2481/J XXIV. GP

Eingelangt am 17.06.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Grosz, Mag. Stadler,

Kolleginnen und Kollegen

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Amtsmissbrauch und Nötigung bei der ASFINAG Maut Service GmbH

 

 

Die ASFINAG Maut Service GmbH wurde zum Zwecke der Einhebung der Mautabgaben für PKW‘s und LKW’s auf dem höherrangigen Straßennetz als Einrichtung des Bundes geschaffen und tritt diesbezüglich im Rahmen der beliehenen Hoheitsverwaltung mit Imperium auf.

 

Dem BZÖ wurden Originalunterlagen der ASFINAG übermittelt, die eindeutige Fälle von Amtsmissbrauch und Nötigung belegen. Diese Unterlagen sind der Anfrage angeschlossen.

 

1.      Skandal: Vorgegebene Strafhöhen/Tag/Person

 

Mautaufsichtsorgane wurden seitens der Unternehmensführung angewiesen, pro Tag und Mitarbeiter verpflichtende Strafgelder in einer jeweilig festgelegten Höhe einzuheben. Unternehmensinterne Mails belegen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese täglichen Strafhöhen nicht erreicht haben, mit Kündigung bedroht wurden bzw. gekündigt worden sind.

 

Die Leistungsvorgaben waren pro Person und Monat mit 4.000 Euro PKW-Maut und zusätzlich 3.000 Euro LKW-Maut festgelegt. Zudem erhöhten sich die festgelegten Mautstrafen pro Region. In der Steiermark sind überhaupt krasse Beispiele mit bis zu 700 Euro täglich/Person zu Tage getreten. Auf der anderen Seite wurden Mautstrafen nicht mehr eingehoben, wenn der im Unternehmen titulierte „Umsatz“ erreicht wurde.

 

Aus zahlreichen weiteren Protokollen und Dienstanweisungen der ASFINAG wird deutlich, dass den SKD-Mitarbeitern der ASFINAG, die im Straßenkontrolldienst eingesetzt werden, klare „Umsatzvorgaben“ aufgetragen werden, die nur durch die Eintreibung einer hoheitlichen Mautabgabe erzielbar sind. Dass die Verantwortlichen der ASFINAG eine hoheitliche Abgabe als Umsatzziel betrachten, beweist die völlige Verkennung der Aufgabenstellung als beliehener Hoheitsträger.

 


2.      Skandal: Prämien- und Provisionssystem bei hoheitlichen Abgaben

 

Desweiteren belegen Auszüge  von Handbüchern ein gesetzwidriges Prämiensystem bei der Einhebung von hoheitlichen Strafen der Republik. Aus zahlreichen Besprechungsprotokollen der ASFINAG (beispielsweise die Protokolle der Dienstbesprechung Stützpunkt Gleinalm/Plabutsch vom 20.2.2007, der Dienstbesprechung SKV-Süd vom 13.3.2008 sowie der Aktenvermerk vom 25.2.2008) geht hervor, dass es bei der ASFINAG Maut-Service GmbH ein Prämiensystem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, welches für Ersatzmauteinnahmen Prämienpunkte zwischen mindestens 20 Punkten und maximal 50 Punkten vorsieht. Diese Prämien werden aus den Mauteinnahmen finanziert. Dies stellt einen völligen missbräuchlichen Verwendungszweck einer hoheitlichen Abgabe dar, welche keinerlei gesetzliche Deckung besitzt. Auch dieser Umstand stellt im Ergebnis einen Amtsmissbrauch zum Nachteil der Republik Österreich dar. Aus dem zitierten Protokoll vom 20.2.2007 (Seite 2) geht im übrigen hervor, dass „für LKW-Delikte die Einnahmen wie im Vorjahr 2006 zu halten sind“. Dies ist eine weitere Form der Bestimmungstäterschaft zum Amtsmissbrauch zum Nachteil der Republik Österreich, für den Fall, dass weitere LKW-Delikte über das festgelegte 2006er Niveau hinaus nicht zu ahnden sind. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich exakt diese Deutung.

