2841/J XXIV. GP

Eingelangt am 13.07.2009
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Walser, Steinhauser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin  für Unterricht, Kunst und Kultur

 

betreffend die umfangreiche Betonierarbeiten der BIG in der Stollenanlage in St. Georgen an der Gusen

 

Die unterirdische Stollenanlage in St. Georgen an der Gusen ist eines der größten nationalsozialistischen Bauwerke in Österreich, ein Monument der Nazi-Todesmaschinerie. Zeitweise waren hier mehr Menschen gefangen als im benachbarten Hauptlager Mauthausen. Der Stollenbau und die unterirdische Rüstungsproduktion unter extremstem Zeitdruck wurde von der NS-Führung als „kriegsentscheidend“ angesehen. In keinem anderen Bauwerk auf österreichischem Gebiet sind so viele Menschen gestorben. Dem Historiker Bertrand Perz zufolge sind die exakten Todeszahlen schwer zu bestimmen; es ist aber davon auszugehen, dass von den 35.000 Toten des Konzentrationslagers Gusen mindestens 10.000 in den Stollen von St. Georgen starben. Die besondere historische Bedeutung der Stollenanlage in St. Georgen an der Gusen steht aus Sicht der Zeitgeschichte außer Zweifel, und sollte unter allen Umständen in ihrer, soweit noch vorhandenen historischen Form erhalten bleiben.

 

Auf dem Lagergelände von Gusen befindet sich heute eine Wohnsiedlung, einstige Häftlingsblocks dienen der Champignonzucht, das ehemalige Kommandogebäude am Lagertor wurde in ein Wohnhaus verwandelt. Im offiziellen Gedenken der Republik hatte das Konzentrationslager Gusen jahrzehntelang keinen Platz. Der breiten Öffentlichkeit war es praktisch unbekannt. In Gusen wurde buchstäblich versucht, „Gras über die Sache wachsen“ zu lassen.

 

Es ist bezeichnend, dass Initiativen zur Errichtung einer Gedenkstätte nicht vom offiziellen Österreich, sondern von ehemaligen italienischen Insassen des Konzentrationslagers ausgingen. Diese kauften Ende 1960 ein Grundstück, auf dem Reste des Krematoriums standen, und schenkten es der Gemeinde. 1961 stimmte die Gemeinde zwar der Errichtung einer Gedenkstätte an diesem Ort zu, das Geld hierfür mussten aber verschiedene Häftlingsverbände aufbringen. Die Gedenkstätte wurde schließlich nach Plänen der italienischen Architektengruppe B.B.P.R. erbaut – einer der Architekten, Lodovico Belgiojoso, war Häftling in Gusen gewesen – und am 20. Jahrestag der Kapitulation NS-Deutschlands eingeweiht.


Zusätzlich zu einer Anfrage an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend und und an die Bundesministerin für Inneres interessieren uns noch einige Fragen zum Denkmalschutz bezüglich den umfangreichen Betonierarbeiten der BIG in der Stollenanlage in St. Georgen an der Gusen.

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.)         Wie weit hat die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) die zuständigen Stellen das Bundesdenkmalamt (BDA) in die Verfüllung der verbliebenen Stollen Gusen einbezogen?

2.)         Wann wurde das BDA erstmals im Detail informiert, beinhaltete diese Information auch den Zeitpunkt des Beginns der Arbeiten?

3.)         Sind dem BDA die örtlichen Besitzverhältnisse bzw. Absichten einer zukünftigen Bebauung bekannt? Was ist Ihnen diesbezüglich im Detail bekannt?

4.)         Sind Ihrer Einschätzung nach die Maßnahmen der Verfüllung der Stollen tatsächlich durch „Gefahr in Verzug“ zu rechtfertigen?

5.)         Handelt es sich Ihrer Meinung nach hier um notwendige Sicherungsarbeiten oder eine bedenkliche Form der Baulandgewinnung?

6.)         Entsprechen die Medienberichte den Tatsachen, dass es keine Einsprüche von Seiten des BDA gegeben hat? Warum gab es keine?

7.)         Ist eine Verfüllung ohne Genehmigung durch das BDA überhaupt möglich?

8.)         Entspricht es den Tatsachen bzw. auch Ihrem Wissenstand, dass das ehemalige SS-Verwaltungsgebäude beim Jourhaus immer noch nicht unter Denkmalschutz steht? Wie ist der derzeitige Stand, bis wann ist hier mit einer Entscheidung zu rechnen?

9.)         Entspricht es den Tatsachen bzw. auch Ihrem Wissenstand, dass der ehemalige Steinbruch Gusen noch immer nicht unter Denkmalschutz steht? Wie ist der derzeitige Stand, bis wann ist hier mit einer Entscheidung zu rechnen?

10.)     Sehen Sie die Notwendigkeit, dass die Stollenanlage „Bergkristall“ komplett unter Denkmalschutz gestellt wird?