3693/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.11.2009
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Wahrnehmungen und Berichte eines Staatskommissärs und die Sinnhaftigkeit dieser Funktion

 

 

 

Die schwer nachvollziehbare Funktion des Staatskommissärs im Eisenbahnbereich war in der Vergangenheit bereits wiederholt Gegenstand schriftlicher Anfragen an Ihre Vorgänger in der Funktion des Verkehrsministers.

 

Die parlamentarische Anfragebeantwortungen Ihrer Vorgänger hatten in den vergangenen Jahren immer eines gemeinsam: Kein Verkehrsminister konnte wirklich erklären, wofür die Funktion des Staatskommissärs dienen soll und welcher Nutzen durch die vielen Bestellungen von Staatskommissären für die Eisenbahnsicherheit irgendwo erzielt werden kann. Als einzige Aufgabe des Staatskommissärs ist im Eisenbahngesetz festgeschrieben, er habe dem Bundesminister nach der Entsendung in Sitzungen „über die von ihm gemachten Wahrnehmungen zu berichten“, eine nähere Festlegung der Aufgaben erfolgt nicht. Letztlich konnte daher der Eindruck nie ganz vermieden werden, dass die Funktion des Staatskommissärs lediglich ein lukratives Zusatzeinkommen für immer mehr hochrangige Ministeriumsbeamte ohne wirklich substanzielle Aufgaben darstellt.

 

Der Eisenbahnsektor in Österreich wird in weiten Bereichen massiv aus Steuermitteln unterstützt. Umso unverständlicher ist aber dann, wenn Eisenbahnunternehmen einen Teil dieser Mittel wiederum als Funktionsgebühren für Staatskommissäre zurück abliefern müssen, ohne dass dabei ein messbarer Nutzen erkennbar wäre.

 

Durch die Krankendaten-Affäre bei den ÖBB ist die Funktion der Staatskommissäre jetzt auch noch ins Fadenkreuz der Strafjustiz geraten. Wie diversen Printmedien zu entnehmen war (zB News 41/2009, profil 40/2009), war bei der Aufsichtsratssitzung der ÖBB Holding im Mai 2008, bei der auch die Krankendaten-Affäre besprochen wurde, der Leiter der Eisenbahnsektion im Verkehrsministerium, Gerhard Gürtlich, als Staatskommissär anwesend. Er soll aber laut Presseberichten weder dem damaligen Verkehrsminister Werner Faymann noch dem damaligen Kabinettchef und nunmehrigen Kanzleramts-Staatssekretär Josef Ostermayer darüber berichtet haben.

Ebenfalls laut Presseberichten soll es dazu bereits eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft geben.


Diese Vorkommnisse sollten wohl zum Anlass genommen werden, bezüglich der schwer erklärbaren Funktion des Staatskommissärs nun endlich reinen Tisch zu machen und diese Funktion ersatzlos zu streichen. Für eine derartige Bereinigung würde sich natürlich die anstehende Novelle zum Eisenbahngesetz (derzeit in zwei Tranchen in Begutachtung) anbieten. Bislang wird jedoch diesen Begutachtungsentwürfen zufolge offenbar eine ganz andere Änderung im Eisenbahngesetz zum Thema Staatskommissär für erforderlich angesehen: Es soll demzufolge die Vergütung für die Entsendung der Staatskommissäre -offensichtlich der einzige wichtige Punkt - jetzt durch Bescheid festgesetzt werden, statt sie ersatzlos zu streichen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.             Wie viele Staatskommissäre sind derzeit bestellt?

 

2.             Wie viele der bestellten Staatskommissäre gehören dem Ministeriumspersonal an (einschließlich Ministerbüro), und um wie viele verschiedene Personen handelt es sich?

 

3.             Wie viele Staatskommissäre waren vor fünf Jahren (2004) bestellt?

 

4.             Wie viele dieser vor fünf Jahren (2004) bestellten Staatskommissäre gehörten dem Ministeriumspersonal an (einschließlich Ministerbüro), und um wie viele verschiedene Personen handelte es sich?

 

5.             Welcher Gesamtbetrag (wenn nicht konkret ermittelbar, bitte Schätzung) ist derzeit pro Jahr als Abgeltung für Staatskommissäre von den Eisenbahnunternehmen aufzuwenden?

