3371/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.10.2009
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Anfrage

 

der Abgeordneten Markowitz, Ursula Haubner

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Österreich

„Die Frage der Basisqualifikationen für die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft wird in Österreich sehr stark im Hinblick auf Absolventen der Schulpflicht diskutiert, deren Vorhandensein bei den Erwachsenen ist kein Thema. Dies liegt daran, dass keine Daten über die Verbreitung von funktionalem Analphabetismus bzw. schwache bis nicht vorhandene Grundkenntnisse in Rechnen vorliegen.“[1] In dieser 2004 im Auftrag des damaligen BMWA erstellten Studie wird die Problematik der Tabuisierung von funktionalem Analphabetismus bzw. schwachen Kenntnissen in den Grundrechnungsarten konkret angesprochen und der Hinweis auf diesbezüglich nicht vorhandene Daten als Hauptgrund für dieses gesellschaftspolitische Phänomen angeführt. Die Studie geht weiters davon aus, dass mehr als 30% der erwachsenen österreichischen Bevölkerung schwache Lesekenntnisse haben. Bei einer Zusammenschau dieser Erkenntnisse mit den Ergebnissen der Lesekompetenzüberprüfung österreichischer Schüler/innen (PIRLS 2006) zeichnet sich ein düsteres Bild für die österreichische Bildungs- bzw. Erwachsenenbildungspolitik ab.

Empirische Daten besagen, je höher die Bildung der Eltern, desto besser ist die Leseleistung der Kinder. Ein sozioökonomischer Effekt, der sich in allen Ländern beobachten lässt, wobei dieser Effekt nachgewiesener Maßen in Österreich besonders groß ist.[2] Ein zusätzliches Problem stellt der Migrationshintergrund dar. Unter 21 ausgewählten Vergleichsländern (mit einem Migrantenanteil von mehr als 10 %) weisen die Schüler/innen aus Österreich mit 56 Punkten Unterschied zwischen Einheimischen und Migranten nach England die zweitgrößte Differenz auf. Bemerkenswert ist, dass sich in „Österreich Migrantinnen und Migranten der 1. und 2. Generation in ihrer Leseleistung wenig (nicht signifikant) unterscheiden, wobei wegen des längeren Aufenthaltes in Österreich von Migrant/innen der 2. Generation eigentlich bessere Leistungen als von Migrant/innen der 1. Generation (die im Ausland geboren wurden) zu erwarten wären. Dies deckt sich mit den PISA- Ergebnissen und zeigt den geringen Effekt der Sozialisations- und Enkulturationsbemühungen.“[3] Diese Daten lassen den Schluss zu, dass (funktionaler) Analphabetismus bei der erwachsenen Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Österreich stärker ausgeprägt ist, als bei jener ohne Migrationshintergrund.

Im Rahmen der OECD-Studie PIAAC (Programm for the International Assessment of Adult Competencies) sollen mit einer Art „PISA- Studie für Erwachsene“ (16- bis 64-Jährige) Basiskompetenzen wie Lesen und Schreiben von 5.000 Österreicher/innen getestet werden. Nach Angaben der Österreichischen UNESCO-Kommission soll ein Nationalkomitee zur Begleitung der Studie eingerichtet werden. Feldtests soll es 2010 geben. Die eigentliche Erhebung ist ab 2011 geplant, 2013 sollen die Ergebnisse vorliegen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Inneres folgende

Anfrage:

1.      Halten Sie die bestehenden Maßnahmen zur Bekämpfung von (funktionalem) Analphabetismus bzw. schwachen bis nicht vorhandenen Grundkenntnissen in Rechnen für ausreichend?

2.      Für wie relevant beurteilen Sie die o. a. Zahl von 30% Österreicher/innen mit schwacher Leseleistung für die Zuständigkeiten Ihres Ressorts?

3.      Sind Ihrem Ressort Daten bekannt bzw. werden von Ihrem Ressort Datenerhebungen hinsichtlich des (funktionalen) Analphabetismus bzw. schwacher bis nicht vorhandener Grundkenntnisse in Rechnen und deren Wirkungsmächtigkeit für die von Ihrem Ressort zu verwaltenden Bereiche erhoben?

