4882/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.03.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend Verlust an Sozialversicherungsbeiträgen durch prekäre Beschäftigung und systematische Umgehung des Arbeits- und Sozialrechts

 

 

In den letzten 10 Jahren kam es zu einer massiven Ausweitung arbeitnehmerInnenähnlicher bzw. sogenannter „atypischer“ Beschäftigungsverhältnisse wie Freie Dienstverträge, Werkverträge und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Dabei handelt es sich selten um frei gewählte Vertragsformen durch ArbeitnehmerInnen, sondern in vielen Fällen um Umgehungsverträge im Interesse der ArbeitgeberInnen zur Einsparung von Löhnen und Gehältern, sowie Lohnnebenkosten und die Umgehung arbeits- und sozialrechtrechtlicher Auflagen. Personen werden beispielsweise als Freie DienstnehmerInnen oder WerkvertragsnehmerInnen beschäftigt, obwohl sie aufgrund ihrer Arbeitsaufgaben und anderer Rahmenbedingungen (genaue und vereinbarte Arbeitszeiten und -orte, persönliche Leistungspflicht, Weisungsgebundenheit, sowie persönliche und wirtschaftliche Einordnung in den Betrieb) eigentlich unselbstständig beschäftigt werden müssten. Betroffene ArbeitnehmerInnen sind oft bereits am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen wie Arbeitslose, junge Menschen, MigrantInnen und Frauen mit Betreuungspflichten. Durch die Ausbreitung dieser Beschäftigungsformen entstehen für die Betroffenen Probleme, wie mangelnde und unterschiedliche sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung, nicht-existenzsichernde Beschäftigung, ein Rückbau individueller und vor allem kollektiver Arbeitsrechte und keine Interessensvertretung.

Es gibt Branchen, wo diese Praxis besonders stark verbreitet ist, wo die oben genannten Vertragsformen auffällig häufig angewendet werden, in Tätigkeitsbereichen, die aufgrund ihrer Natur offensichtlich Anstellungsverhältnissen unterliegen müssten.  Beispiele sind etwa der Postsektor, insbesondere die Zustellung von Briefen, Paketen und Werbung, die Medienbranche, Call Center, kreative Industrien, TrainerInnen, die Baubranche aber auch Teile der Wissenschaft und Forschung. Jüngste Berichte und den Grünen bereits wiederholt zugetragene Informationen weisen auf eine massive, quasi systematische Umgehung von Anstellungsverhältnissen im Bereich der Marktkommunikation (insbesondere bei der Beschäftigung von VerkäuferInnen, RegalschlichterInnen, PromotorInnen) hin. Schätzungen zu folge dürften davon in Österreich mindestens 20.000 Beschäftigte betroffen sein.

 

Die Entlohnung der Beschäftigten erfolgt meist auf der Basis von Honorarnoten, wobei eine Anmeldung zur Sozialversicherung durch die Beschäftigten mitunter unterbleibt. Häufig werden Beschäftigte auch geringfügig angestellt und darüber hinaus erbrachte Leistungen „bar auf die Hand“ bezahlt oder gar als Spesenabrechnung. Die Abwicklung erfolgt dann über speziell hierfür im Ausland gegründete „Scheinfirmen“, um eine mögliche Finanz- bzw. Gebietskrankenkassenprüfung zu verhindern.

Insgesamt kommt es durch diese illegalen Praktiken zu einer Verschlechterung der Arbeits- und Einkommensbedingungen gesamter Branchen und ein massiver Verlust von Sozialversicherungsbeiträgen an die öffentlichen Kassen und ein Verlust an Steuereinnahmen sind die Folgen. Schätzungen zu Folge werden dadurch alleine im Bereich der Marktkommunikation Sozialversicherungsbeiträge von durchschnittlich € 5.000,-- pro beschäftigter Person und damit in Summe € 100 Millionen pro Jahr hinterzogen.

Die Prüftätigkeit der Krankenkassen zur Aufdeckung solcher illegaler Praktiken, die gehäuft, ja systematisch in bestimmten Branchen auftreten, ist in der Praxis nicht effektiv.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1.      Dem Vernehmen nach sollen Ihnen gleichartige Informationen über Beschäftigungsbedingungen in der Branche Marktkommunikation vorliegen. Sind Ihnen diese oder vergleichbare Informationen bekannt ? Wenn ja, welche Informationen liegen Ihnen genau vor ? Wie erklären und beurteilen Sie die beschriebene Problemlage ?

 

 

2.      Was haben Sie diesbezüglich (siehe Frage 1) unternommen ? Bitte um Auflistung der Maßnahmen im Einzelnen.

 

 

3.      Wie sehen Ihre Pläne und ihre weitere Vorgehensweise dazu aus ? Was werden Sie im Einzelnen tun ?

 

 

4.      Verfügen Sie über Vorschläge und Konzepte mit welchen Maßnahmen solche Probleme wie systematische Umgehung von Sozialversicherungsbeiträgen, Lohnvorenthaltung und Steuerhinterziehung in Zukunft weitgehend verhindert werden können ? Wie kann effizienter kontrolliert werden ? Welche Maßnahmen planen sie im Bereich der Kontrollen ? Was werden Sie konkret tun ?  Wie kann betroffenen ArbeitnehmerInnen leichter zu ihrem Recht verholfen werden ?

 

 

5.  Wurden durch die Arbeit der zuständigen Prüfbehören in den letzten drei Jahren beschriebene und ähnliche illegale Praktiken aufgedeckt ? Wenn ja, bitte führen sie die Anzahl der (und wenn möglich) die Namen der Unternehmen und die zugehörigen Branchen in den einzelnen Bundesländern an.

 

 

6.  Bitte listen Sie die Anzahl der in den Jahren 2006-2009 durchgeführten Prüfungen im Rahmen der GPLA (gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben) für alle Bundesländer auf und führen Sie an, in wie vielen Fällen davon Verstöße gegen das ASVG aufgedeckt werden konnten.