3951/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.12.2009
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Dr. Karlsböck

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend Bisphenol A (BPA) im Trinkwasser

 

 

 

Grundsätzlich gilt BPA als eine der wichtigsten und meistproduzierten Chemikalien weltweit. Von der chemischen Industrie wird BPA für die Produktion von Polykarbonat und Epoxyharzen eingesetzt. Es findet sich beispielsweise auf der Innenseite von Konservendosen und Thermoskannen sowie anderen Dingen des täglichen Bedarfs wieder. Aufgrund der hormonähnlichen Wirkung wird BPA unter anderem mit der Zunahme von Prostata- und Brustkrebs, Diabetes Typ 2, Abnahme der Spermienzahl, Übergewicht oder verfrühter Geschlechtsreife bei Mädchen in Verbindung gebracht.

 

Durch eine Studie der österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 sind Babyschnuller u. –erzeugnisse und die Substanz BPA in den Mittelpunkt des (medialen) Interesses gerückt. BPA wirkt ähnlich wie das Sexualhormon Östrogen und gefährdet insbesondere die Entwicklung von Säuglingen und Föten. Sie reagieren besonders empfindlich auf hormonell wirksame Schadstoffe, da ihre Organe noch in Entwicklung sind.

 

Weitgehend unbemerkt von dieser Diskussion gibt es aber auch Hinweise, dass BPA in das Trinkwasser entweicht. Laut den Autoren Heribert Wefers und Patricia Cameron wird BPA neben der Innenbeschichtung von Konservendosen sowie Konserven- und Flaschendeckeln auch als Innenbeschichtung von Wasserrohren verwendet. Die Autoren schätzen, dass jährlich 199 Tonnen BPA in die europäischen Gewässer gelangen. Proben aus europäischen Flüssen würden im Durchschnitt 4,7 Nanogramm pro Liter aufweisen. Im Trinkwasser habe man BPA bis zu zwei Nanogramm pro Liter nachweisen können. Die Ursache hierfür sei nicht alleine auf die Innenbeschichtung von Trinkwasserrohren zurückzuführen. Es komme zu dieser zusätzlichen BPA-Anreicherung wenn Wasserbehälter und Tanks aus Polycarbonat hergestellt sind; beispielsweise sind die Gefäße für Wasserspender in Büros und öffentlichen Einrichtungen häufig aus Polycarbonat gefertigt.


In einer Studie des deutschen Umweltbundesamtes weisen 99 Prozent der untersuchten Urinproben von Kindern BPA auf. Die Belastung der 3- bis 5-jährigen Kindern weisen dabei mit 3,55 mg/l Bisphenol A den höchsten Wert auf. In diesem Zusammenhang ist noch zu berücksichtigen, dass sich hormonelle Wirkstoffe in ihrer Wirkung addieren. Daher fordern Experten eine kumulative Risikobewertung.

 

An die Qualität von Trinkwasser sind besonders hohe Anforderungen zu stellen. Dies gilt vor allem auch für die Schadstofffreiheit. Unabhängig von nachgewiesenen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen bei bestimmten Konzentrationen und Altersgruppen dürfen gesundheitsgefährdende Stoffe oder Stoffe, die in diesem Verdacht stehen, nicht im Trinkwasser enthalten sein. Darüber hinaus ist bei einer bereits gegebenen Grundbelastung dafür Sorge zu tragen, dass jegliche weitere Belastung vermieden wird.

 

 

Vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips muss der Schutz der menschlichen Gesundheit Vorrang haben und daher richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Gesundheit folgende

 

 

ANFRAGE

 

 

1.       Gibt es österreichische Studien, die eine BPA-Belastung im Trinkwasser untersuchen?

 

2.       Wenn ja, von wem und welche BPA-Belastungen wurden nachgewiesen?

 

3.       Wenn ja, auf welche Ursachen wurden die einzelnen Belastungen zurückgeführt?

 

4.       Wenn ja, gibt es regionale Unterschiede in der BPA-Belastung?

 

5.       Wenn nein, liegen Ihnen Analysebefunde der Hersteller und Anwender zum BPA-Austrag der genannten Produktgruppen vor? (insbesondere Trinkwasserrohre und Wasserbehälter)

 

6.       Gibt es Überlegungen, die nach dem Vorsorgeprinzip Wasserleitung mit nachweislichen BPA-Austrag in Zukunft zu verbieten?

 

7.       Wie schätzen Sie bzw. Ihr Ressort die Gefährdung von Trinkwasserkonsumenten, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern, durch die Belastung von BPA ein, die infolge einer Trinkwasseraufnahme entstehen können?

 

8.       Wie schätzen Sie bzw. Ihr Ressort die Gefährdung durch die zuvor genannten kumulativen Effekte hormoneller Schadstoffe ein und wie werden diese in die Überlegungen miteinbezogen?

 

9.       Wie schätzen Sie bzw. Ihr Ressort vor dem Hintergrund von wissenschaftlichen Erkenntnisse und der derzeitigen öffentlichen Diskussion dieser Thematik die von der EFSA festgesetzten Tolerable Daily Intake-Werte von 50 μg BPA pro Tag und Kilogramm Körpergewicht ein?


10.  Werden Sie auf EU-Ebene dafür eintreten, dass Babyerzeugnisse, Trinkwasserrohre, Wasserbehälter und Medizinprodukte BPA nicht mehr enthalten dürfen?

 

11.  Werden Sie auf EU-Ebene eine generelle Reduzierung der Tolerable Daily Intake-Werte fordern?

 

12.  Gibt es Überlegungen, ein geeignetes verpflichtendes Kennzeichnungssystem für BPA-haltige Produkte einzuführen, die es Konsumenten ermöglicht, alternative nicht BPA-haltige Produkte zu wählen?

 

13.  Welche weiteren Maßnahmen wurden bzw. werden umgesetzt, um die Gefahr die von BPA im Trinkwasser ausgeht zu reduzieren?