5901/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.06.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Kinderpornographie im Internet - Löschen oder Web-Sperren (Access

Blocking)?"

Sexueller Missbrauch ist das Schlimmste, was einem Kind angetan werden kann. Deshalb
sind effektive Ma
ßnahmen und zielführende Ermittlungsmethoden auch im Kampf gegen
Kinderpornographie im Internet notwendig. Insbesondere müssen Täternetzwerke und die
Betreiber von Servern mit kinderpornographischen Inhalten „mit Nachdruck ermittelt und die
entsprechenden Einrichtungen zügig aus dem Internet entfernt werden". Dafür muss mit den
zuständigen öffentlichen Stellen der EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten kooperiert werden.

Es ist daher grundsätzlich unverständlich, dass gerade bei Kinderpornographie im Internet, die
fast universell als kriminell gilt - und damit auch überall polizeilich verfolgt werden kann -
Internetsperren gefordert werden und nicht in den Ursprungsländern auf den Servern die
sofortige Löschung von kinderpornographischem Material durch die dortigen
Strafverfolgungsbehörden durchgesetzt wird! Fast alle Länder haben die UN-
Kinderrechtskonvention oder das Zusatzprotokoll gegen Kinderpornographie unterzeichnet.

Nun will die Europäische Kommission alle 27 EU-Staaten verpflichten, den Zugang zu
kinderpornographischen Webseiten zu blockieren, wobei über nationale Regelungen der
Zugang blockiert werden soll (Blockade sexueller Mißbrauchsbilder durch eine
Sperrinfrastruktur). Viele Experten betrachten aber derartige Sperrmaßnahmen als
wirkungslos und sehen sie als Zensurgefahr. Sie widersprechen auch dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Sperren kann überdies die Verbreitung von
Missbrauchsbildern nicht effektiv bekämpft, diese Sperren könnten technisch mit einfachsten
Methoden umgangen werden. Auch bieten sie keinen Schutz gegen „alternative
Verbreitungswege".


Internetsperren setzen nicht unmittelbar beim dafür Verantwortlichen an. Zudem erfassen sie
oft auch legale Inhalte, deren Urheber in ihrem Recht auf Meinungsfreiheit empfindlich
gestört würden. Der Aufbau einer "Sperrinfrastruktur" ist somit auch aus rechtsstaatlichen
Gründen bedenklich, "weil diese die Gefahr ganz anderer Verwendungen in sich birgt".
Die reine Zugangserschwerung ist leicht zu umgehen, wodurch die Taten nicht aufgeklärt
werden können. Damit ist diese Maßnahme „wenig hilfreich". Europaweit muss daher die
Löschung kinderpornographischer Webseiten angestrebt werden.
Die geplanten neuen EU Strafvorschriften sehen auch vor, Strafen für Sexualstraftäter
insgesamt zu verschärfen, 24 verschiedene Tatbestände und acht verschiedene
Erschwernisgründe wurden definiert.

Der ständige Unterausschuss des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen
Union hat am 9.Juni 2010 folgende u.a. Ausschussfeststellung beschlossen:

„Die Möglichkeit, Internetseiten zu sperren, stellt eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung
von Kinderpornographie dar. In diesem Zusammenhang stellt bereits der
Richtlinienvorschlag klar, daß entsprechende Schutzvorschriften gegeben und die Sperrung
aus grundrechtlicher Sicht verhältnismäßig sein müssen. Keinesfalls dürfen durch die
Sperrung die Anstrengungen zur Löschung von kinderpornographischem Inhalt aus dem
Internet nachlassen ".

Es muss grundsätzlich eine öffentliche Debatte darüber geführt werden, wie Internetuser vor
Cyberkriminelle geschützt und der Strafanspruch des Staates im Netz bei illegalen Online-
Aktivitäten effektiv durchgesetzt werden kann. Wir müssen aber genauso sicherstellen, dass
die grundrechtlich geschützte Privatsphäre und das Recht auf freie Meinungsäußerung
gesichert ist, wobei klarzustellen ist, daß Kinderpornographie und andere Onlinedelikte von
dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht gedeckt sind. Darüber hinaus geht es bei dieser
Diskussion auch um die Verantwortung der Provider, die den Datenzugriff auf ausländische
Server - beispielsweise mit kinderpornografischem Material - erst ermöglichen.


Die Frage, wie unsere Gesellschaft mit illegalen Onlineaktivitäten, wie mit
Kinderpornographie, rechtsextremen Inhalten, Hassseiten, Antisemitismus, illegale
Glücksspielangeboten, Killerspielen, Dopingangeboten, Urheberrechtsverletzungen
umgeht, muß von der Politik klar beantwortet werden. Einen rechtsfreien Raum kann
und darf es im Internet nicht geben, ebenso wenig eine Zensurinfrastruktur, die in die
Meinungsfreiheit eingreift. Onlinedelikte sind aber durch das Grundrecht auf
Meinungsfreiheit keinesfalls gedeckt.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz
nachstehende

Anfrage:

1.    Welche Maßnahmen hat die internationale Staatengemeinschaft gegen
Kinderpornographie und die Verbreitung von kinderpornographischem Material im
Internet bislang getroffen?

