4792/J XXIV. GP

Eingelangt am 05.03.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

 

betreffend Vollzug des Opferfürsorgegesetzes

 

Im Jahr 2005 wurde im Rahmen des Anerkennungsgesetzes 2005 das Opferfürsorgegesetz mit dem Ziel novelliert, jene Gruppen von Opfern und  Verfolgten des NS- Regimes  einzubeziehen, denen 60

Jahre lang eine Anerkennung im Rahmen der Opferfürsorge  verweigert worden war. Schon bei der parlamentarischen Debatte damals zeigte sich, dass die Republik mit einer umfassenden Anerkennung  und Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus noch immer Schwierigkeiten hat -  etwa durch ungenaue begriffliche Bestimmungen und Verknüpfungen beim Opferbegriff des Gesetzes und den damit verbundenen Leistungen.

 

Über die Jahrzehnte hinweg war aber immer wieder der schleppende Vollzug des Opferfürsorgegesetzes, die mangelnden Informationen an die betroffenen Personen und Gruppen, die überlangen Verfahren im Zentrum der Kritik.

 

Die Historikerkommission, die mehr als tausend Fälle nach dem Opferfürsorgesetz untersucht und ausgewertet  hat, kam zu folgender Einschätzung:

 

„Die Tatsache, dass die Anträge in vielen Fällen – aus welchen Gründen auch immer – sehr schleppend behandelt wurden, weist darauf hin, dass es den zuständigen Behörden der Zweiten Republik offenbar nicht wesentlich war, diese Fragen zügiger abzuwickeln und damit den NS-Opfern zumindest ein Stück weit an Würde zurückzugeben. Nicht zuletzt zog diese Vorgangsweise auch die ganz materielle Auswirkung nach sich, dass viele AntragstellerInnen die ihnen zustehenden Entschädigungen erst Jahre nach dem Zeitpunkt der Antragstellung ausbezahlt bekamen oder – wie in manchen Fällen – dies nicht mehr erlebten.“.

 


Auch in den letzten Jahren dürfte sich daran nicht viel geändert haben. So sind   Informationen über das Opferfürsorgegesetz, dessen Anspruchsvoraussetzungen und die Leistungen selbst auf den offiziellen Internetseiten der Landesregierungen nur spärlich bis gar nicht erhältlich – nur über die Homepage des Bundessozialamtes (das allerdings für die Abwicklung nicht zuständig ist) bzw. über die des BMASK erhält man grundlegende Informationen zum Opferfürsorgegesetz. Antragsformulare, Erläuterungen oder Fallbeispiele wird man allerdings auch hier vergeblich suchen.

 Damit nicht genug:

 

 

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

A)      Zur Missstandfeststellung der Volksanwaltschaft

 

1). Welche Stellungnahme haben Sie bzw. Ihr Ressort zu der erwähnten Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft abgegeben?

 

2). Gab es in der erwähnten Causa auch Äußerungen anderer Ressorts bzw. mit dem Vollzug des Opferfürsorgegesetzes betrauter Behörden und wie lauten diese?

 

3). Wie und wann werden Sie bzw. Ihr Ressort dafür sorgen, dass der von der Volksanwaltschaft empfohlene Zeitraum von 3 Monaten Dauer eines Verfahrens (ab Einlangen bis zur Erlassung des Bescheids) eingehalten werden kann?

 

B)  Zum Vollzug des Opferfürsorgegesetzes

 

4). Wie viele Personen haben jeweils in den Jahren a) 2005 b) 2006 c) 2007 d) 2008 und e) 2009 Erstanträge bzw. erneute Anträge  nach dem Opferfürsorgegesetz eingebracht (bitte nach Bundesländern geordnet)?

 

5). Wie lange war die durchschnittliche Verfahrensdauer (vom Einlangen des Antrags bis zur Bescheidausfertigung)  jeweils in den Jahren 2005 bis 2009 (geordnet nach Bundesländern)?

 

6). In wie vielen Fällen haben in diesen Jahren die Betroffenen gegen Bescheide der Behörde Berufung eingelegt?

 


7). In wie vielen Fällen von Erstanträgen in diesen Jahren wurde kein Bescheid der Behörde ausgestellt , weil die antragstellende  Person

 

a) ihren Antrag zurückgezogen hat

b) verstorben ist?

c) sonstige Gründe (bitte anführen)?

 

8). Wie lange war die durchschnittliche Dauer der Berufungsverfahren jeweils in diesen Jahren?

 

9). Wie viele Verfahren nach dem Opferfürsorgegesetz waren zum Stichtag 1.1.2010 (gegliedert nach Bundesländern)

 

a) als Erstanträge noch nicht erledigt

b) in der Berufung noch nicht erledigt?

