546/J XXIV. GP

Eingelangt am 12.01.2009
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

 

betreffend fragwürdiger Interessensverflechtungen von Angehörigen Medizinischer Universitäten mit Pharmafirmen  

Seit Jahren berichten unterschiedlichste Medien immer wieder über Konflikte und das problematische Spannungsfeld zwischen Industrieinteressen und freier Forschung und Lehre. Selbst ein seit Jahren existenter Verhaltenskodex pharmazeutischer Unternehmen und ein ähnliches Übereinkommen von Seiten der Österreichischen  Ärztekammer scheint hier keine endgültige und befriedigende Lösung zu bieten. So beschreibt der Medizinjournalist Hans Weiss in seinem jüngsten Buch „Korrupte Medizin – Ärzte als Komplizen der Konzerne“ vielfältige unzulässige Interessensverflechtungen von SpitalsärztInnen mit der Pharmaindustrie. Er spricht von geheimen Honorarlisten für MedizinerInnen, die als undeklarierte MeinungsbildnerInnen bei der Entwicklung und Vermarktung von Medikamenten eingesetzt werden. Die von internationalen Wissenschaftsjournalen geforderte Deklarierung von Industriebeziehungen bei der Publikation von Forschungsergebnissen und klinischen Studien scheint immer noch unterlaufen zu werden. Über die Zahl von klinischen Studien, die an Ethikkommissionen vorbeigeführt werden, kursieren nur Vermutungen. Von Seiten des Wissenschaftsressorts wird den Universitäten seit Jahren der Ausbau der Drittmittelfinanzierung (Forschung im Auftrag Dritter) empfohlen und immer knappere Budgets bringen die Universitäten in immer stärkere Abhängigkeiten diverser Sponsoren und ihrer Eigeninteressen.

Ethikkommissionen werden mit jährlich steigenden Anträgen konfrontiert. Sie stoßen mit ihren derzeitigen Ressourcen damit bereits an die Grenzen ihrer Arbeitsfähigkeit. Auch für die Beurteilungen von Studien außeruniversitärer Spitäler fehlt es an Personal, Zeit und Geld. Am Beispiel einer Stammzellstudie an der Univ.  Klinik für Urologie in Innsbruck zeigen sich Systemschwächen und Fehleranfälligkeit, die der Reputation unserer Universitäten und der Glaubwürdigkeit ihrer WissenschafterInnen nachhaltigen Schaden zufügen. Sowohl das Wissenschafts- als auch das Gesundheitsministerium scheinen hier über keine geeigneten Verfahren wirklicher Kontroll- und Lösungskompetenz zu verfügen, oder aber diese nicht wie erforderlich zu nutzen.

Wenn schlussendlich der Medizinjournalist Dr. H. Weiss neun renommierte österreichische Klinikärzte aufzählt, die mit Pharmafirmen kooperieren, bleibt es diesen überlassen ihre Arbeitsbeziehung zu erläutern und zu verteidigen. Das ist unbefriedigend, schiebt die Aufklärung in den privaten Bereich und lässt eine endgültige Meinungsbildung nicht zu.

Dringender Klärungsbedarf existiert auch gegenüber den Vorwürfen unethischer Placebostudien an schwer erkrankten PatientInnen, die dringend wirksamer Therapie bedürfen, wie dies am Beispiel einer psychiatrischen Klinik behauptet wird.

Den Ethikkommissionen aller drei Medizinischen Universitäten kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Ihre Arbeitsbedingungen, die Vergleichbarkeit ihrer Kriterien der Beurteilung von Projekten und ihre Entscheidungen sind daher auf ihre Tauglichkeit zu evaluieren. Lehre, Fortbildung und Forschung müssen in ihrer jeweiligen Problematik getrennt beurteilt werden. So bieten sich bei der Fort- und Weiterbildung durchaus Fonds und gemeinsame Budgettöpfe an, die auch aus Firmengeldern gespeist werden können. Die Vergabe von Geldern und die Organisation von Fortbildungen und Kongressen, kann dann aber nicht mehr alleinige Entscheidung eines Konzern bleiben. Die Abgeltung klinisch sinnvoller und ethisch unbedenklicher Studien muss in jeder Hinsicht offen und transparent sein.  

