4524/J XXIV. GP
Eingelangt am
18.02.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ferdinand Maier
Kolleginnen
und Kollegen
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend „Können Sie und Ihre Aufsichtsräte vor der
schwersten Unternehmenskrise
der ÖBB
noch die Notbremse ziehen?"
Der
Notfallpatient ÖBB steuert auf seine schwerste Unternehmenskrise zu.
Blumenexpress-
Engagement und
Schmalspur-Mentalität scheinen sich breit zu machen in Zeiten, in denen
durch die Bedrohungen aus
• Wirtschaftskrise,
• Cross Border Leasings und
•
Abwertung nach den internationalen Buchhaltungsvorschriften IFRS
nun rasch
Maßnahmen ergriffen werden müssten.
Gleichzeitig
steigen bis 2013 die Zuschüsse des Staates an die Bundesbahnen auf 6.534
Mio.
Euro im Jahr an (Bauleistungen und Betrieb der ÖBB ((Gesetzliche
Verpflichtungen, Kosten
für
Eisenbahninfrastruktur und Gemeinwirtschaftliche Leistungen);
Pensionsleistungen für
Eisenbahnbedienstete; Bundeshaftung)). Schätzungen zufolge haben die
ÖBB 2009 von der
Republik Österreich eine Rekordsumme an
Zuschüssen - inklusive der 2,8 Milliarden Euro
schweren Haftungen für Kredite - in Höhe von 6,953 Mio. Euro
erhalten. Diese
Rekordsumme, die 10% unseres
Bundesbudgets entspricht, macht ein Vielfaches dessen aus,
was wir für Schulen, Universitäten oder Landesverteidigung
ausgeben. Daraus resultiert der
klare Auftrag nach Beachtung der
Sorgfaltspflicht an den Eigentümervertreter BMVIT. Diese
staatlichen Zuschüsse werden weiter ansteigen, sodass jeder
Steuerzahler bereits € 2500 pro
Jahr für das System ÖBB bezahlt, ohne auch nur ein Ticket gelöst
zu haben!
Bisher hat zu einem guten Teil die Krankendatenaffäre die bevorstehende
schwerste
Unternehmenskrise überschattet. Daher
ist es jetzt an der Zeit, jene Maßnahmen umzusetzen,
für die der Gesetzgeber bereits die erforderlichen
Rahmenbedingungen geschaffen hat, wie
etwa die Hebung der
Synergieeffekte aus der Zusammenlegung der beiden
Infrastrukturgesellschaften
(angekündigt waren Einsparungen in der Höhe von 20 Mio. €
durch integriertes Anlagenmanagement und Wegfall von Schnittstellen)
oder die
Verschubreform in ÖBB-Produktion GmbH
(Einsparungspotential rund 40 Mio. €) oder die
Optimierung der Baudienstleistungen (Einsparungspotential: rund 30 Mio.
€) und das
Regierungsübereinkommen umzusetzen.
Ein weiterer
wichtiger Themenbereich ist die Flexibilisierung des Personaleinsatzes im
ÖBB-
Dienstrecht. Allein
auf Grundlage ÖBB-interner Vereinbarungen (Zustimmung des
Konzernbetriebsrats erforderlich) wären erhebliche Einsparungspotentiale
zu heben. In den
Erläuterungen zum BBSG 2003 war von einem jährlichen
Einsparungspotential idHv
€ 660 Millionen bei den Personalkosten und zusätzlichen € 107
Millionen jährlich durch ein
neues Dienstrecht die Rede, das die ÖBB bis zum Jahr 2010 erreichen
müssten. Laut
Rechnungshofbericht (Reihe Bund 2009/1) wurde dieses Einsparungspotential bei
weitem
verfehlt. Im Gegenteil: zwischen 2005 und 2010 stiegen die Personalkosten,
trotz sinkender
Mitarbeiterzahlen, laut Rechnungshof sogar an.
Neben
dem Ansatz der Effizienzsteigerung des ÖBB-Systems ist auch die Frage zu
stellen,
wo und in welcher
Form abhängig von der entsprechenden Verkehrsnachfrage ein
Schienenverkehrsangebot ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist. Als
Grundlage für den
nächsten ÖBB-Rahmenplan soll das Zielnetz 2025 behandelt werden.
Während bei der ÖBB in
§ 2 (2) Bundesbahnpensionsgesetz sechs Varianten der
Ruhestandsversetzung zur Verfügung stehen (u.a.
Bedarfsmangelpensionierung,
Pensionierung nach einjährigem Krankenjahr, zeitlicher Ruhestand), stehen
bei den
Postunternehmungen, wie in allen anderen Bereichen mit
öffentlich-rechtlich Bediensteten
der Republik Österreich den jeweiligen Dienstbehörden nur die drei
Varianten der §§ 13, 14
und 15 BDG zur Verfügung. Eine
Harmonisierung scheint aus budgetären Gründen angezeigt.
