eine solche nicht wahrnehmen zu müs-sen, andererseits erstellen privat organisierte Initiativen eigene Reglements, die u. a. vorse-hen, dass erst mit der vollen Entrichtung des Semesterbeitrages eine Anmeldung zur Mit-tagsaufsicht gültig ist und nicht in Anspruch genommene Aufsichtszeiten nicht refundiert werden. Was bleibt ist eine finanzielle Zusatzbelastung für die Eltern, wollen sie ihre Kinder in der schulischen Obsorge aufgehoben wissen.

Grundsätzlich gilt in Österreich die so genannte Schulgeldfreiheit. Auf einem Symposium der Österreichischen Gesellschaft für Schulrecht berechnete eine Referentin die Kosten der El-tern für den Schulbesuch eines Kindes mit bis zu rund 3.500.- pro Jahr ohne Aufwendun-gen für Nachhilfe. Bei mehreren Kindern gilt es, diese Zahl entsprechen zu multiplizieren. So entsteht für die Eltern ein monatliches Schulgeld" in der Höhe von rund 280.- pro Kind, das sich bei etwaigen Nachhilfestunden entsprechend erhöht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur folgende

Anfrage:

1.              Welche Alternativen zur Überbrückung fehlender Aufsicht durch das Lehrpersonal während der Mittagszeit sind Ihnen bekannt?

2.              Halten Sie diese Alternativen für dauerhaft sozial verträglich?

a.   Wenn ja, welche Überlegungen veranlassen Sie zu einer solchen Bewertung?

b.   Wenn nein, welche Maßnahmen wollen Sie einleiten, um Sozialverträglichkeit herzustellen?


3.    Sehen Sie das Aussetzen des zeitlichen Geltungsbereichs der Aufsichtsverpflichtung für die Mittagspause" im Einklang mit dem formulierten Anspruch der Schule für die an sich den Obsorgeberechtigten zukommende Beaufsichtigung der Kinder Sorge zu tragen'?

a.    Wenn ja, welche Überlegungen veranlassen Sie zu dieser Ansicht?

b.    Wenn nein, welche Änderung des Aufsichtserlasses werden Sie veranlassen, um Einklang herzustellen?

4.   Sind Ihnen Fälle bekannt, wo Kinder aufgrund fehlender Anmeldung für die Nachmit-tagsbetreuung bzw. Mittagsaufsicht das Schulgebäude verlassen mussten?

Wenn ja, welche Maßnahmen setzen Sie, um solche Vorgehensweisen zu ver- hindern?

5.   Halten Sie eine Verpflichtung des Lehrpersonals für die Mittagsaufsicht für realisier-bar?

Wenn ja, was bedeutet eine solche Umsetzung in finanzieller und dienstrechtli-cher Hinsicht?

6.   Halten Sie die oben beschriebenen Kosten der Eltern für den Schulbesuch ihrer Kin-der für nachvollziehbar und aktuell?

a.   Wenn ja, mit welchen Überlegungen rechtfertigen Sie unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Schulgeldfreiheit diese Kosten?

b.   Wenn nein, welche aktuellen Daten bzw. Informationen haben Sie über die jährlichen Kosten der Eltern für den Schulbesuch ihrer Kinder?