2788/J XXIV. GP

Eingelangt am 10.07.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

A n f r a g e

 

der Abgeordneten Ing. Christian Höbart, Mario Kunasek,

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend soziale Kosten des Drogenmissbrauchs

 

Zur Zahl 442/J XXIV. GP erging seitens der Anfragesteller eine parlamantarische Anfrage an den damaligen Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend.

 

Die Anfragebeantwortung zu 287/AB XXIV. GP.- NR vom 21. Jänner 2009 lässt erkennen, dass diese teils unschlüssig, teils sachlich unrichtig ist, dass auf präzise Fragen nur pau­schale und z.T. ausweichende Antworten gegeben wurden, wodurch das parlamentarische Interpellationsrecht unterlaufen wurde.

 

Daher wird dem Bundesminister für Gesundheit nochmals die Gelegenheit gegeben, die noch offenen Anfragepunkte einzeln, vollständig und korrekt zu beantworten.

 

Dabei sei auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hingewiesen, derzufolge falsche Mitteilungen bzw. die von einem Bundesminister beabsichtigte Täuschung des Nationalrates über tatsächliche Vorgänge den Nationalrat in seinem konkreten Recht auf Kontrolle der Vollziehung schädigen und – insbesondere bei der Beantwortung parlamen­tarischer Anfragen Amtsmissbrauch gemäß § 302 StGB darstellen können (OGH, 14 Os 125/92 vom 12. Oktober 1993).

 

Zu Ihrer „Vorbemerkung“: Sie stellen fest, dass die in Rede stehende Kostenstudie von HAUPTMANN/HÜBNER (im Folgenden: „Kostenstudie“) von Ihren Experten „ausgesprochen kritisch“ beurteilt wird, weil sie „als einer wissenschaftlichen Analyse nicht standhaltend und nicht seriös“ erachtet wurde.

 

In der Kostenstudie wurde auf den S. 124 bis 140 (z.B.) die Prävalenz des Cannabis-Missbrauchs – größtenteils gestützt auf Jahresberichte des ÖBIG und auch unter Heranziehung zahlreicher ausländischer Vergleichswerte – u.E. sorgfältig und ausgewogen dargestellt.

 

Aus illustrativen Gründen haben die Autoren der Kostenstudie (S. 3, 30 f) ergänzend auch noch erwähnt, dass in manchen Schulen Extremwerte vorkommen, so z.B. in Klagenfurter Schulen bis zu 80 % (zitierte Quelle: Drogenbericht des BMI 2004), in Wiener Schulen bis zu 70 % der Oberklassenschülerinnen (zitierte Quelle: Frau Prof. Gabriele FISCHER) und dass an manchen Wiener Eliteschulen sogar bis zu 90 % „Kiffer“ zu verzeichnen seien (zitierte Quelle: ZÄUNER, Drogenreport Österreich, Wien 2007).

 

Hingegen suggeriert Ihre Antwort, dass die Autoren der Kostenstudie die soeben referier­ten Extremwerte als Durchschnittswerte ausgewiesen hätten.

 

Zu Ihrer „Vorbemerkung“: Sie beziehen sich weiters auf den „Suchtforscher Dr. UHL“, der bisher – soweit von hier aus feststellbar – (abgesehen von Kurzpublikationen über die Schwierigkeit von Schadensberechnungen) noch keine einzige eigene wissenschaftliche Untersuchung zu den „öffentlichen“ oder gar den (gesamten) „sozialen“ Kosten des Drogenmissbrauchs vorgelegt hat.

 

Herr Dr. UHL hat die von der EBDD in ihrem Jahresbericht 2008 (S. 22 f) dazu veröffentlichten neuesten Daten unbeachtet gelassen hat.

 

Sie verweisen auch auf ein seinerzeit von Herrn Prof. HAUPTMANN im Auftrag von Herrn Staatssekretär Prof. WANECK erstelltes Gutachten, das „die gebotene Seriosität im Umgang mit Daten und Fakten vermissen ließ“ und daher von Ihrem Ressort nicht veröffentlicht wurde.

 

Die Europäische Beobachtungsstelle schätzte für Drogen und Drogensucht (EBDD) schon in ihrem Jahresbericht 2006 (gestützt auf österreichische Daten ab 2000) 33.000 einschlägiger Opiatfälle, wobei zu bemerken ist, dass die EBDD bekanntlich nur „Fixer“ zu den „problematischen Drogenkonsumenten“ zählt.

Demgegenüber ergeben österreichische Daten, dass schon 2004 mehr als die Hälfte der hiesigen Heroin-Missbraucher diese Substanz (meist mangels Vorhandenseins – noch – „brauchbarer“ Adern zum Spritzen) „nasal“ missbraucht und weitere 5 % Opiate geraucht haben.

 

Zur Beantwortung der Frage 15 der Anfragebeantwortung:

Laut Ihrer Anfragebeantwortung dürfe „Sucht- und Drogenprävention nicht in Frage gestellt werden“, es handle sich um „international etablierte Bereiche, die wissenschaftliche Forschung ist laufend bemüht, aus der Fülle der Beobachtungen und Effekte Grundlagen zu liefern, welche die Entscheidung für oder gegen bestimmte Maßnahmen auf empirischer Basis ermöglichen. Eine Reihe von Übersichtsarbeiten belegt die Erfolge der derzeit angewandten Methoden“.

