680/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.01.2009
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Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner, Ursula Haubner

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend Begrenzung des Anteils nicht deutschsprachiger Schülerinnen und Schüler an den Wiener Pflichtschulen auf 30%

 

Die Beherrschung von Sprache ist eine zentrale Kompetenz. Sie ist die Voraussetzung für gelungene Integration, für einen positiven Schulabschluss und für adäquate Chancen am Arbeitsmarkt. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Muttersprache lag in den Wiener Schulen im Schuljahr 2005/06 bei rd. 35 %. Rund 17 % der Wiener Schülerinnen und Schüler haben zudem eine ausländische Staatsangehörigkeit. Diese Werte liegen weit über dem österreichischen Durchschnitt. Bei Betrachtung verschiedener Schultypen zeigt sich eine Segregation im Bildungsverhalten. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Muttersprache lag in den Wiener Volks- bzw. Hauptschulen bei rd. 46 % bzw. rd. 54 %, wobei auch der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit ausländischer Staatsbürgerschaft in diesen zwei Schultypen besonders hoch ist (rd. 21 % bzw. rd. 31 %)[1]. Der 20. Wiener Gemeindebezirk Brigittenau liegt mit seinen Anteilen von rund 75% (Volksschulen) bzw. rund 86% (Hauptschulen) an der Spitze. Darüber hinaus hält die Hälfte der Hauptschulen in der Brigittenau einen Anteil von über 90% Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Muttersprache. [2].

Diese Zahlen finden in der Folge vor allem am Wiener Arbeitsmarkt ihren Niederschlag, haben steigende Tendenz und werden in Hinblick auf Nutzung vorhandener Potentiale und Fähigkeiten der Betroffenen von der Verantwortlichen wenig oder gar nicht wahrgenommen. Zwei- oder Mehrsprachigkeit wäre ein grundsätzlicher Vorteil auf dem Arbeitsmarkt bzw. der Integration förderlich, gerät aber aufgrund fehlender Sprachkompetenz in Deutsch und in der Sprache des Herkunftslandes auch bei Migranten der zweiten Generation zum gravierenden Nachteil. So muss das AMS Basisqualifikationen wie Hauptschulabschlusskurse und Deutschkurse anbieten, da ein Großteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund am Wiener AMS trotz in Österreich durchlaufener Schulausbildung keinen Hauptschulabschluss vorweisen kann bzw. die Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um am österreichischen Arbeitsmarkt als vermittelbar zu gelten. Eine Studie[3] des Wiener AMS zeigt diese Problematiken deutlich auf. Dazu zeigen internationale Untersuchungen aus dem Bildungsbereich, wo der Problematik frühzeitig zu begegnen wäre:

„In Österreich unterscheiden sich Migrantinnen und Migranten der 1. und 2. Generation in ihrer Leseleistung wenig (nicht signifikant), wobei wegen des längeren Aufenthaltes in Österreich von Migrant/innen der 2. Generation eigentliche bessere Leistungen als von Migrant/innen der 1. Generation (die im Ausland geboren wurden) zu erwarten wären. Dies deckt sich mit den PISA-Ergebnissen und zeigt den geringen Effekt der Sozialisations- und Enkulturationsbemühungen.“[4]

Der o. a. Verweis der geringen Effektivität der bisherigen Sozialistations- und Enkulturationsbemühungen in Österreich muss gemeinsam mit weiteren, alarmierenden Daten des AMS zu intensivierten Integrationsmaßnahmen von österreichischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund führen. Neben fehlenden Abschlüssen beklagen die AMS-BeraterInnen auch ein sinkendes Schulniveau.