4.      Welche Maßnahmen zur Bekämpfung des (funktionalen) Analphabetismus bzw. schwacher bis nicht vorhandener Grundkenntnisse in Rechnen werden bzw. wurden von Seiten Ihres Ressorts eingeleitet, gefördert oder auf andere Art unterstützt?

5.      Wie hoch sind bzw. waren die dafür jährlich vorgesehenen Finanzmittel und in welchem prozentuellen Verhältnis stehen bzw. standen diese Mittel zum jeweiligen Gesamtbudget Ihres Ressorts? (Bitte jährliche Auflistung beginnend mit dem Jahr 2004)

6.      Welche konkreten Ergebnisse brachten die bisher abgeschlossenen Maßnahmen und welche verwertbaren Daten wurden daraus gewonnen?

7.      Welche weiterführenden Maßnahmen wurden aufgrund der so gewonnen Daten eingeleitet?

8.      Gibt bzw. gab es in dieser Thematik Kooperationen mit anderen Ressorts?

a.      Wenn ja, welcher Art waren bzw. sind diese Kooperationen, wie viel finanzielle Mittel wurden bzw. werden dafür von den jeweils beteiligten Ressorts aufgewendet und welche Ergebnisse erbrachten bereits abgeschlossene Kooperationen? (Bitte jährliche Auflistung beginnend mit dem Jahr 2004)

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

9.      Bietet Ihr Ressort eigene Weiterbildungsmaßnahmen an, die speziell auf die Bedürfnisse von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ausgerichtet sind bzw. fördert es solche anderer öffentlicher Institutionen oder privater Einrichtungen?

a.      Wenn ja, wie viele Personen wurden bzw. werden seit 2004 in derartigen Schulungen geführt, welche hauptsächlichen Bereiche wurden bzw. werden geschult, wie hoch ist der Prozentsatz jener Personen, die Weiterbildungsmaßnahmen positiv abgeschlossenen haben?

b.      Wie hoch sind bzw. waren die dafür aufgewendeten Kosten? (Bitte jährliche Auflistung pro Maßnahme)

c.      Welche konkreten Erkenntnisse/Ergebnisse wurden von Seiten Ihres Ressorts aus diesen Bemühungen gewonnen?

d.      Wurden bzw. werden diese Erkenntnisse mit anderen öffentlichen Institutionen oder privaten Einrichtungen geteilt und welche weiteren spezifischen Aktivitäten löste dieser Datenaustausch aus?

e.      Wenn nein, warum nicht?

 

10.  Welche österreichischen Institutionen werden sich Ihrem Wissen nach an der OECD-Studie PIAAC beteiligen?

11.  Können Sie sagen wer dem von der Österreichischen UNESCO-Kommission angesprochenen Nationalkomitee zur Begleitung der Studie angehören wird bzw. werden Vertreter Ihres Ressorts diesem Komitee angehören?

12.  Die internationalen Kosten für die OECD-Studie PIAAC belaufen sich laut in den Medien veröffentlichter Angaben auf € 17 Millionen, wovon Österreich laut OECD-Schlüssel drei Prozent trägt. Für die nationale Erhebung in Österreich wird mit Kosten in Höhe von € 2,7 Millionen gerechnet. Ist Ihr Ressort an der Studie beteiligt?

a.      Wenn ja, welche konkreten Aufgaben wird Ihr Ressort dabei übernehmen, wie hoch ist der dafür vorgesehene finanzielle Aufwand, welche und wie viele Personalressourcen wird Ihr Ressort für die Studie bereitstellen?

b.      Wenn nein, warum nicht?



[1] BERUFLICHE WEITERBILDUNG IN ÖSTERREICH UND IM EUROPÄISCHEN VERGLEICH; Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (Wien 2004); S.15

[2] PIRLS 2006 Zusammenfassung d. Ergebnisse

[3] ebda.