6089/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.07.2010
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung

 

betreffend die aktuelle Situation der Studierenden

 

 

Zwei aktuelle Berichte, die sich mit der Situation der Studierenden in Österreich auseinander setzen, zeigen alarmierende Tendenzen auf. Zum einen geht aus dem von Ihrem Ressort beauftragten "Bericht zur sozialen Lage der Studierenden 2009[1]" klar hervor, dass es an den österreichischen Hochschulen immer weniger Studierende aus bildungsfernen und einkommensschwachen Haushalten gibt, zum anderen zeigt ein Rechnungshofbericht über die Investitionsförderung der Studentenheime[2], dass das BMWF nicht nur über keinen aktuellen Gesamtüberblick hinsichtlich der Anzahl der österreichweit bzw. regional benötigten Plätze verfügt, sondern auch ganz klar das Ziel der Schaffung und Erhaltung von leistbarem und zeitgemäßem Wohnraum für Studierende verfehlt hat. Auch aus den Empfehlungen des kürzlich beendeten Dialogs Hochschulpartnerschaft gibt es klare Vorschläge, wo in diesem Bereich Verbesserungen notwendig sind.

Bekanntlich hat Österreich einen im europäischen und internationalen Vergleich sehr niedrigen AkademikerInnenanteil. Gründe dafür sind unter anderem die soziale Selektion, die allerdings schon im Schulsystem stattfindet: Die Wahrscheinlichkeit, später zu studieren, ist bei ehemaligen HauptschülerInnen nur knapp 25 Prozent, bei AHS-UnterstufenschülerInnen                                    75                                  Prozent.

Der Anteil an Studierenden aus bildungsfernen und einkommensschwachen Haushalten an Unis und Fachhochschulen (FH) sank zwischen 1998 und 2009 von 26 auf 19 Prozent. An Universitäten entstammten 1998 noch 26 Prozent der Studierenden bildungsfernen Schichten, 2009 waren er nur mehr 18 Prozent. An den FHs sank dieser Anteil von 33 (1998) auf 23 Prozent (2009).

Neben der Umsetzung der Regierungsversprechen, die Budgetmittel für den tertiären Bildungsbereich auf 2% des BIP bis 2020 zu erhöhen, muss es daher dringliches Ziel sein, die Beteiligung an tertiärer Bildung zu verbreitern und die soziale Ungleichheit durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren. Um die angepeilten „38 Prozent der 30-34-Jährigen bis 2020 mit Hochschul- bzw. vergleichbaren Bildungsabschluss“[3] erreichen zu können (Anmerkung: Derzeit liegen wir bei 18 Prozent, die EU-Strategie 2020 sieht eine Quote von mindestens 40 Prozent AkademikerInnen vor), bleibt also noch einiges zu tun.

Der Ausbau des Stipendiensystems ist dabei eine entscheidende Voraussetzung: 41 Prozent der Studierenden erhalten gar keine Förderung oder Beihilfe und lediglich knapp ein Viertel der Studierenden bekommt eine Studienbeihilfe, davon sind 18 % BezieherInnen der staatlichen Studienbeihilfe, 7 % eines sgn. Selbsterhalterstipendiums. Im Vergleich zu Vorbildnationen (Niederlande: 65 %, Finnland: 55 %), aber auch zu Nachbarländern (Slowenien: 33 %, Ungarn: 34 %)[4] steht Österreich auch hier nicht besonders gut da. Die Situation hat sich gegenüber 2006 sogar noch verschlechtert. Gerade die Förderungen für sozial Schwächere sind weiter gesunken: Mittlerweile erhalten nur mehr 43 Prozent der Studierenden aus bildungsfernen Haushalten eine Studienbeihilfe.

Nur etwa 10 Prozent der Studierenden wohnen in Studentenheimen, dies vermutlich nicht nur, weil die Anzahl der Plätze sehr gering ist, sondern auch, weil die Preise für das Wohnen in Studentenheimen zwischen 1990 und 2008 deutlich stärker gestiegen sind als der Verbraucherpreisindex.  Auch der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsressort daher im Rahmen eines Förderkonzepts "sicherzustellen, dass auch weiterhin ein ausreichendes Angebot für sozial schwächere Studierende erhalten bleibt".

