2721/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.07.2009
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Mag.a Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend wiederholt höchst fragwürdiges Vorgehen der ASFINAG im Vorfeld von umstrittenen Straßenbauprojekten

 

 

Die ASFINAG legt im Vorfeld umstrittener Straßenbauprojekte immer öfter höchst fragwürdige Verhaltensweisen gegenüber betroffenen Bürgerinnen und Bürgern an den Tag. So beispielsweise bei der S7 oder der S36/S37, bei letzterem Projekt noch ergänzt durch rechtlich fragwürdige ASFINAG-Großzügigkeiten in Richtung widerspenstiger Gemeinden.

 

Seit über 5 Jahren laufen die Planungsarbeiten der ASFINAG zur S7 – Fürstenfelder Schnellstraße. Seither haben tausende Menschen gegen dieses Projekt unterschrieben. In 8 Volksbefragungen hat sich die Bevölkerung mit großer Mehrheit (bis zu 100%) gegen den Bau der geplanten S7 ausgesprochen.

Im Dezember 2008 wurde das Projekt zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht, das Verfahren läuft.

Informationen zum Projekt erhielt die Bevölkerung über Werbeaussendungen der ASFINAG (der Projektwerberin). Die BürgerInneninitiative „Allianz gegen die S7“ hat als einzige über mehr als 5 Jahre die Bevölkerung informiert.

 

Obwohl die S7 noch nicht genehmigt ist, nimmt die ASFINAG nun – mit Unterstützung der Bürgermeister der Region - seit einigen Monaten Kontakt mit AnrainerInnen bzw. EigentümerInnen von Grundstücken die von der geplanten Trasse betroffen sind, auf. Dabei werden in Einzelgesprächen mit den Betroffenen Enteignungen angedroht. Diese Androhung wird in der Folge schriftlich mit knappen Fristsetzungen untermauert.

Damit versucht die ASFINAG, Druck auf die Bevölkerung bzw. GrundstückseigentümerInnen auszuüben und den Eindruck zu erwecken, die S7 sei schon genehmigt und den angesichts der verkehrs- wie umwelt- und klimapolitischen Widersinnigkeit dieses Projekts höchst begründeten Widerstand der Bevölkerung gegen dieses Projekt zu brechen.

 

Bei der S7 sind allein aus der letzten Zeit unter anderem die folgenden krassen Missstände aktenkundig:

 

* Es wurde einem Liegenschaftseigentümer unter Setzung einer Frist die Androhung, ein Enteignungsverfahren einzuleiten, zugestellt. Im Wortlaut: „... wäre die ASFINAG gezwungen, Ihre Zustimmung ... unter Zwang zu erwirken. (...) Sollte Ihre Rückmeldung bis dahin nicht vorliegen, wären wir gezwungen ein Enteignungsverfahren gegen Sie einzuleiten.“


Diese Androhung erfolgte, obwohl

a) keine Genehmigung für die S 7 vorlag (und vorliegt),

b) dies sowie die rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Enteignungsverfahrens gemäß § 17 BStG im gegenständlichen Schreiben "verschwiegen" wurden,

c) der Absender ASFINAG in Kenntnis der Rechtsunkundigkeit des Liegenschaftseigentümers war und ist (es wurde Bezug auf ein mit ihm geführtes Gespräch genommen, bei welchem dieser Umstand auffallen musste).

 

Somit ist dieses Vorgehen wohl zumindest als Herbeiführung eines Irrtums im zivilrechtlichen Sinne zu qualifizieren.

Strafrechtlich könnten die Tatbestände nach §§ 105, 108 StGB (Nötigung - Täuschung) indiziert sein.

 

Von wem konkret die ASFINAG hierzu „gezwungen wäre“ oder wird, bleibt ebenfalls ungeklärt: Von der bauwütigen regierenden Politik vor Ort, im Land oder im Bund? Von den VertreterInnen zB der Verkehrsministerin im Aufsichtsrat der ASFINAG?

 

* Es ist weiters u.a. eine Tatsache, dass über Auftrag der ASFINAG bei der S7 (mindestens) eine Erkundungsbohrung ohne Zustimmung des betroffenen Liegenschaftseigentümers durchgeführt wurde, wobei der rechtswidrig erlangte Bohrkern bis heute nicht an den Liegenschaftseigentümer rückausgefolgt wurde.

