227/J XXIV. GP

Eingelangt am 24.11.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend angeblich überraschend bekannt gewordene Sparpläne der Post

 

 

Rund um den Jahreswechsel 2007/2008 wurde auf EU-Ebene - unter aktiver Mitwirkung der österreichischen Bundesregierung im Rat - eine neue EU-Postrichtlinie fixiert, die das vollständige Ende des Post-Monopols in Österreich auch im Briefmarkt per 1.1.2011 festschrieb. Die Richtlinie wurde als RL 2008/6/EG am 27.2.2008 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und ist damit in Kraft getreten.

 

Die damit zusammenhängenden Absichten der Post AG für die Schließung von letztlich über 1.000 Postämtern bzw. -filialen und zum Abbau von an die 9.000 MitarbeiterInnen sind offenbar durch eine primär persönlichen Vorteils-Überlegungen geschuldete Indiskretion aus Spitzen-Kreisen der Post AG an die Öffentlichkeit gelangt. Sie haben zu hektischen Aktivitäten der für die Zukunft der Post zuständigen, aber bislang untätig gebliebenen Regierungsmitglieder Werner Faymann und Wilhelm Molterer geführt.

 

Zunächst wurde die „heiße Kartoffel“ im Eiltempo und mit parteipolitischem Flankenschutz vom SPÖ-„Postminister“ zum ÖVP-„ÖIAG-Minister“ und wieder zurück geworfen. Der Infrastrukturminister behauptete dabei hartnäckig, von nichts etwas gewußt und alles erst aus den Medien erfahren zu haben. Zuletzt nahm Werner Faymann so scharf die Kurve, dass es selbst mit biegsamsten Populismus-Reifen nicht ohne misstönendes Quietschen abging, und versuchte sich mit einem rechtlich ebenso wie hinsichtlich seiner Wirksamkeit fragwürdigen Last-Second-Verordnungsentwurf als „Retter der Postämter“ zu inszenieren.

 

Allerdings hatte das BMVIT erst im Oktober 2008 keinen unmittelbaren oder gar fundamentalen Einwand gegen die von der Post beabsichtigte und angemeldete Schließung von zwei Dutzend Postämtern in Ballungsräumen. Nach diesen und weiteren in den letzten Tagen dokumentierten Informationen kann davon, dass der Infrastrukturminister wie behauptet von nichts etwas gewußt und alles erst aus den Medien erfahren hätte, keine Rede sein.

 

Da es immerhin um die Glaubwürdigkeit des voraussichtlich nächsten Bundeskanzlers der Republik geht, sollten diese Vorkommnisse detaillierter beleuchtet werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende


 

ANFRAGE:

 

  1. War das BMVIT bzw. seine Spitze 2007/08 bei den Verhandlungen im Rat über die letzte Änderung der EU-Postrichtlinie vertreten?

 

  1. Wer hat für Österreich a) an der Beschlußvorbereitung und b) an der Beschlussfassung über den Gemeinsamen Standpunkt des Rates zum Vorschlag der EU-Kommission für die Änderung der Post-Richtlinie 97/67/EG am 8.11.2007 mitgewirkt?

 

  1. Warum haben Sie bzw. Ihr/e StellvertreterIn die unter anderem für EU-Mitgliedsstaaten „mit schwierigen topographischen Bedingungen“ zur Wahl gestandene Option, den Zeitpunkt der Voll-Liberalisierung um zwei Jahre auf 1.1.2013 aufzuschieben, nicht gewählt?

 

  1. Wann sind Vertreter der Post AG nach der Beschlussfassung der neuen EU-Postrichtlinie erstmals an Sie wegen eines Termins herangetreten, und welche Gesprächsinhalte wurden dabei angeregt?

 

  1. Ist es richtig, dass Ihnen der Post-Vorstand am 14.3.2008 in einem persönlichen Termin ein Strategisches Konzept im Zusammenhang mit der wenige Wochen zuvor finalisierten EU-Liberalisierungsstrategie vorstellte?

 

  1. Wer war a) seitens des BMVIT, b) seitens der Post AG bei diesem Termin anwesend?

 

  1. Ist es richtig, dass der Post-Vorstand Ihnen bei diesem Termin eine Unterlage „Der Österreichische Post-Konzern“ vorlegte, die unter anderem unter dem Titel „Problematik der Liberalisierung“ auf die Diskrepanz zwischen „flexiblen freiberuflichen Anstellungsverhältnissen“ sowie „Lohn- und Sozialdumping“ auf Seite der „Neuen Anbieter“ im Postmarkt einerseits und „hohen Personalkosten für flächendeckende, rasche Zustellung“ sowie „unflexibler Fixkostenstruktur durch Dienstverträge (Beamte)“ auf Seite der „Nationalen Postanbieter“ hinwies und als Schlussfolgerung daraus die Feststellung enthält: „Lösung erforderlich, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen“?

 

  1. Wollen Sie vor diesem Hintergrund tatsächlich weiterhin ernsthaft behaupten, Sie hätten erst im November 2008 „aus den Medien“ von Personalabbauplänen bzw. -notwendigkeiten bei der Post AG erfahren?

 

  1. Ist es weiters richtig, dass Ihnen beim erwähnten Termin am 14.3.2008 vom Post-Vorstand auch explizit mitgeteilt wurde, dass es „nicht ohne Personalabbau gehen wird“ (vgl. Interview mit ÖIAG-Chef Michaelis, profil Nr. 47, 17.11.2008)?

