5496/J XXIV. GP

Eingelangt am 28.05.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Ferdinand Maier, Ing. Norbert Kapeller

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Begegnungszone, Zentrumszone - Modellversuche zur Erprobung innovativer Verkehrsmodelle für Ortszentren und den urbanen Raum

Wenn Tempo 30 - Zonen „zu flott” sind und Fußgängerzonen den Fahrzeugverkehr gänzlich „einbremsen”, gibt es derzeit in der StVO keine Verkehrsregelung, die zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegt. Mit neuen Modellen werden heute bereits in ganz Europa zusätzliche Werkzeuge für Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in Gemeinden und Städten umgesetzt, Vorreiter sind hier London oder Städte in der Schweiz; in Österreich hat vor allem Oberösterreich neue Initiativen gesetzt.

Im Ortsgebiet muss die Straße einer Vielzahl von Anforderungen gerecht werden. Sie dient als Verkehrsfläche für den motorisierten Individualverkehr, dem Güterverkehr, dem öffentlichen Personenverkehr, dem Radfahrer- und Fußgängerverkehr, als Parkraum, als Ladezone, als verlängerter Schauraum von Geschäften, als Aufenthaltsraum, als Treffpunkt, als Schanigarten und vieles mehr. Daher steht bei der Gestaltung der Verkehrsfläche neben der Verkehrstauglichkeit auch die Lebens- und Wohnqualität der Bewohner und Besucher im Vordergrund. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sieht die StVO einige standardisierte Regelungen als begleitende Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung vor:

      Tempo 30 km/h Zonen

      Fußgängerzonen

      Wohnstraßen

Die Entwicklungen und Erfahrungen zeigen jedoch, dass mit diesen sinnvollen Regelungen nicht immer das Auslangen gefunden wird. 30 km/h Zonen sind vor Schulen, Kindergärten dgl. eine sinnvolle Maßnahme, ermöglichen jedoch keine gemeinsame Nutzung der Fahrbahn durch den Fußgänger. Fußgängerzonen und Wohnstraßen wiederum sind in ihren Regelungen sehr restriktiv und schließen den Fahrzeugverkehr weitgehend aus. Von vielen Beteiligten wird daher oft ein zusätzliches Instrument der Verkehrsberuhigung gefordert, das einerseits die Wohn- und Lebensqualität fördert, jedoch gleichzeitig den Fahrzeugverkehr nicht gänzlich aussperrt.


Best Practice Beispiele

Schweiz

Bereits 1995 wurde in der Schweiz die erste Begegnungszone als Pilotprojekt eingerichtet. Ziel des Pilotprojekts war es, Alternativen zur Fußgängerzone zu entwickeln, die dem Fußgängerverkehr unter angepasster Zulassung des motorisierten Verkehrs das „Flanieren” in attraktiven Geschäftsumgebungen ermöglicht. 2002 wurde die Begegnungszone nach positiven Erfahrungen mit verschiedenen Pilotprojekten in der Schweiz zugelassen. Die Höchstgeschwindigkeit in der Begegnungszone beträgt 20 km/h. Parken ist nur an markierten Stellen erlaubt.

Allerdings signalisiert das Verkehrszeichen der Schweizer Begegnungszone ein achtlos über die Straße laufendes Kind und ist in solchen Zonen auch das Spielen auf der Straße erlaubt, was in Österreich angesichts einer zulässigen Geschwindigkeit von 20 km/h für den Fahrzeugverkehr zu Verkehrssicherheitsbedenken von Experten führt.

 

Belgien (2005) und Frankreich (2008) haben nach dem Vorbild Schweiz Begegnungszonen eingeführt.

Die Planungsphilosophie Shared Space - geteilte öffentliche Straßenräume - wurden in Pilotprojekten in Deutschland, Dänemark, Holland, Belgien und vor allem Großbritannien angewendet. Grundzug dieses Ansatzes ist: „Unsicherheit schafft Sicherheit". Durch einen weitgehenden Verzicht auf klare bauliche Gestaltung, Verkehrszeichen und zusätzlichen Regelungen, müssen sich alle Verkehrsteilnehmer miteinander eindeutig und vorhersehbar im Straßenraum bewegen und dieses Verhalten schafft zusätzliche Sicherheit.

