2566/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.06.2009
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Tod von Duncan MacPherson

 

Am 9. August 1989 bereiste der kanadische Staatsbürger Duncan MacPherson Tirol. An diesem Tag nahm er vormittags im Schigebiet Stubaier Gletscher Privatunterricht im Snowboarden, und mietete zu diesem Zweck ein Snowboard, Schikleidung und Schuhe. Er wurde um 14:30 das letzte Mal lebendig gesehen.

 

Ende August begannen seine Eltern in Österreich mit der Suche und erstatteten Vermisstenanzeige. Am 20.9.1989 wurde der von Duncan MacPherson benutzte PKW am Parkplatz der Stubaier Gletscherbahnen entdeckt und gemeldet, nachdem die Eltern zuvor eine Suchmeldung über das Fernsehen verbreiten ließen. Es wurden daraufhin Suchaktionen durchgeführt, blieben jedoch erfolglos.

 

Erst am 18. Juli 2003 wurde auf der Schipiste des Stubaier Gletschers beim Eisjoch-Lift der Leichnam von Duncan MacPherson entdeckt und von Mitarbeitern der Schilifte freigelegt. Der Fundort war in der Nähe der siebten Liftstütze des Lifts, in einem Gebiet, das für Gletscherspalten bekannt ist. Der Leichnam wurde ins Tal geflogen, und vom Sprengelarzt besichtigt, ohne dass es jedoch zu einer Obduktion gekommen wäre. Der Gerichtsmediziner führte „multipiles Trauma“ im Totenschein an.

 

In der abschließenden „Vorfallenheitsanzeige“ vom 14.9.2003 kam der ermittelnde Polizeibeamte zu dem Schluss, dass Duncan MacPherson „wahrscheinlich“ als Anfänger aus dem Schilift gefallen sei, dann durch ein abgesperrtes Areal Richtung Schipiste gegangen und dabei in eine Gletscherspalte gestürzt und an „multiplem Trauma“ verstorben sei

 

Am 23.7.2003 kamen die Eltern des Verunglückten nach Österreich, und ersuchten um Durchführung einer Obduktion. Eine solche wurde jedoch vom zuständigen Staatsanwalt nicht angeordnet. Nachdem durch Entgegenkommen eines Gerichtsmediziners zumindest noch CT-Scans angefertigt worden waren, wurde die Leiche eingeäschert.

 

Anhand der CT-Aufnahmen äußerte eine kanadische Pathologin den dringenden Verdacht, dass die Verletzungen (abgetrennte Gliedmaßen, zertrümmerte Gelenke) nicht (nur) durch den Sturz in eine Gletscherspalte und die Gletscherbewegung, sondern durch Kontakt mit „schweren Maschinen“ entstanden, wobei hier eine Verletzung durch Pistenbearbeitungsgeräte aufgrund der Umstände naheliegt.

 

In akribischer Kleinarbeit haben die Eltern von Duncan MacPherson zahlreiche Ungereimtheiten und offene Fragen aufgezeigt, welche grobe Zweifel an der Qualität der Polizeiarbeit, der Unbefangenheit der involvierten Personen und letztlich auch an der Sicherheit des in Frage stehenden Gletscherschigebietes begründen.

 

Der kanadische Fernsehsender CBC hat in seiner Sendung „The Fifth Estate“ am 27.11.2006 einen Beitrag mit dem Titel „The Iceman“ gesendet, in dem zahlreiche der offenen Fragen genau dokumentiert wurden.

 

Beispielhaft sei aufgezählt:

 

 

Aus all diesen offenen Fragen haben die Eltern den Schluss gezogen, dass Duncan MacPherson tatsächlich auf der Schipiste in eine (flache) Gletscherspalte  einbrach, dort jedoch in der Folge von einem Pistengerät überrollt, schwer verletzt und verschüttet wurde. Diese Variante scheint – angesichts der am Leichnam erkennbaren Verletzungen und der Schäden an der Ausrüstung – zumindest ebenso wahrscheinlich, wie die offizielle Version eines Todes ohne Fremdbeteiligung.

