1587/J XXIV. GP

Eingelangt am 01.04.2009
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gartelgruber

und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Integration von Zuwanderern

Aktuellen Studien zu Folge dürfte im Jahr 2050 mindestens ein Drittel aller Menschen unter 30 einen Migrationshintergrund haben. Weil die Kinderzahlen unter Zuwanderern höher sind als die der Einheimischen, wächst der Anteil dieser Gruppe, selbst wenn es fortan keine weitere Zuwanderung gäbe. Ein großer Teil der Zuwanderer ist nach öffentlicher und politischer Vorstellung unzureichend integriert: Zugewanderte sind im Durchschnitt schlechter gebildet, häufiger arbeitslos und nehmen weniger am öffentlichen Leben teil als die Einheimischen. Meistens wird dabei allerdings die Gruppe der Ausländer betrachtet, also jene Personen, die nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen. Mittlerweile besitzt aber eine große Gruppe von Zuwanderern einen österreichischen Pass – ohne dass sich dadurch zwingend die Integrationsprobleme aufgelöst haben.

Demografisch am jüngsten sind die Gruppen mit türkischem und afrikanischem Migrationshintergrund, denn sie haben am meisten Kinder. Zudem wandern Personen aus Afrika meist als junge Menschen ein. Beide Gruppen wachsen im Unterschied zu den anderen allein aufgrund ihrer hohen Kinderzahlen, während die Zahl der Einheimischen schon seit Jahrzehnten schrumpft. Gleichzeitig bestehen hier große bis sehr große Integrationsmängel. Die angeführten Gruppen sind nach fast allen Kriterien weit entfernt von einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

In der heterogenen afrikanischen Gruppe finden sich sowohl hoch wie auch gering Qualifizierte. Da aber auch die besser Ausgebildeten Schwierigkeiten haben, eine Beschäftigung zu finden – weil Abschlüsse nicht anerkannt werden, weil der Asylantenstatus eine Erwerbsarbeit verhindert oder gesellschaftliche Vorurteile bestehen –, wird diesen Gruppen die Integration zusätzlich erschwert.

Mit Abstand am schlechtesten integriert ist die Gruppe mit türkischem Hintergrund. Zwar sind die meisten schon lange im Land, aber ihre Herkunft, oft aus wenig entwickelten Gebieten im Osten der Türkei, wirkt sich bis heute aus: Als einstige Gastarbeiter kamen sie häufig ohne Schul- oder Berufsabschluss, und auch die jüngere Generation lässt wenig Bildungsmotivation erkennen. Die hohe Erwerbslosigkeit unter den selbst Zugewanderten bleibt bei den Jüngeren bestehen. Ein Nachteil dieser Gruppe ist ihre Größe: Weil es vor allem in Städten so viele sind, fällt es ihnen leicht, unter sich zu bleiben. Das erschwert gerade zugewanderten Frauen, die häufig nicht erwerbstätig sind, die deutsche Sprache zu erlernen. Damit fehlt auch den Kindern eine wesentliche Voraussetzung für gute Integration. Ebenso kommt die Vermischung mit der Mehrheitsgesellschaft, die in den anderen Gruppen stetig voranschreitet, bei Personen mit türkischem Hintergrund kaum voran: Parallelgesellschaften, die einer Angleichung der Lebensverhältnisse im Wege stehen, sind die Folge.

In den vergangenen Jahren haben eine Reihe von wissenschaftlichen Studien im Ausland Vorschläge gemacht, wie sich Kosten oder Nutzen von Zuwanderung berechnen lassen. Solche ökonomischen Zuwanderungsbilanzen zeigen allerdings je nach Herangehensweise ganz unterschiedliche Ergebnisse – abhängig davon, wie sehr es gelingt, die oft versteckten Kosten in eine solche Bilanz einzubeziehen.