 


Innovation aus Oberösterreich

Die in Oberösterreich ausgearbeitete Verkehrsregelung der Zentrumszone vereint positive Ansätze und Erfahrungen aus den unterschiedlichen Konzepten. Zusätzlich schafft diese Regelung für alle Beteiligte Rechtssicherheit bei der Umsetzung der Maßnahmen, da klar geregelt ist, was in einer Zentrumszone erlaubt und verboten ist.

Die oberösterreichische Initiative basiert auf einem breiten Konsens des Verkehrs- sowie des Wirtschaftsressorts des Landes Oberösterreich, des Oberösterreichischen Gemeindebundes und der Landesgruppe Oberösterreich des Städtebundes, der Arbeiter- und der

Wirtschaftskammer Oberösterreich und auch mit fachlicher Unterstützung eines Ingenieurbüros, wie man bereits der Titelseite des Vorschlages

entnehmen kann.

In drei Versuchsgemeinden ist eine Übergangsregelung bereits im Einsatz (Freistadt, Ottensheim, Unterach am Attersee). Die Stadt Linz plant eine Umsetzung ebenso wie weitere interessierte Gemeinden, darunter auch Gemeinden in anderen Bundesländern, wie der Steiermark, Kärnten, Tirol und Wien.

 

 

Der Vorschlag für das Verkehrszeichen der Zentrumszone sieht folgendermaßen aus:

 

 

 

Vorteile der Zentrumszone

         Die vorhandenen oft ohnedies knappen Verkehrsflächen können durch Fußgänger und Fahrzeugverkehr gemeinsam genutzt werden.

         Damit steigen auch die Möglichkeiten zur attraktiveren Gestaltung des Straßenraums oder auch zur Nutzung z. B. für Schanigärten und dergleichen.


         Die für Ortskerne oft überlebenswichtige Möglichkeit des Haltens und Parkens von Kraftfahrzeugen - sei es von Kunden oder auch Bewohnern - bleibt erhalten: Es können alle Instrumente zur Regelung des ruhenden Verkehrs, wie Kurzparkzonen usw. weiter angewendet werden.

         Ganz wichtig ist auch die im Gegensatz zu einer Fußgängerzone freie Zufahrtsmöglichkeit zu Abstellflächen auf Privatgrund und zwar nicht nur für den Eigentümer bzw. Mieter, sondern für alle, also auch für Besucher und Kunden: Im Gegensatz zu einer Fußgängerzone ist keine auf das jeweilige Fahrzeugkennzeichen lautende Ausnahmegenehmigung erforderlich.

         Dadurch, dass im Gegensatz zu Fußgängerzonen und Wohnstraßen auch das Durchfahren erlaubt ist, entfällt die trennende Wirkung und entfallen damit auch Umwegfahrten, die Anrainer anderer Straßenzüge oft belasten.

Die unterfertigten Abgeordneten treten daher dafür ein, die Möglichkeiten zur Einrichtung einer „Begegnungszone” (OÖ Modell der „Zentrumszone”) auf Versuchsbasis zu verbreitern, diese zu fördern, wissenschaftlich zu begleiten und ein entsprechendes Verkehrszeichens in der StVO zu verankern.

Konkret wird vorgeschlagen, zusätzlich zur bestehenden Fußgängerzone oder Wohnstraße nach internationalen Vorbildern die Errichtung einer sog. „Begegnungszone” innerhalb geschlossener Ortschaften zu ermöglichen. In diesen Zonen soll das Fahren von Fahrzeugen mit stark verminderter Geschwindigkeit sowie deren Halten und Parken z.B. vor Geschäften möglich sein, gleichzeitig steht den Fußgängern in dieser Zone die gesamte Verkehrsfläche - also auch die Fahrbahn - zur Verfügung.

