1796/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.04.2009
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend Zuständigkeit für den Schutz vor nichtionisierender/elektromagnetischer Strahlung

 

 

Nach der Bundesverfassung besteht kein Zweifel daran, dass der Schutz vor nicht-ionisierender (= elektromagnetischer) Strahlung Bundessache ist.

 

Beziehungsweise wäre. Denn bis heute ist nicht nur trotz weit mehr als zehnjähriger Diskussion keine bundesgesetzliche Regelung dazu vorhanden; seit einiger Zeit fühlt sich auch kein Ressort mehr dafür zuständig, obwohl die Zuständigkeit für ein Thema, dem sich verschiedene Ressorts teilweise über Jahre gewidmet haben, sich wohl kaum spurlos in Luft auflösen kann – wenn dies auch einzelnen einflussreichen und von Regierungsseite hofierten Lobbies höchst gelegen käme.

 

Vor mittlerweile über zehn Jahren hatte das damalige Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz im Rahmen seiner damaligen Strahlenschutz-Zuständigkeit dazu einen Entwurf für ein „Bundesgesetz zum Schutz vor Schäden durch nichtionisierende Strahlen“ ausgearbeitet und im Jänner 1999 einen detaillierten Gesetzestext vorgelegt.

 

Abgeordnete aller damals im Parlament vertretenen Parteien haben bereits mit der Unterzeichnung der 1. Mobilfunk-Petition im Herbst 1999 die Forderung nach einem solchen Gesetz unterstützt.

 

Das BMVIT stellte in seiner Stellungnahme zu dieser Mobilfunk-Petition von 1999 fest, dass ein solches Bundesgesetz „in Vorbereitung befindlich“ sei, ohne allerdings darauf einzugehen, wo und unter wessen Federführung.

 

Das BMJ stellte in seiner Stellungnahme zur Mobilfunk-Petition von 1999 fest: „Die in der Petition erhobene Forderung nach einem Gesetz zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung betrifft nach dem Inkrafttreten der Bundesministeriengesetz-Novelle 2000 in erster Linie den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, allenfalls auch den des für Telekommunikation zuständigen Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie“.

 

Anlässlich der Zurückziehung der Grenzwertverordnung für Mobilfunk-Basisstationen („Handymasten“) durch BM Forstinger wies diese am 20.12.2000 darauf hin, dass nun das BMLFUW an der Reihe wäre, ein Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung vorzulegen – in dieser Angelegenheit werde bereits seit 5 Jahren diskutiert, eine Lösung sei vorerst nicht in Sicht.

 

Am 13.12.2001 fasste der Nationalrat eine Entschließung, in der unter anderem gefordert wird: „Die Bundesregierung wird ersucht, ... die Arbeiten an einem Bundesgesetz, das dem Schutz vor nichtionisierender Strahlung dienen soll, ...  fortzusetzen.“

 

In einer wenige Tage darauf (19.12.2001) seitens des Umweltministers ergangenen Parl. Anfragebeantwortung wurde diesbezüglich präzisiert, dass dies wegen laufender Forschungsprojekte „nicht vor dem Jahre 2004“ zielführend wäre.

 

In einer Anfragebeantwortung der seinerzeitigen Verkehrsministerin (21.12.2001) wird ausgeführt, „dass ein Gesetz zum Schutz vor nichtionisierenden Strahlungen nicht von meinem Ressort vorzubereiten wäre sondern vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft“.

 

In einer Ausschussdebatte über einen Antrag der Grünen (Abg. Moser) am 2.7.2002 teilte der damalige Umweltminister Molterer mit, sobald abgesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Bereich vorliegen, würden rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden – von Unzuständigkeit war keine Rede.

 

Bei einer Ausschussdebatte über einen erneuten Antrag der Grünen (Abg. Moser) in der nächstfolgenden Gesetzgebungsperiode am 15.2.2005 unterstrichen VertreterInnen mehrerer Fraktionen – darunter der SPÖ – und auch der damalige Umweltminister Josef Pröll die Wichtigkeit des Themas. Erneut war von Unzuständigkeit keine Rede.

 

Auch die Mobilfunklobby – vertreten durch den Verein FMK – war noch im sogenannten „Dialog-Handbuch Mobilfunk“ von 2005 der Meinung, dass „zur Beurteilung der Frage nach der Gesundheitsgefährdung durch Funkwellen primär das BMLFUW berufen“ sei, ohne sich dabei über sekundär Berufene weiter zu äussern.

 

In Beantwortung einer Kurzen Budgetanfrage der Grün-Abg. Gabriela Moser am 24.4.2007 informierte Umweltminister Pröll, dass für 2007 und 2008 jährlich rund 200.000 Euro für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor nichtionisierender/elektromagnetischer Strahlung, darunter etwa für die fachliche Begleitung der Vorbereitung eines entsprechenden Bundesgesetzes, vorgesehen seien. Dabei verwies er im einzelnen auf die Unterstützung eines WHO-Projektes, die Beauftragung einer „Studie dokumentierter Forschungsergebnisse über die Wirkung niederfrequenter elektromagnetischer Felder“ gemeinsam mit dem Wirtschaftsressort sowie weitere geplante Projekte zu Mess- und Berechnungsverfahren sowie zu Elektrosensibilität.

