3862/J XXIV. GP

Eingelangt am 03.12.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

gemäß § 93 Abs. 2 GOG-NR

 

 

 

der Abgeordneten Mag. Stadler, KO Bucher

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Verhinderung notwendiger Beschlüsse mit zwei Drittel-Mehrheiten

durch   die   Regierungsparteien   zum   finanziellen   Nachteil   der   Republik

Österreich

Die Regierungsparteien, allen voran die ÖVP, lassen zurzeit nichts unversucht, den Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaß-nahmen im Bereich des Parlaments zu einem schnellen Ende zu führen. Die letzten Ladungsbeschlüsse lassen ein Abdrehen“ des Ausschusses noch vor Weihnachten befürchten.

Noch am 13. Juli 2009 haben Sie bei einer Pressekonferenz die ÖVP als Speerspit-ze der Aufklärung“ bezeichnet und angekündigt, alle Vorwürfe auf Punkt und Bei-strich“ aufzuklären. Von dieser Absicht ist leider nicht viel übrig geblieben.

Damit wird jetzt die inhaltlich umfangreichste und sicherlich innenpolitisch brisanteste Materie, die Causa Kasachstan“, in gerade einmal drei Tagen abgehandelt.

Eine Causa, die von Geldflüssen in Millionenhöhe an aktive und ehemalige Politiker handelt, in der geschäftliche Verbindungen von ehemaligen Vertretern der Regierung auftauchen, in der von einer mit ÖVP Günstlingen besetzten Behörde in ungeahnter Geschwindigkeit eine Aufenthaltsgenehmigung für einen der Hauptakteure in diesem Fall ausgestellt wurde und vieles mehr.

Nicht nur die nachlässige Behandlung dieses Beweisthemas alleine ist evident, auch in den vorangegangenen Beweisthemen konnte durch die Weigerung der Regie-rungsparteien, die zuständigen Ministerinnen als Auskunftspersonen zu laden, keine abschließende Klärung der politischen Verantwortlichkeit erfolgen.

Zu Beginn des Ausschusses waren sich allerdings noch alle Parteien einig, dass man am Ende der jeweiligen Beweisthemen natürlich auch die zuständigen und verant-wortlichen (ehemaligen) Ministerinnen und Minister in den Ausschuss laden wird, wenn es sich als notwendig erweist. Die bisherigen Ergebnisse der Befragungen ma-chen die Ladung von amtierenden und ehemaligen Regierungsmitgliedern unum-gänglich: Vom Bereich der Staatsanwaltschaft Wien bis zu den Ermittlungsbehörden des Innenministeriums hat sich ein System gebildet, das die Bezeichnung Regie-rungsjustiz durchaus verdient. Es wurden ehemalige Regierungsmitglieder regelrecht vor Strafverfolgung geschützt. Auf der anderen Seite wurden Abgeordnete der Op-positionsparteien mit allen zu Gebote stehenden Mitteln und auch darüber hinaus verfolgt. Die verfassungsrechtliche Regelung der Immunität von Abgeordneten wurde schlicht beiseite geschoben. Die Glaubwürdigkeit von Aussagen von Oppositionspoli-tikern wurde grundsätzlich in Frage gestellt, während man bei Aussagen von Regie-rungspolitikern automatisch von deren Wahrheitsgehalt ausging und die Ermittlungen möglichst rasch eingestellt wurden. In einem Fall hat die zuständige Staatsanwalt-schaft sogar aufgrund des bloßen Vorbringens eines Rechtsvertreters eines Bun-desministers sofort Beschlagnahmemaßnahmen angeregt.

Die Häufung dieser im Untersuchungsausschuss ans Tageslicht geförderten Um-stände und Umtriebe lässt auf eine Systematik schließen, die ihren Anfang mit dem System Strasser“ genommen hat. Die Schwarz-Umfärbung“ im Innenressort und die Schaffung einer rechtlich äußerst umstrittenen Sonderdienststelle namens BIA“ -Büro für interne Angelegenheiten“, die unter dem damaligen Bundesminister Dr. Ernst Strasser ihren Anfang genommen hat, bildeten die Grundlage für das aufge-deckte Versagen des Rechtsstaates. Ein politisch agierendes Ermittlungsbüro hat dabei de facto die Führung des Vorverfahrens übernommen, während die Staatsan-waltschaft nur noch formell Herr des Verfahrens“ ist.

