2925/J XXIV. GP

Eingelangt am 01.09.2009
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A N F R A G E

 

 

Der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler

Kolleginnen und Kollegen

 

an den Herrn Bundeskanzler

 

betreffend der Nichtumsetzung von Views des UN-Menschenrechtsausschusses trotz der Verpflichtung dazu aufgrund internationaler Verträge.

 

 

Die Einhaltung der Menschenrechte wird immer wieder gefordert.

Werden die genau definierten Menschenrechte verletzt, haben die Betroffenen das Recht, nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR ) oder beim UN Menschenrechtsausschuss ( UNMRA ) einzureichen.

 

Immer wieder ist es der Fall, dass seitens der Republik Österreich Beschwerdeführern, welche beim UN-Menschenrechtsausschuss erfolgreich waren, die Umsetzung der in den Views des UN-Menschenrechtsausschusses festgelegten Rechtsmittel verwehrt wird.

 

Laut verschiedenen internationalen Verträgen ist die Republik Österreich zur Umsetzung der Views des UN-Menschenrechtsausschusses verpflichtet.

 

So wurde z.B. im Jahre 1978 der Beitritt Österreichs zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (CCPR) beschlossen. Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen (BGBl. Nr. 591/1978).

Im Jahr 1988 wurde das Fakultativprotokoll zum CCPR unterzeichnet und damit die
Möglichkeit geschaffen, behauptete Paktverletzungen nach Abschluss des innerstaatlichen
Verfahrens dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen geltend zu machen.

Österreich ist auch dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 (Wiener Vertragsrechtkonvention, BGBl. Nr. 40 vom 25.01.1980) beigetreten, aus dem zwei wesentliche Punkte hervorzuheben sind:

Art. 26 – Pacta sunt servanda                                                                                                                                 Ist ein Vertrag in Kraft, so bindet er die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen.

Art. 27 – Innerstaatliches Recht und Einhaltung von Verträgen                                                                            Eine Vertragspartei kann sich nicht auf innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrages zu rechtfertigen […]

Bereits in mehreren Fällen von Bürgern gegen die Republik Österreich gab es Entscheidungen (Views) des UN-Menschenrechtsausschusses, in denen nachzulesen ist:

„Gemäß Art. 2 Abs. 3 CCPR ist der Vertragsstaat verpflichtet, dem Beschwerdeführer ein wirksames Rechtsmittel einschließlich der Zahlung einer angemessenen Entschädigung zur Verfügung zu stellen. Der Vertragsstaat ist auch verpflichtet, ähnliche Verletzungen in Zukunft zu verhindern.“

Bis dato kam es allerdings in keinem dieser Fälle zu einer Aufhebung der letztinstanzlichen Entscheidung in Österreich bzw. einer Neuaufnahme des jeweiligen Verfahrens. Auch Entschädigungen  sind bisher ausgeblieben.

 

Der UN-Menschenrechtsausschuss wurde über die Haltung der österreichischen Bundesregierung zu den Views informiert. Infolge dessen wurden am 05.11.2008 die General Comments Nr. 33 beschlossen die unter Anderem festhalten:

Punkt 20: Auszugsweise, Übersetzung:

„In jedem Fall müssen die Vertragsparteien unter Verwendung jeder Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen dafür sorgen, dass die Views, die vom Commitee ausgestellt wurden, umgesetzt werden.“

 

In zwei konkreten Fällen waren die Beschwerdeführer vorm UN-Menschenrechtsausschuss erfolgreich. Die Österreichische Bundesregierung weigert sich in beiden Fällen seit Jahren, die Entscheidungen des Menschenrechtsausschusses umzusetzen. Aus diesem Grund mussten die Beschwerdeführer den Rechtsweg beschreiten.

Im Fall Dr. Perterer entschied der Oberste Gerichtshof im Urteil vom 08.05.2008:

„Die Views des Menschenrechtsausschusses sind unverbindlich, weil der Pakt selbst mangels Ausführung des Erfüllungsvorbehaltes nach Art. 50 Abs. 2 B-VG in Österreich nicht unmittelbar anwendbar ist.“

Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes, vom 25.09.2006, lautet:

„Weder aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, noch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ist ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch als solcher unmittelbar abzuleiten.“

 

Im Fall Dr. Lederbauer entschied das Landesgericht für Zivilrechtssachen am 22.11.2008:

„Auch aus einer – durch den UN Menschenrechtsausschuss festgestellten – überlangen Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof, kann daher innerstaatlich ein Amtshaftungsanspruch nicht abgeleitet werden.“

Der Verfassungsgerichtshof entschied mit Beschluss vom 28.08.2008:

„Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 25.0.2006 A 2/06 ausgesprochen hat, ist weder aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, noch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch als solcher unmittelbar abzuleiten (Vgl. auch VfgH 25.9.2006, A 9/06). Dasselbe gilt für die völkerrechtlichen Auffassungen (Views) des UN Menschenrechtsausschusses.“

 

 

 

 

Dr. Lederbauer brachte daher am 31.01.2009 beim VfGH  Staatshaftungsklage wegen Nichtumsetzung der Views des UN-Menschenrechtsausschusses ein.

Dazu entschied der Oberste Gerichtshof, dass die Views des Menschenrechtsausschusses nicht verbindlich sind, da kein Ausführungsgesetz beschlossen wurde.

Der Verfassungsgerichtshof stellte hingegen fest, dass aus dem Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch unmittelbar nicht abzuleiten ist.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

A N F R A G E

 

1.) Warum wurde bis dato zum Staatsvertrag über den Beitritt der Republik Österreich zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte kein Durchführungsgesetz erlassen bzw. dem Nationalrat bisher keinen diesbezüglichen Gesetzesvorschlag unterbreitet?

2.) Wer haftet für allfällig entstandene Schäden aufgrund eines fehlenden Ausführungsgesetztes?

3.) Aus welchem Grund verweigert die Republik Österreich den Beschwerdeführern Dr. Lederbauer und Dr. Perterer trotz der unterzeichneten internationalen Verträge und der Verpflichtung zur Einhaltung derselben, die Umsetzung und somit Anerkennung der entsprechenden Views des UN-Menschenrechtsausschusses?

4.) Worin sehen Sie die Rechtsgrundlage für eine angebliche Unverbindlichkeit der Views?

5.) Wie rechtfertigen Sie die Tatsache, dass internationale Verträge trotz der darin enthaltenen Verpflichtung innerstaatlich nicht umgesetzt werden und daher keine Anwendung finden?

6.) Sind Ihnen Stellungnahmen von renommierten Verfassungsexperten zur Frage der Umsetzung der Views bekannt?

7.) Wenn ja, warum wurde bei bisherigen Anfragebeantwortungen nicht darauf eingegangen?

8.) Seit wann sind Ihnen die General Comments Nr. 33 des UN-Menschenrechtsausschusses vom 05.11.2008 bekannt?