6246/J XXIV. GP

Eingelangt am 12.07.2010
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend fortgesetzte Missstände im Bereich Privatbahnförderung

 

 

In einem massiv kritischen Bericht im Jahr 2006 hatte der Rechnungshof auf zahlreiche Missstände bis hin zu offenen Gesetzwidrigkeiten bei der Abwicklung der Privatbahnförderung durch das BMVIT hingewiesen und eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die auf das Bereinigen dieser Missstände und ein in Hinkunft gesetzeskonformes Vorgehen des BMVIT abzielten.

 

Konkret zeigte der Rechnungshof in diesem Bericht im Jahr 2006 unter anderem die folgenden teilweise skandalösen Missstände auf:

„Das BMVIT konnte infolge verspäteter Vertragsabschlüsse, fehlender Kontrollen und mangelhafter Vorbereitung der zu fördernden Infrastrukturprojekte den wirtschaftlichen Einsatz der Förderungsmittel nicht sicherstellen.

Zur Aufteilung der im Mittelfristprogramm 2001 bis 2003 zusammengefassten Förderungsmittel auf die Privatbahnen entwickelte der Fachverband der Schienenbahnen detaillierte Vorschläge. Das BMVIT als Träger der Verkehrspolitik und Förderungsgeber nahm zu wenig Einfluss auf die Aufteilung der Förderungsmittel. Übergeordnete Prioritäten wurden dadurch zu wenig berücksichtigt. Das BMVIT schloss weiters die Förderungsübereinkommen verspätet und zum Teil erst nach Auslaufen des Mittelfristprogramms ab.

Die Einhaltung der Förderungsbedingungen wurde nur unzureichend überwacht. Dadurch wurden Vertragsinhalte wiederholt nur teilweise erfüllt.

Einer Förderungsnehmerin wurden die Mittel nahezu gänzlich zur Verlustabdeckung  und  für  Maßnahmen  des  Verkehrsleistungsbereichs (Absatz) gewährt; eine gesetzliche Deckung nach dem Privatbahnunterstützungsgesetz 1988 bzw. dem Privatbahngesetz 2004 fehlte.

Bei der Vergabe von Aufträgen durch die Förderungsnehmer wurde das Bundesvergabegesetz 1997 wiederholt nicht eingehalten.“

 

Konkret musste der Rechnungshof in seinem in Reihe Bund 2006/12 veröffentlichten Vorbericht daher folgende zusammenfassende Empfehlungen Richtung BMVIT aussprechen:

„(1) Verkehrspolitisch übergeordnete Verteilungsprioritäten wären im Mittelfristprogramm festzulegen.

(2) Mit den Vorbereitungsarbeiten des Mittelfristprogramms wäre so rechtzeitig zu beginnen, dass die Förderungsübereinkommen bereits zu Beginn ihrer Laufzeit vorliegen.

(3) Die überregionalen Aspekte von Projekten wären ehestens zu konkretisieren.

(4) Förderungsübereinkommen sollten erst nach Vorliegen vollständiger Projektunterlagen und eisenbahnbehördlicher Genehmigungen abgeschlossen werden.

(5) Vor der Vergabe von Förderungen sollte die Leistungsfähigkeit des Förderungsnehmers überprüft werden.

(6) Die widmungsgemäße Verwendung der Förderungsmittel wäre stichprobenweise zu überprüfen. Bei Zuwiderhandeln sollte eine aliquote Rücküberweisung dieser Mittel eingefordert werden.

(7) Auf die Einhaltung der Vergabevorschriften durch die Förderungsnehmer wäre zu achten.“

 

In der Kurzfassung formulierte der Rechnungshof weiters:

„(…) Einer Förderungsnehmerin gewährte das BMVIT - gemeinsam mit dem betroffenen Bundesland - ohne vorherige Gesamtplanung Mittel in Höhe von 7,27 Mill. EUR zur Errichtung des Teilstücks einer möglichen späteren grenzüberschreitenden Eisenbahnverbindung. Die Förderungsnehmerin vergab die Bauaufträge ohne Ausschreibung und errichtete das geförderte Vorhaben ohne eisenbahnbehördliche Genehmigung sowie ohne qualifizierte Bauaufsicht.“

 

Im einzelnen wurden allein in Bezug auf diese konkrete burgenländische „Förderungsnehmerin“ vom Rechnungshof aufgedeckt:

·      Dass das BMVIT bereits im Jahr 2000 damals 10 Mio Schilling an Förderung gewährt hatte, deren widmungsgemäße Verwendung nur etwa zur Hälfte durch Belege nachgewiesen wurde; eine ernsthafte Nachprüfung oder gar Mittelrückforderung durch das BMVIT fand dennoch bis 2005/06 nicht statt.

