528/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.12.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Neubauer, Ing. Hofer, Haider, Kitzmüller
und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Nichtdurchführung eines ordentlichen UVP-Verfahrens im Zuge der Erweiterung des AKW Temelin

Am 25. November 2008 musste der zweite Block des tschechischen Atomkraftwerks Temelin vom Netz genommen werden. Nachdem der erste Block des AKW bereits Ende Juli wegen Turbinenproblemen heruntergefahren wurde, stand das Kraftwerk damit vorübergehend still. Die Abschaltung erfolgte automatisch aufgrund eines Signals des Schutzsystems des Generators, die genaue Ursache ist bisher unbekannt.

Mit diesem neuerlichen Störfall wird Temelin immer mehr zu einem technischen und ökonomischen Desaster. Eine Meinung, der sich auch der Anti-Atom-Beauftragte des Landes Oberösterreich, Radko Pavlovec, anschließt. Seit Inbetriebnahme des AKW Temelin Ende 2000 ist es bereits zu über 100 Störfällen gekommen.

Trotz der unzähligen Störfälle und der massiven Sicherheitsbedenken ist der Energiekonzern ČEZ dabei, das AKW Temelin auszubauen und um die geplanten Blöcke 3 und 4 zu erweitern. Die Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 könnte bis zu 130 Milliarden Kronen, d.h. umgerechnet rund 5,53 Milliarden (!) Euro, kosten; Baubeginn soll 2013 sein.

Aktuelles Problem dabei ist die Durchführung eines ordentlichen UVP-Verfahrens, das seitens Tschechiens bisher verweigert wurde. Die Europäische Kommission hat Tschechien bereits im Mai 2007 bezüglich der Durchführung einer UVP nach tschechischem Recht eine Absage erteilt und die Regierung aufgefordert, die europäische Richtlinie 85/337/EEG, 10a anzuwenden sowie eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Monaten eingeräumt. Geschehen ist bis heute nichts. Damit ist Tschechien also bei der Temelin-UVP seit über 1½ Jahren säumig. Seitens der Europäischen Union wurden bislang keine Schritte gesetzt.

Tschechien setzt sich damit im Rahmen der Energieversorgung durch Atomkraft über alle Regeln und Gesetze des europäischen Geistes hinweg. Eine Geisteshaltung, die sich bereits beim Melker Abkommen klar gezeigt. Damals distanzierte sich Tschechien vom Inhalt und von der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Abkommens.

Vom 22. September bis zum 11. Oktober 2008 fand in Bayern und Sachsen zwar ein grenzüberschreitendes Vorverfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung" statt; Teilnehmer dieses UVP-Verfahrens zur Errichtung neuer AKW-Blöcke in Temelin - drei Anti-Atomgruppen aus Bayern, Tschechien und Oberösterreich - haben eine Beschwerde gegen die Verletzung des EU-Rechts und wegen Missachtung von Europarichtlinien zur Regelung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der EU-Kommission eingebracht.

Die tschechische Regierung hat die im Rahmen eines offenen Schreibens übermittelten Vorschläge zur außergerichtlichen Beilegung des Konfliktes abgelehnt. Die Regierung Tschechiens toleriert damit wissentlich den Bruch des EU-Rechts und dies trotz der kurz bevorstehenden EU-Präsidentschaft Tschechiens.

 

In Tschechien ist das UVP-Verfahren nämlich kein Teil des Genehmigungsverfahrens, sondern hat eine ganz isolierte Stellung. Der UVP-Bescheid ist nicht im tschechischen Verwaltungsrecht verankert, sondern stellt lediglich eine fachliche Grundlage" für die nachfolgenden Verfahren" (z.B. baurechtliche Verfahren) dar. Er stellt auch keinen Bescheid im rechtlichen Sinne dar und kann somit gerichtlich nicht angefochten werden.

Dies hat zur Folge, dass auch ein negativer UVP-Bescheid nicht automatisch zum Aus für das Projekt führen muss. Diese Regelung widerspricht dem EU-Recht, konkret dem Artikel 10a der UVP-Richtlinie 85/337/EWG, welcher den Zugang der Verfahrensteilnehmer zur gerichtlichen Überprüfung regelt.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten folgende

ANFRAGE

1.              Inwieweit sind Ihnen die Pläne zur Erweiterung des AKW Temelin bekannt?

2.              Wer hat Sie zu welchem Zeitpunkt davon in Kenntnis gesetzt?

3.              Welche   Position   vertritt   die   österreichische   Bundesregierung   zur   beabsichtigten Erweiterung des AKW Temelin?

4.              Welche  Rechtsvorschriften  (europäische,  tschechische,  bilaterale)  sind  bei  diesem Ausbau in Temelin nach aktuellem Rechtsstatus einzuhalten?

5.              In welchem Umfang und nach welchen rechtlichen Grundlagen wurde bisher seitens Tschechiens ein UVP-Verfahren durchgeführt?

6.              In welchem Umfang und nach welchen rechtlichen Grundlagen wird die nunmehrige UVP seitens Tschechiens durchgeführt?

7.              Entspricht     die     derzeitige     Vorgehensweise     Tschechiens     den     europäischen Rechtsstandards?

8.              Wird die österreichische Bundesregierung auf europäischer Ebene darauf einwirken, dass Tschechien alle Rechtsnormen einzuhalten hat?

9.              Sollte   die   Bundesregierung   vorhaben,   dies   anzustreben,   welche   Schritte   sind beabsichtigt?


10.         Mit welchen Stellen,  welchem  konkreten  Inhalt und Ergebnis haben Sie oder Ihr Amtsvorgänger mit der Europäischen Union bislang Gespräche bzgl. der Erweiterung des AKW Temelin geführt?

11.         Inwieweit haben Sie oder Ihre Amtsvorgänger bislang mit Tschechien Gespräche zur geplanten Erweiterung tschechischer Atomkraftwerke insgesamt geführt?

12.          Welche konkreten Schritte planen Sie - nicht zuletzt aufgrund der EU-Präsidentschaft Tschechiens im ersten Halbjahr 2009 - in den kommenden Wochen wegen des bislang in keinster Weise  ordentlichen   und   rechtskonformen  AKW-Ausbaus  und   dem  damit verbundenen UVP-Verfahrens?

13.          Welche Schritte werden Sie setzen, um den Ausbau sowie den weiteren Betrieb desextrem störanfälligen Atomkraftwerkes Temelin zu verhindern?

14.      Inwieweit steigt durch den Bau und die geplante Inbetriebnahme der Blöcke 3 und 4 beim extrem    störanfälligen   AKW   Temelin   die   gesundheitliche    Gefährdung   für   die österreichische Bevölkerung?

15.      Welche Schritte werden Sie setzen, um Tschechien zur Einhaltung der im Melker Abkommen verankerten Vereinbarungen zu bewegen?

16.      Werden Sie einem Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM - Vertrag zustimmen?

17.      Sollte das nicht der Fall sein, was sind die Gründe dafür?

18.      Welche Pläne sind Ihnen hinsichtlich eines Atom-Rest-Müll-Lagers in Tschechien an der österreichischen Grenze bekannt?

19.      Welche Pläne sind Ihnen hinsichtlich eines Atom-Rest-Müll-Lagers in der Schweiz an der österreichischen Grenze bekannt?

20.      Wie werden Sie als Regierungsmitglied auf diese Situierung der ARM-Lager reagieren bzw. was werden Sie fordern?