 

 

Vergleichbare und weitere Missstände sind auch aus den Vorarbeiten für die Transitachse S36/37 bekannt geworden:

 

Die geplante S37, eine im Autobahnquerschnitt konzipierte Schnellstraße zwischen dem obersteirischen Murtal und dem Raum Klagenfurt, stößt wegen ihrer absehbaren nachteiligen Wirkungen auf Mensch, Umwelt und regionale Wirtschaftsbasis zurecht auf massive Kritik, sowohl bei Bevölkerung und Lokalpolitik vor Ort als auch überregional.

 

Der massive Widerstand bleibt offensichtlich nicht ohne Wirkung bei den Projektbetreibern, die infolgedessen nicht nur zum üblichen kritikwürdigen ASFINAG-Repertoire an ungenierten Drohungen mit Enteignung etc., sondern auch zu eher unkonventionellen Methoden greifen.

 

So bietet der Bezirkshauptmann von Murau den Gemeinden, die an der geplanten S 37 liegen, in einem Schreiben die ASFINAG als Sponsor für diverse Projekte an:

 

"Wie bei der heutigen Besprechung im Anschluss an die Sozialhilfevollversammlung vereinbart, übermittle ich das gegenständliche Schreiben der ASFINAG zur Kenntnisnahme." Gezeichnet:

Bezirkshauptmann HR Dr. Wolfgang Thierrichter

 

Dieses Schreiben der ASFINAG an den Bezirkshauptmann lautet wie folgt:

"Sehr geehrter Herr Dr. Thierrichter,

nach internen Abstimmungen kann ich ihnen bestätigen, dass die ASFINAG im Rahmen der zu erwartenden Erfordernisse von Ausgleichsmaßnahmen für die Eingriffe der S 37 (z.B. im Forstbereich) die Beteiligung an themenbezogenen Projekten in der Region anstrebt.

Als erster Schritt dazu wäre die Kontaktnahme mit möglichen Projektwerbern (Gebietskörperschaften, Gemeinden, Interessensvertretungen, etc.) erforderlich.

Wir möchten sie höflich ersuchen mögliche Projekte oder Projektideen und zugehörige Ansprechpartner aus dem Planungsgebiet der S 37 für eine erste Kontaktnahme zu nennen."


Damit versucht die ASFINAG unverhohlen, die Bevölkerung und die kritischen Gemeinden entlang der Trasse „einzukaufen“ - und der Bezirkshauptmann spielt dabei auch noch aktiv mit. Mit Zuwendungen für nicht nennenswert näher definierte örtliche „Projekte“ soll offensichtlich als Gegenleistung die Aufgabe des Widerstands gegen das Straßenprojekt erreicht werden. Diese Vorgangsweise widerspricht wohl dem Aktienrecht, insbesondere dem Gebot, wie ein sorgfältiger Kaufmann vorzugehen. Es gehört sicher nicht zum sorgsamen Umgang mit Geld, Widerstände gegen vertragliche Grundstücksübergaben und die Wahrnehmung von Partizipationsrechten im UVP-Verfahren mit solchen Investitionen in nicht näher definierte „themenbezogene“ Projekte „abzukaufen“.

 

Des weiteren wäre zu prüfen, ob diese politische Intervention nicht womöglich auch strafrechtliche Tatbestände, etwa denjenigen der verbotenen Intervention gemäß § 308 StGB erfüllt, d.h. ob für die Einflussnahme (direkt oder indirekt) ein Vorteil gefordert oder angenommen wird oder man sich einen solchen versprechen lässt.

 

Dass die ASFINAG den Weg über die Bezirkshauptmannschaft wählt und sich diese dafür hergibt, sowie dass bisher kein/e höherrangig politisch für die ASFINAG Verantwortliche/r sich zu einer Distanzierung von Methoden wie diesen und den zuvor anhand von S7 und S37 geschilderten durchringen konnte, gibt jedenfalls einen tiefen Einblick in die Abgründe des österreichischen Straßenbau-Lobbyismus.

 

 

Zudem hat die ASFINAG - wie u.a. im „Wirtschaftsblatt“ zu lesen war - die bekannte PR-Agentur Hochegger.com für "kommunikative Begleitung" zum Transitstraßenausbau insbesondere bei S36/37 beauftragt. Die Bevölkerung darf also über Steuermittel auch noch dafür zahlen, dass eine umweltzerstörerische und gesundheitsgefährdende Hochleistungsstraße von einer PR-Agentur hochgejubelt wird.