 

Für die Prämienfestsetzung hat die ASFINAG sogar ein eigenes Formular für ihre Mitarbeiter entwickelt, welches unter Punkt 1. Prämienpunkte für „Amtshandlungen“ vergibt.

 

Hierbei ist es unerheblich, dass im vorliegenden Formular von „max. 25 % Punkten“ ausgegangen wird und die Punkteanzahl anderenorts zwischen 20 und 50 % Punkten ausgewiesen wird. Die Vorgehensweise ist insgesamt gesetzlich nicht gedeckt – unabhängig von der Höhe der vergebenen Punkteanzahl.

 

 

3.      Skandal: Amtsmissbrauch durch Nötigung mittels Kündigungsdrohung

 

Die vorgegebenen „Umsatzziele“ bei der Einnahme von Strafen haben laut betriebsinternen Aktenvermerken zu Amtsmissbräuchen geführt. Überhöhte Mautstrafen wurden eingehoben obwohl Ersatzmautzahlungen möglich gewesen wären. Wie sich aus dem Besprechungsprotokoll der SKD-Stützpunktleiter vom 20.1.2005 (Beilage zum Besprechungsprotokoll der Sitzung vom 20.1.2005) ergibt, wurde aufgrund des Leistungsdruckes der ASFINAG-Führung auf die Mitarbeiter festgestellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ASFINAG „ungerechtfertigte Delikte“ abhandeln und „Ersatzmaut kassieren, obwohl eine Nachzahlung möglich gewesen wäre“.

 

Dass auf die Mitarbeiter der ASFINAG durch leitende Organwalter unzulässiger Druck ausgeübt wurde – und offensichtlich nach wie vor wird – geht beispielsweise aus den Besprechungsprotokollen Dienstbesprechung Guggenbach 19.6.2008 Seite 3 und 4 hervor, wo es unter Pkt. 6 wörtlich heißt: „Der Abteilungsleiter erwartet sich von diesen MA eine deutliche Leistungssteigerung bis 31. August 2008. Sollte dies nicht der Fall sein, ist mit Maßnahmen bis hin zur Kündigung zu rechnen.“

 

Die Drohung mit „Maßnahmen bis hin zur Kündigung“ für den Fall, dass die amtsmissbräuchlich festgelegten „Umsatzziele“ nicht erreicht werden, stellt einerseits eine Nötigungshandlung dar und ist andererseits wohl auch als Bestimmungs­täterschaft zum Amtsmissbrauch durch die verantwortlichen Führungsorgane der ASFINAG zu werten.


 

Das Abhandeln „ungerechtfertigter Delikte“ stellt jedoch für sich selbst einen offenkundig fortgesetzten Amtsmissbrauch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ASFINAG dar, welcher nicht nur zu Lasten des Hoheitsträgers Republik Österreich geht, sondern vor allem zu Lasten und zum Nachteil der gesetzwidrig bezogenen und deliktisch behandelten Verkehrsteilnehmer. Letztere sind auch die Geschädigten des Kassierens einer Ersatzmaut (inklusive eines Strafzuschlages), obwohl noch eine Nachzahlungen möglich gewesen wäre.

 

Dass die Organwalter der ASFINAG ihre amtsmissbräuchliche Tätigkeit nicht nur vorsätzlich, sondern auch wissentlich ausgeübt haben, geht aus der Dienstanweisung vom 27.9.2004, Seite 4 hervor, wo den SKD-Mitarbeitern klar gemacht wird, dass diese ihre Tätigkeit „als vereidigte Organe der Mautaufsicht für die Bezirksverwaltungsbehörden“ ausüben und „somit Amtstätigkeiten“ vollziehen.  In dieser Passage der Dienstanweisung ist gleich mehrfach von Amtstätigkeit bzw. Amtshandlung die Rede.

 

Besonders pikant ist vor diesem Hintergrund der Umstand, dass die ASFINAG in ihrem Besprechungsprotokoll vom 13.3.2008 auf Seite 6 selbst wörtlich die Bestimmung des § 302 StGB – Missbrauch der Amtsgewalt anführt und eigens ergänzt: „Auch Mautaufsichtsorgane sind funktionell Beamte während der Amtshandlung und als solche strafbar!!!!!!!“.

