6096/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.07.2010
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend ÖBB-Spekulations-Skandal und Finanzvermittler

 

 

Der Rechnungshof hat aufgrund eines Verlangens der Grünen (Abg. Moser, Kogler, Freundinnen und Freunde) die mit einem Verlust von fast 300 Mio Euro beendeten ÖBB-Spekulationsgeschäfte („Finanztransaktionen der Österreichischen Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft und einzelner Konzerngesellschaften mit der Deutschen Bank AG“) geprüft.

 

Im vernichtend ausgefallenen Bericht vom Juni 2010 stellt der Rechnungshof unter anderem im Verdacht strafbarer Handlungen stehende Verfehlungen von ÖBB-Vorstandsmitgliedern fest und kritisiert scharf deren bislang folgenlose Verabschiedung mit Golden Handshake. Weiters stellt der Rechnungshof fest, dass die Aufsichtsräte der betroffenen Gesellschaften es unterlassen hatten, „allfällige, für die drohenden bzw. schon eingetretenen finanziellen Nachteile maßgeblichen Sorgfaltspflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern und daraus resultierenden Haftungsansprüche umfassend zu untersuchen“; die Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums hätten daher laut Rechnungshof ebenfalls ihre aktienrechtlichen Verpflichtungen verletzt und sorgfaltswidrig gehandelt.

 

In diesem Bericht des Rechnungshofes ist auf den Seiten 30 und 55 im Rahmen der Vorgeschichte des „Geschäfts“abschlusses mit der Deutschen Bank AG von einem anonym bleibenden „Finanzvermittler“ die Rede.

Dieser kam im Frühjahr 2005 ins Spiel, als die ÖBB sich (auf Betreiben des Vorstands der ÖBB-Holding AG) offensiv mit vermeintlich ertragssteigernden derivativen Finanzinstrumenten zu beschäftigen begannen. Zunächst sollte es dabei inhaltlich um „Finanzprodukte zum Zweck der Ertragsoptimierung aus Cross Border Leasing-Geschäften“ gehen.

Ohne dass abschließend klar wird, ob die ÖBB-Seite oder der besagte Finanzvermittler den ersten Schritt gesetzt hatte und wie die detaillierten Abläufe in der Folge waren, wurde letztlich ein von diesem Finanzvermittler in offensichtlich dürftiger Form präsentierter Produktvorschlag einer niederländischen Bank Grundlage von Vorstandsbeschlüssen im ÖBB-Konzern. (Diese Beschlüsse dienten dann in weiterer Folge als Rechtfertigung für die inhaltlich und im Risiko völlig andersartigen Spekulationsgeschäfte mit der Deutschen Bank.)

 

Konkret formuliert der Rechnungshof hierzu folgendermaßen:

 

„Das Corporate Treasury der ÖBB-Holding AG trat im Frühjahr 2005 mit einem Produktvorschlag einer niederländischen Bank bezüglich des Erwerbs eines derivativen Finanzinstruments an die ÖBB-Infrastruktur Bau AG, die ÖBB-Personenverkehr AG und die Rail Cargo Austria AG heran. Dieser wurde von einem Finanzvermittler präsentiert. Der Produktvorschlag war jedoch nicht eindeutig bestimmbar und z.T. auch widersprüchlich. (…) Auf dieser Grundlage verfassten die Finanzabteilungen der ÖBB-Infrastruktur Bau AG, der ÖBB-Personenverkehr AG und der Rail Cargo Austria AG inhaltlich annähernd gleichlautende Anträge an die jeweiligen Vorstände der Gesellschaften. Die Vorstandsanträge der Rail Cargo Austria AG und der ÖBB-Infrastruktur Bau AG basierten auf der allgemeinen Präsentationsunterlage des erwähnten Finanzvermittlers; (…) Alternative Angebote wurden nicht eingeholt. (…) Die Vorstände der genannten (…) Gesellschaften fassten ihre Beschlüsse im Juli 2005 bzw. im August 2005.“

 

