5915/J XXIV. GP
Eingelangt am 01.07.2010
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Bevorzugung von Fahrzeugen mit hohem Schadstoffausstoß durch das BMVIT
Die Bundesregierung hat sich offiziell in ihrem Regierungsprogramm 2008-2013 unter anderem folgendes vorgenommen: „Österreich wird (…) seine Treibhausgas-Emissionen sowie Feinstaub- und Stickoxidimmissionen reduzieren“ und „Die Bundesregierung wird (…) geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Emissionen von Off-Road-Maschinen überprüfen.“
Weiters plante die Regierung 2008, „umgehend eine Strategie zur Reduktion der Feinstaubemissionen (…) zu verabschieden“ und „eine rasche Fertigstellung eines nationalen Programms zur Verminderung von Luftschadstoffen, insbesondere NOx“ vorzusehen.
Schließlich hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, „die Mobilitäts- und Transportbedürfnisse mit möglichst effizienten und umweltfreundlichen Verkehrsträgern zu befriedigen. (…) Mit der Ökologisierung der Beschaffung (…) soll die Zielerreichung unterstützt werden.“
Es wäre zu erwarten, dass dieser selbstgewählten Regierungs-Zielsetzung bei allen Aktivitäten aller Ressorts Rechnung getragen wird, vor allem aber seitens derjenigen Ressorts, deren Verhalten und Entscheidungen besonders großen Einfluss auf Erreichung oder Nichterreichung dieser Zielsetzung haben. Leider ist das Gegenteil der Fall: Die Regierung setzt konkrete Maßnahmen, die Fahrzeuge mit höherem Schadstoffausstoß fördern statt zurückdrängen und damit im Widerspruch zu allen zitierten Versprechungen von SPÖ und ÖVP im Regierungsübereinkommen stehen.
So wird schon seit längerem auf Betreiben der ÖVP-Agrar- und Landmaschinenhersteller-Lobby auf Umwegen dafür gesorgt, dass die auch außerlandwirtschaftlichen Einsatzgebiete für landwirtschaftliche Zugmaschinen vulgo Traktoren sukzessive ausgeweitet werden. Dies ist umwelt- und klimapolitisch kontraproduktiv, sind doch die von ebendieser Lobby bisher auf EU-Ebene erfolgreich verteidigten Emissionsregelungen für diese Geräte im Vergleich zu den Regelungen für Lkw massiv rückständig. So kann ein Traktor gemäß aktuell gültiger Emissionsklasse (III A) je nach Motorleistung 0,2 bis 0,6 g/kWh krebserregenden Feinstaub und 4 bis 7,5 g/kWh Stickoxide (CO2- und Ozon-Vorläufersubstanz) ausstoßen. Zum Vergleich betragen die Werte für einen Lkw der für Neufahrzeuge aktuellen Emissionsklasse EURO V maximal 4 g Stickoxide und 0,02 g Feinstaub – diese Werte müssen Traktoren/Zugmaschinen erst ab 2014 wenigstens bei der Typgenehmigung einhalten, beim Verkauf zuvor produzierter Geräte gibt es darüber hinaus großzügige Übergangsfristen. Zusätzlich haben Traktoren/Zugmaschinen im direkten Vergleich einen um ca. 40% höheren Treibstoffverbrauch und damit auch CO2-Ausstoß.
Die Interessen bestimmter Lobbies sind der Regierung also offenbar wichtiger als die Selbstverpflichtungen aus dem Regierungsübereinkommen, vom Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger oder des Klimas ganz zu schweigen.
Dass Umweltminister Berlakovich hier – Regierungsübereinkommen hin oder her – dem Landwirtschaftslobby-Minister Berlakovich nicht in den Arm fällt, überrascht angesichts der durchgängig schwachen Umwelt-Performance dieses Ministers nicht.
Sehr überraschend ist hingegen, dass das BMVIT von SPÖ-Verkehrsministerin Bures bei diesen Lobby-Geschäften mitspielt. Dies umso mehr, als doch zB die Arbeiterkammer mit ihren Umwelt-, Klima- und MobilitätsexpertInnen neben den Grünen zu den schärfsten Kritikern dieser Politik der Förderung von Lkw-Schmutzkonkurrenz gehört.
In einem mit 25.5.2010 datierten Erlass des BMVIT (GZ. BMVIT-179.312/0001-II/ST4/2010), Abt. II/ST4 Rechtsbereich Kraftfahrzeugwesen und Fahrzeugtechnik „an alle Landeshauptmänner“ kümmert sich das BMVIT hingebungsvoll um – so der Betreff - „weitere Einsatzmöglichkeiten von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen“.