 

Aus einem Aktenvermerk des Staatsanwalts vom 21.7.2003 ergibt sich, dass zunächst auch die Polizei diese Variante für wahrscheinlich hielt: „Es sei insofern von einem Fremdverschulden auszugehen, als man davon ausgehen muss, dass der Verstorbene seinerzeit in einer Gletscherspalte im Bereich des gesicherten Schiraumes gestürzt sei. Diese Gletscherspalte muss sodann zugeschüttet worden sein, weshalb man den Verunglückten nicht mehr gefunden hatte.“ Dennoch findet sich in den Abschlussberichten kein Hinweis auf ein mögliches Fremdverschulden. 

 

Obwohl jedoch zahlreiche Hinweise vorliegen, welche Fremdverschulden am Tod zumindest möglich erscheinen lassen, wurden diesbezüglich keine eingehenden polizeilichen Ermittlungen angestellt, und von Seiten der Staatsanwaltschaft wurden die Polizeiberichte soweit ersichtlich unkritisch hingenommen.

 

Insgesamt zeigen sich somit schwere Fehler und Fahrlässigkeiten in der gesamten Chronologie dieses Falles, welche Bedenken nicht nur an der Sicherheit des Gletscherschigebietes sondern auch an der Qualität der polizeilichen und gerichtlichen Ermittlungen begründen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.        Wie viele Personen sind seit 1985 im Bereich des Schigebietes Stubaier Gletscher bzw. im Aufsichtsbereich der Stubaier Bergbahnen vermisst worden?

2.        Wie viele dieser Personen wurden lebend wieder gefunden?

3.        Zu wie vielen dieser Personen wurde in der Folge der Leichnam im Bereich des Schigebietes Stubaier Gletscher wieder aufgefunden?

4.        Wie viele Personen sind seit 1985 im Bereich des Schigebietes Stubaier Gletscher in Gletscherspalten gestürzt, konnten jedoch noch gerettet werden?

5.        Die Eltern von Duncan MacPherson haben von einem befreundeten Exekutivbeamten erfahren, dass angeblich jeden Sommer ca. 15 bis 20 Personen durch Schneebrücken im Schigebiet Stubaier Gletscher durchbrechen, glücklicherweise aber gerettet werden können. Ist das zutreffend?

6.        Falls ja: Welche Maßnahmen wurden zur Beseitigung dieser Gefahr gesetzt?

7.        Im Verfahren wurden widersprüchliche Aussagen zum Schließen von Gletscherspalten getätigt. Während im Jahr 2003 drei befragte Mitarbeiter der Schilifte angaben, dass sich öffnende Spalten abgezäunt und erst im Herbst mit Schnee verschlossen würden, sagte der Pisteverantwortliche im Jahr 1990 aus, dass sich aus dem Protokoll vom 13.8.1989 ergebe, dass an diesem Tag Gletscherspalten mit Schnee zugeschoben worden seien. Auch die Eltern von Duncan MacPherson haben selbst beobachtet und auch im Gespräch bestätigt erhalten, dass das Schließen von Gletscherspalten mit Pistenraupen ein alltäglicher Vorgang im Sommer im Gletscherschigebiet sei. Wie lauten die diesbezüglichen Vorschriften?

8.        Und wie die Praxis?

9.        Ist es zutreffend, dass eine visuelle Untersuchung der Gletscherspalten vor dem Schließen nur ausnahmsweise erfolgt, nämlich wenn es Vermisstenmeldungen gibt, wie den Eltern von Duncan MacPherson im Gespräch berichtet wurde?

10.   Ist Ihnen der Fall des Oliver T. bekannt, der 2002 im gesicherten Pistenbereich in eine Gletscherspalte geriet, und nur deshalb gerettet werden konnte, da er mit einem Mobiltelefon um Hilfe rief?

11.   Welche Lehren haben Ihr Ressort, die zuständigen Aufsichtsbehörden und die Betreiber aus dem gegenständlichen Vorfall gezogen, um sicherzustellen, dass es im gesicherten Pistenbereich zu keinen Unfällen mit Gletscherspalten kommen kann, und dass auch Absperrungen nicht von uninformierten Touristen umgangen werden können?