·      Dass das BMVIT für 2001-2005 ohne förmliches Ansuchen (!) mit dem Land gemeinsam 7,27 Mio Euro (entspricht insges. 20 Mio Schilling pro Jahr!) an Förderungen zusprach, wobei die erste Rate im Jänner 2002 und damit ein halbes Jahr vor (!) Abschluss und Unterzeichnung des Förderungsübereinkommens ausgezahlt wurde.

·      Dass die Förderungsnehmerin erst im April 2002 (also nach Auszahlung erster BMVIT-Fördermittel in nicht unerheblicher Höhe!) beim BMVIT die Änderung ihrer bestehenden Konzession aus dem Jahr 1995 beantragte, die für Gewährung dieser Fördermittel Voraussetzung gewesen wäre.

·      Dass eine als Förderungsgrundlage geeignete, geänderte Konzession mangels ausreichender Projektunterlagen auch 2005 (!) noch nicht vorlag.

·      Dass eine eisenbahnbehördliche Baugenehmigung, für die zum Zeitpunkt der Auszahlung erster Fördermittel Anfang 2002 noch das BMVIT zuständig war, für das geförderte Projekt fehlte und auch in den Jahren nach Verantwortungsübergang ans Land bis 2006 von der nunmehrigen Oberbehörde BMVIT nicht nachgefordert wurde.

·      Dass das Projekt aufgrund der nicht vorhandenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Förderungsnehmerin nicht „gefördert“, sondern nur im Umfang der zugewiesenen Förderungsmittel überhaupt abgewickelt werden konnte, die Förderungsnehmerin sich aber zugleich die örtliche Bauaufsicht, die Dokumentation und die Verwaltungstätigkeiten selbst vorbehalten konnte, worauf von den Förderungsgebern verspätet aber doch (nach der Vergabe eines Gutteils des Auftrags) eine erneut kostenintensive operative begleitende Kontrolle eingesetzt werden musste, die zusätzlich zu den Gesetzwidrigkeiten Mängel bei der Bauaufsicht und eine teilweise lückenhafte Dokumentation feststellte;

·      Dass die Vergabe der Bauleistungen ohne Ausschreibung und auch im einzelnen im klaren Widerspruch zu den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 1997 erfolgte;

·      Dass nachträglich eingeholte Gutachten im Rahmen einer Nachprüfung der Preise und Massen das Angebot des Auftragnehmers im Ausmaß zwischen 1,19 Mill. und 1,77 Mill. Euro als überhöht beurteilten. In diesem Zusammenhang wurden in der Folge vom beauftragten Bauunternehmen zwar unentgeltliche Mehrleistungen, jedoch nur im unzureichenden Wert von rd. 0,55 Mill. Euro (= nur 30-40% der überhöhten Beträge) erbracht;

·      Dass die verspätet eingeschaltete begleitende Kontrolle durch fehlende Planungsunterlagen und unzureichende Dokumentation erschwert worden sei.

·      Dass das Bauvorhaben ohne qualifizierte örtliche Bauaufsicht abgewickelt worden sei, es lagen weder Projekthandbücher noch Bautagesberichte und Aufmassblätter vor, womit das Mindestmaß an Aufzeichnungspflichten unterschritten wurde.

 

Obwohl somit die Kritik scharf und detailliert begründet und die Empfehlungen unmissverständlich waren, ergab die Follow-Up-Überprüfung des Rechnungshofs im Jahr 2009, deren Ergebnisse nun im Bericht Reihe Bund 2010/7 „Infrastrukturbeiträge für die Privatbahnen; Follow-up-Überprüfung“, veröffentlicht wurden, dass sich fast nichts geändert hat!

