3696/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.11.2009
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend Hausgeburten

 

Immer mehr Kinder kommen in Österreich per Kaiserschnitt zur Welt. Das bestätigen die 2008 erhobenen Zahlen der Statistik Austria (http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/geburten/index.html). Jedes vierte Kind kommt demnach in Österreich per Kaiserschnitt zur Welt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Quote von 13 auf 25 Prozent nahezu verdoppelt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht diesen Trend kritisch, sie geht davon aus, dass nur bei etwa zehn Prozent aller Kaiserschnitt-Operationen eine hinreichende medizinische Begründung vorlag.

 

Im Gegensatz dazu liegt der Anteil der Hausgeburten auf einem sehr niedrigen Niveau, obwohl die WHO schon 1997 festgestellt hat, dass das Risiko einer geplanten Hausgeburt nicht höher liegt als bei einer Spitalsgeburt („Care in normal birth. A practical guide“).

Aus medizinischen Gründen[1] spricht nichts gegen gut vorbereitete Hausgeburten, der Kostenaspekt spricht jedenfalls dafür. Hausgeburten sind „ein gutes Geschäft“ für die Krankenkassen (GKK), denn eine Spitalgeburt kostet mit über 2.400 Euro doppelt soviel wie eine Hausgeburt mit rund 1.200 Euro.

Der Kaiserschnitt sollte eine Notmaßnahme sein, die – wenn sie ohne zwingende medizinische Indikation durchgeführt wird – neben möglichen negativen Folgewirkungen für Mutter und/oder Kind zweifellos höhere Kosten für die Allgemeinheit bzw. die GKK bringt.

Jeder Frau muss es frei stehen, sich für eine Geburtsmethode zu entscheiden. Bei einer Hausgeburt wird den Gebärenden die Möglichkeit geboten, in der vertrauten Umgebung in einem intimen Rahmen zu entbinden. Die Mutter kann verschiedene Gebärpositionen ausprobieren und sich ganz ihrem Rhythmus hingeben. Zur Überwachung der Geburt ist eine frei praktizierende Hebamme anwesend. Weitere Vorteile der Hausgeburt sind das Vertrauensverhältnis zwischen Frau und Hebamme, das schon im während der Schwangerschaft aufgebaut wird. Die Hebamme beobachtet den Schwangerschaftsverlauf und nimmt sich auch genügend Zeit für alle möglichen und "unmöglichen" Fragen.

Die vertraute Umgebung und der bestehende persönliche Kontakt zur Hebamme sollen dazu beitragen, sich leichter zu entspannen, loszulassen, den Schmerz zu verarbeiten und so die Geburt zu erleichtern.
Bei Hausgeburten werden möglichst keine Medikamente verwendet. Der Körper einer Frau ist für das Gebären bestens ausgerüstet. Während der Geburt werden Endorphine und Adrenalin in der richtigen Dosis ausgeschüttet. Je leichter sich die Frauen entspannen können desto besser werden diese Substanzen wirken. Nach einer Hausgeburt kommt die Hebamme mindestens eine Woche und bei Bedarf so lange, wie die Frau bzw. Familie es benötigen, jeden Tag zu Ihnen nach Hause. Sie untersucht die Frau und das Neugeborene. Sie unterstützt die Frau beim Stillen und im Umgang mit dem
Baby (www.hebammenzentrum.at).


Ausgehend davon, dass es stetiges Ziel des öffentlichen Gesundheitssystem und des Sozialversicherungswesen sein muss, bestmögliche Betereuung und Behandlung für die Versicherten anzubieten, und dies mit der geringst möglichen Kostenbelastung für die Versicherten und die öffentlichen Haushalte, geben einige Entwicklungen im Bereich der Schwangerenbetreuung und der Entbindungen in Österreich Anlass zur genaueren Betrachtung und Analyse.

 

Die Geburtenbetreuung ist ein Bereich des Gesundheitswesens, in dem möglicher­weise ohne Qualitätseinbußen Kosten gespart werden könnten.

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

 

  1. Wie viele frei praktizierende Hebammen sind in Österreich tätig und wie viele davon sind Vertragspartnerinnen eines öffentlichen Krankenversicherungsträgers?

 

  1. Wo überall gibt es regionale Versorgungslücken, sodass Hausgeburten auf Kosten der öffentlichen Krankenversicherungsträger nicht möglich sind?

 

  1. Was gedenken Sie zu tun, damit solche Lücken geschlossen werden?

 

  1. Welcher Anteil der jährlichen Geburten sind geplante Hausgeburten?

  1. Halten Sie den geltenden Tarif für Abgeltung von Beistandsleistung bei einer Geburt (390 Euro brutto) für die frei praktizierenden Hebammen für angemessen?

 

  1. Finden Sie es vertretbar, dass die Zeit der Rufbereitschaft vor einer Geburt im Gesamtvertrag der Hebammen nicht abgegolten wird?

 

  1. Wie erklären Sie den steigenden Anteil an Kaiserschnittgeburten (Burgenland 2008 z.B. schon bei 30,2%) und die Diskrepanz zu dem von der WHO empfohlenen Anteil von 10%?

 

  1. Welche öffentlichen Kosten verursachen eine Hausgeburt, eine normale Geburt im Spital und eine Kaiserschnittgeburt im Durchschnitt?

 

  1. In einem konkreten Fall in Vorarlberg hat eine Mutter den Rechtsstreit mit der VGKK betreffend Kostenersatz für die Hausgeburt verloren (http://www.alton.at/projekt/hausgeburt/). Wie gedenken Sie, diese Ungleichbehandlung aufzuheben?

 

  1. Können Sie ausschließen, dass „Wunschkaiserschnitte“ (ohne medizinische Indikation bzw. mit „Gefälligkeitsindikation“) auf Kosten der Allgemeinheit von öffentlichen Krankenversicherungsträgern bezahlt werden?

 

  1. Planen Sie Maßnahmen, um die Kaiserschnittraten zu senken und wenn ja, welche?


[1] Bei Risikoschwangerschaften sollten Hausgeburten generell nicht geplant werden. Zu diesen gehören Frauen mit bestehenden oder schwangerschaftsinduzierten Erkrankungen (z.B. Diabetes, Gestose). Aber auch Beckenendendlage des Kindes, Rhesusunverträglichkeit, oder jede Art von diagnostizierter Erkrankung oder Fehlbildung beim Kind sind Risikofaktoren, die eine genaue Überwachung in einer Geburtsklinik erfordern. In diesem Zusammenhang muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass es auch bei scheinbar problemlosen Schwangerschaften während der Geburt zu unerwarteten, kritischen Situationen kommen kann, die man zu Hause nicht in den Griff zu bekommt. Der Transport in die nächstgelegene Klinik kostet dann wertvolle Minuten, die unter Umständen entscheidend sein können. Daher müssen Eltern, die sich für eine Hausgeburt entscheiden, bereit sein, dieses Risiko mit allen Konsequenzen zu tragen.