Hans Werner Sinn vom Ifo-Institut für Wirtschaftsförderung in München kam 2001 zu dem Ergebnis, dass Zuwanderung überwiegend Kosten verursacht. Migranten seien häufig gering qualifiziert, verdienten daher weniger und entrichteten somit auch weniger Steuern als Einheimische. Dagegen verursachten sie zusätzliche Infrastrukturkosten etwa für Schulen oder Dolmetscher in Behörden. Die Gesamtbilanz sei daher negativ. Nach den Berechnungen des Ifo-Instituts hat jeder Zugewanderte in Westdeutschland allein im Jahr 1997 durchschnittlich 1.419 D-Mark Kosten verursacht.

Die jüngste Studie zum Thema fiskalische Wanderungsbilanz wurde im Jahr 2008 von der Bertelsmann Stiftung veröffentlicht. In ihr ist der Saldo ebenfalls negativ: Je nach berechnetem Modell wird eine Spanne zwischen 11,8 bis 15,6 Milliarden Euro genannt, die verfehlte Integration pro Jahr koste. Das entspricht etwa der Hälfte des Bruttoinlandsproduktes von Bremen, das 2007 rund 26,5 Milliarden Euro betrug. In der Bertelsmann- Studie wurden schlecht integrierte mit gut integrierten Personen in den Bereichen Bildung, Sprache und soziale Integration verglichen. Die Summe ergibt sich aus der Differenz zwischen Einkommen, Steuer- und Versicherungsbeiträgen und dem staatlichen Mehraufwand, etwa durch Arbeitslosengeld. Pro Kopf kosten weniger gut integrierte Zugewanderte die Allgemeinheit eine Summe zwischen 2.624 und 3.471 Euro im Jahr.

Auch Studien in anderen europäischen Ländern ermittelten für mangelnde Integration hohe Kosten. Eine niederländische Studie aus dem Jahr 2003 kam zum Ergebnis, dass Migranten über ihre gesamte Lebensspanne betrachtet potenziell dann die beste Bilanz für die öffentlichen Kassen erreichen, wenn sie im Alter von 25 Jahren ins Land kommen. Allerdings verursachten Zuwanderer aus nicht-westlichen Ländern sogar in diesem Fall ein erhebliches Minus – durchschnittlich 43.000 Euro pro Lebensspanne.

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Inneres nachstehende

Anfrage:

1.     Welche Maßnahmen werden gesetzt, um die Integration von Zuwanderern aus Afrika und der Türkei sowie anderer, ähnlich integrationsferner Zuwanderer-Gruppen, voranzutreiben?


2.     Wie beurteilen Sie die Problematik, dass ein falsches politisches Verständnis der in den Artikeln 14 und 15 des Staatsgrundgesetzes, RGBl.Nr. 142/1867, festgeschriebenen Religionsfreiheit die Integration von Zuwanderern, insbesondere von solchen aus dem islamischen Kulturkreis  erschwert?

3.     Inwieweit sind Werthaltungen und kulturelle Ausdrucksformen des Islam wie Schächtung, Zwangsehe, Genitalverstümmelung u.ä. mit einer Integration in den österreichischen Staat vereinbar?

4.     Wurden gegenüber Zuwanderern wegen der in Pkt. 3 angeführten Verhaltensweisen fremdenrechtliche Konsequenzen ausgesprochen?

5.     Wenn ja, in wie vielen Fällen und welcher Art waren diese Konsequenzen?

6.     Wenn nein, warum nicht?

7.     Gibt es aktuelle österreichische Studien im Sinne einer fiskalischen Wanderungsbilanz?

8.     Wenn nein, warum nicht?

9.     Wenn ja, in welcher Höhe werden die Kosten der Zuwanderung beziffert?

10. Zahlungen welcher Höhe leisteten Zuwanderer aus Afrika und der Türkei in den Jahren 2003 bis 2008 jeweils an Träger der Sozialversicherung, aufgeschlüsselt nach eingebürgerten und nicht eingebürgerten Zuwanderern?

11. Wie hoch waren die finanziellen Leistungen, die Zuwanderer aus Afrika und der Türkei in den Jahren 2003 bis 2008 jeweils von Trägern der Sozialversicherung in Anspruch nahmen, aufgeschlüsselt nach eingebürgerten und nicht eingebürgerten Zuwanderern?