Welche internationalen Abkommen gibt es dazu?

2.    Wie ist der Stand der Umsetzung dieser Abkommen in den Mitgliedsstaaten der
Europ
äischen Union?

Welche Umsetzungsdefizite sind dem Ressort bekannt?

3.             Welche EU-Staaten haben bisher das Europaratsabkommen zu „Cybercrime" ratifiziert?
Wie ist in den EU-Staaten der Stand der Umsetzung dieses Abkommens?

4.             In welchen Staaten (weltweit bzw. europaweit) ist Pornographie ausdrücklich nicht
verboten?

5.             In welchen Staaten (weltweit) ist Kinderpornographie ausdrücklich nicht verboten?

6.             In welchen Staaten (weltweit) steht der sexuelle Missbrauch von Kindern und
Minderjährigen für Kinderpornographie nicht unter Strafe?

7.             Liegen dem Ressort Informationen oder rechtsvergleichende Studien zur Strafbarkeit von
Kinderpornographie in anderen L
ändern (weltweit) vor?

Wenn ja, wie sehen diese aus?


8.    Über welche personellen und finanziellen Ressourcen verfügt das Ressort, um
Kinderpornographie im Internet strafrechtlich zu verfolgen?

Wie viele Personen sind im Bundeskriminalamt für die Bekämpfung von
Kinderpornographie im Internet zuständig?

9.              Wie viele Webseiten mit kinderpornographischem Material gibt es weltweit aktuell nach
Kenntnis oder Sch
ätzung des Ressorts?

10.       In welchen Ländern stehen nach Erkenntnissen des Ressorts aktuell die meisten Server,
die kinderpornographisches Material anbieten (Aufschlüsselung der Länder)?

11.       Ist es richtig, dass Webseiten mit kinderpornographisch einzustufenden Inhalt fast
ausschlie
ßlich über Server im Ausland bereit gestellt und dort bevorzugt in Staaten mit
geringer Kontrollintensität oder aber dort, wo keine diesbezügliche Gesetzgebung
existierten oder die entsprechenden Regelungen nicht konsequent durchgesetzt und
überwacht werden?

12.       Welche konkreten Erkenntnisse verfügt das Ressort zur Verbreitung von
kinderpornographischem Material über das Internet?

13.       Sind aus Sicht des Ressorts, dass der Großteil der Webseiten die kinderpornographisches
Material beinhalten, kommerziell organisiert (Kinderpornoindustrie)?

14.       Oder wird kinderpornographisches Material über Tauschbörsen, Social Networks,
Newsgroups, Chaträumen, Gratisbereichen des Usenet oder über E-Mail-Verteiler
verbreitet und ausgetauscht?

Welche Erkenntnisse liegen diesbezüglich vor?

15.  Welche Maßnahmen können durch die Strafverfolgungsbehörden gegen in Österreich
geschlossene Nutzergruppen, (wie Foren oder Chatsysteme die kinderpornographische
Inhalte im Internet anbieten und austauschen) ergriffen werden?


16. Können nach der geltenden Rechtslage Strafverfolgungsbehörden, d.h. Justiz- und die
Sicherheitsbehörden kinderpornographisches Material aus dem Netz zu entfernen bzw. zu
löschen?

Wie kann technisch dieses Material vom Netz genommen bzw. gelöscht werden?

17.     Wie sollte zukünftig aus Sicht des Ressorts das Problem der Verbreitung von
kinderpornographischen Inhalten im Internet gelöst werden?

18.     Wie steht das Ressort zum Grundsatz „Löschen" statt „Sperren"?

Soll kinderpornographisches Material im Internet generell durch Provider gesperrt
(Access Blocking) oder direkt vom Netz genommen d.h. gel
öscht werden?

19.     Können aus Sicht des Ressorts „Internetsperren" - sofern sie gesetzlich vorgesehen
sind - technisch umgangen werden?

20.     Wie erfolgt generell die internationale Zusammenarbeit zwischen nationalen und
internationalen Strafverfolgungsbeh
örden im Kampf gegen Kinderpornographie im
Internet?

Welche Erfahrungen liegen dazu in Österreich vor?

21. Wie funktioniert in diesen Fällen die internationale - insbesondere die
kriminalpolizeiliche - Zusammenarbeit mit Drittstaaten?

