4353/J XXIV. GP
Eingelangt am 29.01.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der
Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an den
Bundesminister für Finanzen
betreffend „Pensionskassen in Österreich“
Die Anfrage
2828/J XXIV.GP war unklar formuliert, so dass diese Anfrage in
abgeänderter
Form neuerlich gestellt wird.
Viele nach
dem Pensionskassengesetz 1990 gestaltete beitragsorientierte Pensionen sind im
Jahr
2009 stark gekürzt worden. Auch in den vorhergehenden Jahren gab es
bereits Verluste.
In
vielen Veranlagungs- und Risikogemeinschaften ergeben sich im Jahr 2009
Pensionsminderungen
bis zu 45 Prozent gegenüber den Anfang dieses Jahrzehnts
ausbezahlten Pensionen bzw. den für
einen späteren Pensionsantritt zugesagten / in Aussicht
gestellten Pensionen.
Ursache
dieses Wertverfalls ist die Annahme von zu hohen Ertragserwartungen für
das an die
Pensionskassen
übertragene Kapital. Der entscheidende Rechnungsparameter dafür ist
der
Rechnungszins. Je höher der
Rechnungszins, desto geringer kann das Kapital sein, das für die
Erzielung einer bestimmten Pension nötig ist. In den späten
1990er Jahren und trotz der
Kapitalmarktkrise 2000-2002 auch noch bis
2004 wurden Rechnungszinse bis zu 6,5 Prozent
von der Republik Österreich und den Pensionskassen für
erreichbar gehalten, in
Pensionskassenverträgen festgeschrieben und vom Bundesministerium für
Finanzen und
später von der FMA genehmigt. Um nominell gleich bleibende Pensionen
auszahlen zu
können, muss bei diesen Veranlagungs- und Risikogemeinschaften ein
jährlicher
rechnungsmäßiger Überschuss
von mehr als 6,5 Prozent erwirtschaftet werden, da von diesem
Überschuss auch die Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten
bezahlt werden müssen
und für die versicherungstechnische Bewertung der Langlebigkeit
(Aktualisierung der
Sterbetafeln alle 9-10 Jahre und versicherungstechnisches Ergebnis p.a.)
vorgesorgt werden
muss. Soll auch noch eine Schwankungsrückstellung aufgebaut und die
Geldentwertung
ausgeglichen werden, muss der
rechnungsmäßige Überschuss noch 2-3 Prozent höher sein.
So genehmigte das Bundesministerium für Finanzen:
•
den Beitritt der Pensionisten der Chemie Linz AG (heute Agro-Linz AG)
im Jahr 1996 zur
Pensionskasse APK mit einem Rechnungszins von 6,5 Prozent,
•
den Beitritt des technischen und Bodenpersonals der AUA im Jahr 1995 zur
Pensionskasse
VBV mit einem Rechnungszins von 6,5%,
•
den Beitritt von Pensionisten und/oder aktiv Beschäftigten der Firma
Alcatel in den Jahren
1993, 1997 und 1999 zur Pensionskasse ÖPAG mit einem Rechnungszins von
6,5%.
Dem
Bundesministerium für Finanzen kam nach § 33 Pensionskassengesetz
1990 die
Aufsicht über
die Pensionskassen zu. Es hatte die Einschätzungen und Ertragsprognosen
der
Pensionskassen und ihrer Veranlagungs- und
Risikogemeinschaften zu prüfen, zu genehmigen
oder zurückzuweisen, falls sie ihm nicht plausibel und erreichbar
erschienen:
•
Nach § 20 Abs. 4 PKG 1990 in der historischen Fassung ist die
Bewilligung des
Geschäftsplanes einer Pensionskasse daran geknüpft, dass "die
Belange der
Anwartschafts- und Leistungsberechtigten ausreichend gewahrt werden und
insbesondere
die
Verpflichtungen aus den Pensionskassenverträgen als dauernd erfüllbar
anzusehen
sind“.
•
§ 15 Abs. 4 PKG 1990 historische Fassung legte fest, dass der
Bundesminister für
Finanzen eine Pensionskasse mit der Verbesserung des Vertrages zu beauftragen
hat,
sofern dieser nicht den Vorschriften des PKG entspricht: "Entspricht
der
Pensionskassenvertrag
nicht den Vorschriften dieses Bundesgesetzes..., so hat der
Bundesminister für Finanzen die
Pensionskasse mit der Verbesserung des Vertrages zu
beauftragen...“
Die
unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für
Finanzen
nachstehende
Anfrage:
1. Nach § 20 Abs. 4 PKG
1990 ist die Bewilligung des Geschäftsplanes einer
Pensionskasse daran geknüpft, dass "die Belange der Anwartschafts-
und
Leistungsberechtigten ausreichend gewahrt
werden und insbesondere die
Verpflichtungen aus den Pensionskassenverträgen als dauernd
erfüllbar anzusehen
sind“. Aufgrund welcher Annahmen hat
das BMF Pensionskassenverträge bzw.
Geschäftspläne von Pensionskassen bewilligt, die es für
möglich hielten, für die
Pensionisten von Chemie Linz, AUA und Alcatel die aus einem Rechnungszins von
6,5
Prozent resultierenden rechnungsmäßige Überschüsse
zu erwirtschaften, die erreicht
werden mussten, um nominell gleichbleibende
Pensionshöhen zu erzielen? Auf Grund
welcher Annahmen sah das Bundesministerium für Finanzen die in
§ 20 Abs. 4 PKG
1990 vorgeschriebene Vorgangsweise gegeben,
nach der "die Belange der
Anwartschafts- und Leistungsberechtigten ausreichend gewahrt werden und
insbesondere die Verpflichtungen aus den
Pensionskassenverträgen als dauernd erfüllbar
anzusehen sind“?