Diese Feststellungen nahm der Rechnungshof zum Anlass, massive Kritik (Genehmigung auf Basis unbestimmter Angaben, Fehlen konkreter Vertragsentwürfe mit Angaben über Ertrag und Risiko – Genehmigung daher nicht im Rahmen der Vorstands-Sorgfaltspflichten) an den Verantwortlichen bei den ÖBB zu üben. Die ÖBB-Holding versuchte in ihrer Gegenäußerung zu dieser Kritik mit auffälligem Nachdruck, die aktienrechtliche Verantwortung der Vorstände der ÖBB-Teil-AGs für diese Beschlüsse auf zwei zum Zeitpunkt der RH-Prüfung bereits verabschiedete Ex-Akteure der ÖBB-Holding AG abzuschieben. Konkret auf die dortige Abteilung Corporate Treasury - der dort befasste leitende Mitarbeiter war bereits per 1.4.2009 ohne weitere dienstrechtliche Maßnahmen abgelöst worden; weiters argumentierte die ÖBB-Holding, dass der (bereits mit „überaus großzügiger Abfindung“ – so der RH – verabschiedete) ÖBB-Holding-Finanzvorstand auch Finanzvorstand von zwei der drei ÖBB-Teil-AGs gewesen sei und die übrigen Vorstände daher sozusagen „un’gschaut“ von der notwendigen Sachkompetenz hätten ausgehen können. Die Übernahme dieser Vorstandsfunktionen in Teil-AGs erfolgte allerdings in Wahrheit erst mehr als ein halbes Jahr nach (!) dem Zeitpunkt der erwähnten Vorstandsbeschlüsse.

 

Im Zusammenhang mit dem nicht im Detail dokumentierten Tätigwerden des erwähnten „Finanzvermittlers“ wurde der Verdacht möglicher Kickback-Zahlungen und möglicher Parteienfinanzierung bisher nicht zweifelsfrei ausgeräumt. Daher sollten die in der Darstellung des Rechnungshofs zu diesem einleitenden Kapitel des ÖBB-Spekulations-Skandals offen bleibenden Fragen zweifelsfrei geklärt werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1.  Wie ist der Name des auf den Seiten 30 und 55 des RH-Berichts über das ÖBB-Spekulationsfiasko erwähnten „Finanzvermittlers“?

 

  1.  Wurde der Kontakt mit diesem Finanzvermittler von diesem oder von ÖBB-Seite hergestellt?

  2.  Wer waren die Akteure bei den ÖBB, die den Kontakt herstellten bzw. in der Folge als Ansprechpersonen dienten?

 

  1.  Welche Summe(n) hat der Finanzvermittler

* auf Veranlassung wessen

* wann

für seine Dienste erhalten, die ja immerhin zu Vorstandsbeschlüssen im ÖBB-Konzern führten?

 

  1.  Welche konkreten Gegenleistungen über die im RH-Bericht erwähnte „allgemeine Präsentationsunterlage“ zum „nicht eindeutig bestimmbaren und z.T. auch widersprüchlichen“ Produktvorschlag hinaus standen diesen Zahlungen gegenüber?

 

  1.  Können Sie ausschließen, dass aus diesen Mitteln Kickback-Zahlungen an Beteiligte oder Parteienfinanzierung erfolgt sind? Wenn ja: auf welcher Grundlage?  Wenn nein: Warum nicht?

 

  1.  Was haben Ihnen Ihre VertreterInnen in den ÖBB-Aufsichtsräten zu diesem Teil des Spekulations-Skandals wann im Einzelnen berichtet?

 

  1.  Welche weiteren Geschäftsbeziehungen a) der ÖBB (Holding sowie Teil- und Tochter-Unternehmen) b) der ASFINAG, c) des BMVIT selbst bestanden oder bestehen in den Jahren a) 2000-2006, b) 2007-heute mit diesem „Finanzvermittler“? Wir ersuchen um Auflistung im Einzelnen mit Auftragsbezeichnungen, bezahlten Summen etc.