 

Zur Beantwortung der Frage 21 der Anfragebeantwortung:

 

An Sie wurde im Zusammenhang mit der Evaluation von Drogenpräventionsprgrammen (u.a.) die Frage gerichtet, ob es sich bei den betreffenden Zahlen über einen (angeblichen) Erfolg von Drogenpräventionsprogrammen um Daten handelt, die von Ihrem Ministerium oder durch Selbstevaluation durch die geförderten Vereine erhoben wurden.

 

Ihre „Antwort“ verweist dazu lediglich auf Ihre Anfragebeantwortung zu Frage 15 bis 19 unserer Anfrage, die dazu keinerlei Aufschluss enthält.


Vor diesem Hintergrund stellen unterfertiget abgeordnete an den Bundesminister für Gesundheit folgende

 

A N F R A G E:

 

 

1)       Beurteilen Sie auch die in der Kostenstudie zitierte Prävalenzangabe des Bundesministeriums für Inneres „als einer wissenschaftlichen Analyse nicht standhaltend und nicht seriös“?

 

2)       Sind Sie dazu bereit, den unterzeichneten Abgeordneten eine Kopie dieses vom damaligen Staatssekretär Prof. Waneck in Auftrag gegeben Gutachtens zur Verfügung zu stellen?

 

3)       Wenn nein, aus welchen sachlichen und nachvollziehbaren Gründen nicht?

 

4)       Wie hoch ist die Anzahl der „Experten“, auf die Sie Ihre rundweg negative Beurteilung der Kostenstudie stützen?

 

5)       Wie viele unter diesen „Experten“ haben ein facheinschlägiges akademisches Studium absolviert?

 

6)       Wie viele unter diesen „Experten“ haben eine facheinschlägige universitäre Lehr­befugnis erworben?

 

7)       Können Sie ausschließen, dass es sich bei Ihren „Experten“ nicht großteils um Personen handelt, die aus dem status quo der österreichischen Drogenpolitik auf die eine oder andere Weise Nutzen ziehen?

 

8)       Warum suggerieren Sie in Ihrer Antwort, dass in Österreich „aktuell“ nur zwischen 22.000 und 33.000 „Drogenkranke“ existierten, während Sie in Wirklichkeit nur die Zahl der Opiatfälle angegeben haben, wobei bei letzteren (wie allgemein bekannt und auch von Ihnen zugestanden) meist auch noch polytoxikomaner Drogenmissbrauch hinzutritt?

 

9)       Beurteilen Sie es unter diesen Umständen nicht als höchst angebracht, die veralteten und irreführenden ÖBIG-Daten über 22.000 bis 33.000 aktuell drogenkranke Opiatmissbraucher sehr deutlich nach oben zu korrigieren?

 

10)   Wie hoch ist die aktuelle Anzahl von weiteren Drogenkranken, die eine andere „Leitdroge“ missbrauchen, (wozu – wie oben bei den Opiaten – meist auch noch polytoxikomaner Drogenmissbrauch hinzutritt) und zwar aufgeschlüsselt nach:

           

            a) Ecstasy

            b) anderen Amphetaminderivaten?

            c) Kokain ?

d) ebenso auch die aktuelle Anzahl der (= in einem materiellen Sinn verstanden) drogenkranken Cannabismissbraucher unabhängig davon, ob nach irgendwelchen international (noch) gebräuchlichen Definitionen Cannabis derart extrem Missbrauchende als „Drogenkranke“ zu registrieren sind oder (derzeit noch) nicht?

 

11)   Wie nehmen Sie Stellung zum Jahresbericht 2004 der EBDD, der (S. 5 f), der festgehalten hat, dass auch der Drogenprävention nach wie vor „eine angemessene wissenschaftlich fundierte Grundlage“ fehle?

 

12)   Welche (methodisch einwandfreien) wissenschaftlichen Studien können seither die Erfolge der derzeit angewandten Präventionsmethoden belegen?

 

13)   Wie beurteilen Sie die Äußerung Ihrer Experten UHL und SPRINGER, der zufolge (= bei der Prävention) das Verlangen eines empirisch wissenschaftlichen Erfolgsnachweises „in vielen Fällen weit übers Ziel hinausschießt und den viele Programme aus ökonomischen und forschungslogischen Gesichtspunkten unmöglich erfüllen können. Auf dieser Forderung zu bestehen, führt zu Angst und Frustration bei den Praktikeren und resultiert häufig in einer Art von ‚Scheinevaluation’. Evaluatoren erfüllen die Evaluationsverpflichtungen formal, ohne dem Auftraggeber das zu bieten, was dieser erwartet“?

 

14)   Was hat es weiters zu bedeuten, wenn die oben erwähnten Experten UHL und SPRINGER bezüglich Evaluation einschlägiger Programme (= noch dazu unter dem Titel „Korrektheit“ ) ausdrücklich fordern, eine sorgfältige Evaluation habe auch das „Wohlergehen“ der in die Evaluation einbezogenen und auch der durch die Ergebnisse betroffenen Personen „gebührend“ zu berücksichtigen, weshalb Evaluationen „diplomatisch“ vorzunehmen seien?

 

15)   Können Sie unter solchen tristen Begleitumständen Ihre eingangs zu Frage 7 ihrer Anfragebeantwortung kurz wiedergegebene optimistische Bilanz zu den (angeblichen) „Erfolgen“ der Drogenprävention noch immer aufrecht halten?