(Ersucht
wird um Übermittlung dieser Annahmen in schriftlicher, nachvollziehbarer
Form zu übermitteln).
2.
Hat das Bundesministerium für Finanzen geprüft, ob sich die
den MitarbeiterInnen und
Betriebsräten
von Chemie Linz, AUA und Alcatel hinsichtlich der Performance ihrer
Pensionskassen gemachten Versprechungen in
den Pensionskassenverträgen und
Geschäftsplänen wiederfinden?
3.
Welche Verpflichtungen im Sinne des § 20 Abs. 4 PKG in der
historischen Fassung von
1990 nahmen die Pensionskassen APK, VBV und ÖPAG zur Erreichung der bei
einem
Rechnungszins von 6,5 Prozent nötigen rechnungsmäßigen
Überschüsse von mehr als
6,5 Prozent pro Jahr in den Pensionskassenverträgen und
Geschäftsplänen auf sich?
4.
Welchen Betrachtungszeitraum hat das Bundesministerium für
Finanzen bei der Prüfung
der Frage herangezogen, ob im Zeitraum der Restlebenserwartung der beim
Beitritt von
Chemie Linz, AUA und
Alcatel zu Pensionskassen für die Pensionisten und die knapp
vor ihrer Pensionierung stehenden MitarbeiterInnen dieser Unternehmungen die
bei
einem Rechnungszins von 6,5 Prozent
nötigen rechnungsmäßigen Überschüsse pro Jahr
und mehr zu erzielen sein würden (Ersuche um Übermittlung dieser
Unterlagen,
Berechnungen und/oder Expertisen im
Volltext)?
5.
Hat das Bundesministerium für Finanzen im Zeitraum vor dem 31.
Dezember 2004
jemals eine Pensionskasse „mit der Verbesserung des Vertrages“ im
Sinne des § 15 Abs.
4 PKG in der
historischen Fassung von 1990 beauftragt, weil ihm ein angenommener
Rechnungszins zu hoch erschienen war (Wenn
ja, wird um Bekanntgabe des Namens
dieser Pensionskassen und der betreffenden Veranlagungs- und Risikogemeinschaften
ersucht, sowie um das Jahr der Anordnung einer Verbesserung des Vertrages)?
6.
Welcher war in den Jahren seit 1990 der höchste, und welcher war
der niedrigste
Rechnungszins, der vom Bundesministerium für Finanzen bzw. der FMA
genehmigt
wurde (Ersucht wird um jahreweise Darstellung des im jeweiligen Jahr
genehmigten
kleinsten und
größten Rechnungszinses)?
7.
Welche Zinssätze zahlte die Republik Österreich in den Jahren
seit dem Jahr 1990 für
Emissionen auf dem
Geldmarkt und auf dem Kapitalmarkt (Ersucht wird um eine
jahreweise Darstellung mit Durchschnittswerten)?
8.
War dem
Bundesministerium für Finanzen im Jahr 1990 und den darauf folgenden
Jahren bekannt, dass der Dow Jones
Industrial Average Index seit seinem Beginn am 17.
Februar 1885 eine durchschnittliche
Jahressteigerung von rund 4,5 Prozent aufweist,
also um rund 2 Prozent weniger als der für die Pensionsberechtigten von
Chemie Linz,
AUA und Alcatel angesetzte und vom Bundesministerium für Finanzen
genehmigte
Rechnungszins von 6,5 Prozent?
9.
War dem Bundesministerium für Finanzen bei Genehmigung der
Pensionskassenverträge und Geschäftspläne von Chemie Linz, AUA
und Alcatel
bewusst, dass der Dow
Jones Industrial Average Index seinen Wert vom Tag vor dem
„schwarzen Donnerstag“—24. Oktober 1929—nominell erst
wieder am 6. Jänner 1954
erreichte, also 25 Jahre später, und
bei Berücksichtigung der Geldentwertung erst wieder
im Jahr 1961?
10.
Ist dem Bundesministerium für Finanzen bekannt, dass der Dow Jones
Industrial
Average
Index seinen Wert vom 1. Jänner 1973—1051 Punkte—erst wieder
am
2. Jänner 1983
erreichte, also zehn Jahre später— sodass die historische Erfahrung
nahelegt, dass es selbst bei
grundsätzlich steigender Tendenz von Aktienkursen sogar
jahrzehntelange Perioden von Stagnation und Rückgang derselben
geben kann?
11. Aus welchen Gründen hat sich das Bundesministerium für Finanzen bei
Genehmigung
der oben genannten Pensionskassenverträge und Geschäftspläne
für
Chemie Linz, AUA und
Alcatel entschlossen, die historische Erfahrung nicht zu
beachten, dass der Dow Jones Industrial
Average Index
a) seit seinem
Bestehen um durchschnittlich nicht mehr als 4,5 Prozent pro Jahr
gestiegen ist und
b) es auch
jahrzehntelange Perioden von Rückgängen und Wertverlusten gegeben
hat,
und Pensionskassenverträge und Geschäftspläne genehmigt, die
Jahr für Jahr
einen durchschnittlichen Ertrag von mehr als 6,5 Prozent für
gleichbleibende
Pensionshöhen
voraussetzen?