6308/J XXIV. GP
Eingelangt am 25.08.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Beraterverträge bei den ÖBB und politische Verantwortung
In den Jahren 2000 bis 2006 ließ auch die SPÖ kein gutes Haar an der Praxis der damaligen ÖVP-FPÖ/BZÖ- Regierenden, politische und persönliche Freunde mit lukrativen Posten und Beraterverträgen im Umfeld der Ministerien und der staatlichen und staatsnahen Unternehmen zu versorgen. Das BMVIT mit den zugeordneten großen Unternehmen wie ÖBB oder ASFINAG war hier ein besonderer Brennpunkt des Geschehens, das mittlerweile auch Staatsanwaltschaften und Gerichte beschäftigt.
Speziell die als „ÖBB-Reform“ bezeichnete Umstrukturierung war in erster Linie für eine Reihe teilweise explizit den Regierenden nahe stehender Konsulentlnnen ein großes Geschäft und ist dies wegen der nun noch komplexeren Abläufe und nötigen „Struktur-Sanierungs-Schritte“ weiter geblieben. Die Interessen der Berater waren offensichtlich ein zentraler Motor für die Reform und ihre konkrete überkomplexe Ausgestaltung.
2006 kritisierte der Rechnungshof in seinem Bericht 2006/2 die externen Berateraufträge der ÖBB scharf, die bis zu einem Umfang von 56 Mio Euro (!) pro Jahr ausgeufert waren.
Ein Kernpunkt war schon damals neben den für Kommunikationsberatung (durch Hochegger&Co) bezahlten Unsummen ein in Umfang und Modalitäten unüblich großzügiger Vertrag für Rechtsberatung mit einer prominenten Wiener Anwaltskanzlei (Lansky), der 2002 noch dazu freihändig vergeben wurde. So konnte neben pauschal und unabhängig von einer Leistung vereinbarten 25.000 Euro pro Monat auch noch jeder Auftrag auf Basis von Stundensätzen (die fast doppelt so hoch wie bis dahin bei den ÖBB bei Rechtsberatung üblich waren) teilweise in Form von Projektverträgen abgerechnet werden. Insgesamt kam so schon in den wenigen Jahren bis zur RH-Prüfung ein ansehnlicher Millionenbetrag zusammen. Über die Gesamtlaufzeit wären etwa 20 Mio Euro angefallen. Dieser Vertrag und diese Summe erscheinen angesichts des nicht entsprechenden Expertenwissens völlig unverantwortlich und legen verschiedene Verdachtsmomente nahe.
Bei der Beratung des Rechnungshofberichts 2006/2 im RH-Ausschuss des Nationalrats wurden seitens des ÖBB- Managements alle Eide geschworen, dass solche Verträge wie mit der Rechtsanwaltskanzlei Lansky künftig nicht mehr abgeschlossen würden.
Es ist aber kein Geheimnis, dass - entgegen dem Ergebnis der Rechnungshofprüfung - am 11.Juni 2007, also nach der Übernahme der Verantwortung für BMVIT und ÖBB durch die SPÖ mit dem heutigen Bundeskanzler Werner Faymann, ein neuer (!). sehr ähnlicher Vertrag zwischen ÖBB und derselben Rechtsanwaltskanzlei abgeschlossen wurde (gezeichnet von den Herren Huber, Söllinger, Trattner und Marthä), offiziell als für die ÖBB kostengünstigeres Ergebnis eines durch Nachverhandlungen unter Einbindung der Finanzprokuratur erzielten Vergleichs. Eine Ausschreibung des mit ca. 4,5 Mio Euro für 10 Jahre erneut weit über jedem Schwellenwert innerstaatlichen oder europäischen Vergaberechts liegenden Agreements fand erneut nicht statt. Mittlerweile medienöffentlich gewordenen Unterlagen zufolge hätte die Rechtsanwaltskanzlei im Fall eines infolge vergaberechtlicher „Brösel" eintretenden Auftragsentgangs zusätzlich noch auf ein saftiges, leistungsunabhängiges Abschlagshonorar von fast 1 Mio Euro zählen können. Es hätten bis zu 90 Prozent der Vertragssumme ohne Leistung ausbezahlt werden können, ein standeswidriger Vertrag!