 

Der Anteil der erwerbstätigen Studierenden liegt inzwischen (2009) bei 62 Prozent, 45 Prozent arbeiten während des ganzen Semesters. Das durchschnittliche Monatsbudget eines Studierenden beträgt 980 Euro. Drei Viertel der erwerbstätigen Studierenden geben an, ihre Erwerbstätigkeit sei zur Bestreitung des Lebensunterhalts notwendig. 61 Prozent der Befragten leiden unter Stress und psychischen Belastungen. Viele leben an oder unter der Armutsgrenze.

Mit anderen Worten: Vielen Studierenden geht es nicht gut. Nachweislich kommt es durch die finanzielle Not auch zu Studienabbrüchen, bereits eine Arbeitszeit von mehr als 8 Wochenstunden führt zu Studienverzögerungen.

Es ist an der Zeit, die „wertvollste Ressource Österreichs[5]“ zu unterstützen!

 

Im Endbericht des Dialogs Hochschulpartnerschaft sind die vielen erarbeiteten  Empfehlungen zusammengefasst. Aus dem Arbeitsforum 4 (Studienwahl und Hochschulzugang) ist u.a. über  folgende Bereiche Konsens erzielt werden:

Im Bereich soziale Durchlässigkeit sind Maßnahmen zur Förderung der sozialen Durchlässigkeit zu forcieren (berufsbegleitende Angebote an allen Hochschulen, die Bereitstellung von Wohnraum, das Adressieren nicht- traditioneller Studierendengruppen sowie die entsprechende Adaptierung von Förderungen und

Beihilfen, etc.), im Bereich soziale Sicherheit sollen die Kriterien für die Auszahlung von Stipendien überprüft werden, um zu erreichen, dass für benachteiligte Gruppen (z.B. Studierende mit Kindern) das Studieren finanziell möglich bzw. erleichtert wird. Beispiele aus der Praxis (von der ÖH dokumentiert) sollen zukünftig stärker in die  Ausgestaltung des Stipendienwesens eingebunden werden.

 

Es gibt somit Empfehlungen und konkrete Umsetzungsvorschläge von verschiedenen Seiten, die teilweise kostengünstig umsetzbar wären. Verbesserungsbedarf gäbe es an vielen Seiten, ein Anfang muss gemacht werden.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1.   Im August 2009 hatte Ihr Vorgänger im Wissenschaftsressort nicht nur einen Dialogprozess, sondern auch den „Österreichischen Hochschulplan“ („… bis zum Jahr 2011…“)[6] angekündigt. Sie selbst haben bei der Präsentation des Endberichts zum Dialog Hochschulpartnerschaft am 30. Juni 2010 gesagt, durch die Protestbewegung der Studierenden im Herbst 2009 sei der Dialog „beschleunigt“ worden. Wann wird der „Österreichische Hochschulplan“ von Ihrem Ressort vorgelegt werden? Wie viele Personen aus Ihrem Ressort sind aktuell daran beteiligt, diesen zu erstellen? Haben neben den Arbeitsforen des Dialogs Hochschulpartnerschaft noch weitere Diskussionen (z.B. die von Johannes Hahn für Frühjahr 2010 angekündigten Dialogveranstaltungen mit „Stakeholdern“) stattgefunden? Wer sind diese“ Stakeholder“ (Bitte um Auflistung)? Sind/waren auch Studierende in die Diskussionen eingbunden?

Falls ja, wie oft haben diese stattgefunden? Falls nein, warum nicht?

 

  1.   Der Österreichische Wissenschaftsrat hat im letzten Wissenschaftsausschuss im Juni 2010 seine 11 Empfehlungen für die „Universität Österreich 2025“ präsentiert. Das Knowhow und die Kompetenzen dieses Beratungsgremiums stehen außer Zweifel. Wird auf diese Expertise bei der Erstellung des „Hochschulplans“ zurückgegriffen werden? Werden die 11 bereits konkret formulierten Empfehlungen einfließen?

 

  1.   Ab welchem Zeitpunkt der Erstellung des „Österreichischen Hochschulplans“ und in welcher Form wird das Parlament mit eingebunden sein? Wann vermuten Sie frühestens eine „Gesetzwerdung“?

