6235/J XXIV. GP

Eingelangt am 12.07.2010
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ANFRAGE

des Abgeordneten Kunasek

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend das Zugsunglück von Braz und seine Folgen

 

 

Mitte Juni 2010 ist bei einem Zugunglück in Braz ein mit Neuwagen beladener Zug entgleist, ein enormer Sachschaden ist dabei entstanden.

 

Auch Tage nach der Entgleisung waren die Instandsetzungsarbeiten an der Bahnstrecke in Braz (Bezirk Bludenz) noch nicht beendet. 50 Arbeiter waren bei durchgehenden Regenfällen und Temperaturen um teilweise nur fünf Grad im Dauereinsatz. Unter anderem mussten rund 1.500 Tonnen Gleisschotter neu aufgetragen, 26 Gleisfelder von jeweils 30 Metern Länge durch einen 40 Tonnen schweren Schienenkran verlegt werden.

 

Laut Medienberichten belegen interne ÖBB-Dokumente, dass Unfallursache am Arlberg Schlamperei war und aufgrund einer Verkettung diverser Umstände verursacht wurde:

  1. Der Bremsschlauch mit Seilchen gehalten.

2.    Der Bremsschlauch war zu tief (beides Fehlkonstruktion).

3.    Aufschlagen des Bremsschlauches

4.    Auslöse-Örtlichkeit am Zuganfang

5.    Umknicken des Bremsschlauches

6.    3-Mot Taurus

 

Laut ÖSTERREICH zeigt auch ein Werkstättenbericht der ÖBB, dass eine ganze Pannenserie zum Crash führte:

 

Motorschaden

Das Dokument zur Lok mit der Nummer 173 zeigt: Die 84 Tonnen schwere Maschine war mit nur drei funktionierenden von vier Motoren unterwegs. Schon am 7. Juni um 11.51 Uhr ist es in Zell am See (Sbg.) laut Schadensprotokoll zum Motorschaden gekommen.

Keine Reparatur

Dieser Defekt wurde in Linz gemeldet, die Lok nach Wien weitergeschickt, dort wurde alles dokumentiert, aber nicht repariert. Dann wurde die Lok an einen Autozug angehängt, der aus Rumänien 300 Autos nach Frankreich bringen sollte. Ein Insider zu ÖSTERREICH: „Wenn ein Motor ausfällt, ist die Bremswirkung um 25 Prozent verringert. Ein Wahnsinn.“ Zusätzlich soll sich ein ÖBB-Lokführer (nicht der Unglücksfahrer) in Wien beschwert haben, dass die E-Bremse der Lok ebenfalls nicht richtig funktioniert.

Schlamperei bei Bremsen

Und: Auch am doppelstöckigen Autozug gab es bereits technische Schwierigkeiten. Hintergrund: Die Bremsleitungen laufen zwischen den einzelnen Waggons, hängen dabei leicht nach unten. Da Autozüge niedriger sind als andere, ist die Gefahr sehr groß, dass die Leitung am Boden streift. In Rumänien behalf man sich mit Plastikbändern, mit denen man die Leitungen hochspannt.

Kontrolle

Aufgefallen ist das bei der technischen Kontrolle durch die ÖBB an der Grenze zu Österreich im ungarischen Hegyeshalom niemandem. Und auch in Wien nicht.

Folge: Millionen-Crash

Bei Braz in Vorarlberg ist am 16. Juni Lokführer Karlheinz V. mit dem Autozug unterwegs. Bei Bahnkilometer 122,3 reißt um 3 Uhr früh eines der Bremsseile zwischen erstem und zweitem Waggon. Die automatische Notbremsung funktioniert nicht, weil sich die Leitung „umstülpt“. Dadurch bleibt der Luftdruck gleich – das System erkennt den Riss nicht.

Die Folge: Nur die Lok und der erste Wagen bremsen. Dahinter schieben 615 Tonnen gegen die Lok, die immer schneller wird. Sechs Kilometer später crasht der 777-Tonnen-Koloss, der Lokführer und Dutzende Anrainer überleben mit Glück. Schaden: 5 Millionen Euro – 300 kaputte PKWs nicht mitgerechnet.

Die ÖBB weisen alle Vorwürfe zurück. Ein Sprecher: „Der ausgefallene Motor hat nichts mit der Bremsleistung zu tun. Das ist nicht die Unfallursache.“ Klar ist: Die Untersuchungen werden jetzt auch die Versicherungen interessieren ..

 

Da sich zu diesem Zugsunglück viele Fragen insbesondere bezüglich Folgen und Konsequenzen sowie zur Sicherheit der Bahn und die Sicherheit der Bahnbediensteten ergeben, stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

Anfrage

 

1.    Wie hoch ist der durch das Zugsunglück von Braz entstandene Schaden?

 

2.    Wer ist für dieses Zugsunglück verantwortlich?

 

3.    Wer kommt für den entstandenen finanziellen Schaden auf?

 

4.    Wie viele Personen wurden bei diesem Zugsunglück verletzt?

 

5.    Ist der Unglückslokführer wieder im Dienst?

 

6.    Wie viele Züge fahren pro Tag im Schnitt über eine Grenze nach Österreich?

 

7.    Wie viele dieser Züge werden an der Grenze auf ihre Sicherheit überprüft?

 

8.    Wer führt diese Kontrollen durch und wie oft und aus welchen Gründen werden Züge beanstandet?

 

9.    Wie oft werden Züge aufgrund ihres mangelnden technischen Zustandes und fehlender Einhaltung von Sicherheitsvorschriften an den Grenzen an der Weiterfahrt gehindert?


