4799/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.03.2010
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung

 

betreffend Lücken bei der Studiengebührenbefreiung

 

 

 

Aufgrund der im September 2008 geschaffenen Erlasstatbestände sind viele der Studierenden an Österreichs Universitäten von den Studiengebühren befreit – bei Weitem jedoch nicht alle.

 

Abgesehen von den Lücken im Gesetz schüren zwei aktuelle juristische Publikationen die Zweifel an Verfassungs- und Europarechtskonformität der gesetzlichen Regelung: Bettina Perthold-Stoitzner stellt in ihrem Beitrag im Jahrbuch Hochschulrecht[1] Verfassungs- und Gesetzeswidrigkeit des UG bzw. der Studienbeitragsverordnung fest, beispielsweise in Hinblick auf das gravierende Rechtsschutzdefizit von Studierenden nach falscher Einzahlung der Gebühren oder in Form von Gleichheitswidrigkeit bei der Beurteilung der Befreiung von Studierenden, die ihre Angehörigen pflegen im Gegensatz zu jenen, die ihre Kinder betreuen.  Fraglich ist auch die gesetzliche Behandlung von Studierenden, die eine Behinderung unter 50% aufweisen.

 

Joachim Stern[2] hingegen ortet massive Mängel im Vollzug der Universitäten in Hinblick auf die Studiengebührenbefreiung von Drittstaatsangehörigen, „denen Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages (wie z.B. der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955) dieselben Rechte für den Berufszugang zu gewähren hat wie Inländern“ (§ 91 UG): Die Universitäten wie auch das Ministerium verkennen die Tragweite dieser Bestimmung und erlassen lediglich Konventionsflüchtlingen und Personen mit „Daueraufenthalt-EG“ die Studiengebühren, wenn sie die vorgesehene Studiendauer pro Abschnitt um nicht mehr als 2 Semester überschreiten. Eine Vielzahl von Studierenden ohne EWR-Staatsbürgerschaft, die aufgrund anderer völkerrechtlicher Verträge dieselben Rechte für den Berufszugang wie österreichische StaatsbürgerInnen haben müssen weiterhin Studiengebühren zahlen. Dies stellt eine EU-rechtswidrige Diskriminierung dar.

 

Ein weiteres Problem ist die Liste jener „am wenigsten entwickelten“ Länder, deren StaatsbürgerInnen an österreichischen Universitäten keine Studiengebühren zahlen müssen (§92 UG). Die Zusammenstellung der taxativen Aufzählung in der Anlage 3 der StudBeiVO scheint nicht nachvollziehbar.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Welche Gruppen von Studierenden sind nach Meinung des Ministeriums von § 91 Abs. 1 1. Satz des Universitätsgesetzes erfasst?

 

2.      Wie erklären Sie sich, dass im Informationsblatt des Ministeriums von Februar 2009, trotz offensichtlichem Abstellen auf die Gleichstellung beim Berufszugang, große Gruppen von gleichgestellten ausländischen StaatsbürgerInnen nicht erwähnt werden, wie z.B. türkische ArbeitnehmerInnen nach 4 Jahren Beschäftigung nach Art 6 Assoziationsratsbeschluss 1/80,  oder Familienangehörige von UnionsbürgerInnen,?

 

3.      Welche Schritte gedenken Sie zu ergreifen, um eine weitere diskriminierende Einhebung der Studiengebühren von ausländischen Studierenden (wie im Artikel von Stern genannt) zu verhindern?

 

4.      Wie viele Studierende sind von dieser Falschinterpretation betroffen? Wie gedenken Sie sicherzustellen, dass den Betroffenen, die aufgrund dieser Falschinterpretation zu Unrecht Studiengebühren bezahlt haben, diese zurückerstattet werden? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt die Rückerstattung der Studiengebühren?

 

5.      Anders als die Vorgängerregelung in § 6 Abs 4 Studienbeitragsverordnung 2001, BGBl II 2001/205, sieht die aktuelle Studienbeitragsverordnung 2004, BGBl II 2004/55 keine Rückzahlungspflicht bei Einzahlung von Studiengebühren ohne gültigen Rechtstitel vor, was schon in Hinblick auf das Eigentumsrecht der EMRK unzulässig scheint.

Gedenken Sie, die Studienbeitragsverordnung diesbezüglich anzupassen?