In diesem Bericht musste der Rechnungshof einmal mehr mit den Vorgehensweisen der Zuständigen im BMVIT bei der Privatbahnförderung, die offenbar noch immer folgenlos toleriert werden, hart ins Gericht gehen.

Laut Rechnungshof kam das BMVIT dem überwiegenden Teil der RH-Empfehlungen von 2006, deren Umsetzung das BMVIT zugesagt hatte, nicht oder nur in geringem Ausmaß nach:

·      So erstellte das BMVIT das mittelfristige Investitions- und Erhaltungsprogramm 2005 bis 2009 erneut ohne Bezugnahme auf verkehrspolitisch übergeordnete Zielsetzungen und ohne Festlegung von Verteilungsprioritäten. Es wurde einzig ein Entwurf eines Förderungskatalogs mit verkehrspolitischen Bewertungen erarbeitet – für mehrere Jahre eine dürftige Ausbeute, die eher an Hinhaltetaktik denken lässt. Eine echte Prioritätenreihung wird somit frühestens anlässlich der Erstellung des nächsten mittelfristigen Investitions- und Erhaltungsprogramms 2015-2019 möglich sein!

·      Ähnlich das Bild bei der eingeforderten und zugesagten Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung der Förderungsmittel, die nach wie vor nicht systematisch erfolgte. Zwar wurden nach Jahren wenigstens Förderungsrichtlinien erlassen, bei der Prüfung war aber immer noch erst die „Erstellung eines Prüfkonzepts zur Unterstützung der Kontrolle der Mit-telverwendung“ als Projekt beauftragt – erneut mit zusätzlicher Kostenfolge und dem Geruch, konkrete Änderungen möglichst lange hinauszuschieben.

·      Den Empfehlungen des RH, die Förderungsübereinkommen rechtzeitig und erst nach Vorliegen vollständiger Projektunterlagen sowie eisenbahnbehördlicher Genehmigungen abzuschließen, kam das BMVIT laut RH-Bericht bis 2009 „bisher nicht nach“: Konkret wurden im Rahmen des Mittelfrist-Programms 2005-2009 alle Verträge mehr als ein halbes Jahr nach Programmstart abgeschlossen, teilweise auch erst in den Jahren 2006 und 2007 (!). Im Herbst 2009 fehlten für den unmittelbar bevorstehenden neuen Förderungszeitraum 2010-2014 erneut wesentliche Voraussetzungen für Vertragsabschlüsse – die Vertragsentwürfe des BMVIT, die erforderliche Zustimmung des BMF, die Mitfinanzierungszusagen der Länder.

·      Förderungsmittel wurden weiters wie schon in den Jahren zuvor teilweise mehrere Monate (!) vor Abschluss der Verträge ausbezahlt und auch für nicht ausführungsreife Projekte zugesagt. Der Rechnungshof skizziert ein Beispiel, wo das BMVIT bereits 2001 (!) einen Fördervertrag abgeschlossen hatte, von 2001-2009 immerhin 1,2 Mio Euro an Förderungen ausgezahlt hatte, die Umsetzung des Projekts jedoch 2009 (!) noch immer nicht begonnen (!) hatte.

·      Schließlich wurde die Empfehlung des RH, nicht zweckentsprechend verwendete Förderungsmittel von den Privatbahnen zurückzufordern, ebenfalls noch nicht umgesetzt. Neben den beim Projekt Oberwart-Großpetersdorf laut 2006er-RH-Bericht explizit verschollenen 0,64-1,22 Mio Euro erwähnt der 2010er-RH-Bericht zwei weitere Fälle. Im einen Fall wird eine von der mit Controlling-Aufgaben tätigen SCHIG bereits 2008 nahegelegte Rückforderung von 3,4 Mio Euro (fast 50% der in diesem Fall gewährten Förderung!) dokumentiert. Im anderen Fall wurden von zunächst 0,9, dann 1,4 Mio Euro für eine Park&Ride-Anlage (!) beantragten und zugesicherten Förderungen vom BMVIT mehr als die Hälfte bereits 2004 ausgezahlt, der Bau jedoch bis 2009 nicht begonnen, und trotzdem – entgegen den immerhin seit 2005 endlich vorhandenen eigenen Richtlinien des BMVIT - keine Rückforderung vorgenommen.