Einleitend wird im Erlass (Pkt 1.) bedauert, dass Traktoren der Klasse T5 (über 40 km/h Bauartgeschwindigkeit) „nur“ unter der Bedingung genehmigt werden, dass sie im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs verwendet werden, was die Verwendung durch Gewerbebetriebe („auch wenn sie durchaus vergleichbare Tätigkeiten durchführen“, so das BMVIT) ausschließe.
Völlig unverblümt wird daran anschließend offengelegt, dass das BMVIT einer Intervention von Traktor-Herstellern gefolgt ist und mit diesem Erlass eine offenkundig bereits eingerissene illegale Ausnahmegenehmigungs-Praxis legalisiert – „An das BMVIT wurde daher das Anliegen von Herstellern solcher Fahrzeuge herangetragen, diese Verwendungseinschränkung zu lockern, wie es derzeit schon im Bereich von Gemeinden (Gebietskörperschaften) gehandhabt wird.“
Weiter führt das BMVIT aus: „Es soll auch zulässig sein, Zugmaschinen (…) von Gewerbebetrieben einzusetzen, die der Land- und Forstwirtschaft vergleichbare Tätigkeiten durchführen. Nach Ansicht des BMVIT ist es durchaus vertretbar, wenn Fahrzeuge, die als lof-Zugmaschinen unter der Bedingung genehmigt werden ‚darf nur im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs verwendet werden‘, auch im Rahmen eines Gewerbebetriebes verwendet werden, der vergleichbare Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten, die üblicherweise im Rahmen eines Land- und Forstwirtschaftsbetriebs ausgeführt werden, durchführt.“ Der folgende Hinweis, dass „keinesfalls“ Tätigkeiten durchgeführt werden dürften, „die in direkter Konkurrenz zu gewerblicher Güterbeförderung stehen könnten (zB Transport von Baumaterialien von/zu Baustellen) oder die zu einer Umgehung von Wochenendfahrverboten, Sozialvorschriften oder Mautflucht führen“, ist angesichts der bisherigen Praxis, wo genau derartige Verstöße erfolgten, aber amtlicherseits weder aufgezeigt noch geahndet wurden, nicht ernst zu nehmen.
In der Folge wird vom BMVIT der Bereich der „vergleichbaren Tätigkeitsbereiche“ über „Verwendung im kommunalen Bereich“ (ohne jede Einschränkung!) hinaus auf die Bearbeitung von Grünanlagen, Parks, Teichen und dergleichen sowie der Transport von selbst oder von Auftraggebern erzeugten oder selbst verwendeten Produkten wie „zB Grünschnitt, Baumschnitt, Hackschnitzel“ erstreckt.
Der Kreis der zulässigen Antragsteller wird vom BMVIT großzügigst über Gebietskörperschaften hinaus auf die gesamte ÖVP-nahe Szene von Maschinenringen über Holzveredelungs- und Sägewerksbetriebe, die Tourismusbranche, Agrar- und Forst-Lehranstalten und Forschungsinstitute, Unternehmen für Winterdienst, Gartenpflege, Landschaftspflege, Gräben-/Böschungspflege und Friedhofspflege, Tierhaltung und Tierzucht, Teichwirtschaft, Fischzucht, Gartenbau-Unternehmen, Gärtnereien erstreckt.
Damit werden „nebenbei“ praktisch alle bisher bekannt gewordenen gesetzwidrigen Einsätze von Traktoren außerhalb des land- und forstwirtschaftlichen Kerngeschäfts nachträglich und für die Zukunft legalisiert.
Als wäre dies noch nicht genug, folgt abschließend im BMVIT-Erlass noch eine weitere Sternstunde: Erst und nur wenn „wiederholte“ Verstöße gegen die Einschränkungen in der Ausnahme-Genehmigung festgestellt werden, „kann“ (!) von der Behörde die entsprechende Fahrzeugzulassung aufgehoben werden – eine zusätzliche, durch nichts zu rechtfertigende behördliche Großzügigkeit.
Dieses Vorgehen des BMVIT ist im Hinblick auf die eingangs zitierten Aussagen des Regierungsprogramms völlig unverständlich, steht konträr zu allen Verpflichtungen Österreichs zur Reduktion der Luftschadstoff- und CO2-Belastung und steht überdies in krassem inhaltlichen Widerspruch zur EU-RL 2009/33/EG „über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge“.
Nicht umsonst haben gerade in den letzten Monaten namhafte PolitikerInnen, darunter zB auch der Salzburger SPÖ-Landesrat Blachfellner, unmissverständlich darauf hingewiesen, dass mit dem zunehmenden Einsatz von „Off-Road-Fahrzeugen“ auch für die öffentliche/kommunale Aufgabenerledigung die Bemühungen um Maßnahmen zur Luftreinhaltung konterkariert und die Umwetl belastet wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE: