220/J XXIV. GP

Eingelangt am 20.11.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Brunner, Lichtenecker, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit

 

betreffend Novellierung der Systemnutzungstarif-Verordnung

 

 

In seinem Bericht Reihe Bund 11/2008 stellte der Rechnungshof zur Umsetzung der Klimastrategie Österreichs auf Ebene des Bundes fest:

 

„Es ist unwahrscheinlich, dass das Kyoto–Ziel mit den nationalen Maßnahmenpaketen der Klimastrategie erreicht werden kann. Selbst bei maximaler Ausnutzung der international zur Verfügung stehenden flexiblen Mechanismen sind wesentlich stärker und schneller wirksame sektorale Maßnahmen im Inland zur Reduktion der Treibhausgasemissionen notwendig.“

 

Die Förderung der Erzeugung von Ökostrom stellt eine wesentliche Maßnahme im Rahmen der Klimastrategie dar. In den letzten Jahren ist es durch zahlreiche Novellierungen des Ökostromgesetzes und die Festlegung nicht kostendeckender Einspeisetarife zu einem de-facto-Ausbaustopp der Ökostromerzeugung gekommen.

 

Vor Kurzem wurde von der Energie-Control Kommission (ECK) der Begutachtungs­entwurf einer Novelle der „Verordnung der Energie-Control Kommission, mit der die Tarife für die Systemnutzung bestimmt werden“ (SNT-VO) aufgrund des von § 25 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) mit einer Begutachtungs­frist bis 25. November 2008 veröffentlicht. Dieser Entwurf enthält substantielle Änderungen gegenüber der derzeit gültigen Regelung, die vor allem die Stromerzeuger in Österreich betreffen.

 

Durch die drastische Erhöhung des Systemdienstleistungsentgelts für Erzeuger (§ 21 SNT-VO) und Verschiebung eines Teils der Netzverlustkosten zu den Erzeugern, die bis dato von der Kostentragung für die Netzverluste befreit sind (§ 20 SNT-VO) kommt es zu erheblichen Belastungen heimischer Stromerzeuger. Insbesondere für Betreiber von Ökostromanlagen, die Einspeisetarife im Rahmen des Ökostrom­gesetzes erhalten, stellt diese zusätzliche Kostenbelastung eine erhebliche wirtschaftliche Bedrohung dar, da sie de facto zu einer Kürzung der Einspeisetarife führt. Betroffen davon sind nicht nur neu hinzukommende sondern auch bestehende Ökostromanlagen.

 

In den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf der SNT-VO wird zur Festlegung des Netzverlustentgelts angeführt:

 

„Auf Basis einer kostenorientierten Betrachtung ist somit eine Änderung der Systematik dahingehend erforderlich, dass auch Einspeiser für die anfallenden Netzverluste einen Kostenbeitrag zu leisten haben. Es wird weiters davon ausgegangen, dass die hervorgerufenen Netzverluste durch Einspeisung ein vergleichbares Ausmaß wie die auf Entnehmer zurückführbaren Netzverluste erreichen.“

 

Eine nähere Begründung, auf welchen wissenschaftlichen Belegen sich diese Annahme gründet, ist in den Erläuterungen nicht festgehalten. Selbst die Energie-Control GmbH (ECG) weist aber darauf hin, dass die vermehrte dezentrale Einspeisung tendenziell zu niedrigeren Netzverlusten führt (siehe etwa „Ökonomische Aspekte der dezentralen Stromerzeugung in Österreich“, Studie der Consentec GmbH im Auftrag der ECG, 2005. „Regulatorische Aspekte der dezentralen Erzeugung“, Vortrag von Dr. Kapetanovic (ECG) beim 1. Internationalen Symposium „Verteilte Stromerzeugung und intelligente Netze“, 19. Oktober 2006, Arsenal Research, Wien). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass vermehrte dezentrale Einspeisung die Netzverluste insgesamt keineswegs erhöhen.

 

Die ECK ist eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, deren Kompetenzen im Energie-Regulierungsbehördengesetz (E-RBG) geregelt sind. In § 16 Abs. 1 Z 2 dieses Gesetzes wird der ECK „die Bestimmung der Systemnutzungstarife und sonstiger Tarife gemäß § 25 ElWOG sowie die Bestimmung von Tarifen und Verrechnungsgrundsätzen bei Regelzonen überschreitenden Lieferungen von elektrischer Energie“ als Aufgabe zugewiesen.