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.         Welche Informationen haben Sie nach bekannt werden dieser Vorwürfe eingeholt und welche Konsequenzen eingeleitet?

 

2.         Was wurde von zuständiger Stelle unternommen um allfällige disziplinar-, berufs- oder gar strafrechtliche Dimensionen dieser Vorwürfe zu entkräften oder zu bestätigen?

 

3.         Zu welchen Ergebnissen haben die bisherigen Untersuchungen geführt?

 

4.         Welche gesetzlichen und strukturellen Schwachstellen der Korruptions- vermeidung können Sie namhaft machen?

 

5.         Wie und durch welche Maßnahmen verhindern Sie in Zukunft unzulässige Interessensverflechtungen von Angestellten der Medizinischen Universitäten mit Pharmafirmen bzw. Herstellern von Medizinprodukten besser als bisher?

 

6.         Kam es in der Vergangenheit zu unzulässigen Interessensverflechtungen von Angestellten der Medizinischen Universitäten mit Pharmafirmen bzw. mit Herstellern von Medizinprodukten?

7.      Wenn Ja beziffern Sie sie aufgeschlüsselt nach Standorten.

 

8.      Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem „Fall“ Urologie Innsbruck?

 

9.      Würden Sie als Entscheidungshilfe für Ihr Ressort auch die Bioethikkommission  im BKA mit einem Gutachten befassen?

 

10.    Wie und durch welche Maßnahmen stellen Sie sicher, dass die Ethikkommissionen in den Universitätskliniken ihre Aufgaben bewältigen können, unter Beachtung internationaler Standards die Rechte und die Integrität der an einer bestimmten klinischen Prüfung beziehungsweise neuen medizinischen Methode teilnehmenden Versuchspersonen noch besser als bisher zu schützen?

11.    Wie viele Anträge wurden in den letzten Jahren pro Ethikkommission jährlich bewilligt, in korrigierter Form bewilligt oder abgelehnt?

 

12.    Wie viele Arbeitsstunden wurden minimal, maximal und im Durchschnitt pro Projektbeurteilung an den jeweiligen Standorten Wien, Graz, Innsbruck aufgewendet?

 

13.    Scheint Ihnen eine Aufstockung der Ressourcen der Ethikkommissionen sinnvoll und notwendig?

 

14.    In welchem Ausmaß beteiligen sich Firmen und das Gesundheitsressort an diesen Kosten?

 

15.    Welche Mehrkosten entstehen dem Anstaltsträger durch klinische Studien und wie und von wem werden ihm diese abgegolten?

 

16.    Können Sie sich eine gemeinsame, letztlich aber öffentliche Finanzierung der Kosten für Klinische Studien, Arzneimittelsicherheit und Langzeitevaluierung von Arzneimittelnebenwirkungen aus einem nicht den Marktinteressen unterworfenen Fonds vorstellen?

 

17.    Werden Sie alles unternehmen, die Universitäten mit ausreichenden Budgets für Lehre, Weiterbildung und Forschung auszustatten, dass auch bei kritischer und ethisch unbedenklicher Auswahl von Aufträgen für Forschung im Auftrag Dritter, Lehre und Forschung auf international hohem Niveau gewährleistet ist?

 

18.    Wie kann man Ihrer Auffassung nach dem Vorwurf entgehen, Firmen würden sich immer jene Ethikkommission auswählen, die ihr die geringsten Probleme bereitet?

 

19.    Können Sie sich vorstellen, einen Prozess zu moderieren, der zu einem gemeinsamen und verbindlichen Verhaltenskodex von Industrie, Ärztekammer und universitärer Forschung führt?