Die Begegnungszone soll sich an die bestehende Verkehrsregelung der Wohnstraße anlehnen und auch die bestehende Regelung der Begegnungszone in der Schweiz berücksichtigen. Allerdings sollen einige Nachteile dieser Regelungen insbesondere im Hinblick auf ihre Anwendung primär in innerstädtischen Bereichen vermieden werden:

•     Fußgänger dürfen und sollen die Fahrbahn benützen

         Geschwindigkeitsbeschränkung von 20 km/h statt Schrittgeschwindigkeit für den Fahrzeugverkehr ist realisierbar und hat sich bei der Schweizer Begegnungszone bewährt

         Keine weitere Einschränkung des fließenden Fahrzeugverkehrs:

 

-  Zu-, Ab- und Durchfahrten erlaubt

-  Keine Einschränkung der Erreichbarkeiten, Nutzung privater Abstellflächen

-  geringere Verkehrsverlagerungen/Umwegverkehre

 

         Parken nur an den dafür gekennzeichneten Stellen – sonst nur Halten erlaubt

         Erhaltung aller Regelungsmöglichkeiten für den ruhenden Verkehr

         Im Gegensatz zur Wohnstraße keine Erlaubnis des Spielens auf der Fahrbahn

         Weiters ist ein neues Verkehrszeichen erforderlich

Die unterfertigten Abgeordneten treten dafür ein, dass verschiedene Modelle an 3 bis 5 großen städtischen Standorten binnen 3 Jahren erprobt und evaluiert werden und die Begegnungszone bei Erfolg in der StVO verankert wird.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

Anfrage:

1.     Sind Ihnen die genannten Best Practice Beispiele bekannt?

a.          Die Begegnungszone der Schweiz?

b.          Das Shared Space Modell Großbritanniens?

2.                  Wie beurteilen Sie die erwähnten Modelle?

3.                  Werden in Österreich bereits Modelle dieser Art erprobt?

4.        Wenn ja, bitte um Auflistung der Orte und Art des Modells?

5.                  Wenn ja, wie fördert und begleitet das BMVIT diese Versuche?

6.                  Wenn nein, warum nicht?

7.                  Ist Ihnen der Vorschlag aus dem Bundesland OÖ zur Einführung einer zusätzlichen Verkehrsregelung „Zentrumszone" in der StVO 1960 vom April 2009 bekannt?

8.                  Wenn ja, wie fördert und begleitet das BMVIT diese Versuche?

9.                  Wenn ja: Gedenken Sie, die vorgeschlagene Änderung in die StVO aufzunehmen?

10.           Wenn ja: Innerhalb welchen Zeitraumes ist mit einer Umsetzung zu rechnen?

11.           Wenn nein, warum nicht?

12.           Was haben Sie den Oberösterreichischen Institutionen, welche das Projekt vorgeschlagen haben, geantwortet?

13.           Werden solche Versuche von Ihnen durch Verordnung nach § 34 Abs. 5 StVO begleitet?

14.           Wenn Nein, warum ist diese Absicherung nicht erfolgt?

15.           Wenn Sie das oberösterreichische Modell nicht in der vorgeschlagenen Form umsetzen möchten, bestehen Alternativvorschläge, die Sie beabsichtigen, umzusetzen?

16.           Wenn Nein, planen sie eine gesetzliche Regelung zur Erleichterung dieser Innovation wie etwa die Verankerung des oben erwähnten Verkehrszeichens?

17.           Wenn nein, warum nicht?

18.           Wenn ja, wann kann mit einer entsprechenden Regierungsvorlage gerechnet werden?

19.           Haben Sie eine fachlich geeignete Institution wie etwa das Kuratorium für Verkehrssicherheit oder Ingenieurbüros mit der Prüfung von solchen Modellen beauftragt?

20.    Wenn Nein, warum nicht?

21.           Wenn ja, wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?

22.           Werden Sie diese Innovation in das kommende Verkehrssicherheitsprogramm 2011-2020 aufnehmen?

23.           Wenn Nein, warum nicht?

24.           Welche Versuche werden derzeit nach § 34 Abs. 5 StVO durchgeführt (Bitte um Listung Verordnung, Art des Versuchs, Ort, Dauer von/bis, wissenschaftliche Begleitung durch...)?