Das Ergebnis derartiger vom Rechnungshof zu Recht massiv kritisierten jahrelangen behördlichen und finanziellen Großzügigkeiten des BMVIT und seiner Partner bei der Privatbahnförderung sind unglaubliche Zustände, wie sie zB bei der Strecke Oberwart-Großpetersdorf(-Rechnitz bzw. –Ungarn), auf die sich der Rechnungshof schon 2006 in seinem Bericht und seiner Zusammenfassung (siehe obiges Zitat) bezog, zu besichtigen sind. Diese Zustände sind für die SteuerzahlerInnen wie für die seit zehn Jahren trotz beträchtlicher Steuergeldflüsse ergebnislos auf Verbesserungen im regionalen Schienenverkehrsangebot wartende Bevölkerung unbefriedigend und eigentlich unzumutbar.

 

Für die Strecke Oberwart-Großpetersdorf(-Rechnitz bzw. –Ungarn) wird zwar seit 10 Jahren der abschnittsweise Ausbau angekündigt und es wurden seit dem Jahr 1999 auch schon – teilweise offen gesetzeswidrig - einige Mio Euro Steuergeld allein seitens des Bundes an die entsprechende „Förderungswerberin“ SRB gezahlt, obwohl diese die längste Zeit nicht einmal über die nötige Konzession verfügte, um förderungswürdig zu sein, und die Mittel wiederholt vergaberechtswidrig verwendete.

Die Verkehrsaufnahme Oberwart-Großpetersdorf hatte der burgenländische Landeshauptmann Niessl öffentlich (zB Landtagssitzung 26./27.6.2002) bereits für den Fahrplanwechsel 2002 (!) angekündigt, diese Betriebsaufnahme soll auch bereits in einem Verkehrsdienstevertrag Vertragsgegenstand (gewesen) sein, es sind also möglicherweise dafür auch schon Mittel geflossen. Mehrere Jahre lang wurde auch im offiziellen Kursbuch der ÖBB so getan, als würde diese Verkehrsaufnahme unmittelbar bevorstehen und während des laufenden Fahrplanjahrs „gesondert bekanntgegeben“. Auch die Ankündigungen der Verkehrsaufnahme durch die ÖBB für „spätestens September 2008“ und dann durch die Burgenländische Landesregierung für „Ende 2009“ blieben ohne Umsetzung.

 

Trotz Millionenzahlungen von BMVIT (und Land) fährt jedoch bis heute auf keinem Teil der Strecke ein Personenzug. 2010 musste die total verrottete Strecke bis Rechnitz sogar für den Güterverkehr gesperrt werden, was anrainende Unternehmen vor große logistische und finanzielle Herausforderungen stellte.

 

Nach zunächst jahrelanger Untätigkeit trotz Fördermittelauszahlung wurde die mit Millionen-Steuergeldaufwand vollzogene Sanierung des Ober- und Unterbaus auf den ersten Kilometern ab Oberwart bis Großpetersdorf 2005 begonnen und ist nun seit längerem abgeschlossen. Es sind aber nach wie vor Sicherungsmaßnahmen – so an Eisenbahnkreuzungen – ausständig, obwohl das Unternehmen bereits Anfang 2007 (!) öffentlich erklärte, dass „im Jänner 2007 ein modifizierter Antrag auf Erteilung einer Infrastrukturkonzession für diesen Abschnitt beim BMVIT eingebracht“ wurde, nach dessen positiver Behandlung „werden alle Eisenbahnkreuzungen technisch gesichert.“ Im Gegenzug zur um Jahre verspäteten Umsetzung dieses Schritts ist nun von weiteren Bundes- und Landes-Förderungen von 2 Mio Euro die Rede. Der Rechnungshof hat somit wohl zu Recht (unter anderem) kritisiert, dass Millionenförderungen vom BMVIT „ohne geeignetes Einreichprojekt“ gezahlt wurden, wenn die Teile des Projekts völlig unkoordiniert umgesetzt werden und speziell betriebsnotwendige Teile erst mit mehrjähriger Verspätung und gegen nochmalige Extra-Zahlungen in Umsetzungsnähe gelangen.

