5639/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.06.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend schwere Sicherheitsmängel bei Straßenbahn- und U-Bahntüren in Wien

 

 

 

Am 7. Mai 2010 geriet ein fünfjähriges Kind in der U-Bahnstation „Enkplatz“ der Wiener Linien beim Einsteigen in einen U-Bahnzug der Linie U3 mit seinem Fuß zwischen die sich schließenden Wagentüren. Der Bub wurde eingeklemmt, niedergerissen und über die gesamte Bahnsteiglänge vom anfahrenden U-Bahnzug mitgeschleift. Schließlich schlug er auf der Bahnsteigabsperrung auf.

Der Fünfjährige wurde schwer verletzt und musste auf der Intensivstation sogar einige Tage in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden.

 

Dieses tragische Unfallereignis stellt bei den Wiener Linien leider keinen Einzelfall, sondern einen traurigen Höhepunkt dar. In den letzten Monaten kam es bereits zu einer Reihe von Unfallereignissen, bei denen Fahrgäste immer wieder zwischen den sich schließenden Türen von Straßenbahnen oder U-Bahnen eingeklemmt, mitgerissen und dabei verletzt wurden. Seitens der Wiener Linien wurde als Erklärung für diese Unfallereignisse in ärgerlicher Regelmäßigkeit immer wieder ein falsches Verhalten der Fahrgäste oder des Fahrpersonals (StraßenbahnfahrerInnen, U-BahnfahrerInnen) vorgeschoben, immer wieder wurden die Unfallereignisse weiters als seltene „Einzelereignisse“ abgetan. Zur Beruhigung der Öffentlichkeit wurden nach den Unfällen auch immer „genaue Untersuchungen des Unfallfahrzeuges“ zelebriert; von darüber hinausgehenden technischen oder organisatorischen Maßnahmen hingegen konnte man anschließend nichts mehr hören.

 

Bereits am 31. Mai 2008 war der Tageszeitung „Kurier“ zu entnehmen, dass die Wiener Linien wegen der Verweigerung von Sicherheitsprüfungen sogar in mehreren Fällen angezeigt wurden. In diesem Artikel ist auch im Detail dargestellt und dokumentiert, dass innerhalb weniger Monate mehrere Personen (besonders SeniorInnen und Kinder) durch Straßenbahntüren eingeklemmt, mitgeschleift und dabei teilweise schwer verletzt oder sogar getötet wurden. Immer wieder hatten dabei die Türfühlerkanten (Einklemmschutz) die eingeklemmten Personen nicht erkannt, der nachfolgende Unfall kann daher immer wieder auf dieses Versagen zurückgeführt werden.

 

Fast alle bisherigen Unfälle, bei denen Fahrgäste durch Fahrzeugtüren eingeklemmt und anschließend mitgeschleift und verletzt oder gar getötet wurden, haben sich bei Straßenbahnfahrzeugen ereignet.


 

Das tragische Unfallereignis am 7. Mai 2010 hat nun auch die Sicherheit der U-Bahnfahrzeuge ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.

 

Zuständig für die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen bei den Wiener Linien ist nach dem Eisenbahngesetz der Landeshauptmann von Wien (Magistratsabteilung 64). Zuständige Berufungs- und Oberbehörde ist jedoch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, die auch für die Erlassung der Straßenbahnverordnung zuständig ist. In dieser Straßenbahnverordnung werden die maßgeblichen Sicherheitsvorschriften für Straßenbahnen und U-Bahnen festgelegt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Teilen Sie die Auffassung, dass bei einer Serie von Unfallereignissen, bei denen immer wieder besonders SeniorInnen und Kinder verletzt oder gar getötet wurden, nicht immer wieder mit Hinweisen auf falsches Verhalten der Fahrgäste oder des Fahrpersonals oder mit Hinweisen auf seltene Einzelereignisse zur Tagesordnung übergegangen werden darf?

 

2.    Welche Pflichten zur Prüfung der Türfühlerkanten (Einklemmschutz) von Straßenbahnen und U-Bahnen sind nach der Straßenbahnverordnung vorgesehen? Welche ergänzenden Bestimmungen gibt es für die Prüfung von Türfühlerkanten (Einklemmschutz) von Straßenbahnen und U-Bahnen?

 

3.    Halten Sie die derzeit bestehenden Prüfpflichten für Türfühlerkanten (Einklemmschutz) von Straßenbahnen und U-Bahnen nach den aufgetretenen Unfallereignissen für ausreichend oder müssen diese Prüfpflichten aufgrund der regelmäßigen Unfallereignisse verschärft werden? Welche diesbezüglichen Überlegungen zur Änderung (Anpassung) der Straßenbahnverordnung wurden bereits angestellt? Wann sollen gegebenenfalls entsprechende Schritte gesetzt werden?