 

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat eine Richtlinienkompetenz über die Grundsätze, nach denen die Systemnutzungstarife bestimmt werden. Der entsprechende § 3 Abs. 3 Z 1 E-RBG lautet:

 

„(3) Im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit insbesondere ermächtigt

1. Verordnungen

a) über die Höhe des von der Energie-Control GmbH einzuhebenden Entgelts (§ 6);

b) über die Veröffentlichung von Entscheidungen (§ 22);

c) über die Grundsätze, die bei der Bestimmung der Systemnutzungstarife gemäß § 25 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 121/2000 und der §§ 23 bis 23e Gaswirtschaftsgesetz (GWG), BGBl. I Nr. 121/2000, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 148/2002 einschließlich der Produktivitätsabschläge (Preis-Cap-Verfahren) anzuwenden sind,

zu erlassen.“

 

Die wesentlichen Änderungen der Kostenaufteilung im Begutachtungsentwurf der SNT-VO lässt auf eine Änderung der Grundlagen zur Bestimmung dieser Systemnutzungstarife schließen, für die der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit eine Richtlinienkompetenz inne hat.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Haben sie eine Verordnung gem. § 3 Abs. 3 Z 1 lit. c E-RBG über Grundsätze, die bei der Bestimmung der Systemnutzungstarife gemäß § 25 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) anzuwenden sind erlassen?
    1. Wenn ja wann wurde diese erlassen bzw. wann wurde sie zuletzt novelliert und welches ist die gültige Fassung?
    2. Wenn nein, warum wurde sie nicht erlassen?

 

  1. Nach welchen Grundsätze wurden Systemnutzungstarife im Begutachtungsentwurf der SNT-VO bestimmt und wer hat wie und wann diese Grundsätze definiert?

 

  1. Wie unterscheiden sich diese Grundsätze, nach denen die Systemnutzungstarife im Begutachtungsentwurf der SNT-VO bestimmt wurden von jenen, nach denen die Systemnutzungstarife in der Fassung der SNT-VO der Energie-Control Kommission Zl. K SNT 100/07, verlautbart im Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 243 am 18. Dezember 2007 bestimmt wurden?

 

  1. Falls sich diese Grundessätze unterscheiden: Wurden diese Veränderungen von ihnen im Verordnungswege gem. § 3 Abs. 3 Z 1 lit. c E-RBG festgelegt?

 

  1. Wie begründet sich die Zuordnung von Netzverlustkosten zu einer steigenden Anzahl dezentraler Einspeiser, wo doch dezentrale Einspeisung selbst nach Aussagen der ECG tendenziell zu sinkenden Netzverlusten führt und ebendiesen dezentralen Einspeisern bisher keine Netzverlustkosten angelastet wurden?
    1. Führen sie bitte die entsprechenden wissenschaftlichen Grundlagen an
    2. Wurden von der ECG dazu eingehende Untersuchungen durchgeführt und mit welchem Ergebnis?

 

  1. Wie beurteilen sie die Kompatibilität der Novelle zur SNT-VO mit den durch die Strombinnenmarktrichtlinie 2003/54/EG festgelegten Grundsätze der Kostentransparenz und des Unbundlings unterlaufen, wenn durch die vorgeschlagene neue SNT-VO Netzkosten zu den Einspeisern verlagert werden?

 

  1. Wie hoch lassen sich die erwarteten gesamten Netzkosten der Einspeiser nach dem Begutachtungsentwurf der SNT-VO und nach der geltenden Fassung der SNT-VO beziffern?

 

  1. Wie groß ist der Kostenblock, der durch die Novellierung der SNT-VO von den Entnehmern zu den Einspeisern hin verschoben wird?

 

  1. Wie hoch ist die erwartete Netto-Entlastung der Entnehmer durch die Novellierung der SNT-VO?

 

  1. Teilen sie die Ansicht, dass Einspeiser, die Einspeisetarife nach dem Ökostromregime erhalten, durch die Einführung des Netzverlustentgelts für Einspeiser zusätzlich finanziell belastet werden?
    1. Wenn ja, warum?
    2. Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Teilen sich die Ansicht, dass diese Ökostromeinspeiser durch die Einführung des Netzverlustentgelts für Einspeiser in ihrer wirtschaftlichen Basis gefährdet werden können?
    1. Wenn ja, warum?
    2. Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Teilen sie die Ansicht, dass es damit de facto zu keiner bis kaum einer Kostenersparnis für die Entnehmer bzw. EndkonsumentInnen kommt?
    1. Wenn ja, warum?
    2. Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Teilen sie die Ansicht, dass es durch die Novellierung zu einer Diskriminierung heimischer Stromproduzenten kommen kann, insbesondere gegenüber Stromanbietern aus anderen Staaten, die keine derartigen Erzeugungskomponenten der Netzgebühren zu tragen haben?
    1. Wenn ja, warum?
    2. Wenn nein, warum nicht?