 

Wie der Homepage der Firma Hochegger.com zu entnehmen ist, hat die Dr. Hochegger Kommunikationsberatungs-GmbH nicht nur im Murtal (im Bezug auf die Schnellstraße zwischen der Obersteiermark und Kärnten in Kooperation mit dem Büro Maier in Kärnten) das „Umfeldmanagement“ für die ASFINAG übernommen. Vielmehr erhielt Hochegger.com auch den Auftrag für das „Umfeldmanagement“ für die beabsichtigte Realisierung der neuerdings besonders von ÖVP-PolitikerInnen wieder massiv betriebenen Ennstal-Schnellstrasse – die derzeit nicht im Bundesstraßengesetz aufscheint, die Aufnahme wird aber seitens der Projektbetreiber in der Steiermark und in der ASFINAG angestrebt.

 

Im Ennstal ist neben der Firma Hochegger.com auch das aus ÖBB-Zeiten bekannte Malik-Institut mit öffentlich finanzierten Aufträgen, Studien ... im Zusammenhang mit geplanten bzw. gewünschten hochrangigen Straßenbauten präsent.

 

Die PR-Firma Hochegger.com steht - wie der Homepage zu entnehmen ist - in Verbindung mit dem US-Propaganda-Giganten Burson-Marsteller, der als Erfinder des gelenkten Bürgerprotestes mit der Gründung von Scheinbürgerinitiativen bzw. als Spezialist für astroturfing gilt. Mittels künstlicher Graswurzelbewegungen versucht kommerzielles astroturfing, die Emotionen der Öffentlichkeit gezielt zu beeinflussen. Die übliche Methode besteht dabei darin, dass sich wenige Personen als große Zahl von Aktivisten ausgeben, die für eine bestimmte Sache eintreten. Sie verschaffen sich Aufmerksamkeit, indem sie beispielsweise Leserbriefe und E-Mails schreiben, Blogeinträge verfassen, crossposts verbreiten oder trackbacks setzen. Sie erhalten Anweisungen darüber, welche Meinungen sie wann und wo äußern sollen, und wie sie dafür sorgen können, dass ihre Empörung oder Anerkennung, ihre Freude oder ihre Wut vollkommen spontan und unbeeinflusst erscheint, so dass die zentral gesteuerte Kampagne den Eindruck "echter" Gefühle und Anliegen hinterlässt. Oftmals werden Lokalzeitungen Opfer von astroturfing, indem sie Leserbriefe veröffentlichen, die mit identischem Inhalt auch an andere Zeitungen gesandt wurden.


Es ist fragwürdig, ob derartige Methoden wirklich geeignet sind, eine Basis mit nicht grundlos sehr kritisch eingestellten Akteuren vor Ort (wieder) zu finden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.      Wie beurteilen Sie das im Motiventeil beschriebene Vorgehen der ASFINAG im Zuge der Planungsarbeiten zur S7, insbesondere der Enteignungsdrohungen und der widerrechtlichen Probebohrungen?

 

2.      Sind die in Frage 1 angesprochenen Vorgangsweise rechtskonform? Wenn nein, in welcher Hinsicht nicht? Wenn ja, mit welcher Begründung?

 

3.      Welche Maßnahmen werden Ihrerseits – zB im Wege Ihrer VertreterInnen im Aufsichtsrat der ASFINAG – ergriffen, um solche Missstände abzustellen?

 

4.      Ab welchem Zeitpunkt der Planung bzw. Umsetzung hochrangiger Straßenbauprojekte finden Enteignungen üblicherweise statt?

 

5.      Wie bewerten Sie das In-Aussicht-Stellen von Enteignungen während der Planungsphase – lange vor dem Vorliegen von Genehmigungen für das entsprechende Projekt?

 

6.      Ist es übliche Praxis der ASFINAG, durch Androhung von Enteignungen in Einzelgesprächen Druck auf AnrainerInnen auszuüben und so vor Genehmigungen Tatsachen zu schaffen?

