1786/J XXIV. GP
Eingelangt am
22.04.2009
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möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Angela Lueger, Marianne Hagenhofer
und GenossInnen
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend die massive Unterdrückung der christlichen Assyrer in der Türkei und die
unerträglichen Versuche des türkischen Staates, das christliche Kloster Mor Gabriel zu
enteignen.
Das Volk der
christlichen Assyrer lebt gegenwärtig in den Nahost-Staaten Irak, Iran,
Syrien,
Türkei, Libanon sowie in westlichen Ländern und in Übersee. Die
heutigen Assyrer sprechen
Spätformen des
Aramäischen und haben somit die Muttersprache von Jesus bis heute
bewahrt. Die syrisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft zählt zu den
ältesten Kirchen der
Welt.
Im Irak, im Iran und
besonders auch in der Türkei mussten Assyrer im letzten Jahrhundert
und bis heute außerordentliche
Unterdrückungsmaßnahmen erleiden. In den 20er Jahren des
vorigen Jahrhunderts verboten der Irak und die Türkei die
Volksbezeichnung Assyrer und
versuchten mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln, die Assyrer und deren Glaubensleben
zu unterdrücken.
In
der Türkei wurden 95 Prozent des Landbesitzes der Christen enteignet und
es wurden diese
ins Exil getrieben,
insbesondere nach Schweden und in die Schweiz, nach Holland,
Deutschland und nach Österreich.
1960 lebten
noch mehr als 200.000 syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei, heute sind
nur
noch 2.000 Personen
im christlichen Bergland Anatoliens vertreten.
Das
syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel ist eines der wenigen verbliebenen
christlichen
Zentren in der Türkei. Es hat sich zum Mittelpunkt christlicher
Unterweisungen entwickelt
und trägt dazu bei, dass die aramäische Sprache als Muttersprache von
Jesus nicht ausstirbt.
Mit seiner über
sechzehnhundertjährigen Geschichte ist es eines der ältesten
Klöster der
Welt.
Nunmehr will der
türkische Staat in einem äußerst fragwürdigen
Gerichtsverfahren das
christliche Kloster
Mor Gabriel enteignen. Mit absolut unhaltbaren Vorwürfen wurde das
Enteignungsverfahren angestrebt: So wurde behauptet, dass das Kloster auf dem
Fundament
einer Moschee erbaut worden sei - wenn man bedenkt, dass das Kloster im 4.
Jahrhundert
erbaut wurde, lange bevor der Islam überhaupt existierte, ergibt sich von
selbst die
unglaubliche Absurdität dieses „Argumentes". Auch der zweite
Anklagepunkt, wonach das
Brachland innerhalb und außerhalb der
Klostermauern Staatswald sei, erwies sich als sachlich
unhaltbar.
Das
Europäische Parlament hat am 12. Jänner 2009 eine schriftliche
Erklärung (0003/2009)
zur Beschlagnahme des
Klosters St. Gabriel im Südosten der Türkei abgegeben, welche
lautet: „Das Europäische
Parlament - gestützt auf Artikel 116 seiner Geschäftsordnung -,
A. In
der Erwägung, dass eine Gruppe türkischer und kurdischer Moslems ein
Gerichtsverfahren angestrebt hat, um das
Kloster St. Gabriel in der Nähe der Stadt Midyat im
Südwesten der Türkei zu enteignen,
B. In der Erwägung, dass
dann ein solches Verfahren vollkommen im Widerspruch zur
Religionsfreiheit steht, die wesentlicher
Bestandteil der politischen Kriterien für Kopenhagen
ist,
1.
verurteilt dieses Gerichtsverfahren und ist der
Auffassung, dass dieses absolut gegen
diese
Kriterien von Kopenhagen verstößt;
2.
ist beunruhigt über das Klima der zunehmenden
Intoleranz gegenüber religiösen
Minderheiten in der Türkei, die Hand in Hand mit der zunehmenden
Islamisierung dieses
Landes geht;
3.
fordert, dass die Kommission den Schutz religiöser
Minderheiten in der Türkei endlich in
den
Mittelpunkt stellt;
4.
beauftragt seinen Präsidenten, diese Erklärung
mit dem Namen der Unterzeichner der
Kommission, dem Rat und der türkischen Regierung zu übermitteln
"
Eine
parlamentarische Anfrage zum Kloster Mor Gabriel und eine Antwort der
Kommission
darauf gibt es ebenfalls.
Die
unterzeichneten Abgeordneten verweisen im gegebenen Zusammenhang auf die
Entschließung
des Nationalrates vom 10.7.2008 betreffend „weltweit zunehmende
Verfolgungen von Christen und Sicherung der Religionsfreiheit (90/E-XXIII. GP)
In dieser Entschließung heißt es:
„Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der
Bundeskanzler, die Bundesministerin für europäische und
internationale
Angelegenheiten
und die anderen Mitglieder der Bundesregierung werden angesichts der
zunehmenden Berichte aus vielen
Ländern über Diskriminierung, Repression und Verfolgung
von Christen ersucht,
Ø
auf
europäischer Ebene dafür einzutreten, dass die Rechte und Garantien,
wie sie in der
EU-Grundrechte-Charta verankert sind, auch
verstärkt zu Leitlinien der Politiken der EU
im Rahmen der internationalen Beziehungen und des weltweiten Eintretens
für die
Sicherung der Menschenrechte gemacht werden;
Ø
die Einhaltung und Durchsetzung auch des Menschenrechts auf
Religionsfreiheit und
Religionsausübungsfreiheit im Rahmen der internationalen
Menschenrechtsarbeit, auf
europäischer Ebene und in den bilateralen Beziehungen verstärkt in
die Diskussion
einzubeziehen;
Ø sich für Opfer von Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit einzusetzen. "
Die
unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für
europäische und
internationale
Angelegenheiten nachstehende
Anfrage:
1. Welche
Maßnahmen haben Sie bzw. Ihre Amtsvorgängerin auf Grund der
Entschließung
des Nationalrates vom 10.7.2008 (90/E-XXIII.GP) bereits gesetzt bzw.
gedenken Sie zu
setzen?
2.
Wie beurteilen Sie die massive und fortwährende Unterdrückung
der Christen und im
Speziellen der Assyrer in der Türkei?
3.
Haben Sie Aktivitäten gesetzt oder planen Sie solche, um die
massive Unterdrückung
von
Christen im Allgemeinen und der Assyrer im Speziellen in der Türkei
hintanzuhalten?
4.
Sind Ihnen die Versuche der türkischen Stellen bekannt, auf
äußerst fragwürdige Weise
das
Kloster Mor Gabriel zu enteignen?
5. Gedenken Sie Schritte zu setzen, um die
Durchsetzung der eigentumsmäßigen,
religiösen
und sonstigen Rechte des Klosters Mor Gabriel zu unterstützen und wenn
ja,welche?