 

  1. Wie erklären Sie, dass die ÖIAG seit dem März-Termin mit dem Post-Vorstand keine Signale aus dem BMVIT zu den dort unüberhörbar und unübersehbar angesprochenen nötigen politischen und inhaltlichen Maßnahmen bei der Post erhalten hat (vgl. Interview mit ÖIAG-Chef Michaelis, profil Nr. 47, 17.11.2008)?

 

  1. Ist Ihnen bekannt, dass die Post AG im Geschäftsbericht 2007 unter dem Titel „Kriterien für eine erfolgreiche Liberalisierung“ unter anderem auf den Handlungsbedarf im Bereich Personal und auf die Notwendigkeit alternativer Modelle für die Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Filialnetzes und flächendeckender Zustellung hinweist?

 

  1. Wann wurde Ihnen bzw. Ihren MitarbeiterInnen der Vorhabensbericht „Veränderungen Filialstruktur Ballungsräume“ der Post AG konkret vorgelegt?

 

  1. Haben Sie den im Vorhabensbericht „Veränderungen Filialstruktur Ballungsräume“ der Post AG enthaltenen Maßnahmen eine kategorische Absage erteilt? Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Wieviele und welche Postämter sollen auf Basis dieses Vorhabensberichts bis wann in Wien, Graz, ...  im einzelnen geschlossen werden?

 

  1. In welcher Weise haben Sie für eine tiefgehende externe Überprüfung der von der Post AG ins Treffen geführten Wirtschaftlichkeitszahlen der zur Schließung vorgesehenen Postämter in Ballungsräumen Vorsorge getroffen, nachdem aus der Postamts-Schließungswelle 2005/06 ja bekannt ist, dass die vorgelegten Zahlen nicht durchgängig nachvollziehbar bzw. tatsachenkonform waren?

 

  1. Ist es zutreffend, dass die Post AG außer den bereits zur Schließung angemeldeten Ballungsraum-Postämtern keine Postamtsschließungen im ersten Halbjahr 2009 beabsichtigte und bei Einhaltung der Mitte November 2008 rechtlich vorgesehenen Fristen solche auch vom Fristenlauf her gar nicht mehr möglich wären?

 

  1.  Wenn ja – bedeutet dies, dass Ihr Verordnungsentwurf, der eine solche Schließung im ersten Halbjahr 2009 verhindern will, also eine Nullnummer ohne jede konkrete Auswirkung ist?

 

  1. Wenn nein – warum nicht?

 

  1. Waren Sie bzw. das BMVIT - so wie u.a. VertreterInnen des ebenfalls SPÖ-geführten BKA sowie der Post AG und der Telekom Austria - in der Arbeitsgruppe über die Gründung einer sogenannten „Beamtenagentur“ im Umfeld der ÖIAG vertreten, die seit Monaten tätig war?

 

  1. Ist es zutreffend, dass diese Arbeitsgruppe der Regierung am 29.8.2008 ein umfangreiches Dossier zum „vorläufigen Arbeitsstand“ übergab, in dem unter anderem explizit angeführt ist: „Zielsetzung: (...) Es wird vorgeschlagen, bei der ÖIAG eine Personalagentur für Beamte anzusiedeln, die den ca. 3.000 von der Österreichischen Post (...) zugewiesenen Beamten die Möglichkeit zur weiteren Qualifizierung und zur möglichst dauerhaften Vermittlung in ein anderes öffentliches oder privates Arbeitsumfeld gewährleistet.“?

 

  1. Haben Sie einen konkreten Vorschlag, wie diese der Regierung seit 29.8.2008 schriftlich vorliegende Formulierung anders verstanden werden könnte, als dass bei der Post AG 3.000 Beamte im Wege dieser „Personalagentur“ abgebaut werden sollen?

 

  1. Können Sie ausschließen, dass im Rahmen dieser geplanten „Personalagentur“ im Rahmen großkoalitionären Postenschachers ein Versorgungsjob für den bei der Telekom und derzeit bei den ÖBB (ÖBB-DLG Gmbh) mit fragwürdigem „Erfolgsnachweis“ einschlägig tätigen Ing. Franz Nigl geschaffen werden soll? Wenn Sie dies nicht ausschließen können oder wollen, warum nicht?

 

  1. Warum blieben Sie seit Ihrer Verantwortungsübernahme im Jänner 2007 eine wirksame Verschärfung der Post-Universaldienstverordnung, wie in den Jahren zuvor von den Grünen und tw. auch der SPÖ gefordert, schuldig?

 

  1. Halten Sie es für politisch seriös, wenn SPÖ-Granden in den Bundesländern (wie zB der OÖ LHStv. Erich Haider) nun wortgewaltig gegen die Schließung von Postämtern und Personalabbau Stimmung machen, wenn es doch zugleich Sie als Parteifreund und zuständiges Regierungsmitglied längst in der Hand gehabt hätten, entsprechend zu handeln?

 

  1. Falls Sie tatsächlich trotz aller erwähnter Fakten darauf beharren sollten, erst jüngst aus den Medien von allen Zusperr- und Personalabbauplänen bei der Post erfahren zu haben: Gibt es womöglich zwei Werner Faymanns – einen, der seit Ende 2007 auf EU-Ebene dank persönlicher Mitwirkung an entscheidenden Beschlüssen über die abschließenden Liberalisierungsschritte der EU-Postmärkte Bescheid wußte, seit März 2008 im Detail von Post-Vorstand informiert war, seit spätestens August 2008 im Rahmen der Beamtenagentur-Pläne über tausende als entbehrlich identifizierte Post-BeamtInnen informiert war, im Oktober nichts gegen die Schließung von zwei Dutzend Postämtern in Ballungsräumen einzuwenden hatte – und einen anderen, der all dies erst Anfang November 2008 „aus den Medien“ erfuhr?