 

Der Vorsatz und die Wissentlichkeit des Amtsmissbrauches gehen ferner aus dem Besprechungsprotokoll der Dienstbesprechung Gleinalm/Plabutsch vom 23.3.2007 Seite 3, hervor, wo unter dem Titel „Vignettenkontrollen – Parkplätze“  im Imperativ angewiesen wird, dass „die Zahl der Erlagscheine und Anzeigen so gering wie möglich zu halten ist“ und dass der Anteil der Erlagscheine und Anzeigen von 50 % der Delikte in allen vier Regionen auf unter 10 % zu kommen hat.

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler und Gerald Grosz haben – nachdem sie von diesem Umständen Kenntnis erlangten – am 20.3.2009 eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches § 302 StGB und Nötigung § 105 StGB eingebracht (siehe Bei­lage).

 

Diese Anzeige wurde von der Korruptionsstaatsanwaltschaft am 28. April 2009 mit der Begründung zurückgelegt, dass Amtsmissbrauch und Nötigung nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht wären.

 

Dass dieses „Kurzverfahren“ an der Korruptionsstaatsanwaltschaft offenkundig mangelhaft – möglicherweise auch parteipolitisch motiviert – war, beweist die vor Fehlern strotzende Einstellungsbenachrichtigung:

 

In der Benachrichtigung wurde als Beschuldiger genannt: „ Erstbeschuldigter: N. Riepler, unbekannte Anschrift“. Faktum ist, dass ein „N. Riepler“ nicht Organwalter der Asfinag Maut GesmbH ist, und dieser auch nicht in der Strafanzeige vom 20.3.2009 genannt wurde.

 

Dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Adresse der Organwalter der Asfinag Maut Service GmbH nicht einmal ermitteln konnte, ist ein weiterer Beweis für die „Ernsthaftigkeit“ mit denen die genannte Staatsanwaltschaft die Anzeige der Einschreiter „behandelt“ hat.

 

Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie nachstehende


 

Anfrage:

 

1.      Sind Ihnen die in der Anfrage zitierten Vorgänge innerhalb der ASFINAG Maut Service GmbH bekannt?

a)     Wenn ja, seit wann?

b)     Welche konkreten Schlüsse und Konsequenzen haben Sie aus diesen Informationen gezogen und welche Maßnahmen haben Sie bzw. die Staatsanwaltschaft Wien getroffen oder eingeleitet?

2.      Sind Ihnen die in der Beilage der Anfrage übermittelten Unterlagen bekannt?

a)     Wenn ja, seit wann?

b)     Welche konkreten Schlüsse und Konsequenzen haben Sie aus diesen Informationen gezogen und welche Maßnahmen haben Sie bzw. die Staatsanwaltschaft Wien getroffen bzw. eingeleitet?

3.      Wie beurteilen Sie bzw. die befasste Korruptionsstaatsanwaltschaft den dringenden Verdacht, dass Mautaufsichtsorgane seitens der Unternehmensführung angewiesen wurden, pro Tag und Mitarbeiter verpflichtende Strafgelder in einer jeweilig festgelegten Höhe einzuheben?

a)     Welchen strafrechtlich relevanten Tatbestand sehen Sie in diesem Umstand erfüllt bzw. welche Verdachtsmomente ergeben sich daraus für Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft?

b)     Welche konkreten Maßnahmen werden Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft aufgrund dieser Information setzen?

4.      Wie beurteilen Sie bzw. die befasste Korruptionsstaatsanwaltschaft den Verdacht, dass die Organwalter der Asfinag Maut Service GmbH ein gesetzwidriges Prämiensystem bei der Einhebung von hoheitlichen Strafen der Republik angeordnet haben?

a)     Welchen strafrechtlich relevanten Tatbestand sehen Sie in diesem Umstand erfüllt bzw. welche Verdachtsmomente ergeben sich daraus für Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft?

b)     Welche konkreten Maßnahmen werden Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft aufgrund dieser Information setzen?

