2986/J XXIV. GP

Eingelangt am 17.09.2009
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend mangelhafte Eisenbahnaufsicht beim Notfallmanagement der

ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG und bei Eisenbahnkreuzungen

 

 

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Lausch und weitere Abgeordnete haben am 1. April 2009 unter der Nummer 1581/J an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie eine schriftliche parlamentarische Anfrage über das Notfallmanagement der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG und über die Sicherheit an Eisenbahnkreuzungen gerichtet.

 

Aus der Beantwortung der Anfrage unter der Nummer 1638/AB geht leider hervor, dass im Bereich des Notfallmanagements offensichtlich keine Eisenbahnaufsicht durchgeführt wird und wichtige Grundlagen im Bundesministerium selbst scheinbar nicht einmal bekannt sind. In fast allen wichtigen Sicherheitsfragen wird in der Beantwortung sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die diesbezüglichen Informationen gleich direkt von den ÖBB eingeholt wurden („nach Einholung der Auskünfte von den ÖBB“, „wie mir die ÖBB mitteilen“, „gemäß ÖBB“, „laut Auskunft der ÖBB“ usw.).

 

Durch die Ereignisse rund um das schwere Unfallereignis in Lochau-Hörbranz am 29.12.2006 mit drei Toten ist die ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG bezüglich ihres Sicherheitsmanagements schwer unter Druck geraten. So wurde der Notfall-Leiter der ÖBB vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung gemäß § 80 StGB freigesprochen, weil laut Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz im Strafprozess vom Gericht eine „unklare Aufgabenverteilung und eine Vielzahl nicht eindeutiger Bestimmungen“ sowie eine „Flut teilweise äußerst unbestimmter betriebsinterner Normen“ festgestellt wurde und sich der angeklagte ÖBB-Bedienstete nach Auffassung des Gerichts daher gar nicht auskennen konnte. Es ist völlig unverständlich, dass bei der Eisenbahnaufsichtsbehörde angesichts solcher Urteile nicht alle Alarmglocken schrill aufläuten, sondern stattdessen diesbezügliche Anfragen von der Eisenbahnaufsichtsbehörde auch noch ganz bequem an die ÖBB abgetreten und deren Antworten dann ans Parlament weitergereicht werden.

 

Es ist zu befürchten, dass die Antworten der ÖBB seitens der Eisenbahnaufsicht im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie nicht einmal kritisch überprüft wurden, bevor sie ans Parlament weitergegeben wurden. Nur so ist zu erklären, dass die Antworten teilweise ausweichend und unvollständig, teilweise aber sogar unrichtig gegeben

wurden.

 

Bei den Eisenbahnkreuzungen, ebenfalls ein sicherheitsrelevanter Bereich mit vielen Toten und Schwerverletzten, wurde für Ende Juni 2009 eine neue „Eisenbahnkreuzungsverordnung samt den Durchführungsbestimmungen und Erlässen“ versprochen. Auch darüber hat man seither leider nichts mehr gehört.

 

Seitens der unterfertigten Abgeordneten der Anfrage Nummer 1581/J wurde die Angelegenheit trotz der unzureichenden Beantwortung nicht mehr weiterverfolgt. Im Interesse der Eisenbahnsicherheit kann auf eine lückenlose Aufklärung der nach wie vor offenen Sicherheitsfragen in Anbetracht des Urteils des Bezirksgerichtes Bregenz aber keinesfalls verzichtet werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1)      In der Anfragebeantwortung 1638/AB wird bei fast allen Fragen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Antwort von den ÖBB vorformuliert wurde („nach Einholung der Auskünfte von den ÖBB“, „wie mir die ÖBB mitteilen“, „gemäß ÖBB“, „laut Auskunft der ÖBB“ usw.).

a) Welche Anfragebeantwortungen der Fragen 1 bis 57 wurden vor der Weitergabe ans Parlament von der Eisenbahnaufsichtsbehörde auch inhaltlich nachgeprüft?

b) Welche Anfragebeantwortungen wurden ohne weitere inhaltliche Prüfung durch die Eisenbahnaufsichtsbehörde ganz einfach nur ans Parlament durchgereicht?

 

2)      In Frage 2, 3 und 20 der Anfrage Nummer 1581/J wurden die Ausbildungsvorschriften und die Ausbildungszeit für Notfallleiter angefragt. In der Anfragebeantwortung Nummer 1638/AB wird aber nur auf die Ausbildung der Fahrdienstleiter von 120 Schulungstagen verwiesen („wie mir die ÖBB mitteilen“, „nach Auskunft der ÖBB“).