 

4.    Für die Verwendung von kraftbetätigten Türen müssen gemäß § 45 Absatz 3 Straßenbahnverordnung Einrichtungen vorhanden sein, die verhindern, dass ein- oder aussteigende Personen von sich schließenden Türenblättern durch Einklemmen verletzt werden. Halten Sie diese Bestimmung nach den aufgetretenen Unfallereignissen immer noch für ausreichend? Welche diesbezüglichen Überlegungen zur Änderung (Anpassung) der Straßenbahnverordnung wurden bereits angestellt? Wann sollen gegebenenfalls entsprechende Schritte gesetzt werden?

 

5.    Inspektionen von Straßenbahnfahrzeugen und U-Bahnfahrzeugen sind gemäß § 61 Absatz 3 Straßenbahnverordnung planmäßig wiederkehrend erst nach Zurücklegung von 500.000 km bzw. nur alle acht Jahre durchzuführen. Halten Sie diese Bestimmung nach den aufgetretenen Unfallereignissen immer noch für ausreichend? Welche diesbezüglichen Überlegungen zur Änderung (Anpassung) der Straßenbahnverordnung wurden bereits angestellt? Wann sollen gegebenenfalls entsprechende Schritte gesetzt werden?

 

6.    Das Unfallfahrzeug vom Enkplatz gehört zu den ältesten Fahrzeugserien bei der Wiener U-Bahn. Trifft es zu, dass die Eisenbahnaufsichtsbehörde des Verkehrsministeriums gerade für diese alte Fahrzeugserie eine Ausnahmegenehmigung erteilt hat, der zufolge die ohnehin schon sehr großzügigen Prüffristen in der Straßenbahnverordnung von 500.000 km (bzw. 8 Jahre) von den Wiener Linien sogar noch auf 750.000 km (bzw. 8 Jahre) hinaufgesetzt werden dürfen? Halten Sie diese Ausnahmegenehmigung nach dem Unfallereignis am Enkplatz noch für vertretbar?

 

7.    Welche Maßnahmen werden Sie anordnen, um die erteilte Ausnahmegenehmigung für die Hinaufsetzung der Prüffristen von 500.000 km (bzw. 8 Jahre) auf 750.000 km (bzw. 8 Jahre) zu überprüfen und aufzuheben?

 

8.    Gibt es noch weitere Straßenbahnfahrzeuge oder U-Bahnfahrzeuge der Wiener Linien, für die die Eisenbahnaufsichtsbehörde des Verkehrsministeriums die ohnehin schon sehr großzügigen Prüffristen in der Straßenbahnverordnung von 500.000 km (bzw. 8 Jahre) noch weiter hinaufgesetzt hat? Falls dies zutrifft, waren auch diese Straßenbahn­fahrzeuge und U-Bahnfahrzeuge in den letzten Jahren in Unfallereignisse verwickelt, bei denen Fahrgäste eingeklemmt, mitgeschleift oder verletzt wurden?

 

9.    Durch die regelmäßigen Unfallereignisse mit Straßenbahnen und U-Bahnen ist wohl eindeutig nachgewiesen, dass die derzeitigen Prüffristen in der Straßenbahnverordnung nicht ausreichend sind. Welche Maßnahmen werden Sie anordnen, um die großzügigen Prüffristen in der Straßenbahnverordnung von 500.000 km (bzw. 8 Jahre) zu überprüfen und realistische Prüffristen festzulegen?

 

10.  Nach dem Unfallereignis am Enkplatz haben die Wiener Linien in einer Medienoffensive verkündet, dass mehrere tausend Türen (von allen anderen U-Bahnzügen) einer technischen Kontrolle unterzogen und auf ihre korrekte Schließweise hin überprüft werden sollen. Das wirkt beinahe wie ein Eingeständnis, dass die bisherigen Prüfungen entweder gar nicht oder nicht in ausreichendem Umfang durchgeführt wurden. Welche Konsequenzen (insbesondere hinsichtlich einer Anpassung der Straßenbahnverordnung) werden Sie aus diesem Eingeständnis ziehen?

 

11.  Bisher wurden immer wieder MitarbeiterInnen des Fahrpersonals nach Unfallereignissen angeklagt (fahrlässige Körperverletzung, fahrlässige Tötung). Auch nach dem Unfallereignis am Enkplatz wurde sofort der U-Bahnfahrer beschuldigt. Nicht ausreichende Prüfungen und Kontrollen liegen jedoch nicht in der Verantwortung des Fahrpersonals, sondern Prüfungen und Kontrollen sind von der Geschäftsführung zu veranlassen und anzuordnen. Welche legistischen Maßnahmen sind beabsichtigt, um die Verantwortung der Unternehmensleitung für die Durchführung der Prüfungen klarzustellen?