 

10). In wie vielen Fällen in den genannten Jahren wurde von der Berufungsinstanz

a) der Berufung stattgegeben

b) die Berufung abgewiesen

c) kein Bescheid erteilt, weil die berufende Person

aa) verstorben ist bzw.

bb) ihren Berufungsantrag zurückgezogen hat

cc) die Frist versäumt hat?

 

11). In wie vielen Fällen in den genannten Jahren haben AntragsstellerInnen gegen einen negativen Bescheid der Berufungsinstanz ein außerordentliches Rechtsmittel ergriffen?

 

12). Welche Gründe wurden Ihnen für die besonders hohe Zahl unerledigter Verfahren in Kärnten genannt?

 

13). Welche Möglichkeiten haben Sie bzw. Ihr Ressort, um eine Verfahrensbeschleunigung in diesem (und in anderen Fällen) zu bewirken?

 

14). Gibt es im genannten Zeitraum eine auffällige Häufung von

 

a) unerledigten Verfahren

b) Ablehnungen

 

in Bezug auf bestimmte Opfergruppen? Wenn ja, welche? Was waren die konkreten Ablehnungsgründe?

 

15). Wird für die Beurteilung von Freiheitsverlust (§ 1 (2) lit. b) bzw. Beschränkung der Freiheit (§ 1 (2), lt. i) auch das in der Bundesrepublik Deutschland verwendete KZ-Haftstättenverzeichnis herangezogen?

 

16). Warum wurde in dem von der Historikerkommission geschilderten Fall  der Frau S.G., die in der Arbeitsanstalt für asoziale Frauen 13 Monate angehalten wurde, auf Ablehnung entschieden?

 

17). Warum wurde in dem Fall der Frau S.G., die auch den Antrag auf Haftentschädigung nach ihrer in der KZ- und Vernichtungsanstalt Hartheim ermordeten Mutter eingebracht hatte, auf Ablehnung entschieden?

 

18). Verfügen die Opferfürsorgestellen über Verzeichnisse von Konzentrationslagern und ähnlichen Einrichtungen des NS- Regimes so wie die BRD? Wenn ja, warum konnte Hartheim nicht als Konzentrations- oder Haftlager bezeichnet werden?

 

19). Wird der unfreiwillige Aufenthalt bzw. die Ermordung in Hartheim mittlerweile als politische Verfolgung – Haftstätte für Haftentschädigung -  anerkannt und seit wann?

 

20). Sind Ihre Behörden auch angewiesen, die Ermordung von Personen in anderen Krankenanstalten des NS- Regimes als Verfolgung nach dem Opferfürsorgesetz anzuerkennen?

 

21) Unseres Wissens gibt es Listen von anerkannter Haftstätten , die in der OF-Vollziehung einen Anspruch auf Haftentschädigung ermöglichen. Wie lautet der Inhalt dieser Liste (bitte eine Kopie der Anfragebeantwortung beilegen).

 

22) Jene Haftstätten, die bloß als Freiheitsbeschränkung gem. § 14 (1) gelten bitte ebenfalls auflisten und der Anfragebeantwortung beilegen.

 

23). Warum sind Informationen über die seit dem Jahr 2005 erweiterten Anspruchsvoraussetzungen  zum Opferfürsorgegesetz nur spärlich bis gar nicht in den Internetinformationen der Landesregierungen bzw. Sozialversicherungsanstalten erhältlich?

 

24). Gibt es von Ihrem Ressort Informationen,  Antragsformulare, Fallbeispiele zum Opferfürsorgegesetz, die

a) Ratsuchenden und

b) Behörden, die mit dem Vollzug befasst sind , zur Verfügung gestellt werden? Wenn ja, wo sind sie zu finden? Wenn nein, warum nicht?

 

25). Wie viele Personen haben seit dem Inkrafttreten des Anerkennungsgesetzes 2005 mit Beziehung auf die darin enthaltene OFG-Novelle ihre Ansprüche eingebracht?

 

26). Wie lassen sich die gestellten Anträge auf die nun neu anspruchsberechtigten Opfergruppen aufteilen? (Opfer der NS-Miltärjustiz, sogenannte Asoziale, Opfer von Zwangssterilisation, Homosexuelle etc.)

 

27). Wie viele Anträge wurden abgelehnt, wie vielen wurde stattgegeben, wie viele befinden sich noch in Bearbeitung? Bitte um eine auf die Opfergruppen aufgeschlüsselte Darstellung.

 

28). Sofern es Ablehnungen geben hat, was waren die Gründe für die Ablehnungen?

 

29). Wie viel Geld wurde bislang ausbezahlt? Bitte um Auflistung inklusive und exklusive der Befreiungs-Erinnerungszuwendung.