Daher muss nochmals nachgefragt werden:

a) Welche Ausbildungsdauer ist konkret für die Funktion des Notfallleiters vorgesehen?

b) Welche Ausbildungsinhalte ist konkret für die Funktion des Notfallleiters vorgesehen?

 

3)      In Frage 6 der Anfrage Nummer 1581/J wurde die Genehmigungspflicht der Ausbildungsvorschriften für die Ausbildung zum Notfallleiter nach § 21a Eisenbahngesetz angefragt. In der Anfragebeantwortung Nummer 1638/AB wird dazu mitgeteilt, dass Voraussetzung für diese Funktion eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung als Fahrdienstleiter wäre und daher eine eigene Ausbildungsvorschrift für die Funktion Notfalleiter nicht erforderlich wäre. Die Tätigkeit des Fahrdienstleiters ist offensichtlich sicherheitsrelevant im Sinne von § 21a Eisenbahngesetz (Tätigkeiten zur Gewährleistung der Sicherheit).

a) Mit welcher Ausbildungsdauer und welchen Ausbildungsinhalten wurde die Ausbildung der Fahrdienstleiter bei den ÖBB gemäß § 21a Eisenbahngesetz von der Behörde genehmigt?

 

      Ebenso ist die Tätigkeit des Notfallleiters offensichtlich sicherheitsrelevant im Sinne des § 21a Eisenbahngesetz (Tätigkeiten zur Gewährleistung der Sicherheit).

b) Welche Anteile der Ausbildung der Fahrdienstleiter sind der Tätigkeit des Notfalleiters gemäß § 21a Eisenbahngesetz zuzurechnen?

 

4)      In Frage 14 der Anfrage Nummer 1581/J wurde angefragt, welche Ausbildungen für Funktionen im Verantwortungsbereich der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG nach § 21a


Eisenbahngesetz genehmigt sind. In der Anfragebeantwortung Nummer 1638/AB wird aber nur auf die Ausbildungsvorschriften der Triebfahrzeugführer und der Wagenmeister verwiesen.

a) Wurde bei der Anfragebeantwortung übersehen, dass weder die Triebfahrzeugführer noch die Wagenmeister der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG zuzurechnen sind?

b) Kann es möglich sein, dass keine einzige Funktion bei der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG als sicherheitsrelevant im Sinne des § 21a Eisenbahngesetz (Tätigkeiten zur Gewährleistung der Sicherheit) eingestuft ist?

c) Hat die ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG keine Tätigkeiten zur Gewährleistung der Sicherheit durchzuführen?

d) Daher muss nochmals nachgefragt werden: Welche Ausbildungen für Funktionen im Verantwortungsbereich der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG sind nach § 21a Eisenbahngesetz genehmigt?

 

5)      In Frage 18 der Anfrage Nummer 1581/J wurde angefragt, für welche Eisenbahnberufe eine Mindestausbildungsdauer vorgeschrieben ist, aufgelistet nach Beruf und Mindestausbildungsdauer. In der Anfragebeantwortung Nummer 1638/AB wird aber nur darauf verwiesen („wie mir die ÖBB mitteilen“), dass die Aufzählung der Eisenbahnberufe samt Ausbildungsdauer in der jeweiligen Ausbildungsvorschrift beschrieben wäre.

a) Wurde bei der Anfragebeantwortung übersehen, dass die Frage (Auflistung der Berufe und der zugehörigen Mindestausbildungsdauer) damit gar nicht beantwortet wird?

b) Wurde die „Mitteilung der ÖBB“ vor der Weitergabe an das Parlament auch inhaltlich nachgeprüft?

c) Wurde bei der Anfragebeantwortung übersehen, dass die Frage gar nicht nur die ÖBB alleine, sondern alle Eisenbahnunternehmen und damit die Regelungsverpflichtungen des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie betrifft?

d) Daher muss nochmals nachgefragt werden: Für welche Eisenbahnberufe ist eine Mindestausbildungsdauer vorgeschrieben, aufgelistet nach Beruf und Mindestausbildungsdauer?

e) Wie lange dauert die Ausbildung dieser Eisenbahnberufe (bei allen Eisenbahnunternehmen) in der Praxis?