Als vor der jüngsten Landtagswahl im Burgenland im Frühjahr 2010 die anschließende Strecke Großpetersdorf-Rechnitz, die trotz saftiger Dauerförderungen vom Förderungsnehmer gesetzwidrig nicht instand gehalten wurde, gesperrt werden musste, half die Öffentliche Hand dennoch einmal mehr großzügig aus. Unbefangene BeobachterInnen könnten fast an ein abgekartetes Spiel denken: Denn blitzartig, noch vor dem Landes-Wahltermin, wurde dem verantwortlichen Unternehmen nochmals im großen Stil öffentliches Geld nachgeworfen - über den Ankauf einer zweiten bisher im Besitz der SRB stehenden Schienenstrecke durch das Land zu einem höchst großzügigen „Freundschaftspreis“ (offenbar 250% des seinerzeitigen Einkaufspreises bei der Übernahme der damals aber noch nicht verfallenen Strecke von den ÖBB), den zusätzlichen Ankauf eines Grundstücks an dieser Strecke durch ein Landes-Tourismus-Unternehmen und den Ankauf eines weiteren Grundstücks durch eine (SPÖ-)Anrainergemeinde der anderen, gesperrten Strecke. Im Gegenzug zu diesem Deal sollte die nach unterschiedlichen Medienberichten 700.000 bis 1,5 Mio Euro teure Generalsanierung Großpetersdorf-Rechnitz nun umgesetzt werden, wobei die punktgenau zum richtigen Zeitpunkt erlangten Grundstücks-etc.-erlöse vom jahrelang säumigen Unternehmen nun auch noch als großzügige Eigenleistung für die Streckensanierung präsentiert werden.

Auch das BMVIT signalisierte (so der SRB-Geschäftsführer in einem Zeitungsbericht) wahltermingerecht plötzlich Zustimmung zu einem umfangreichen weiteren Förderungsansuchen aus 2008, obwohl dieses Ansuchen auch 2010 noch unvollständig gewesen sein dürfte, da öffentlich von fehlenden und noch nachzureichenden Unterlagen die Rede war. Das Land wiederum hatte zu demselben offenbar unvollständigen Förderungsansuchen eigenen Angaben zufolge bereits im Juli 2009 einen Vertrag übermittelt, wozu aber bis November 2009 keine Rückmeldung des  Förderungswerbers erfolgt sei.

 

Alles in allem ein Sittenbild – den Förderungs-Fluss inbesondere seitens des BMVIT konnte all dies nun aber schon ein gutes Jahrzehnt lang samt zwei kritischen Rechnungshofberichten nicht stoppen, was doch höchst bemerkenswert erscheint.

 

Die im Abschnitt bis Großpetersdorf noch ausstehenden Infrastrukturinvestitionen sollen nun 2010/11 erfolgen, sodass eventuell mit Fahrplanwechsel im Dezember 2011 der Personenverkehr tatsächlich aufgenommen werden könnte - vorausgesetzt, es findet sich nach den vielen versickerten Millionen auch noch ein Besteller, der trotz knapper Kassen weiteres Geld für diesen Verkehr in die Hand nimmt.

Für den Weiterbau Richtung Ungarn wird mittlerweile Medienberichten zufolge ein weiterführendes, erneut rein öffentlich finanziertes Planungsprojekt betrieben, nachdem eine Variantenuntersuchung vorliegt, die Gesamtkosten von etwa 150 Mio Euro ergab, davon mehr als ein Drittel in Österreich.

Nicht vereinfacht wird das Gesamt-Projekt Oberwart-Szombathely weiters auch noch dadurch, dass als aktuelle Betreiberin der Strecke bis Oberwart, als von der SRB namhaft gemachte Betriebsführerin für die Strecke Oberwart-Großpetersdorf-Rechnitz bzw. -Ungarn und als Gesprächspartner für die Fortsetzung auf ungarischem Staatsgebiet drei verschiedene ganz oder mehrheitlich in österreichischem Bundesbesitz stehende Eisenbahnunternehmen neben dem privaten Streckeneigentümer und Förderungswerber involviert sind.