 

Noch im November 2008 war auf der Homepage des BMLFUW in einer Geschäftseinteilung folgerichtig zu lesen, dass die BMLFUW-Strahlenschutzabteilung (Abteilung V/7) u.a. folgende Aufgaben habe: „Allgemeine Angelegenheiten des Schutzes vor ionisierenden und nichtionisierenden Strahlen einschließlich einschlägiger Forschungsangelegenheiten.“

 

In einer Bürgerauskunft (dokumentiert auf www.meinparlament.at) beeilte sich der damalige Umweltminister Josef Pröll allerdings im November 2008 zu unterstreichen, dass es sich um eine veraltete Fassung der BMLFUW-Geschäftseinteilung handle, während die (seit August 2007) aktuelle Fassung nur mehr auf den Schutz vor ionisierender (also radioaktiver) Strahlung abstelle. Unter Verweis auf das Bundesministeriengesetz stellte Pröll fest: „Nichtionisierende Strahlung fällt also tatsächlich nicht in die Zuständigkeit des BMLFUW“.

 

Dies kommt offenbar für Informierte und Engagierte aller Seiten überraschend, wie eine kürzliche deshalb vergeblich gebliebene Vorsprache von Ex-FMK-Chef Barmüller im BMLFUW belegt.

 

Zugleich hat sich auch das BMVIT jahrelang zB im Zusammenhang mit dem „Wissenschaftlichen Beirat Funk“ mit den möglichen Gesundheitswirkungen elektromagnetischer Strahlung befasst, dennoch wies zuletzt auch Werner Faymann als Verkehrsminister die Zuständigkeit für gesetzliche Maßnahmen zum Schutz vor diesen möglichen Gesundheitswirkungen von sich.

 

Somit scheint sich die Zuständigkeit für das Thema irgendwann im Lauf der XXIII.GP in Luft aufgelöst zu haben!

 

·         Das – wie seit 2000 – nach wie vor für Strahlenschutz zuständige und jahrelang in Sachen nichtionisierender Strahlung zumindest auf Studien- und Informationsebene aktive Umweltressort fühlt sich seit einiger Zeit nicht mehr für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung zuständig.

·         Das Gesundheitsressort ist laut Wortlaut der aktuell geltenden Fassung des Bundesministeriengesetzes für „medizinische Beurteilung der Anwendung ionisierender und nichtionisierender Strahlen“ zuständig – ob dies über die Beurteilung hinaus auch Maßnahmen für den Schutz von Mensch (und Umwelt?) und damit das Pouvoir zur Ausarbeitung und Vorlage entsprechender Gesetzesvorschläge mit einschließt, bleibt zumindest unklar.

·         Das Verkehrsressort, das für die „Regulierung des Telekommunikationswesens“ in anderen Zusammenhängen (Mobilfunk-Debatte) stets großen Wert darauf legt, für Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit Telekommunikations- und Funkanlagen exklusiv zuständig zu sein, ist umgekehrt immer wieder durch originelle Rechtsansichten zu konkreten Fragen in diesem Kontext aufgefallen und jedenfalls in den letzten Jahren nicht einschlägig aktiv geworden, was den Schutz vor nichtionisierenden/elektromagnetischen Strahlen anbelangt.

·         Seitens des Wirtschaftsministeriums und seiner Ressortchefs ist – trotz der unstrittigen Zuständigkeit zB für Starkstromwege und damit auch Befasstheit mit von diesen ausgehenden Strahlungsbelastungen, und trotz zB der Beauftragung der ARC mit mindestens einer einschlägigen Studie zur Wirkung elektromagnetischer Felder gemeinsam mit dem BMLFUW – keine konkrete Äußerung zum Thema bekannt.

 

Als aktuelles Fazit bleibt somit: Der Staat ist in Bezug auf elektromagnetische Strahlung nicht nur massiv säumig in der Umsetzung seiner Verpflichtung zum umfassenden Gesundheitsschutz seiner BürgerInnen, sondern will neuerdings hierfür nicht einmal mehr zuständig sein.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.      Kann sich eine Bundeskompetenz in Luft auflösen, wie es angesichts allseitiger „Nicht zuständig!“-Meldungen der früher auch laut eigenen Aussagen zuständigen bzw. inhaltlich in diesem Bereich aktiven Ressorts bei der Zuständigkeit für den Schutz vor nichtionisierender/elektromagnetischer Strahlung den Anschein hat?

 

2.      Sind Sie zuständig (oder mit-zuständig)?

 

3.      Wenn Sie nicht zuständig (oder mit-zuständig) sein sollten - wer ist dann zuständig?

 

4.      Wenn Sie nicht zuständig (oder mit-zuständig) sein sollten - warum nicht? Bitte insbesondere um Angabe des Zeitpunkts, zu dem eine vorherige Zuständigkeit erloschen ist bzw. sein soll, und um Angabe des entsprechenden Änderung der Rechtsgrundlage Ihres Wirkens bzw. des Wirkens Ihres Ressorts.

 

5.      Falls Sie zuständig oder mit-zuständig sein sollten: Wann werden Sie im Hinblick auf einen Entwurf für eine bundesgesetzliche Regelung zum Schutz vor nichtionisierender/ elektromagnetischer Strahlung konkret tätig werden?