6380/J XXIV. GP

Eingelangt am 20.09.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Ferdinand Maier

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Was hat die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 27.000 -Auftrag des SPÖ-Führungsdreiecks der ÖBB an den SPÖ-Justizsprecher zur Erstellung eines geheimen "Anti-Lopatka-Gutachtens" gewusst?"

Am 14. August 2010 berichtete die Tageszeitung Kurier", dass ÖBB- Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker bei der Kanzlei von Rechtsanwalt Hannes Jarolim - nebenbei SPÖ-Justizsprecher und Nationalratsabgeordneter - ein "Anti- Lopatka-Gutachten" in Auftrag gegeben hat. Das Gutachten sollte den Inhalt haben, wie man rechtlich gegen Personen vorgehen soll bzw. kann, die mit kritischen Aussagen dem Unternehmen schaden könnten. ÖBB-Chef Christian Kern versprach umgehend: "Dieses Gutachten gab es nicht und dieses Gutachten wird es nicht geben." Und die ÖBB sendeten zu diesem Bericht aus: Die ÖBB halten fest, dass es keinen Auftrag - weder für die Kanzlei von Dr. Johannes Jarolim, noch für eine andere Kanzlei - für ein .Lopatka-Gutachten' gibt".

Vergangenen Samstag veröffentlichte die Tageszeitung Die Presse" Auszüge eines Schreibens, das die Aussagen Kerns, des Büros der Bundesministerin und der ÖBB in einem neuen Licht erscheinen lässt: Der nun aufgetauchte, von der Kanzlei Jarolim verfasste Brief, der der Presse" vorliegt, belegt zweierlei: Erstens hat es den Auftrag für so ein Gutachten gegeben. Und zweitens hat es die ÖBB-Spitze in dieser Angelegenheit mit der Wahrheit nicht sonderlich genau genommen."

Der Bericht weiter: Der nun aufgetauchte Brief relativiert diese Aussagen: Verfasst wurde er am 15. Juli von Jarolim, adressiert ist er an Pöchhacker. Betreff: Verantwortlichkeit von Organträgern der ÖBB." Jarolim schreibt: In obiger Angelegenheit nehme ich Bezug auf unsere Besprechung vom 13. Juli und darf gerne bestätigen, dass Sie uns mit der rechtlichen Prüfung von Fragen betreffend die Verantwortlichkeit von Organträgern der Gesellschaft im Zusammenhang mit einzelnen die Interessen der ÖBB schädigenden Vorgängen beauftragt haben." Jarolim verweist auch auf seinen Stundensatz von 300 Euro (zuzüglich 20 % USt) und: Wir kalkulieren den zeitlichen Aufwand für die Erstellung unserer rechtlichen Stellungnahme mit ca. 75 Stunden."

Beigefügt ist auch ein Memorandum mit der Aktenzahl 173/10, das die zu prüfenden Themen auflistet. Unter anderem: In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch tatsachenwidrige Behauptungen eines Staatssekretärs des Finanzministeriums zu überprüfen, welche dieser auch in seiner Funktion als Staatssekretär abgegeben hat. Hinsichtlich der unhaltbaren Vorwürfe wurde auch ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches vor allem die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der öffentlichen Kampagne untersuchen und darlegen soll." Und: Das Ergebnis unserer rechtlichen Prüfung soll letztlich im Rahmen eines von einem renommierten Universitätsprofessor erstellten Gutachtens evaluiert werden."

Laut diesem Bericht ging das Schreiben damals nicht nur an ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker, sondern auch an ÖBB-Chef Christian Kern, an Eisenbahnergewerkschafter Wilhelm Haberzettl sowie an den engsten Mitarbeiter der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, den Generalsekretär im Verkehrsministerium Herbert Kasser.

Damit ist belegt:

      Dass die ÖBB-Führung in Form des SPÖ-Machtdreiecks Kern, Pöchhacker und Haberzettl parteipolitisch gehandelt haben und nicht im Interesse der ÖBB. Denn Pöchhacker hat das Verkehrsministerium und die Eisenbahnergewerkschaft von dem Vorhaben in Kenntnis gesetzt, aber nicht alle Kollegen im Aufsichtsrat.

      Dass nach dem Bekanntwerden des 4,5 Millionen Euro-Beratervertrages für den SPÖ-nahen Anwalt Lansky nun der nächste SPÖ-Anwalt, SPÖ- Justizsprecher Jarolim einen 27.000 -Auftrag erhält, zeigt, dass die SPÖ am ÖBB Klavier auch unter Kern munter weiterspielt.

In der Folge wäre noch ein Gutachter im Range eines Universitätsprofessors bestellt worden - und weitere, wahrscheinlich noch höhere Kosten für das Unternehmen. Einzigartig in der Geschichte der 2. Republik: dass jemals      - bezahlt von dritter Stelle - ein Parteisprecher Gutachten macht, um den Koalitionspartner mundtot zu machen".