Selbst die Justizministerin hat bereits begonnen, Konsequenzen aus den bisherigen Ergebnissen des Untersuchungsausschusses zu ziehen. Sie hat angekündigt, die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft Wien aufzulösen, in deren Bereich ja die berüchtigten Strasser-Mails“ eigenartigerweise übersehen worden sind. Damit kann der Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungs-maßnahmen im Bereich des Parlaments bereits ein zweites Ergebnis seiner Tätigkeit verbuchen. Der Staatsanwalt, der die Strasser-Mails „übersehen“ hat, wurde ja be-reits von politischen Fällen abgezogen. Die getroffenen Verfügungen auf Grund der aufgedeckten Verfehlungen der Staatsanwaltschaft dürfen aber nicht die einzige Konsequenz bleiben.

Nichts desto trotz verweigern die Koalitionsvertreter im Untersuchungsausschuss weiterhin die Ladung amtierender wie ehemaliger Regierungsvertreter.

Dies erscheint besonders in Anbetracht der Ladungspraxis in vorangegangenen Untersuchungsausschüssen als Affront gegenüber den Oppositionsparteien.

Noch im so genannten EUROFIGHTER-Untersuchungsausschuss waren insgesamt einundzwanzigmal ehemalige wie amtierende Regierungsmitglieder als Auskunfts-personen geladen, wobei einige zweimal, dreimal und sogar viermal geladen wurden. Damals war die Klärung der politischen Verantwortlichkeit kein Problem.

Gleichzeitig tagte der Banken-Untersuchungsausschuss, wo immerhin siebenmal Regierungsmitglieder befragt wurden. Auch hier stellte die Prüfung der politischen Verantwortlichkeit kein Problem dar.

Selbst im Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der Amtsführung im BMI und weiterer Ministerien wurden noch drei zuständige Regierungsmitglieder geladen. Ein weiteres Mal stellte die Überprüfung der politischen Verantwortlichkeit kein Problem dar.


Die Blockadepolitik der Regierungsparteien hat nun eine Notwehrgemeinschaft der Oppositionsparteien zum Schutz der parlamentarischen Kontrolle vor dem Miss-brauch der Regierungsmacht entstehen lassen. Diese Notwehrgemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, keinen Gesetzesvorlagen, die einer zwei Drittel-Mehrheit bedürfen, zuzustimmen. Ausgenommen davon wird nur eine mögliche Änderung des Ge-schäftsordnungsgesetzes, die eine Reform der Untersuchungsausschüsse zum Ziel hat.

 

Durch ihre beharrliche Weigerung, demokratische Kontrollrechte zuzulassen, verhin-dern die Regierungsparteien in Folge z.B. die notwendige Umsetzung der Dienstleis-tungsrichtlinie. Weiters wird die von der EU gewünschte unabhängige Medienbehör-de im Verfassungsrang nicht umgesetzt werden können. Ferner stehen demnächst Verfassungsmaterien in der Novelle zum Datenschutz sowie die Umsetzung der Vor-ratsdatenspeicherung und die Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung an.

ÖVP und SPÖ riskieren sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich: Alleine die Nichtumsetzung der Dienstleistungsrichtlinie kann für Österreich mit mas-siven finanziellen Belastungen einhergehen. Die Regierungsparteien nehmen offen-sichtlich jeden Schaden für die Republik Österreich in Kauf, solange sie Vergehen und Versagen von Vertretern aus ihren eigenen Reihen zudecken können.

Eine Befragung im Rahmen einer Dringlichen Anfrage ist selbstverständlich nicht mit einer Befragung unter Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss zu vergleichen. Sie kann nur eines sein: ein deutliches Zeichen, mit dem die Opposition der Regierung klar macht, dass die Sabotage der parlamentarischen Kontrolle durch die Minis-terblockade nicht akzeptiert wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundesminister für Fi-nanzen folgende

ANFRAGE:

1.    Können Sie den Schaden für den Finanzplatz Österreich abschätzen, der durch ein Nichtumsetzen der Dienstleistungsrichtlinie entstehen würde?

2.                                    Ist Ihnen ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU mit allen finanziellen Folgen für die Republik Österreich lieber, als einige aktive und e-hemalige Regierungsmitglieder vor einem Untersuchungsausschuss aussagen zu lassen?

3.                                    Wenn ja, womit begründen Sie diesen letztlich für die von Ihnen zu verantwor-tenden Finanzen der Republik Österreich gefährlichen Standpunkt?

4.                 Wenn nein, werden Sie als Finanzminister (aber auch als Vizekanzler und Parteichef der die Arbeit des Untersuchungsausschusses blockierenden ÖVP) aktiv darauf hinwirken, dass Regierungsmitglieder im laufenden Untersu-chungsausschuss aussagen?