Durch
legistische Einschränkung (Zuständigkeit BKA und BMVIT) dieser
Möglichkeiten im
Bereich von
Ruhestandsversetzungen der ÖBB sollte es laut Experten möglich sein,
ein
Einsparungsziel von 2% des jährlichen Pensionsaufwandes zu erzielen. Dies
ergäbe im
Zeitraum 2010 bis 2013 ein Einsparungspotential in der Höhe von €
174 Millionen.
Der Rechnungshof
kritisiert die Regelung des „Nebengebührendurchschnittsatzes"
(Reihe
Bund 2009/1), wonach 10% und später
sogar 15% als Durchschnittssatz sowohl für die Höhe
des Pensionsbeitrages, als auch für die Höhe des späteren
Ruhebezuges maßgeblich sind. Das
führt zu Zusatzkosten für den Bund von mindestens € 1,2
Milliarden. Der Rechnungshof hält
sogar mehr als € 2 Milliarden für wahrscheinlich.
Im April 2004 haben
sich ÖBB-Management und Belegschaftsvertreter auf ein neues
Dienstrecht geeinigt. Vorausgegangen war der Auftrag der Bundesregierung an
einen Experten, ein neues ÖBB-Dienstrecht - mit der „ersatzlosen
Abschaffung" aller
Sonderrechte der Eisenbahner - auszuarbeiten. Die in seinem Vorschlag
enthaltenen
sieben Einzelmaßnahmen hätten ein Einsparungspotential von €
160 bis 195 Millionen
jährlich gebracht. Nach den Verhandlungen zwischen ÖBB-Holding
Vorstand und
Belegschaftsvertretern blieben 4 Maßnahmen ((Struktureffekte
(Biennalsprünge);
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall; Entlassung (Auflockerung
Einstimmigkeitsprinzip)
sowie Urlaubsregelung und Arbeitszeit)) mit einem angeblichen Effekt von
€ 92 bis 109
Millionen jährlich übrig. Die
tatsächlichen Einsparungen aus diesen Vereinbarungen wurden
bislang nicht dargestellt. Laut Rechnungshof hat die Einigung im Jahr
2004 sogar zu
Verteuerungen für den Dienstgeber, also das Unternehmen ÖBB,
geführt.
Nach einem Bericht der
"Kronen Zeitung" vom 25.01.2010 unter dem Titel „Auch Meinl
erhält ein Stück vom Kuchen -
ÖBB zahlen Millionen für ihre Speisepläne" wird berichtet,
dass das Ess-Service für die gehobene Railjet-Klasse gleich 40 Millionen
Euro kostet. Laut
einem aktuellen "Fahrgast"-Magazin zahlt die Bahn in vier
Jahren 40 Millionen Euro an
Julius Meinl nur für
Menüvorschläge. Laut ÖBB umfasse das Gesamtpaket angeblich mehr:
Logistikdienstleistungen, Müllbeseitigung, „ein bisschen Service und
Abrechnungen". Das
um umgerechnet 548 Million Schilling nur für den Railjet erscheint
den unterfertigten
Abgeordneten dennoch eindeutig zu großzügig vereinbart.
Daher
stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für
Verkehr,
Innovation und
Technologie folgende
Anfrage:
1.
Wie stellt
sich der Umsetzungsstand der für die ÖBB relevanten Inhalte des
Regierungsprogramms, für welche das
BMVIT verantwortlich ist, generell dar?
2.
Wie stellt
sich der Umsetzungsstand der für die ÖBB relevanten Inhalte des
Regierungsprogramms, für welche das
BMVIT verantwortlich ist dar, insbesondere
bei
a) Zusammenlegung der beiden Infrastrukturgesellschaften?
b) Verschubreform in der ÖBB-Produktion GmbH?
c) Optimierung der Baudienstleistungen?
3. Wann werden die Einsparungen gemäß Frage 2a) in welcher Höhe realisiert?
4. Wann werden die Einsparungen gemäß Frage 2b) in welcher Höhe realisiert?
5. Wann werden die Einsparungen gemäß Frage 2c) in welcher Höhe realisiert?
6.
Welche Einsparungspotentiale im ÖBB-Dienstrecht werden von Ihnen
in Angriff
genommen?
7.
Wird ein konzernexterner Einsatz von ÖBB-Mitarbeitern in anderen
Bereichen (auch
außerhalb des
Konzerns, wie zB auch bei Postbediensteten, die bei der Polizei
arbeiten) angedacht?
8. Wann wird das Zielnetz 2025 vorgelegt?
9. Welche Erwartungen haben Sie an das Zielnetz 2025?
10. Sind darin Streckeneinstellungen vorgesehen?
11.
Wenn ja,
welche Konzepte liegen für einen Alternativverkehr per Bus,
Anrufsammeitaxi, LKW etc. vor?
12.
Wird die in der Begründung skizzierte Einschränkung der
Varianten der
Ruhestandsversetzung
von Ihnen unterstützt?