•     Dass mit der Information an Generalsekretär Herbert Kasser auch das BMVIT involviert ist. Diese Perspektive soll mit der gegenständlichen Anfrage beleuchtet werden.

Denn noch am 15.8.2010 hat das Büro der Bundesministerin gegenüber dem KURIER zurückgewiesen, dass eine Kopie der Auftragsbestätigung der Jarolim Kanzlei vorliege.

•     Dass das von Bundesministerin Doris Bures zu verantwortende SPÖ- Führungsdreieck der ÖBB Kern, Pöchhacker und Haberzettl nicht davor zurückschreckt zu versuchen, einen Staatssekretär mundtot zu machen. Mit dem Geld der Kunden der ÖBB oder mit dem Geld des Steuerzahlers. Ein Staatssekretär der Bundesregierung, dessen Auftrag es ist, die ordentliche Verwendung von Steuermitteln - und davon fließen viele in die ÖBB - sicherzustellen.

Was wäre der nächste Schritt? Privatdetektive an den Fersen des Staatssekretärs?

Um zu klären, ob dieses SPÖ-Dreieck nicht sogar im Auftrag von SPÖ- Bundesministerin Doris Bures gehandelt hat, stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

Anfrage:

1.      Haben Sie als Eigentümervertreterin der ÖBB dem Aufsichtsratschef  Pöchhacker den Auftrag erteilt, das oben genannte Gutachten, also ein  Gutachten gegen Ihren eigenen Regierungskollegen, in Auftrag zu geben?

2.      Wenn ja zu Frage 1), haben Sie den Auftrag erteilt, dieses Gutachten von    Ihrem SPÖ-Genossen Dr. Jarolim erstellen zu lassen?

3.      Wenn ja zu Frage 1), ist es üblich, solche Aufträge innerhalb der SPÖ-Familie   zu vergeben?

4.      Hat Sie das Mitglied des ÖBB-Holding Aufsichtsrates, ihr engster Mitarbeiter    im BMVIT Generalsekretär DI Herbert Kasser von diesem Auftrag verständigt?

5.      Hat Sie der Präsident des ÖBB-Holding Aufsichtsrates DI Horst Pöchhacker    von diesem Auftrag verständigt?

6.      Wenn ja zu 4 und/oder 5, was haben Sie unternommen, um eine solchen   Auftrag zu stoppen?

7.      Wenn nein zu Frage 4, warum informiert Sie der Generalsekretär Ihres Ministeriums nicht über solch gravierende Dinge wie ein geplantes Gutachten gegen einen Regierungskollegen?

8.      Wenn nein zu Frage 4, hat die nicht erfolgte Weitergabe der Information dienstrechtliche Konsequenzen für Generalsekretär Kasser?

9.      Wenn nein zu 4 und/oder 5, werden Sie von Ihren Aufsichtsräten von solchen bedeutenden Vorgängen nie informiert?

10.  Werden Sie generell von Ihren Aufsichtsräten von den Vorgängen im Unternehmen ÖBB regelmäßig informiert bzw. informieren Sie sich als Eigentümervertreterin regelmäßig über die relevanten Geschehen in der ÖBB- Holding?

11.  Wenn ja, in welcher Form?

12.  Wenn nein, warum nicht?

13.  Waren Sie bei der in der Tageszeitung die Presse zitierten Sitzung am 13. Juli anwesend?

14.  War Ihr Generalsekretär und Mitglied des Aufsichtsrates Kasser bei der in der Tageszeitung die Presse zitierten Sitzung am 13. Juli anwesend?


15.  Warum hat Ihr Büro gegenüber dem KURIER zurückgewiesen, dass eine    Kopie der Auftragsbestätigung der Jarolim Kanzlei vorliege obwohl    nachweisbar ist, dass ihr engster Mitarbeiter Generalsekretär Kasser über     eine Kopie verfügt hat (siehe Kurier vom 15.8.2010)?

16.   Halten Sie es für gerechtfertigt, dass ein Unternehmen, das Milliarden an Steuergeldern verschlingt, Geld in die Hand nimmt, um Kritiker zum    Schweigen zu bringen?

17.   Gibt es weitere Aufträge der ÖBB, der ASFINAG oder anderer Unternehmen,   bei welchen Sie eine Eigentümerfunktion ausüben, an Dr. Jarolim?

18.   Gab es im Zeitraum 2006 bis heute Aufträge Ihres Ressorts an Dr. Jarolim?

19.   Welcher renommierte Universitätsprofessor" sollte das Jarolim-Gutachten evaluieren?

20.   Welcher Betrag wurde von den ÖBB für dieses zweite Gutachten reserviert?