 

  1.   Im zitierten Rechnungshofbericht werden an Ihr Ressort ebenfalls 21 Empfehlungen (nur zum Bereich Studentenheime!) ausgesprochen. Bis wann werden Sie diesen voraussichtlich  Rechnung getragen haben? Wann ist mit einer Umsetzung zumindest einer aktuellen Bedarfserhebung zu rechnen? Werden Sie alle Empfehlungen umsetzen? Falls nein, welche nicht? Warum nicht?

 

  1.   Nur knappe 25% der Studierenden erhalten ein Stipendium. Eine Ausweitung der Zahl der StudienbeihilfebezieherInnen wäre dringend notwendig. Wann gedenken Sie, den Zugang zu dieser Form der Unterstützung zu erleichtern? Welche Ziele haben Sie diesbezüglich (in Prozent- und Jahresangaben)? Wird es ein zusätzliches Toleranzsemester für den Bezug geben, wenn die Kriterien für den Bezug aufgrund der Studienbedingungen nachweislich nicht eingehalten werden können? Wenn ja, bis wann? Wenn nein, warum nicht?

 

 

  1.   Eine bessere Vereinbarkeit von Studium und Beruf bedarf einer deutlichen Verbesserung von Ressourcen. So wären eine Ausweitung des Lehrveranstaltungsangebots an Abenden und Wochenenden, großzügigere Öffnungszeiten von wichtigen Büros (z.B. Prüfungsreferat) und Bibliotheken, elektronische Abrufbarkeit von Lernunterlagen, Vorlesungsinhalten, Prüfungsfragen, etc., ein vermehrtes Angebot an Blockveranstaltungen sowie E-Learning-Angebote, nötig und würden vielen Studierenden das Leben erleichtern. Wann werden Sie diese Angebote flächendeckend anbieten? Was werden Sie zuerst umsetzen? Welche Mehrkosten wird dies verursachen (Bitte um Auflistung der geschätzten Kosten pro Maßnahme)?

 

  1.   Zumindest 8 Prozent der Studierenden haben (mindestens) ein Kind, 5 Prozent haben (ein) Kind(er) mit erhöhtem Betreuungsbedarf (Kinder unter 6 Jahren). Bis wann wird es Kinderbetreuungseinrichtungen an allen Universitäten geben?

 

  1.   Der Abbau sozio-ökonomischer Zugangshürden sollte auch in den Leistungsvereinbarungen festgeschrieben werden. Zusätzlich sind die Möglichkeiten des Universitätszugangs über den zweiten Bildungsweg auszubauen. z.B. über die Reform der Studienberechtigungsprüfung (attraktive Kurse, weniger bürokratischer Aufwand, etc.). Bis wann gedenken Sie, dies umzusetzen? Falls Sie dies nicht planen: Warum nicht?

 

  1.   Wie wollen Sie erreichen, dass 38 Prozent der 30-34-Jährigen bis 2020 mit Hochschul- bzw. vergleichbaren Bildungsabschluss haben, wenn  die angekündigte "Budget-Stagnation" ab 2013, die zu beträchtlichen „Redimensionierungen“ führen müssen, eintritt, sowie Zugangsbeschränkungen an den Universitäten eingeführt werden?


[1]http://ww2.sozialerhebung.at/Ergebnisse/

[2]http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2010/berichte/teilberichte/bund/bund_2010_08/Bund_2010_08_4.pdf

[3]http://www.bmwf.gv.at/nc/presse_und_news/news_details/cHash/3eb15bcb10/article/beatrix-karl-vorwaerts-in-die-top-3-meine-ziele-fuer-den-wissensstandort-oesterreich/newsback/34/?tx_ttnews[pointer]=2

[4] Bildung auf einen Blick 2009, Tabelle S 286: Prozentsatz der Studierenden, die nur Stipendien/Zuschüsse erhalten.

[5] http://www.bmwf.gv.at/neuigkeiten/vorwaerts_in_die_top_3/

[6]http://www.bmwf.gv.at/presse_und_news/news_details/cHash/40f188ecab/article/wissenschaftsminister-hahn-startet-diskussion-zu-oesterreichischem-hochschulplan/newsback/1/