13. Wenn ja, wie weit stehen die Vorbereitungen für eine legistische Umsetzung?
14. Wenn nein, warum nicht?
15. Wenn nein, welche Alternativen schlagen Sie vor?
16.
Wie beurteilen
Sie den Vorschlag einer gesetzlichen Änderung betreffend den
Nebengebührendurchschnittsatz, der die
tatsächlichen Leistungen berücksichtigt und
nicht den derzeitigen fiktiven Durchschnittsatz, unterstützt?
17.
Wurde der Einsparungseffekt des in der Begründung beschriebenen
neuen ÖBB-
Dienstrechts realisiert?
18.
Welche Maßnahmen setzen Sie hinsichtlich der
überdurchschnittlichen finanziellen
Belastungen der
ÖBB im Personalbereich
a) generell?
b) insbesondere Ruhestandsversetzungen?
c) ÖBB-Pensionen?
d) Pensionsantrittsalter?
19.
Welche Maßnahmen setzen Sie, um die ÖBB aus der
bevorstehenden schwersten
Unternehmenskrise zu
befreien?
20. Bis wann
wird das Einsparungspotential bei den ÖBB-Personalkosten idHv
€ 660 Millionen
jährlich, das im BBSG 2003 festgehalten ist, realisiert?
21. Welche Maßnahmen setzen Sie in den ÖBB hinsichtlich
a) Wirtschaftskrise,
b) Cross Border Leasings und
c) Abwertung nach den internationalen Buchhaltungsvorschriften IFRS?
22. Wie wird mit
den unter Ihnen als Eigentümervertreterin eingetretenen Realverlusten
aus den CDO-Verträgen von rd. 300 Mio. Euro umgegangen bzw. wie wirkt sich
diese
auf die Liquidität aus?
23. Wie bewerten
Sie die hohen staatlichen Zuschüsse für die ÖBB vor allem in
Relation
zu den Bildungsausgaben des Budgets?
24. Welche
Maßnahmen setzen Sie, um die Kostenexplosion bei den Zuschüssen in
den
Griff zu bekommen?
25. Was unternehmen Sie gegen den rasant wachsenden Schuldenstand der ÖBB?
26. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Berger-Gutachten?
27.
Welche
Maßnahmen setzen Sie, um den Missstand zu beseitigen, dass ÖBB-
Gesellschaften auf Kosten anderer
ÖBB-Gesellschaften ihr Ergebnis schönen?
28.
Werden Sie dafür Sorge tragen, dass betreffend IFRS rasch eine
entsprechende
Neustrukturierung des
Anlagevermögens erfolgt?
29.
Wird das Zugmaterial der Traktion an Personenverkehr AG und Rail Cargo
Austria
übertragen werden?
30. Wann wird
betreffend Verschub der klare Auftrag des neuen Bundesbahngesetzes, die
Verschubleistung
wettbewerbsneutral von der Infrastruktur in die Traktion zu
überstellen, erfüllt werden?
31.
Sollte die ÖBB angesichts dieser Probleme in der
Unternehmensführung und -kultur
nicht besser der
ÖIAG unterstellt werden, um endlich die parteipolitische
Einflussnahme abzustellen?
32.
Wie weit sind Sie mit der Überprüfung von
eigenkapitalstärkenden Maßnahmen und
strategischen Partnerschaften für ÖBB-Gesellschaften, wie im
Regierungsprogramm
festgeschrieben?
33.
Welche Auswirkungen hat die Unternehmenskrise der ÖBB für das
Bahnnetz,
insbesondere die
Nebenbahnen?
34. Wie
beurteilen Sie den Inhalt des am 23.9.2009 im Falter veröffentlichten
Berichts im
Fall ÖBB, wonach
für einen Gutachter Frühpensionierungsgutachten nicht
nachvollziehbar waren (Die Justiz setzte einen Gerichtsmediziner ein.
Stichprobenartig überprüfte er 45
Gutachten, die zu den Frühpensionierungen führten.
Er stellte fest, dass in mehr als der Hälfte der untersuchten
Fälle "von einer geringen
Wahrscheinlichkeit" und in einem Viertel der Fälle von einer
"mittleren
Wahrscheinlichkeit einer richtigen Beurteilung" auszugehen sei.)?
35.
Wie viele Gespräche zur im Regierungsprogramm vorgesehenen
Weiterentwicklung
des Dienstrechts
haben Sie mit den Sozialpartnern bereits geführt?
36. Wann werden Sie dieses Vorhaben zum positiven Abschluss bringen?
37.
Welche Leistungen umfasst das „40 Millionen Euro Menü"
von Julius Meinl für die
ÖBB?
38.
Können Sie als zuständiges Ressortmitglied und Ihre
Aufsichtsräte nach der ÖBB-
Krankendatenaffäre und vor der schwersten Unternehmenskrise der ÖBB
noch die
Notbremse
ziehen?