3698/J XXIV. GP

Eingelangt am 16.11.2009
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend öffentliche Desinformation durch Staatsanwälte

 

 

Am 6. November 2009 veranstalteten mehrere Staatsanwälte eine Pressekonferenz, in welcher sie den verfassungsgemäß eingerichteten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments scharf kritisierten. Die APA berichtet darüber unter anderem:

 

Der Vorsitzende der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte, Wolfgang Swoboda, behauptete, einzelne Abgeordnete hätten den Untersuchungsausschuss missbraucht, um "weit abseits des Gegenstands der Untersuchung" die geladenen Staatsanwälte zu gegen sie selbst laufenden Strafverfahren zu befragen. […]

 

Diese Behauptung ist unwahr. Soweit ersichtlich waren die einzigen noch anhängigen Verfahren, welche im Untersuchungsausschuss behandelt wurden, und bei denen Abgeordnete als Beschuldigte geführt werden einerseits das Verfahren in der sogenannten „Causa Öllinger“, und andererseits ein Verfahren wegen einer Presseaussendung des Abgeordneten Westenthaler zur Zahl 502 St 26/08t der StA Wien. Der Abgeordnete Öllinger ist nicht Mitglied des Untersuchungsausschusses. Zum Verfahren 502 St 26/08t wurden der Staatsanwalt Mag. Kronawetter sowie der Oberstaatsanwalt Mag. Leitner am 8.9.2009 im Ausschuss befragt. Wie sich aus den öffentlich zugänglichen Einvernahmeprotokollen ergibt, stellte dabei der Abgeordnete Westenthaler an diese Zeugen keine Fragen, sondern wurde die Befragung von der BZÖ-Fraktion durch den Abgeordneten Stadler vorgenommen. Zu einem Verfahren gegen den Abgeordneten Graf stellte dieser eine Formalität betreffende Fragen an den Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wien, die dort verfahrensführende Staatsanwältin war nicht vor den Untersuchungsausschuss geladen.

 

Scharfe Kritik am Grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz kam vom Vorsitzenden der Sektion Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Klaus Schröder. Pilz hatte nach der angeblich "vergessenen" Anzeige gegen Ex-Innenminister Ernst Strasser (V) behauptet, die Staatsanwaltschaft würde Regierungspolitiker gezielt schonen. Schröder verwies dagegen darauf, dass die Justiz in der Vergangenheit "vom Bundeskanzler abwärts" sehr wohl auch Regierungsmitglieder verurteilt habe. Er warf den Abgeordneten "parteipolitische Polemik auf niedrigstem Niveau" vor und kritisierte "Zustände wie im hintersten Tadschikistan". […]

Wie der Abgeordnete Pilz mehrfach öffentlich darlegte, lässt vor allem die Entwicklung der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft Wien seit Beginn der Kanzlerschaft von Wolfgang Schüssel und dem damit steigenden Einfluss der ÖVP auf die Bereiche Inneres und Justiz den Eindruck einer besonders regierungsfreundlichen Vorgehensweise entstehen. Es wäre daher interessant zu erfahren, welche Regierungsmitglieder „vom Bundeskanzler abwärts“ seit dem Amtsantritt der Regierung Schüssel I als Beschuldigte geführt, einvernommen, angeklagt oder gar strafrechtlich verurteilt wurden.

 

Sollte sich jedoch bestätigen, dass die Vorwürfe dieser führenden Vertreter der Staatsanwälte völlig haltlos und aus der Luft gegriffen sind, so stellt sich nicht nur die Frage nach den Motiven hinter diesem Angriff auf ein verfassungsmäßiges Gremium des österreichischen Nationalrates, sondern auch nach den dienstrechtlichen Konsequenzen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      In welchen noch anhängigen Strafverfahren gegen Abgeordnete des Nationalrates ist es dazu gekommen, dass der verfahrensführende Staatsanwalt von dort beschuldigten Abgeordneten im Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments selbst befragt wurde?

2.      Welche Regierungsmitglieder „vom Bundeskanzler abwärts“ wurden seit 4. Februar 2000 in Strafverfahren als Beschuldigte geführt und um welche Verfahren handelte es sich?

3.      Welche Regierungsmitglieder „vom Bundeskanzler abwärts“ wurden seit 4. Februar 2000 in Strafverfahren als Beschuldigte einvernommen und um welche Verfahren handelte es sich?

4.      Welchen Regierungsmitgliedern „vom Bundeskanzler abwärts“ wurde seit 4. Februar 2000 in Strafverfahren Gelegenheit gegeben als Beschuldigte schriftliche Stellungnahmen abzugeben und um welche Verfahren handelte es sich?

5.      Welche Regierungsmitglieder „vom Bundeskanzler abwärts“ wurden seit 4. Februar 2000 in Strafverfahren angeklagt und um welche Verfahren handelte es sich?

6.      Welche Regierungsmitglieder „vom Bundeskanzler abwärts“ wurden seit 4. Februar 2000 in Strafverfahren verurteilt und um welche Verfahren handelte es sich?

7.      Bei welchen Regierungsmitgliedern „vom Bundeskanzler abwärts“ wurde seit 4. Februar 2000 eine Verurteilung rechtskräftig und um welche Verfahren handelte es sich?

8.      Welche Regierungsmitglieder „vom Bundeskanzler abwärts“ wurden seit 4. Februar 2000 in Strafverfahren freigesprochen bzw. wurde das Verfahren eingestellt und um welche Verfahren handelte es sich?


9.      Welche disziplinären Maßnahmen haben Sie wegen der Fehlinformation an die Öffentlichkeit durch führende Staatsanwälte im Rahmen der Pressekonferenz am 6.11.2009 bisher gesetzt?

10. Wurden Disziplinarverfahren eingeleitet?

11. Falls ja: gegen wen und in welchem Stadium befinden sich diese?

12. Wie können Sie sicherstellen, dass österreichische Staatsanwälte sich nicht im Sinne eines Berlusconi-Systems oder „wie im hintersten Tadschikistan“ verhalten?