 

Diese „südburgenländischen“ Zustände mit maßgeblicher BMVIT-Involvierung waren auch schon wiederholt Gegenstand Parl. Anfragen, insbesondere der Anfrage der Grünen Nr. 2637/J-NR/2005 „betreffend dringend aufklärungsbedürftige Vorgänge bei der Finanzierung von Eisenbahninfrastruktur und bei der Gewährung von Zahlungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen“, aber auch zB der Anfrage 5040/J-NR/2010 vom SPÖ-Koalitionspartner ÖVP.

Nicht umsonst musste sich – siehe oben – der Rechnungshof bereits ausgiebig mit diesem Skandal als Spitze der BMVIT-Privatbahnförderungs-Ungereimtheiten befassen, da auch Gesetze verletzt wurden. Zitat Rechnungshof 2006: „Mangels entsprechender eisenbahnbehördlicher Konzession und Baugenehmigung war die Mitteilung des BMVIT, dass das geförderte Investitionsvorhaben fertig gestellt sei, als Dokumentation einer nachhaltigen Gesetzesverletzung zu werten.“

 

Dass sich an den kritisierten Umständen auch Jahre danach noch immer nichts Grundsätzliches geändert hat, ist erstaunlich. Sollten jahrelang fortgesetzte Missstände bis hin zu offenen Gesetzwidrigkeiten, die wiederholt den Rechnungshof auf den Plan rufen und zu einem teils grob ineffizienten, teils fragwürdigen, teils offen rechtswidrigen Einsatz von Steuergeld in Millionenhöhe führen, im BMVIT tatsächlich toleriert werden und völlig ohne Konsequenzen für die Verantwortlichen bleiben?

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 


ANFRAGE:

 

1.   Wie erklären Sie die nun schon jahrelang fortgesetzten groben Missstände bei der Privatbahnförderung Ihres Ressorts?

 

2.   War/en in Ihrem Ressort in den Jahren ab 2000 dieselbe/n Person/en federführend in leitender Ebene für Privatbahnförderungen zuständig wie in den Jahren nach 2006 und bis heute? Wenn nein, inwiefern nicht?

 

3.   Wie erklären Sie insbesondere, dass zahlreiche Empfehlungen des Rechnungshofs aus seinem Bericht zur Privatbahnförderung von 2006 nicht oder nur zu geringen Teilen umgesetzt wurden, sodass der Rechnungshof die meisten 2005/06 kritisierten Punkte 2009/10 ganz oder weitgehend unverändert erneut feststellen musste?

 

4.   Wer hat die erst nach drei Monaten abgegebene Stellungnahme des BMVIT vom Jänner 2010 zum Rohbericht/Prüfungsergebnis des Rechnungshofs zu den Privatbahnförderungen a) erstellt, b) unterfertigt?

 

5.   Wo sind die beim Projekt Oberwart-Großpetersdorf konkret laut Rechnungshof jedenfalls verschollenen 0,64 bis 1,22 Millionen Euro verblieben? Wer waren die Empfänger bzw. Begünstigten dieser Summen?

 

6.   Wofür wurden die dem BMVIT von der SCHIG bereits 2008 zur Rückforderung nahegelegten 3,4 Mio Euro (fast 50% der in diesem Fall gewährten Förderung!) zweckwidrig eingesetzt und um welches Investitionsprojekt handelte es sich hier? Wer waren die Begünstigten dieser Förderung des BMVIT?

 

7.   . Wo sind die beim Fall „Park&Ride-Anlage“ – bitte um Angabe, um welche Anlage es sich handelt – verschollenen mindestens 0,72 Mio Euro verblieben? Wer waren die Begünstigten dieser Förderung des BMVIT?

 

8.   Werden derartige Fördergelder vom BMVIT mit Zinsen zurückgefordert (falls sie irgendwann doch wie vorgesehen zurückgefordert werden sollten)? Wenn nein, warum nicht?

 

9.   Welche Ergebnisse im einzelnen haben die laut BMVIT „bis Juni 2010“ von einem dienstzugeteilten Mitarbeiter durchgeführten „Prüfungen der widmungsgemäßen Mittelverwendung“ erbracht, und welche Konsequenzen wurden bzw. werden aus diesen Ergebnissen wann im einzelnen gezogen?