Trotz der Kritik des Rechnungshofs (2006) an den Missständen und Großzügigkeiten rund um die externen Berateraufträge der ÖBB und trotz der dadurch ausgelösten Niemals-Wieder-Zusicherungen der politisch und bei den ÖBB Verantwortlichen teils im RH-Ausschuss sind auch seitens des Rechnungshofs bisher keinerlei Hinweise auf erfolgte Konsequenzen erfolgt. Ebenso ist von einer Gesinnungsänderung an der BMVIT-Spitze, die sich bei all dem seit Jahren für unzuständig erklärt und somit letztlich untätig zusieht, nichts zu erkennen
Überraschend - wie so oft bei skandalösen Großzügigkeiten auf Kosten der SteuerzahlerInnen - ist, wer aller überhaupt nichts von all dem gewusst haben möchte. So behauptete der frühere langjährige ÖBB-Aufsichtsratschef jüngst (Kurier, 12.8.2010) medienöffentlich, dass der Aufsichtsrat nie an solchen Verträgen beteiligt gewesen sei und daher auch nichts davon wisse. Dabei ist beispielsweise aktenkundig, dass der zweite Lansky-Vertrag vom ÖBB- Aufsichtsrat samt Sideletter hochoffiziell zustimmend zur Kenntnis genommen wurde. Dass ein deklariert SPÖ-naher Staranwalt 2007 nicht zum ersten Mal unter nicht vergaberechtskonformen Bedingungen zu einem derartigen Mega-Auftrag der ÖBB gelangt, dies am Eigentümervertreter der Republik und damit der SteuerzahlerInnen bei den ÖBB, also dem 2007 amtierenden SPÖ-Verkehrsminister Werner Faymann, spurlos vorbeigegangen sein soll, ist ebenfalls schwer nachvollziehbar.
Wie Anfragebeantwortungen an die Grünen zu dieser Causa im Jahr 2006 (BM Gorbach/BZÖ) und 2007 (BM Faymann/SPÖ) belegen, wurde das schwarz-blau-orange System des überbordenden ÖBB-Berater-Unwesens nach dem Machtwechsel von Rot-Schwarz im Wesentlichen unverändert fortgeführt. Im Zweifelsfall betonen die Minister - nach BM Faymann auch besonders die derzeitige Amtsinhaberin BM Bures —, dass das alles formal nur das Unternehmen und nicht die Minister angehe - ganz so als wären nicht diese die Eigentümervertreter der Republik, und ganz so, als würden sie weder Aufsichtsräte noch Staatskommissäre in die ÖBB entsenden, die ihnen auch zu berichten haben.
Die Folge: Die in ÖVP-FPÖ/BZÖ-Zeiten eingerissenen und unter SPÖ-ÖVP-Verantwortung fortgesetzten Berater- Missstände sind bis heute nicht bereinigt. Bis heute können neben Ex-Vorständen auch zahlreiche prominente Berater auf Kosten der ÖBB-Fahrgäste und SteuerzahlerInnen wie in schwarz-blau-orangen Zeiten ungehindert in Millionenhöhe profitieren.
„Normalsterblichen" wird die Bahnnutzung hingegen von den ÖBB und der verantwortlichen Verkehrsministerin laufend schwer gemacht: mit Qualitätsmängeln durch Pfennigfuchserei im täglichen Betrieb und mit einer ganzen Latte an bereits erfolgten und kurzfristig geplanten Zugsstreichungen - zuletzt am 2.8.2010 - und Streckenstilllegungen.
Beraterverträge mit hinterfragenswerter Leistungsseite sind ein Grundübel der ÖBB und diverser Ministerien. Indirekter Parteienfinanzierung ist hier Tür und Tor geöffnet. Hier muss dringend eine neue Kultur Einzug halten - eine Kultur des Maßhaltens und der schonungslosen Abstellens von Missständen im Unternehmen ÖBB, und eine Kultur der Verantwortlichkeit gegenüber den SteuerzahlerInnen in der Bundesregierung.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Worin bestand das sogenannte Expertenwissen der Kanzlei Lansky beim ersten Vertragsabschluss 2002, das einen „Generalvertrag" rechtfertigte?
2. Mit welcher Projektleitung wurde Lansky betraut? Warum?
3. Welche „Expertisen" wurden von den ÖBB explizit geordert, welche „bestellte" die Kanzlei Lansky, der auch eine Projektleitung übertragen wurde, quasi bei sich selbst?
4. In welchen Bereichen erwiesen sich die Arbeiten der Kanzlei Lansky zwischen 2002 und 2007 als essentiell für die ÖBB? Wieviele Gutachten waren eigentlich wertlos?
5. Wer unterschrieb jeweils die gelegten Rechnungen der Kanzlei Lansky?
6. Warum wurde nicht die im Vertrag von 2002 verankerte Kündigungsklausel genützt?
7. Warum wurde der Vertrag vom Juni 2007 als veränderter 2002er-Vertrag und nicht als neuer Vertrag mit der Kanzlei Lansky vom Aufsichtsrats-Vorsitzenden dargestellt?
8. Wie erklären Sie die Standeswidrigkeit des Vertrags (bis 90% der Honorarsumme bei nicht erbrachter Leistung möglich)?
9. Warum wurde der (2007) neuerliche vergabegesetzwidrige, unternehmensschädliche und steuergeldverschleudernde Vertragsabschluss durch Ex-ÖBB-Chef Huber und Söllinger nicht als Grund wahrgenommen, um die Abfertigung Hubers zu reduzieren?
10. Warum wurde der Drittunterzeichner, Gilbert Trattner, noch mit einer weiteren Funktion belohnt?
11. Wie erklären Sie, dass der sichtlich weiterhin mit Ihrem Vertrauen ausgestattete ÖBB- Aufsichtsrats-Vorsitzende Horst Pöchhacker medienöffentlich behauptet, der (2007 erneut) vergaberechtswidrig zustande gekommene Beratervertrag der ÖBB mit der Rechtsanwaltskanzlei LGP im Umfang von nun „nur mehr" 4,5 Mio Euro sei „branchenüblich"? Soll dies womöglich bedeuten, dass auch unter Ihrer politischen Verantwortung „üblicherweise" mit Vergaberechtsverstößen und Multi-Millionen- Berateraufträgen samt großzügig beraterfreundlichen Sidelettern bei den ÖBB zu rechnen ist?