10. Wie viele dieser Züge werden als „Vertrauenszüge“ behandelt, wodurch man sich die Überprüfung und Kontrolle der Züge auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften erspart?

 

11. Wie viele „Vertrauenszüge“ fahren pro Tag durch Österreich?

 

12. Wie oft gab es jeweils in den letzten 5 Jahren Unfälle bzw. andere Vorfälle mit/durch Vertrauenszüge?

 

13. Wird derselbe Wagentyp wie beim Zugsunglück in Braz derzeit in Österreich eingesetzt und wenn ja, warum und auf welchen Strecken?

 

14. Können Sie derzeit und ohne die genauen Ursachen und vollständigen Gründe für das Unglück von Braz zu kennen weitere Unfälle u.a. bedingt durch die Verwendung dieses Wagentyps ausschließen?

 

15. Bei welchen Zulassungsbehörden erhalten die in Österreich eingesetzten Züge ihre Zulassung?

 

16. Entsprechen die Zulassungsvoraussetzungen in anderen Staaten den österreichischen Standards?

 

17. Wenn nein, worin liegen die Unterschiede?

 

18. Wenn nein, inwieweit kann Österreich Zügen trotz vorhandener (ausländischer) Zulassung die Ein- bzw. Durchfahrt aufgrund zu niedriger Sicherheitsstandards verbieten?

 

19. Existiert für das unfallursächliche Halteseil des tiefhängenden Bremsschlauches eine UIC- oder EU-Zertifizierung?

 

20. In welchen regelmäßigen Abständen und von wem muss dieses Halteseil kontrolliert werden, damit es durch dessen Riss nicht zum Aufschlagen des Bremsschlauches und zum „Durchgehen“ eines Güterzuges in der Steilstrecke kommt?

 

21. Aus welchen Gründen ist es möglich, dass – wie beim Unglückszug – Züge mit nur 3 Motoren bei Steilstrecken eingesetzt werden?

 

22. Existiert bereits eine Dienstanweisung, mindermotorige Lokomotiven nicht in Steilstrecken einzusetzen?

 

23. Wenn nein, warum nicht?

 

24. Wie viele dreimotorige Loks sind derzeit in Österreich im Einsatz?

 

25.  Warum sind die Loks mindertauglich?

 

26. Warum werden die Loks über Monate hindurch nicht repariert?

 

27. Werden die vor Abfahrt eines Zuges notwendigen Bremsproben immer von qualifizierten, verlässlichen und gut geschulten Mitarbeitern durchgeführt?


28. Wäre es aus Sicht der Aufsichtsbehörde nicht sinnvoll, der ÖBB vorzuschreiben, aus Gründen der Sicherheit in Steilstrecken etwaige Vorspann- oder Nachschiebelokomotiven nicht nur bei der Bergfahrt, sondern auch bei der Talfahrt am Zug zu belassen?

 

29. Ist dem BMVIT als Aufsichtsbehörde der Begriff der „erhöhten E-Bremsleistung“ von bis zu 240 kN bei den Triebfahrzeugen der Baureihe 1116 bekannt und was bedeutet diese Einrichtung?

 

30. Wie unterscheiden sich Züge mit 3 bzw. 4 Motoren vor allem in Bezug auf

a.    die Sicherheit in Steilstrecken

b.    die Bremsleistung im allgemeinen

c.    die Bremsleistung in Steilstrecken?

 

31. Hatte der Lokführer des Unglückszuges auf der Lok 1116.173 bei der Talfahrt eine taugliche E-Bremse zur Verfügung oder nicht?

 

32. Wenn ja: Hätte der Lokführer des Unglückszuges aus technischer Sicht die Möglichkeit gehabt, nach der festgestellten schwachen Bremswirkung des Wagenzuges über das Bildschirmmenü wenigstens die „erhöhte E-Bremsleistung“ umzuschalten, um im Notfall die Entgleisung verhindern, schlechtestenfalls die Auswirkungen des Unglückes mindern zu können?

 

33.  Wie viele Wagenmeister zur Überprüfung von Zügen sind derzeit an welchen Standorten in Österreich im Einsatz?

 

34. Wie hoch war die Zahl der Wagenmeister jeweils in den letzten 5 Jahren?

 

35. Wie viele Züge werden derzeit pro Tag von Wagenmeistern begutachtet?

 

36. Wie viele Züge werden derzeit im Schnitt pro Tag von Wagenmeistern beanstandet und welche Folgen haben diese Beanstandungen?

 

37. Ist es aus Ihrer Sicht wichtiger, den Schwerpunkt im Personen- und Güterverkehr auf eine erhöhte Transportleistung oder auf mehr Sicherheit zu legen?

 

38. Welche Konsequenzen zieht man einerseits seitens des BMVIT andererseits seitens der ÖBB aus dem Zugsunglück von Braz?

 

39. Werden die Lokführer regelmäßig, wie im Flugverkehr üblich, mit Hilfe von Simulatortrainings auf Notsituationen trainiert?

 

40. Wenn ja, wie oft ist das Simulatortraining vorgeschrieben?

 

41. Wie viele Triebfahrzeug-Simulatoren existieren in Österreich?

 

42. Inwieweit wurde die Eisenbahnergewerkschaft, die sich zum Unfall Braz auffallend still verhalten hat, obwohl ÖBB-Bedienstete fahrlässig gefährdet wurden in die Aufarbeitung des Unfalles und in das Ergreifen von Maßnahmen, damit derartige Unfälle künftig nicht mehr passieren, einbezogen?