 

10.  Welche Begründung gibt es dafür, dass diese Prüfung nicht schon lange vor 2010 bzw. vor den SCHIG-Arbeiten von den eigentlich zuständigen BMVIT-Angehörigen vorgenommen wurde, umsomehr, als der Rechnungshof sie bereits 2005/06 unübersehbar eingemahnt hatte und die Rückforderung seit 2005 in BMVIT-eigenen Vorschriften zwingend vorgesehen ist?

 

11.  Wie erklären Sie die Aussage von BMVIT-Seite in der Stellungnahme zum Prüfergebnis von Jänner 2010, „Eine Rückforderung könnte kleinere Privatbahnen in den Konkurs treiben.“? Bedeutet dies konkret, dass Förderungsmittel statt in Investitionen in den laufenden Betrieb oder in sonstige Unternehmenstätigkeiten geflossen sind? Ist es die Aufgabe der BMVIT-Privatbahnförderung, überforderte Unternehmen mittels zweckwidrig verwendeter Förderungen vor dem Konkurs zu retten?

 

12.  Wie erklären Sie konkret, dass trotz der in der Anfragebegründung auszugsweise ausgeführten, haarsträubenden, über gut 10 Jahre verteilten Missstände rund um das Projekt Oberwart-Grosspetersdorf bzw. die Bestandsstrecke nach Rechnitz seitens des BMVIT fortgesetzt außerordentlich großzügige Förderentscheidungen getroffen wurden, selbst wo diese rechtlich gar nicht möglich gewesen wären?

 

13.  Wie erklären Sie insbesondere, dass wie in diesem Fall ein mit der Erhaltung einer Bahnstrecke (also: der Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen), der ordnungsgemäßen Beantragung von Förderungen, der Beantwortung von fertig übermittelten Förderverträgen etc offenkundig überfordertes Unternehmen über zehn Jahre lang dennoch regelmäßig und im wesentlichen problemlos in den Genuss teilweise beträchtlicher Fördersummen des BMVIT kommt? Können Sie ausschließen, dass es für die Stabilität dieser Geschäftsbeziehung andere als rein sachlich-inhaltliche Ursachen gibt?

 

14.  Mit welchem Datum erfolgte der Vertragsabschluss des mittelfristigen Investitions- und Erhaltungsprogramms 2010 bis 2014?

 

15.  Wann im einzelnen wurden 2010 bereits konkrete Förderungsverträge mit Unternehmen abgeschlossen?

 

16.  Wann im einzelnen wurden zu den in Frage 14 angesprochenen Förderungsverträgen Förderungen ausgezahlt?

 

17.  Nachdem das BMVIT in seiner Stellungnahme zum Prüfergebnis von Jänner 2010 von „unwichtigen Privatbahnen“ spricht – welche Privatbahnen sind damit konkret gemeint?

 

18.  Welche konkreten Maßnahmen haben die Zuständigen im BMVIT zu den Kritikpunkten, die der Rechnungshof in seinem Bericht Reihe Bund 2010/7 „Infrastrukturbeiträge für die Privatbahnen; Follow-up-Überprüfung“ großteils nicht zum ersten Mal auflistet, seit Übermittlung des Prüfergebnisses an das BMVIT im Oktober 2009 im einzelnen gesetzt und welche Ergebnisse wurden damit erzielt? Wir ersuchen um detaillierte Darlegung geordnet nach den einzelnen Kritikpunkten des Rechnungshofs.

 

19.  Welche Konsequenzen wird die jahrelange Nichtumsetzung von dem Rechnungshof zugesagten Maßnahmen für die Verantwortlichen haben?

 

20.  Bis wann ist mit der vollständigen Umsetzung der vom Rechnungshof bereits 2005/06 und nun 2009/10 erneut vorgenommenen Empfehlungen an das BMVIT und damit mit der rückstandslosen Bereinigung der zahlreichen vom Rechnungshof dokumentierten Missstände im Bereich Privatbahnförderung des BMVIT zu rechnen?