4316/J XXIV. GP
Eingelangt am 28.01.2010
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend geheimes Kahlschlag-Programm von BM Doris Bures, LH Erwin Pröll und ÖBB für den Schienennah- und -regionalverkehr in Niederösterreich
Es liegen Informationen vor, wonach BM Doris Bures, LH Erwin Pröll und ÖBB im Geheimen für den Schienennah- und -regionalverkehr in Niederösterreich ein Kahlschlag-Programm vereinbarten.
Am 14.1.2010 wurde nach jahrelangem Streit eine Einigung von Land Niederösterreich, BMVIT und ÖBB über die Zukunft der NÖ „Nebenbahnen“ verkündet.
Demnach übernimmt das Land mit 1.1.2011 über 600km überwiegend in schlechtem bzw. nicht mehr befahrbaren Zustand befindliche Schienenstrecken vom Bund/ÖBB. Das Land zahlt (!) für diese „Ruinen“ 15 Mio an die ÖBB. Die ÖBB zahlen im Gegenzug noch 50 Mio für Investitionen auf den künftigen Landes-Bahnstrecken und 30 Mio für überfällige Erhaltungsarbeiten auf zwei bei den ÖBB verbleibenden Strecken (Traisen-, Erlauftal). Bund und Land sollen in die vom Land NÖ von den ÖBB übernommenen Strecken weitere je 45 Mio Euro investieren. Weiters wurde ein neuer Verkehrsdienstevertrag abgeschlossen, der erhöhte Zahlungen an die ÖBB für das bestehende - nicht für zusätzliches! - Zugsangebot im Nah- und Regionalverkehr vorsieht.
Zitat LH Pröll: „neue Perspektiven im Nahverkehr in Niederösterreich… bedeutet, dass wir Herr im eigenen Haus sind und wir nach den Bedürfnissen des Landes diese Strecken entsprechend nutzen können …“
Zitat BM Bures: „…wirklich gutes Gesamtpaket … für den Nahverkehr in Niederösterreich neue Chancen … ist es gelungen, seit vielen Jahren bestehende Probleme im Bereich des Nahverkehrs zu einer tragfähigen und zukunftsträchtigen Lösung zusammenzufassen … Gemeinden können aufatmen …“
Zitat Klugar/ÖBB: „… werden die Nutzer des öff. Verkehrs in NÖ letztlich die Gewinner sein!“
Was hier eine „gute Lösung“, ein „Aufatmen“ und „gutes Gesamtpaket“, „neue Perspektiven“ und gar „Gewinner“ sein sollen, ist rätselhaft. Denn schon diese von den Verantwortlichen öffentlich bejubelte „Grundsatzübereinkunft“ selbst enthält genug Sprengstoff:
Insbesondere ermöglicht die Übereinkunft es den ÖBB (und damit letztlich dem Bund), sich viel zu billig aus der Verantwortung zu stehlen, nachdem ÖBB und Aufsichtsbehörde BMVIT viele Strecken durch unterlassene Erhaltungsinvestitionen gesetz- und vertragswidrig verkommen ließen. Nach Schätzungen der Grünen fehlen künftig landesweit mindestens 15-20 Mio Euro pro Jahr für nötige Erhaltungsinvestitionen ins Gesamt-Regionalbahn-Netz – die Folge werden Angebotsrücknahmen und Einstellungen sein.
Es handelt sich also um einen billigen, rechtlich fragwürdigen Kompromiss, bei dem die Öffi-Nutzer in NÖ nicht die Gewinner, sondern noch mehr als bisher die Verlierer sein werden! Dies umsomehr, als der von den ÖBB (und damit Bund) vorsätzlich nicht eingehaltene „Vertrag von Gösing“ zu den Investitionen in NÖ Nebenstrecken nun zu den Akten gelegt statt - wie von zwei Rechtsgutachten unterstützt – von NÖ eingeklagt werden soll.
Viel schwerer noch wiegt aber, dass die „Grundsatzübereinkunft“ samt Aussagen von BM Bures, LH Pröll und ÖBB-Chef Klugar nur die halbe Wahrheit sind.
Nach Informationen der Grünen wurde in geheimen Nebenabsprachen zu dieser Einigung - die beim Beschluss in der NÖ Landesregierung am Di 26.1. und im Ministerrat unterschlagen werden sollen – ein Geheimplan für ein Nebenbahn-Zusperrkonzert in Niederösterreich vereinbart.
