5472/J XXIV. GP

Eingelangt am 26.05.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Konsequenzen aus dem Rechnungshofbericht über die ÖBB-Spekulationsgeschäfte

 

 

 

 

 

 

Der Öffentlichkeit liegt nun der Rohbericht des Rechnungshofes über eine von den Grünen veranlasste Sonderprüfung der ÖBB-Spekulationsgeschäfte in der Höhe von 612,9 Millionen Euro vor, die folgende Vorhänge durchleuchtet:

·               Frühjahr 2005: ÖBB-Holding sucht eine Ertragsoptimierung für Cross-Border-Leasing, Start der Gespräche mit der Rabobank

·               30. Juni - 31. August: Die Vorstände von Rail Cargo Austria, ÖBB-Infrastruktur-Bau-AG und Personenverkehr genehmigen Anträge der ÖBB-Bau für neue Finanzgeschäfte.

·               11. August: ÖBB-Infrastruktur-Bau-AG ermächtigt Corporate Treasury der ÖBB-Holding zu derivativen Finanzinstrumenten

·               29. August: ÖBB-Holding-Treasury informiert ÖBB-Finanzchef Söllinger über Pläne mit der Deutsche Bank AG; er will am 5. Sept vollständige Infos.

·               19. September: ÖBB-Treasury und Deutsche Bank schließen das Geschäft ab (via Mail)

·               11. November: ÖBB-Aufsichtsratspräsident Wolfgang Reithofer erstmals informiert

·               20. Juli 2006: Änderungsverträge mit Deutscher Bank

 

Im Juli 2009 verlieren die ÖBB die Klage gegen die Deutsche Bank, was im Jänner 2010 zu einem Vergleich mit der Dt. Bank über 295 Mio. Euro führt, eine Summe, für die letztlich die österreichischen SteuerzahlerInnen aufzukommen haben.


Die von den Grünen veranlasste Sonder-Prüfung der ÖBB-Spekulationsgeschäfte durch den Rechnungshof (RH) im Vorjahr kam zu einem vernichtenden Ergebnis - nicht nur für das damalige ÖBB-Holding-Vorstandsduo Martin Huber und Erich Söllinger samt dem Aufsichtsratspräsidenten Wolfgang Reithofer, sondern auch für das Mitte 2007 vom damaligen Verkehrsminister Werner Faymann bestellte Aufsichtsratspräsidium unter ÖBB-Holding-AR-Präsident Horst Pöchhacker.

 

Die 2008 abgelöste ÖBB-Holding-Führung habe die Spekulationsgeschäfte im Volumen von 612,9 Millionen Euro im Jahr 2005 im Konzern nicht nur ohne hinreichende Organinformationen und -beschlüsse getätigt, sondern im November 2005 sogar die Auflösung der Collaterized Debt Obligations (CDOs, derivative Finanzinstrumente, Wetten auf Kreditausfälle) abgelehnt, heißt es in dem unter Verschluss gehaltenen Rohbericht des RH.

 

Die ÖBB vorenthielt den RH-Prüfern, wie hoch die von der Deutschen Bank geforderte Abschlagszahlung gewesen wäre. Mit einem "deutlich zweistelligen Millionenbetrag", wie es heißt, wäre sie jedenfalls deutlich billiger gekommen, als der Anfang 2010 gewählte Ausstieg, bei dem die ÖBB bis 2013 in vier Tranchen 295 Mio. Euro zahlen muss. Stattdessen setzte die damalige ÖBB-Führung auf Risikominimierung, die am 20. Juli 2006 17 Absicherungsverträge brachte, aber kaum Besserung. Die Derivatgeschäfte blieben ein "Risikomagnet" mit Totalverlust, wenn 22 von 205 CDOs ausfielen.

 

Überdeutlich kritisiert der RH die Organverantwortlichkeiten: Die Vorstände der Teilkonzerne ÖBB-Bau-AG, ÖBB-Personenverkehr und Rail Cargo Austria gaben dem ÖBB-Holding-Treasury Vollmachten für Kontrakte mit der Rabobank, abgeschlossen wurden die Swaps letztlich aber mit der Deutschen Bank. Die Aufsichtsräte der Teilkonzerne (denen Huber und Söllinger angehörten) wurden zunächst gar nicht informiert, jener der Holding erst, als die ÖBB-Chefs erkannten, dass sie mit Hochrisikoprodukten spekulierten.

