5129/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.04.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Bucher, Hagen, Dolinschek, Markowitz,

Kolleginnen und Kollegen

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend tagelanges Vulkanasche-Chaos im Luftverkehr

 

 

In der Nacht von 21. auf 22. März 2010 kam es zu einem Vulkanausbruch auf Island, der zur Ausrufung des Ausnahmezustandes führte. Der Ausbruch hatte sich durch eine zunehmende Aktivität schon seit längerem angekündigt. Der Luftraum über Island wurde kurzfristig gesperrt. Nach einigem Auf und Ab in der Aktivität entstanden ab 13. April Aschewolken, die wetterbedingt ab 15. April in Norwegen und ab 16. in Großbritannien und auf dem Festland ankamen. Der Eyjafjallajökull-Vulkan war bei seinem letzten Ausbruch zwei Jahre aktiv. Auch jetzt gehen die Experten von einer längerdauernden Aktivität aus.

 

Die Luftraumsperren wurden – auch in Österreich – ohne Mess- und Testflüge allein auf Basis einer einzigen Computersimulation des britischen Meteorologie-Instituts verhängt. Tagelang gab es keine Messflüge im europäischen und österreichischen Luftraum. Die Flugsicherheitsbehörden und die verantwortlichen Minister gaben ein Bild ab, das dem Chaos auf den Flughäfen glich. Airline-Chef Niki Lauda ging daher mit den Luftraumsperren in Europa hart ins Gericht: „Das ist der größte Fehler in der Luftfahrtgeschichte“. Er kritisierte, dass die Sperre eine „völlig überzogene Maßnahme ohne jegliche Daten“ gewesen sei.Es ist bedenklich, dass wir darüber nachdenken, zum Mars zu fliegen, aber nicht in der Lage sind, den Grad von Asche in der Luft schnell und zuverlässig zu messen“, kritisierte Leo Flammer, Pilot und Sicherheitsbeauftragter beim ACA – Verband Österreichischer Verkehrspiloten. „Wir hätten auf die Politik zur Öffnung des Flugraumes schon viel früher Druck ausüben sollen“, erklärte Peter Hartmann, Vorstand der holländischen KLM.

 

Erst auf Drängen der schwer getroffenen Airlines kam dann doch zu Probeflügen, die zu sukzessiven Lockerungen der Luftraumsperren führten. Nach mehr als einer Woche ist allerdings der Flugverkehr immer noch nicht ganz zur Normalität zurückgekehrt.

 

Die derzeitige Bilanz der Luftraumsperren im Gefolge des Vulkanausbruchs stellt sich nach einer Studie der Royal Bank of Scotland so dar: Sieben Millionen gestrandete Passagiere, 95.000 gestrichene Flüge, 80 % der Flughäfen in Europa gesperrt, 1.26 Mrd. Euro Kosten für die Airports, 1,3 Mrd. Euro Kosten für die Fluggesellschaften.

 

Mittlerweile haben britische Behörden die Wolke untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Luftraumsperren nicht erforderlich waren sondern erst bei einer zwanzigfachen Belastung im Vergleich zu der während der Sperre vorliegenden gerechtfertigt gewesen wäre.

 

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.                  Wann verfügte die Austro Control GmbH erstmals über Informationen über eine mögliche Bedrohung des österreichischen Luftraumes durch die Vulkanasche-Wolke aus Island?

2.                  Welche konkreten Maßnahmen wurden seitens der österreichischen Flugsicherheitsbehörden und Ihrem Ressort bis zur Sperre des österreichischen Luftraumes jeweils wann genau gesetzt?

3.                  Welche Erkenntnisse über die Gefahren für den Flugverkehr lagen aufgrund dieser innerstaatlichen Maßnahmen jeweils zu welchem Zeitpunkt vor?

4.                  Welche Informationen aus dem Ausland und aus der EU lagen den österreichischen Behörden jeweils ab wann zur Beurteilung des Risikos vor?