 

6.             Welcher Gesamtbetrag (wenn nicht konkret ermittelbar, bitte Schätzung) war vor fünf Jahren (2004) pro Jahr als Abgeltung für Staatskommissäre von den Eisenbahnunternehmen aufzuwenden?

 

7.             Halten Sie es für richtig, dass bereits gut bezahlte hochrangige Ministeriumsbeamte mit der Tätigkeit als Staatskommissär ein lukratives Zusatzeinkommen erwirtschaften, für das die ohnehin wirtschaftlich nicht sehr gut aufgestellten Eisenbahnunternehmen aufkommen müssen?

 

8.             Bei der Aufsichtsratssitzung der ÖBB Holding im Mai 2008, bei der auch die Krankendaten-Affäre besprochen wurde, soll auch der Leiter der Eisenbahnsektion im Verkehrsministerium als Staatskommissär anwesend gewesen sein. Wurde dies überprüft bzw. trifft dies zu?

 

9.             Laut Presseberichten soll der Staatskommissär weder dem damaligen Verkehrsminister Werner Faymann noch dem damaligen Kabinettchef über die Krankendaten-Affäre berichtet haben. Wurde dies überprüft bzw. trifft dies zu?

 

10.        a) Hat der Staatskommissär an irgend jemand anderen über die Krankendaten-Affäre berichtet?

b) Falls nein - wurde überprüft, weshalb dieser Bericht unterblieben ist?


11.        Hat der Staatskommissär den Tagesordnungspunkt über die Krankendaten-Affäre für nicht so wichtig gehalten?

 

12.        Hat der Staatskommissär den Tagesordnungspunkt über die Krankendaten-Affäre aus einem anderen Grund nicht wahrgenommen, sodass er nicht darüber berichten konnte?

 

13.         a) Hat der Staatskommissär über andere Angelegenheiten aus der Aufsichtsratssitzung der ÖBB Holding im Mai 2008 berichtet und nur einen Bericht über die Krankendaten-Affäre unterlassen oder hat er über die Aufsichtsratssitzung gar nichts berichtet?

b) Falls gar nichts berichtet wurde - wieso ist das niemandem aufgefallen?

 

14.        Wurde nach der Krankendaten-Affäre bei den ÖBB und nach den Presseberichten über die Rolle des Staatskommissärs der bisherige Staatskommissär abberufen oder berichtet er weiterhin „über die von ihm gemachten Wahrnehmungen“ bei Sitzungen der ÖBB-Holding?

 

15.        Nach dem Eisenbahngesetz muss der Staatskommissär dem Bundesminister nach den Sitzungen „über die von ihm gemachten Wahrnehmungen berichten“. Welche näheren Festlegungen gibt es über diese Berichtstätigkeit?

 

16.         An wen sind Staatskommissäre nach den internen Vorgaben des BMVIT berichtspflichtig? Berichten die Staatskommissäre direkt an Sie, an Ihren Kabinettchef oder an jemand Dritten?

 

17.        Erfolgen die Berichte der Staatskommissäre nach den internen Vorgaben des BMVIT schriftlich oder mündlich?

 

18.        Welche Schwerpunkte wurden in den internen Vorgaben des BMVIT für die Berichtsinhalte festgelegt?

 

19.        In welcher Weise werden die Berichte der Staatskommissäre nach den internen Vorgaben des BMVIT aktenmäßig dokumentiert?

 

20.        Halten Sie die Funktion des Staatskommissärs, und zwar nach der Entsendung in Sitzungen „über die von ihm gemachten Wahrnehmungen zu berichten“, also eine Art Sitzungsaufsicht, für eine noch zeitgemäße Funktion? Wenn ja, warum im einzelnen?

 

21.        Erhalten Sie durch die Berichte der Staatskommissäre so wichtige Informationen, dass die Funktion weiterhin unverzichtbar ist?

 

22.        Halten Sie es für richtig, dass Ressourcen Ihres Ministeriums für eine Sitzungsaufsicht gebunden werden, während gleichzeitig immer wieder fehlende Ressourcen bei der Sicherheitsaufsicht im Eisenbahnbereich beklagt werden?

 

23.        Warum wollen Sie in der bevorstehenden Eisenbahngesetz-Novelle nicht zumindest eine Streichung der Abgeltungen/Vergütungen für Staatskommissäre vorsehen?