5.                                    Würden Sie selbst in den Untersuchungsausschuss kommen, um die Ihre Funktion als Finanzminister betreffenden Fragen zu beantworten? Wenn nein, warum nicht?

6.                  Werden Sie als Finanzminister ihre Parteifreundin und Regierungskollegin, Innenministerin Dr. Fekter, auffordern, vor dem Untersuchungsausschuss als Auskunftsperson zu erscheinen, um damit einen möglichen finanziellen Scha-den für die  Republik Österreich  durch  die  Nichtumsetzung  notwendiger Beschlüsse mit zwei Drittel-Mehrheiten zu verhindern ?

7.                                     Hat die Innenministerin mit Ihnen die von ihr geplanten Maßnahmen im Be-reich des Innenministeriums und speziell beim Büro für interne Angelegenhei-ten, als Konsequenz des Untersuchungsausschusses, besprochen und wenn ja, was sind die geplanten Konsequenzen?

8.                                     Ist in einer oder mehrerer Sitzungen des Ministerrates von einem Mitglied der Bundesregierung oder einem Staatssekretär die Weigerung der Zulassung von   Ladungen  von   Regierungsmitgliedern  vor den  derzeitigen   Untersu-chungsausschuss thematisiert worden? Wenn ja, von wem und mit welchem Inhalt?

9.                                     Sind Ihnen oder Ihrem Ressort von Seiten der Finanzmarktaufsicht Informati-onen über einen geplanten Kauf der kasachischen Nurbank“ - die teilweise im Besitz eines der Hauptakteure der Causa Kasachstan“ ist - durch die Raiffeisenbank oder den Raiffeisenkonzern zugegangen und wenn ja, wel-chen Inhalts waren diese Informationen?

10.                             Der ehemalige Nationalbankchef und Präsident des Vereins Freunde der Wiener Polizei“, Adolf Wala, hat sich beim geplanten Verkauf der Nurbank en-gagiert. Sind Ihnen Umstände bekannt, die auf eine Unvereinbarkeit dieses Engagements mit der Tätigkeit als Notenbankchef schließen lassen? Ist diese Tätigkeit mit seinen Verpflichtungen als ehemaliger Notenbankchef in Einklang zu bringen? Welche Schritte werden Sie setzen, um derartige einschlägige Geschäfte ehemaliger Spitzenmitarbeiter der Nationalbank, in denen Vorwis-sen aus der Tätigkeit in der Nationalbank geschäftlich verwertet wird, zu un-terbinden?

11.                             Sind Ihnen oder Angehörigen Ihres Ressorts im Zusammenhang mit einer Zahlung in der Höhe von 500.000 Euro von einem Konto des ehemaligen ka-sachischen Botschafters Alijew an den First Vienna Football Club“ - bei dem Adolf Wala Ehrenpräsident ist -,  irgendwelche Finanzstrafverfahren oder Steuerprüfungen des Fußballvereins bekannt und wenn ja welche und mit welchem Ergebnis? Werden Sie entsprechende Ermittlungen in Gang setzen? Wenn nein, warum nicht?

12.                             Ist Ihnen bekannt, dass in der Causa Kasachstan“ ca. 10.000 Überstunden im Bereich des Bundesministeriums für Inneres aufgewendet werden mussten?

13.             Werden Sie diesen Umstand bei den nächsten Budgetverhandlungen mit dem BMI berücksichtigen und wenn nein, warum nicht?


14.                             Steht dieser Aufwand Ihrer Meinung nach in einem vertretbaren Verhältnis zum Umgang mit der Angelegenheit im Untersuchungsausschuss, wo hiezu lediglich zwei Tage zur Befragung von zwei Auskunftspersonen vorgesehen waren?

15.               Ist Ihnen der vom Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zur Untersu-chung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parla-ments, Dr. Martin Bartenstein, öffentlich geäußerte Umstand, dass kasachi-sche Behörden massiven Druck auf in Kasachstan ansässige österreichische Firmen im Zuge der Causa Kasachstan“ ausgeübt haben sollen, bekannt?

16.                           Um welche Firmen und Konzerne handelt es sich und haben diese Umstände Auswirkungen auf den Umsatz der Firmen und damit möglicherweise auf die Steuern und Abgaben dieser Firmen und Konzerne in Österreich und wie hoch sind die dadurch entstehenden Mindereinnahmen des Bundes?

17.                           Welche Maßnahmen zum Schutz österreichischer Interessen haben Sie ver-anlasst oder angeregt?

In formeller Hinsicht wird gemäß § 93 Abs. 2 GOG verlangt, diese Anfrage dringlich zu be- handeln und dem Erstanfragesteller die Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.