 

7.      Wie hat im Zusammenhang mit Grundstückserwerbungen und in Aussicht gestellten Enteignungen bei der S7 die Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern ausgesehen? In welcher Form, unter welchen Bedingungen und auf welcher Grundlage haben die Bürgermeister sich an diesem Prozess beteiligt?

 

8.      Wie beurteilen Sie es, wenn Bürgermeister die Bevölkerung im Zusammenhang mit dem UVP-Verfahren falsch informieren und Betroffene dadurch Fristen versäumen?

 

9.      Werden und wurden auch bei anderen Straßenprojekten Enteignungen vor der Erhalt der Genehmigung „in Aussicht gestellt“ / durchgeführt?

 

10.  Wenn nein, warum nicht?

 

11.  Wenn ja, bei welchen Projekten und auf Basis welcher gesetzlichen Grundlage(n) im einzelnen?         

 

12.  Wie hoch sind die Mittel aus Ihrem Ressort für Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit zu ASFINAG-Projekten bzw. zum hochrangigen Straßenbau in Österreich?

 

13.  Es gab wiederholt auch öffentlich-mediale Kritik daran, dass u.a. die ASFINAG in großem Umfang bei der Regierung (deshalb?) freundlich gegenüberstehenden Medien Inseratenstrecken und „Medienkooperationen“ im zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit Regierungsmaßnahmen – etwa zum Thema Konjunkturbelebung – platziert, somit Geld der ASFINAG zumindest im Umweg zur Imagewerbung für Regierungsmaßnahmen und damit Regierungsmitglieder eingesetzt wird. Was können Sie zur Entkräftung dieser Kritik anführen?


14.  Wie bewerten Sie das im Motiventeil dargelegte Vorgehen der ASFINAG in Bezug auf die S 37 – Vorab-Projektangebote an kritische Gemeinden etc. – im allgemeinen und im einzelnen?

 

15.  Versucht Ihrer Ansicht nach die ASFINAG, mit Zuwendungen an Gemeinden o.ä. als Gegenleistung die Aufgabe des Widerstands gegen die S 37 zu erreichen? Wenn nein, warum nicht?

 

16.  Wie bewerten Sie diese via Bezirkshauptmann angekündigten bzw. an die Bürgermeister herangetragenen Projektunterstützungen der ASFINAG a) aus aktienrechtlicher, b) aus strafrechtlicher Sicht im einzelnen?

 

17.  Wie bewerten Sie die über die BH Murau kommunizierte Aufforderung der ASFINAG, Kontaktpersonen für Projekte - offenbar ausserhalb des eigentlichen Ausgleichverfahrens in der UVP - zu nennen, die an Projektunterstützungen interessiert sind?

 

18.  Wie bewerten Sie die Mitwirkung des Bezirkshauptmannes im Rahmen des Straßenbau-Lobbying der ASFINAG?

 

19.  Wie lautet der Auftrag der ASFINAG an die PR-Agentur Hochegger.com für die "kommunikative Begleitung" zum Transitstraßenausbau der S 36 bzw. S 37 en detail?

 

20.  Wurde der Auftrag an Hochegger.com öffentlich ausgeschrieben? Wenn nein, warum nicht?

 

21.  Mit welchen weiteren Unternehmen kooperiert Hochegger.com bei laufenden Aufträgen im Zusammenhang mit hochrangigen Straßenprojekten in der Steiermark im einzelnen?

 

22.  Wie lange läuft der Vertrag mit Hochegger.com betreffend S 36/S 37?

 

23.  Welche Mittel erhält Hochegger.com für seine Tätigkeit betreffend S 36/S 37?

 

24.  Welche Pläne und Absichten mit welcher Zeitachse verfolgen Sie hinsichtlich eines hochrangigen Straßenbaus im steirischen Ennstal?

 

25.  Welche Pläne und Absichten mit welcher Zeitachse hinsichtlich eines hochrangigen Straßenbaus im steirischen Ennstal a) sind Ihnen von anderen Stellen – zB ASFINAG, Land Steiermark – bekannt bzw. b) wurden bereits an Sie herangetragen?

 

26.  Wie hoch sind die Mittel, die aus Ihrem Ressort bzw. seitens der ASFINAG für projektfreundliche Kommunikationsstrategien und Öffentlichkeitsarbeit bei Straßenprojekten seit dem Jahr 2005 bereitgestellt wurden?