 

Der RH verweist auf Sorgfaltspflichtverletzungen und aktienrechtliche Verfehlungen, was die Bahn stets zurückwies. In dem vom Aufsichtsratspräsidium (Pöchhacker, Eduard Saxinger, Franz Rauch) bestellten Gutachten qualifizierte TU-Professor Franz Zehetner die Geschäfte als mangels Produktverständnis "nicht gewollt" , Huber und Söllinger wurden von jeder Verantwortung „freigesprochen“ und 2008 abgefertigt - "zu großzügig", wie der RH feststellt. Allfällige Haftungen, Abberufungsgründe und Schadenersatzansprüche seien nicht geprüft worden, obwohl sogar der bei Deloitte bestellte Wirtschaftsprüfbericht Hinweise auf grobe Pflichtverletzungen enthalte. Im Gegenteil, das Aufsichtsratspräsidium habe sich Regress insofern verwirkt, als "unangemessene Abfindungen" gezahlt wurden. Der RH empfiehlt der ÖBB, die Voraussetzungen für "eine Organhaftung der Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums" zu prüfen, die Abfindungen könnten "sorgfaltswidrig" bewilligt worden sein.

 

Der Bericht legt detailliert offen, dass Vorstände und Aufsichtsräte diverser involvierter ÖBB-Gesellschaften vor Abschluss der Geschäfte nicht vollumfänglich informiert wurden und nach dem Bekanntwerden der Spekulationsgeschäfte im Jahr 2007 vieles im Dunkel gehalten wurde.


 

So berichtete der Vorstand dem Holding-Aufsichtsrat drei Monate nach Abschluss des Derivatgeschäfts am 15. Dezember 2005, dass im Zusammenhang mit den bestehenden Cross-Border-Leases so genannte Portfolio Credit Default Swaps über 612,9 Mio. Euro abgeschlossen worden seien - um Ausfallsrisiken zu tauschen, wie argumentiert wurde. Hinweise auf das "enorm hohe Drohpotenzial" der tatsächlich - ohne Zusammenhang mit den Cross-Border-Wertpapieren - abgeschlossenen Collaterized Debt Obligations (CDO), das dem damaligen Aufsichtsratspräsidenten, Wolfgang Reithofer, am 11. November sehr wohl geschildert worden war, gab es hingegen nicht. Die erste einigermaßen vollständige Darstellung erfolgte am 11. Dezember 2007 zwei Jahre nach dem Beginn, als die notwendigen Rückstellungen für die CDO nicht mehr zu verbergen waren.

 

Doch der Aufsichtsrat wurde weiterhin über maßgebliche Entscheidungen nicht informiert, insbesondere was die vorzeitigen Abgänge Hubers und Söllingers im April und Oktober 2008 betrifft.

 

Denn der RH bezeichnet beider Manager Abfindung als "unangemessen" und "überaus großzügig", zumal es "das Präsidium des Aufsichtsrates der ÖBB-Holding unterließ, das allfällige Vorliegen von groben Pflichtverletzungen und damit eines Abberufungsgrundes eingehend zu untersuchen, obwohl im eigens beauftragten Gutachten eines Wirtschaftsprüfers bzw. eines Universitätsprofessors hinreichend Gründe dafür enthalten waren". Der Verdacht auf "Missachtung des Zustimmungsrechts des Aufsichtsrats" und der Verdacht auf "Verletzung der Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat durch Verschweigen risikoreicher Finanzgeschäfte"  bildeten kein Hindernis für großzügige „golden handshakes“ durch das im Mai 2007 vom damaligen Verkehrsminister Werner Faymann eingesetzte Aufsichtsratspräsidium. Der ÖBB-Vorstand Huber und Söllinger wurden mit "überaus großzügigen" Zahlungen abgefunden:

 

-        ÖBB-Holding-Vorstand Martin Huber bekam laut Auflösungsvertrag: 112.978,81 Euro an Entgelt für 2008 (Jänner bis 21. April), 298.428,81 Euro als freiwillige Abfertigung, 98.964,32 Euro als vertragliche Abfertigung sowie 79.738,98 Euro an Pensionskassenbeiträgen. Hinzu kamen 62.214,44 Euro an Bonifikation, obwohl es weder Zielvereinbarungen für 2008 gab noch die ÖBB Gewinne schrieb (sondern wegen der Spekulationsverluste 970 Mio. Euro Verlust). Darüber hinaus gab es noch eine Zusage für 340.000 Euro Konsulenten­honorar, die nach einem Vergleich vor Gericht auf 306.000 Euro reduziert wurden. Die Pensionsbeiträge sanken auf 56.096,67 Euro, während das Erfolgshonorar für die bis 2015 laufenden verlustreichen Swaps von für den Haftungsfall gebildeten Rückstellungen abhängig blieb.

 

-        Ex-ÖBB-Holding-Finanzchef Söllinger erhielt 132.672,52 Euro Erfolgsprämie für 2008, 253.117,98 Euro als gesetzliche und vertragliche Abfertigung sowie eine Prämie für die CDOs zugesagt, nämlich 228.526,83 Euro. In Summe seien mit Söllinger 882.000 Euro vereinbart, schreibt der RH.