5.      Wie beurteilen Sie bzw. die befasste Korruptionsstaatsanwaltschaft den dringenden Verdacht, dass die von der Asfinag Maut Service GmbH vorgegebenen „Umsatzziele“ bei der Einnahme von Strafen laut betriebsinternen Aktenvermerken zu Amtsmissbrauch geführt haben?

a)     Welchen strafrechtlich relevanten Tatbestand sehen Sie in diesem Umstand erfüllt bzw. welche Verdachtsmomente ergeben sich daraus für Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft?

b)     Welche konkreten Maßnahmen werden Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft aufgrund dieser Information setzen?

6.      Wie beurteilen Sie bzw. die befasste Korruptionsstaatsanwaltschaft den dringenden Verdacht, dass seitens der Asfinag Maut Service GmbH überhöhte Mautstrafen eingehoben wurden obwohl Ersatzmautzahlungen bzw. Nachzahlungen möglich gewesen wären?


a)     Welchen strafrechtlich relevanten Tatbestand sehen Sie in diesem Umstand erfüllt bzw. welche Verdachtsmomente ergeben sich daraus für Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft?

b)     Welche konkreten Maßnahmen werden Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft aufgrund dieser Information setzen?

7.      Wie beurteilen Sie bzw. die befasste Korruptionsstaatsanwaltschaft den dringenden Verdacht, dass auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Asfinag Maut Service GbmH unzulässiger Druck ausgeübt wurde und wird, indem man sogenannte „Leistungssteigerungen“ bei den „Umsätzen“ durch Strafgelder mit Kündigungsdrohungen in Verbindung gebracht hat.

a)     Welchen strafrechtlich relevanten Tatbestand sehen Sie in diesem Umstand erfüllt bzw. welche Verdachtsmomente ergeben sich daraus für Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft?

b)     Welche konkreten Maßnahmen werden Sie bzw. die Korruptionsstaatsanwaltschaft aufgrund dieser Information setzen?

8.      Ist Ihnen die diesbezügliche Strafanzeige der Abgeordneten Mag. Stadler und Grosz vom 20.3.2009 bekannt?

a)     Wenn ja, seit wann?

b)     Welche Einvernahmen haben aufgrund der Strafanzeige vom 20.3.2009 durch die Staatsanwaltschaft bzw. weiterer befasster Behörden stattgefunden?

c)     Wie erklären Sie sich den Umstand, dass trotz dringenden Tatverdachts diese Anzeige mit 28. April 2009 eingestellt wurde?

d)     Wie erklären Sie sich die eklatanten Fehler in der Einstellungsbenachrichtigung vom 28. April 2009?

e)     Stimmen Sie zu, dass diese Fehler auf ein nicht ordnungsgemäß durchgeführtes Ermittlungsverfahren schließen lassen?

f)       Wer ist nach Meinung der Korruptionsstaatsanwaltschaft der Beschuldigte „N. RIEPLER, unbekannte Anschrift“?

g)     Wie beurteilen Sie den Umstand, dass der der Asfinag Maut Service Gmbh unbekannte Beschuldigte N. RIEPLER von der Rechtsanwaltskanzlei Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati gegenüber der Korruptionsstaatsanwaltschaft vertreten wurde?

h)     Welche Organwalter der Asfinag Maut Service GmbH wurden seitens der Justizbehörden einvernommen bzw. welche Ergebnisse hatten diese Einvernahmen?

9.      Ist Ihnen die diesbezügliche Nachtragsanzeige und der Fortführungsantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler und Gerald Grosz vom 12.5.2009 bekannt? Wenn ja, seit wann?

10. Wie werden Sie sicherstellen, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien diesbezüglich ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchführt?

11. Wird die Korruptionsstaatsanwaltschaft Ihnen bzw. Ihrem Ressort über ein Ermittlungsverfahren aufgrund der Nachtragsanzeige bzw. dem Fortführungsantrag berichten müssen? Wenn nein, warum nicht?

 

Wien, am 17. Juni 2009

 


 

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die von den Abgeordneten übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfrage gescannt) zur Verfügung.