5.                  Welche konkreten Entscheidungen betreffend den Flugverkehr in Österreich wurden von den österreichischen Flugsicherheitsbehörden jeweils zu welchem Zeitpunkt zwischen dem Entstehen der ersten Aschewolken am 13. April und der Aufhebung der Sperren im österreichischen Luftraum getroffen?

6.                  Welche Erkenntnisse über den Gehalt der Aschewolke, das Risiko für einzelne Flugzeugtypen und die Wahrscheinlichkeit einer Betroffenheit des österreichischen Luftraums lagen den Flugsicherheitsbehörden bei Erlassung der Luftraumsperre vor?

7.                  Welche Behörden und Betroffene von der Luftraumsperre wurden vor der Verhängung der Sperre einbezogen bzw. gehört?

8.                  Wurden insbesondere die Fluglinien und Flughäfen gehört?

9.                  Wurde ein Krisenstab eingerichtet? Wenn ja, wann wurde er eingesetzt und wann hat er unter Beteiligung welcher Personen getagt?

10.              Welche Entscheidungen hat der Krisenstab jeweils getroffen?

11.              Inwieweit waren Sie als Verkehrsministerin in die Entscheidungsfindung eingebunden? An welchen Sitzungen haben Sie selbst teilgenommen bzw. welche Gespräche haben Sie zum Thema der Luftraumsperre jeweils wann und mit welchem Ergebnis geführt?

12.              Ist es richtig, dass die Entscheidung über die Luftraumsperre in Österreich ohne eigene Erkenntnisse allein auf Basis einer britischen Computersimulation und vor allem ohne konkretes Wissen über die Aschewolke erfolgte?

13.              Halten Sie es angesichts eines Vorlaufs von mehreren Tagen bis zu einer Gefährdung österreichischen Luftraums und der klarerweise dramatischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer Luftraumsperre für vertretbar, auf einer derart „dünnen“ Grundlage zu entscheiden?

14.              Welche Argumente haben gegen Gutachten über die Beschaffenheit der Aschewolke und ihre potentielle Gefährlichkeit für Flugzeuge noch vor Verhängung der Luftraumsperre gesprochen?

15.              Aus welchem Grund wurden nicht wenigstens rasch nach Verhängung der Luftraumsperre mit Messflügen im In- oder Ausland eine bessere Beurteilung der Lage ermöglicht?

16.              Welche Gründe gab es, den Fluglinien AUA und FLYNIKI die Durchführung von Überstellungsflügen erst verspätet zu erlauben?

17.              Welche Informationen haben zur Entscheidung geführt, die österreichischen Flughäfen für Starts und Landungen wieder zu öffnen?

18.              Ist es richtig, dass Österreich nach derzeitigem Wissensstand wetterbedingt eigentlich von der Rauchwolke nie betroffen war?

19.              Gehen Sie davon aus, dass die wirtschaftlich schwer getroffenen Luftfahrt­unternehmen angesichts dieser Hintergründe der Luftraumsperre Schadenersatz­forderungen erheben werden oder liegen Ihnen derartige Forderungen bereits vor? Wenn ja, in welcher Höhe bewegen sich die Forderungen?

20.              Welche Informationen über die Höhe der entstandenen Schäden liegen Ihnen bisher vor?

21.              Werden Sie sich für die Gewährung einer finanziellen Hilfe für die betroffenen Wirtschaftsbereiche einsetzen?

22.              Welche Vorkehrungen wurden getroffen, damit Fluggäste durch die Luftraumsperre  möglichst wenig Nachteile erleiden?

23.              Wie wurde insbesondere eine geordnete Information der Fluggäste sichergestellt, um mehrfache Flughafenfahrten und zusätzliche Kosten zu vermeiden?

24.              Wird eine direkte Information der betroffenen Fluggäste über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Luftraumsperren erfolgen? Wenn nein, warum nicht?

 

 

Wien, am 22. April 2010