 

Über die Vereinbarungen wurden weder der gesamte Aufsichtsrat noch die auszahlende Stelle, also der neue ÖBB-Holding-Vorstand, informiert. Die halbjährliche Kündigungsmöglichkeit wurde nicht genützt, kritisiert der RH und empfiehlt Klage gegen das Präsidium, das möglicherweise seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Der Rechnungshof (RH) schlägt den ÖBB vor, "die Voraussetzungen für eine Organhaftung der Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums der ÖBB-Holding-AG zu prüfen", d.h., die ÖBB möge Klage gegen Kapitalvertreter in ihrem eigenen Aufsichtsrat einbringen. Der RH begründet diese ungewöhnlich scharfe "Empfehlung" mit den "unangemessen" hohen Abfindungszahlungen, mit denen die für die millionenschweren Spekulationsverluste letztverantwortlichen ÖBB-Holding-Vorstandsdirektoren Martin Huber und Erich Söllinger 2008 verabschiedet wurde. Nach Ansicht des RH "verletzte das Präsidium des Aufsichtsrats im Rahmen seines Ermessensspielraums seine aus § 78 Abs. 1 Aktiengesetz ergebende Verpflichtung, keine unangemessenen Abfindungen bei der Beendigung des Anstellungsvertrags zu leisten und handelte damit entgegen dem ... zu wahrenden Unternehmensinteresse sorgfaltswidrig".

 

Der Rechnungshof attestiert zahlreiche Verstöße

 

·               gegen das Aktienrecht: Verletzung der Sorgfaltspflicht des Vorstands (§ 84), der Berichtspflicht an den Aufsichtsrat (§ 81), Missachtung zustimmungspflichtiger Geschäfte des Aufsichtsrats (§ 95), Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder (§ 99)

 

·               und gegen Strafbestimmungen: unrichtige und verschleierte Wiedergabe oder Verschweigen von erheblichen Umständen in Berichten an den Aufsichtsrat (§ 255).

 

Seit Herbst letzten Jahres sind Ihnen nun die Erkenntnisse der Rechungshofprüfung bekannt, seit damals liegt es in Ihren Händen, die „unangemessenen“ und „sorgfaltspflichtwidrigen“ Zahlungen an die Ex-Vorstände der ÖBB durch die Vorsitzenden des Aufsichtsrates mittels Organhaftung zu ahnden.

Ende Mai 2010 steht nun eine Beschlussfassung über das Aufsichtsratspräsidium bevor.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

1.         Welche rechtlichen Schritte werden Sie gegen die ehemaligen ÖBB-Vorstände unternehmen, nachdem der Rechnungshof Sorgfaltspflichtverletzungen und aktienrechtliche Verfehlungen feststellte?

2.         Werden Sie die ebenfalls vom Rechnungshof kritisierte Vorgangsweise des Aufsichtsratspräsidiums  - allfällige Haftungen, Abberufungsgründe und Schadenersatzansprüche seien nicht geprüft worden, obwohl sogar der bei Deloitte bestellte Wirtschaftsprüfbericht Hinweise auf grobe Pflichtverletzungen enthalte, stattdessen wurden Abfertigungen, Boni, etc. ausbezahlt - rückgängig machen?

3.         Wenn nein, warum nicht?

4.         Werden Sie die Rechnungshof-Empfehlungen, die ÖBB solle die Voraussetzungen für "eine Organhaftung der Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums" prüfen, da die Abfindung vom Präsidium "sorgfaltswidrig" bewilligt worden sein, den ÖBB als Eigentümervertreterin nahelegen?


5.         Wenn nein, warum nicht?

6.         Welche personellen Konsequenzen werden die Erkenntnisse des Rechnungshofes für die Personalentscheidungen in der kommenden Aufsichtsratssitzung haben?

7.         Wie können Sie es politisch und strafrechtlich verantworten, dass Verantwortliche, die 612,9 Mio Steuergelder in Erwartung persönlicher Boni spekulativ einsetzten und über die Hälfte davon verloren, vom Präsidium des Aufsichtsrates, das Ihr Vorgänger, Bundeskanzler Faymann als Eigentümervertreter eingesetzte, mit großzügigen Abfertigungen, etc. ausgestattet wurden?

8.         Wie können Sie es politisch und strafrechtlich verantworten, dass Sie in Kenntnis der Vorgänge ein derartig agierendes Präsidium, das den Verschleuderern von Millionen von Steuergeldern königliche Abfertigungen zusteckte, weiter als Aufsichtsorgan der ÖBB wirken ließen?

9.         Auf welche Weise können Sie ausschließen, dass womöglich andere Vorgänge und gegenseitige Abhängigkeiten die Handelnden veranlassten, so rechtswidrig vorzugehen?