 

6)      In Frage 21 der Anfrage Nummer 1581/J wurde angefragt, welche Lehrunterlagen für die Ausbildung zum Notfallleiter zur Verfügung stehen. In der Anfragebeantwortung Nummer 1638/AB wird aber nur darauf verwiesen („gemäß Mitteilung der ÖBB“), dass für den Notfallleiter sämtliche betriebliche Normen, insbesondere die Dienstvorschriften V 3 und ZSB 26 sowie das Handbuch 852.01 „relevant“ wären.

a) Wurde bei der Anfragebeantwortung übersehen, dass die Frage (Lehrunterlagen für die Ausbildung zum Notfallleiter) damit gar nicht beantwortet wird?

b) Wurde die „Mitteilung der ÖBB“ vor der Weitergabe an das Parlament auch inhaltlich nachgeprüft?

c) Daher muss nochmals nachgefragt werden: Welche Lehrunterlagen stehen für die Ausbildung zum Notfallleiter zur Verfügung?

 

7)      In Frage 22 der Anfrage Nummer 1581/J wurde angefragt, wie viele Personen seit 2005 zum Notfallleiter ausgebildet wurden. In der Anfragebeantwortung Nummer 1638/AB wird aber nur darauf verwiesen („wie mir die ÖBB mitteilen“), dass sämtliche Fahrdienstleiter mit den Aufgaben des Notfallmanagements vertraut wären. Gemäß Anfragebeantwortung zu Frage 1 existiert die Funktion des Notfallleiters innerhalb der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG seit 2006.

a) Sofern tatsächlich alle Fahrdienstleiter eine diesbezügliche Ausbildung erhalten haben – wie konnte die Ausbildung zum Notfallleiter vor dem Jahr 2006 (als die Funktion noch gar nicht eingerichtet war) bei der Fahrdienstleiterausbildung bereits berücksichtigt werden?

b) Für die Funktion des Notfallleiters sind auch örtliche Kenntnisse erforderlich (Betriebsverhältnisse, Betriebsanlagen, örtliche Einsatzkräfte, örtliche Ansprechpartner etc.). In welcher Weise wird auf diese Ausbildungserfordernisse Bedacht genommen?

 

8)      Das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz kommt unter anderem auch zum Ergebnis, dass beim Unfallereignis von Lochau-Hörbranz seitens der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG eine unklare Aufgabenverteilung und eine Vielzahl nicht eindeutiger Bestimmungen gegeben waren.

a) Welche Überprüfungen hat die Eisenbahnaufsicht im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie angesichts dieser Feststellungen durchgeführt?

b) Welches Ergebnis haben diese Überprüfungen erbracht?

c) Was wurde unternommen, dass derartige Ereignisse künftig vermieden werden? 

 

9)      Für die ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG wurden über die Bestimmungen des Eisenbahngesetzes hinaus (§ 13 Abs. 3) sogar zwei Staatskommissäre (ein Staatskommissär und ein stellvertretender Staatskommissär) bestellt. Es sollte daher von einer verdichteten Kontrolle der Sicherheitsanforderungen bei der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG ausgegangen werden können.

a) Über welche Wahrnehmungen haben die Staatskommissäre über das Notfallmanagement bei der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG berichtet?

b) Waren die Berichte der Staatskommissäre über das Notfallmanagement der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG zustimmend oder kritisch?

c) Welche Maßnahmen wurden auf Grund der Wahrnehmungen und Berichte der Staatskommissäre über das Notfallmanagement der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG von der Eisenbahnsicherheitsbehörde getroffen?

 

10)  Für Ende Juni 2009 wurde in der Anfragebeantwortung 1638/AB eine neue „Eisenbahnkreuzungsverordnung samt den Durchführungsbestimmungen und Erlässen“ versprochen. Dabei wurde auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine neue Eisenbahnkreuzungsverordnung notwendig ist.

a) Wann und wo wurden diese Regelungen vorgelegt?

b) Wann wurde das Begutachtungsverfahren für die neue Eisenbahnkreuzungs-verordnung eingeleitet?

c) Wird ein öffentliches Begutachtungsverfahren zu diesem im Rahmen der Unfallbilanz  so relevanten Thema durchgeführt, wenn ja wann, wenn nein warum nicht?

d) Wann und wo wurden bzw. werden die neuen Durchführungsbestimmungen und Erlässe veröffentlicht?

e) Bis wann werden sie auf der Homepage des BMVIT als download zu finden sein?