 

6.      Wie beurteilen Sie die Ungleichbehandlung von Studierenden, die ihre Angehörigen pflegen im Gegensatz zu Studierenden, die ihre Kinder betreuen? Wird zur Reparatur dieser Gleichheitswidrigkeit eine novellierte Studienbeitragsverordnung erlassen?

 

7.      Anders als im Studien- und Familienbeihilfenrecht sieht die aktuelle Studienbeitragsverordnung bei Mehrfachstudien eine Studienbeitragspflicht vor, sobald in einem Studienfach die Mindeststudiendauer und Toleranzfristen überschritten sind. Damit werden Studierende, die trotz erfolgreicher Belegung eines Studiums in Mindestdauer sich zusätzlich weiterbilden, zu Beitragszahlungen verpflichtet?

Womit begründen Sie diese leistungsfeindliche Differenzierung?

 

8.      Art 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl III 2008/155 sieht für Menschen mit Behinderung ein umfassendes Recht auf Bildung vor. Gem Art 5 der Konvention anerkennen die Vertragsstaaten, dass Menschen mit Behinderung ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben. Während österreichische oder gleichgestellte Studierende mit einer Behinderung die nach bundesgesetzlichen Vorschriften mit mindestens 50 % festgestellt ist, gem § 92 Abs 1 Z 6 UG auch bei Überschreitung der Mindeststudiendauer plus Toleranzsemester von der Zahlung der Studiengebühren befreit sind, müssen ausländische Studierende mit Behinderung ohne Rücksichtnahme auf ihre Behinderung Studiengebühren zahlen.

Wie begründen Sie diese Ungleichbehandlung?

 

9.      Halten Sie es mit dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und generell dem Gleichbehandlungsrecht für vereinbar, dass nur österreichische Studierende oder gleichgestellte eine Behinderung als Erlassgrund für Studienbeiträge geltend machen können?

      Wenn ja, warum?

Wein nein, welche Schritte werden Sie setzen, um diese Diskriminierung zu beenden?

 

10.  Halten Sie es mit diesen Grundsätzen für vereinbar, dass Menschen, denen eine Behinderung unter 50% attestiert wurde, keinerlei Rücksichten im Hinblick auf die Studienbeiträge gewährt werden, obwohl sich auch für sie ganz offensichtlich Benachteiligungen gegenüber Menschen ohne Behinderung ergeben?

Wenn ja, warum?

Wein nein, welche Schritte werden Sie setzen um diese Diskriminierung zu beenden?

 

11.  Welcher Maßstab liegt der Liste der Anlage 3 der Studienbeitragsverordnung zugrunde? Wie erklären Sie sich, dass die in der Liste der „am wenigsten entwickelten Länder“ (§ 92 Abs. 1 Z. 3, Anlage 3 Studienbeitragsverordnung 2004) angeführten Staaten mit der von UNDP erstellten Reihenfolge der Länder im Human Development Report nicht übereinstimmen bzw. von dieser stark abweichen? Wie ist zu begründen, dass beispielsweise São Tome und Principe (UNDP-Ranking[3]: Rang 131) oder die Komoren (Rang 139) auf die Liste gesetzt wurden, Länder wie Nigeria (Rang 158), Ghana (Rang 158) oder Kamerun (Rang 153) auf der Liste fehlen?

 

12.  Wie viele Studierende wurden im Sommersemester 2009 sowie im Wintersemester 2009/10 aufgrund von § 92 des Universitätsgesetzes iVm Anlage 3 der Studienbeitragsverordnung von den Studiengebühren befreit?

 

13.  Wie viele Studierende aus Nigeria, Kamerun sowie Ghana studieren derzeit an Österreichs Hochschulen?



[1]    Perthold-Stoitzner, Bettina: Verfassungsrechtliches zur Neuregelung der Studienbeitragspficht, in Hauser/Kostal  (Hrsg), Jahrbuch Hochschulrecht 2009, 115ff.

[2]    Stern, Joachim: Studienzugang, Studiengebühren und Gleichstellung. Eine Klarstellung. In: Juridikum. Zeitschrift für Kritik Recht Gesellschaft, Nr. 3/2009.

[3]    UNDP, Human Development Report 2009 – HDI Ranking, http://hdr.undp.org/en/statistics/.