„Bei einigen Jugendlichen, die einen positiven Schulabschluss erreicht haben, scheinen die Kenntnisse nicht den Schulnoten zu entsprechen. Die SchülerInnen werden beispielsweise in Deutsch positiv beurteilt, obwohl sie die Sprache noch nicht ausreichend beherrschen.“[5]

Nicht zuletzt aufgrund der immer stärker werdenden Segregationstendenzen an den Wiener Pflichtschulen erhalten Privatschulen derart regen Zulauf, dass viele deutschsprachige Eltern bereit sind, ihre Kinder durchschnittlich zwei Jahre vor Schuleintritt bei Privatschulen anzumelden. Darüber hinaus nehmen Eltern die Belastung weiter Schulwege in Kauf, um ihren Kindern eine Ausbildung auf entsprechendem Niveau bieten zu können und zahlen durchschnittlich € 1.500 pro Jahr Schulgeld an die Wiener Privatschulen. Diese hohen Kosten machen den Besuch von Privatschulen für Kinder aus sozial schwachen Familien nahezu unmöglich. Ihnen bleibt nur die öffentliche Pflichtschule, die mit ihrem derzeitigen, unverhältnismäßig hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Muttersprache von den Schulverantwortlichen in Wien zum Instrument einer bildungs- und sozialpolitischen Negativauslese gemacht wurde.

In der XXII GP des Nationalrates stellten auf Initiative des BZÖ die Abgeordneten Mares Rossmann, Werner Amon, Kolleginnen und Kollegen einen Entschließungsantrag, der eine gleichmäßige Verteilung der Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Muttersprache in Parallelklassen sowie in Schulen mit gleicher Erreichbarkeit vorschlug, um die Pflichtschulen für Schülerinnen und Schüler mit deutscher Muttersprache wieder attraktiver zu machen. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur folgende

Anfrage:

  1. Ist Ihnen der oben angeführte Antrag der Abgeordneten Rossmann und Amon bekannt?
  2. Wurde die vom Nationalrat mehrheitlich beschlossene Entschließung umgesetzt?

a)      Wenn ja, welche Ergebnisse hat die Überprüfung gebracht?

b)      Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

  1. Welche Maßnahmen aus ihrem Wirkungsbereich sind Ihnen bekannt, die geeignet wären, den Segregationstendenzen an den Wiener Pflichtschulen entgegenzuwirken?
  2. Halten Sie diese Maßnahmen für ausreichend?

a)      Wenn ja, welche Überlegungen bzw. Ergebnisse veranlassen sie zu dieser Bewertung?

b)      Wenn nein, welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um den Segregationstendenzen an den Wiener Pflichtschulen entgegenzuwirken?

  1. Wurden von Seiten Ihres Ressorts Ergebnisse einschlägiger Studien wie etwa der o. a. Studie des Wiener AMS bei bildungspolitischen Planungen berücksichtigt?

a)      Wenn ja, in welche Form?

b)      Wenn nein, warum nicht?

  1. Welche konkreten Notwendigkeiten sehen Sie für das österreichische Schulsystems aufgrund der Aussage der Studienautoren (PIRLS 2006), dass die Sozialisations- und Enkulturationsbemühungen in Österreich einen nur geringen Effekt aufweisen?
  2. Wie beurteilen Sie den stärker werdenden Zulauf an den Wiener Privatschulen?
  3. Halten Sie diese Entwicklung für sozial verträglich?

  1. Halten Sie den Vorschlag des BZÖ in jeder Pflichtschule eine Klasse mit zumindest 70% Schülerinnen und Schüler deutscher Muttersprache verpflichtend zu führen für umsetzbar?

a)      Wenn ja, wie sieht das diesbezügliches Durchführungskonzept aus?

b)      Wenn nein, warum nicht?



[1] Quelle: Statistik Austria

[2] Quelle: BMUKK

[3] Analyse der KundInnengruppe Jugendliche mit Migrationshintergrund am Wiener AMS Jugendliche; KMU FORSCHUNG AUSTRIA Austrian Institute for SME Research Studie im Auftrag des AMS Wien (Wien 2007)

[4] PIRLS 2006 Internationaler Vergleich von Schülerleistungen

[5] Analyse der KundInnengruppe Jugendliche mit Migrationshintergrund am Wiener AMS, Studie des AMS Wien; Wien 2007