Werden in diesen Drittstaaten mit Servern, welche kinderpornographisches Material
anbieten die einschl
ägigen Websites auch gelöscht?
Welche Erfahrungswerte liegen dazu in Österreich vor?

22. Wie viele Hinweise sind in den Jahren 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 beim
Bundeskriminalamt (Meldestelle) auf Kinderpornographie im Internet eingegangen
(Aufschl
üsselung auf Jahre)?

Wie sieht die Tendenz für 2010 aus?

23. Wie viele „Server", die kinderpornographisches Material enthielten und anboten, standen
nach Kenntnis des Ressorts 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 in Österreich
(Aufschlüsselung auf Jahre)?


24.  Wie viele „Server", die kinderpornographisches Material enthielten und anboten, standen
nach Kenntnis des Ressorts 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 in Mitgliedsstaaten der EU
(Aufschlüsselung auf Jahre)?

25.  Wie viele „Server", die kinderpornographisches Material enthielten und anboten, standen
nach Kenntnis des Ressorts 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 in Drittstaaten
(Aufschlüsselung auf Jahre)?

26.  In wie vielen Fällen wurden 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 von der Polizei bzw. den
Justizbehörden zuständige Justiz- oder Polizeidienststellen in der EU über dort befindliche
Server mit kinderpornographischen Inhalten informiert (Aufschlüsselung der Anzahl auf
Jahre und Staaten)?

27.  In wie vielen Fällen wurden diese Internetseiten nach der Kontaktaufnahme auch gelöscht
(Aufschlüsselung der Anzahl auf Jahre und Staaten)?

28.  Wie kann rechtlich innerhalb der EU gegen Betreiber von Websites und Provider - die
kinderpornographisches Material anbieten und nicht löschen - vorgegangen werden?

29.  Welche Maßnahmen können gegen die Verbreitung von Kinderpornographischem
Material per E-Mail und über Peer-to-Peer Netzwerke ergriffen werden?

30.  In wie vielen Fällen wurden 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 von der Polizei bzw.
Justizbehörden zuständige Justiz- oder Polizeidienststellen von Drittstaaten über dort
befindliche Server mit kinderpornographischen Inhalten informiert (Aufschlüsselung der
Anzahl auf Jahre und Staaten)?

31.       In wie vielen Fällen wurden diese Internetseiten nach der Kontaktaufnahme auch gelöscht
(Aufschlüsselung der Anzahl auf Jahre und Staaten)?

32.       Wie kann rechtlich gegen Betreiber von Websites und Provider in Drittstaaten - die
kinderpornographisches Material anbieten und nicht l
öschen - vorgegangen werden?


33. Welche EU-Mitgliedsstaaten betreiben bereits „Access Blocking"?

Gegen welche Informationen und strafrechtliche Delikte wird dabei jeweils vorgegangen
(Aufschl
üsselung auf EU-Mitgliedsstaaten und Delikte)?

34.       Welche EU-Mitgliedsstaaten betreiben bei kinderpornographischen Inhalten im Internet
bereits „Access Blocking" (Aufschlüsselung jeweils der Staaten)?

35.  Welche konkreten - positiven wie negativen - Erfahrungswerte liegen in diesen Staaten
vor?

36.  Welche technischen Erkenntnisse liegen in Ländern mit Access Blocking zum Blockieren
auf Basis des Domain Name Systems (DNS) vor?

Wie wirkungsvoll sind diese?

Können DNS Sperren leicht umgangen werden?

37.  Wie wird seitens des Ressorts die Initiative „Stopline" beurteilt?

38.  Stellen aus Sicht des Ressorts Provider in Österreich eigenverantwortlich von sich aus
filtern, um rechtswidrige Inhalte - wie beispielsweise kinderpornographische Inhalte - aus
dem Netz zu nehmen?

Wenn nein, warum nicht?

39.  Wie beurteilen Sie die Tätigkeit nationaler und internationaler freiwilliger
Beschwerdestellen der Internetwirtschaft bei der Bekämpfung kinderpornographischer
Materialien im Internet?

40.  Seit wann ist Österreich bereits Mitglied der „European Financial Coalition"?
Wenn nein, warum nicht?

41.  Welche Haltung nimmt Österreich zum Vorschlag der Justiz- und Innenminister ein,
„Online-Bezahlsysteme" im Kampf gegen Kinderpornographie besser zu überwachen?

42.  Welche gesetzlichen Maßnahmen sind zur Umsetzung dieses Beschlusses in Österreich
notwendig?


43. Wie viele Personen die Minderjährige und sich bei Eingriffen in die sexuelle Integrität
selbst gefilmt oder fotografiert haben, wurde 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009
strafrechtlich ermittelt?
Wie viele dieser Personen konnten verhaftet werden (Aufschlüsselung jeweils auf Jahre)?