12. Wie erklären Sie, dass die Kanzlei LGP trotz laut ÖBB-Aufsichtsratspräsident ohnedies „marktüblichen" Vertrags und trotz Reduktion des Vertragsumfangs um ca. 75% bereits 2007 nun erneut zu Umgestaltungen des Vertrags bereit sein soll?
13. Wie viele JuristInnen beschäftigen die einzelnen Gesellschaften des ÖBB-Konzerns, warum besteht dennoch nicht ausreichendes hausinternes Know-How? Warum wurden nicht, wie bei jedem größeren Konzern, die internen Rechtsabteilungen kompetenzmäßig qualifiziert statt auf teure Externe zurückzugreifen?
14. Sind die in der Anfragebegründung genannten Namen der laut medienöffentlichen Äußerungen der ÖBB-Vertragspartner „zeichnungsberechtigten Personen", die den vergaberechtswidrig zustande gekommenen Rechtsberater- Vertrag von 2007 samt Sideletter für die ÖBB gefertigt haben, richtig?
15. Wie lauten die Namen der ÖBB-Vertreter, die den vergaberechtswidrig zustande gekommenen Rechtsberater-Vertrag von 2002 für die 2 BB gefertigt haben?
16. Wie erklären Sie Bahn-Fahrgästen - etwa Pendlerinnen und Pendlern mit geringem Verdienst, die mit Qualitätsmängeln, Angebotsverschlechterungen und über dem VPI liegender Zeitkarten-Tarifentwicklung zwecks „Gröscherl-Einsparung" konfrontiert sind -, dass Sie sich ebenso wie Ihr Vorgänger im BMVIT Werner Faymann für das Abstellen der multi- millionen-schweren Beraterexzesse bei den ÖBB nicht zuständig fühlen und keinerlei diesbezügliche Initiative zeigten und zeigen?
17. Wie erklären Sie den zahlreichen engagierten „kleinen" Bahn-Bediensteten, die mit öffentlichen Angriffen auch des Eigentümers selbst auf ihre Beschäftigungsbedingungen zwecks „Gröscherl-Einsparung" konfrontiert sind, dass Sie sich ebenso wie Ihr Vorgänger im BMVIT Werner Faymann für das Abstellen der multi-millionen-schweren Berater-Exzesse bei den ÖBB nicht zuständig fühlen und keinerlei diesbezügliche Initiative zeigten und zeigen?
18. Welche Kosten sind bei den ÖBB in den Jahren 2007, 2008, 2009 und 2010 jeweils für Rechtsberatung durch welche externen Berater angefallen? Wir ersuchen um Auflistung im Einzelnen.
19. Welche Kosten sind im BMVIT in den Jahren 2007, 2008, 2009 und 2010 jeweils für Rechtsberatung in Eisenbahnangelegenheiten durch welche externen Berater angefallen? Wir ersuchen um Auflistung im Einzelnen.
20. Können Sie ausschließen, dass es im Zusammenhang mit fürstlich dotierten ÖBB- Beraterverträgen zu a) direkter b) indirekter Parteienfinanzierung gekommen ist? Wenn ja, auf Basis welcher Fakten, wenn nein, warum nicht?
21. Falls Sie dies nicht ausschließen können: Werden Sie über Ihre VertreterInnen in den ÖBB-Aufsichtsräten sicherstellen, dass die ÖBB den Verdacht von Parteienfinanzierung über fürstlich dotierte Beratervertrage ausräumen?
22. Ist die Angabe des langjährigen ÖBB-Aufsichtsratschefs Reithofer, der Aufsichtsrat sei a) nie an solchen Beraterverträgen beteiligt gewesen und b) wisse daher auch nichts davon, zutreffend?
23. Wenn ja: Wie zielführend ist es, Aufsichtsräte zu entsenden und knappe Mittel für ihre Funktionsgebühren zu vergeuden, wenn diese unbeteiligt sind, nichts wissen - also: nichts beaufsichtigen, auch keine Millionen-Beraterverträge und ihr Zustandekommen?
24. Wann wird die angekündigte Veröffentlichung der Ergebnisse der genauen Überprüfung aller alten ÖBB-Beraterverträge erfolgen?
25. Was haben Sie bisher getan, um bei Beraterverträgen der ÖBB eine Kultur des Maßhaltens und des schonungslosen Abstellens von Missständen durchzusetzen?
26. Was planen Sie in diesem Zusammenhang in Zukunft zu tun?
27. Was haben Sie bisher getan, um auch bei Beraterverträgen des BMVIT eine Kultur des Maßhaltens und des schonungslosen Abstellens von Missständen durchzusetzen?
28. Was planen Sie in diesem Zusammenhang in Zukunft zu tun?