Mit der Geheimhaltung dieses entscheidenden Teils der Abmachungen wollen sich ÖVP und SPÖ offenbar über den Termin der NÖ Gemeinderatswahlen am 14.3 2010 und dann auch über den nächsten Nationalrats- und Landtagswahltermin retten.
Derlei ist demokratiepolitisch ein Skandal und wird von den Grünen klar abgelehnt.
Aus Sicht der betroffenen PendlerInnen und BürgerInnen handelt es sich erst recht um eine Provokation.
Denn mit dem Öffi-Angebot für Pendlerinnen und Pendler liegt in Niederösterreich schon jetzt seit langem vieles im Argen. Während Großbauprojekte auf den Hauptstrecken gar nicht teuer genug sein können – was Baukonzerne und kreditgebende SPÖ- und ÖVP-nahe Großbanken freut –, hat umfassendes Desinteresse bei der regierenden Politik im Bund und in St.Pölten und blinder Einspar-Wahn bei den ÖBB für verrottete Schienenstrecken und schlechtes Angebot im Schienen-Nah- und Regionalverkehr landauf landab in NÖ gesorgt. Mehrfach wurde in den letzten Jahren das Zugsangebot massiv reduziert, so auch bei den Fahrplanwechseln im Dezember 2008 und 2009, zugleich jedoch die Tarife laufend erhöht. Als Draufgabe wurden durchgängige Pendler-Züge durch mühsame Umsteigverbindungen ersetzt und die auf vielen Strecken katastrophale Unpünktlichkeit hat sich in den letzten Jahren weiter verschlechtert.
Als Rechtfertigung wurde von den ÖBB (und von Verkehrsministerin Bures, ihrem Vorgänger Werner Faymann und ihren Parteifreunden in Bund und Land) stets angegeben, dass das Land NÖ zuwenig bezahle.
Unabhängig davon, dass Straßenbau in der NÖ Landesregierung offensichtlich hohe Priorität genießt, beruhten diese als zu gering kritisierten Landes-Zahlungen aber auf geltenden Verträgen mit den ÖBB. Dass zugleich die ÖBB allerdings ihre Verpflichtung aus ebendiesen Verträgen und darüber hinaus ihre gesetzliche Verpflichtung zur Erhaltung ihrer Schienenstrecken durch Jahre nicht einhielt und das BMVIT als Aufsichtsbehörde hier gesetzwidrig tatenlos zusah, verschwiegen ÖBB- und BMVIT-Spitze lieber.
Zusätzlich haben die ÖBB nun jahrelang auch durch krass überzogene finanzielle Forderungen, die eine bis zu fünffache (!) Überzahlung der gebotenen schlechten Leistung aus Steuergeldern bedeutet hätte, tatkräftigst mitgeholfen, die dringend nötige Lösung und Offensive im Interesse der Fahrgäste zu verschleppen.
Nun so zu tun, als ob man dieses großkoalitionäre Trauerspiel zwischen Wien und St.Pölten doch endlich erfolgreich beendet hätte, obwohl man in Wirklichkeit in Geheim-Absprachen eine neue Zusperr-Lawine bei den Neben- und Regionalbahnen und beim Zugsangebot abgemacht hat, schlägt dem Fass den Boden aus.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
· bei dem den ÖBB der Großteil der viele Jahre lang gesetz- und vertragswidrig unterlassenen Erhaltungsinvestitionen geschenkt wird – und das , obwohl einklagbare Alt-Verträge Land-ÖBB vorliegen („Vertrag von Gösing“ etc);
· bei dem den ÖBB auch noch viel Steuergeld (15 Mio!) für das Abgeben dieser verrotteten Strecken nachgeworfen wird;
· bei dem das Land künftig viel mehr für das bisherige, von Landes-ÖVP und -SPÖ und unzähligen Fahrgästen stets zurecht als völlig unbefriedigend kritisierte ÖBB-Nahverkehrsangebot zahlt und keine Angebotsverbesserung erreicht hat;
das Land mit Erwin Pröll an der Spitze sich also über den Tisch ziehen ließ?
der Bund und das BMVIT mit Doris Bures an der Spitze also alle sonst offiziell stets vertretenen umwelt-, klima- und verkehrspolitischen Ziele über Bord geworfen hat und die Fahrgäste und die betroffenen Regionen und Gemeinden im Regen bzw. im Straßenverkehr stehen lässt?