6382/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.09.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Kogler, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen

betreffend WählerInnentäuschung und Verfassungsbruch durch die Bundesregierung

Begründung

Gemäß Art. 51 Abs. 3 B-VG hat die Bundesregierung dem Nationalrat den Entwurf eines Bundesfinanzgesetzes für das folgende Finanzjahr spätestens zehn Wochen vor Beginn des Finanzjahres vorzulegen. Wörtlich heißt es dazu in der Verfassung: Die Bundesregierung hat dem Nationalrat den Entwurf eines Bundesfinanzgesetzes für das folgende Finanzjahr spätestens zehn Wochen vor Beginn jenes Finanzjahres vorzulegen, für das ein Bundesfinanzgesetz beschlossen werden soll." Um diese Frist einhalten zu können, wurden im einvernehmlich festgelegten Arbeitsplan des Nationalrates entsprechende Sitzungen des Plenums vorgesehen. Die Budgetrede findet demnach in der 42. Kalenderwoche am 20. Oktober 2010 statt.

Ungeachtet dessen haben der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen der Präsidentin des Nationalrates mit Schreiben vom 29. Juni 2010 mitgeteilt, dass ...wir den in Art. 51 Abs. 3 B-VG vorgesehenen Termin zur Vorlage des Entwurfes eines Bundesfinanzgesetzes 2011 nicht einhalten werden können".

Alle führenden Verfassungsexperten beurteilen diese Vorgehensweise als klar verfassungswidrig. Theo Öhlinger spricht von einer Missachtung des Parlaments". Bernd-Christian Funk weist darauf hin, dass eine Vorlage im Dezember nicht den Ordnungsvorschriften der Verfassung entspricht" und Heinz Mayer unterstreicht, dass die Verpflichtung der Regierung, das Budget zehn Wochen vor Beginn des betroffenen Finanzjahres vorzulegen, klar und deutlich" ist. Auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Gerhart Holzinger, stellt klar, dass die rechtliche Regelung des Art. 51 Abs. 3 BVG völlig klar und eindeutig" ist. Gleichzeitig konzediert die Nationalratspräsidentin, dass die verzögerte Budgetvorlage gemäß einem Gutachten des Legislativdienstes einer Nicht-Einhaltung der Verfassung entspreche: Das steht außer Streit".

Vor diesem Hintergrund hat schließlich Bundespräsident Fischer die Bundesregierung aufgefordert, das Budget 2011 pünktlich vorzulegen: Bei dieser Bestimmung handelt es sich um keine Ermessensentscheidung."


Ein Entschließungsantrag, der die Bundesregierung simpel zur Einhaltung der Verfassung" aufforderte, wurde am 25.8.2010 bei der Sondersitzung des Nationalrates zur verspäteten Budgetvorlage von den beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP abgelehnt.

 

Stattdessen erklärte der Bundesminister für Finanzen in dieser Sondersitzung bei seiner Wortmeldung zur Dringlichen Anfrage, dass er die Fülle der 190 Fragen nicht beantworten könne. Mit dieser Nicht-Beantwortung setzte Finanzminister Pröll seinen respektlosen Umgang mit dem Parlament fort. Die in der Sitzung zugesagte schriftliche Beantwortung der Dringlichen Anfrage ging am 9.9.2010 nachmittags ein, erschöpfte sich allerdings weitestgehend in prosaischen Pirouetten zu vergangenen Maßnahmen der Bundesregierung ohne auf die konkreten Fragen einzugehen.

Ein ähnliches Bild ergab sich bei der an alle MinisterInnen gerichteten Serienanfrage zu den geplanten drastischen Kürzungen nach den Landtagswahlen in Wien und der Steiermark". Mit akkordierten Nicht-Antworten wurde jegliche Auskunft über bevorstehende Kürzungen nach den Landtagswahlen in Wien und der Steiermark vermieden.

Klar ist jedenfalls, dass bei Schulen und Universitäten bis 2014 gekürzt werden soll, besonders dramatisch im kommenden Jahr. Die Kürzungen betragen 2011 insgesamt 162 Millionen Euro (Schulen 112, Unis 50 Mio.). Das entsprechende Bundesfinanzrahmengesetz wurde am 19.5.2010 mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen. In Deutschland dagegen wurden als Maßnahme gegen die Krise und zur langfristigen Sicherung von Wohlstand und Sicherheit jüngst zusätzliche Investitionen in Bildung in der Höhe von 13 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre beschlossen.

Die Grünen fordern daher, dass sowohl das Budget für Kindergärten und Schulen als auch für Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen um jeweils eine Milliarde Euro erhöht werden. Denn Bildung ist die zentrale Entwicklungsressource unserer Gesellschaft. Dazu soll das Bundesfinanzrahmengesetz aufgeschnürt werden. Es braucht Investitionen statt kurzsichtiger Budgetsanierung auf Kosten der Kinder und Jugendlichen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

DRINGLICHE ANFRAGE:

1.    Haben Sie sich nach den Appellen des Bundespräsidenten sowie der Präsidentin des Nationalrats mittlerweile dazu durchringen können, die Bundesverfassung einzuhalten?

2.    Werden Sie dafür Sorge tragen, dass der Entwurf des Bundesfinanzgesetzes 2011 dem Parlament verfassungskonform und vereinbarungsgemäß am 20. Oktober 2010 vorgelegt wird?

3.    Wenn nein, wann gedenken Sie der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken und den Entwurf für das Bundesfinanzgesetz 2011 vorzulegen?


 

4.    Sind Informationen zutreffend, wonach die Arbeiten am Budgetentwurf erst nach den Landtagswahlen beginnen werden und ihr Argument, zusätzliche Zeit zu benötigen, somit ad absurdum geführt wurde?

5.       Welche konkreten Arbeiten zum Budgetentwurf 2011 laufen in Ihrem Ressort? Wurden oder werden seitens des BMF den Ressorts Vorgaben zur Erreichung ihrer Einsparungsziele gemacht? Wenn ja, welche?

6.       Haben bereits erste Budgetverhandlungen auf MinisterInnenebene stattgefunden? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

7.       Haben bereits erste Budgetverhandlungen auf Beamtenebene stattgefunden? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

8.       Haben bereits erste Verhandlungen mit VertreterInnen der Bundesländer und Gemeinden über deren Beitrag zur Konsolidierung sowie über die angekündigte Förderalismusreform stattgefunden? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?

9.       Sind einzelne Minsterlnnen bereits mit Kürzungsvorschlägen zur Erreichung der Ziele des Bundesfinanzrahmengesetzes an Sie heran getreten? Wenn ja, welche Vorschläge wurden Ihnen im Detail unterbreitet?

10.   Wann werden die gesetzlichen Begleitmaßnahmen zum Bundesfinanzgesetz 2011, das so genannte Budgetbegleitgesetz, in Begutachtung gehen und welche Begutachtungsfrist wird vorgesehen?

11.   Wird das Budgetbegleitgesetz jene Kürzungen enthalten, um die Vorgaben des Bundesfinanzrahmengesetzes für das Jahr 2011 zu erfüllen oder werden bereits alle Maßnahmen enthalten sein, um die Vorgaben des Bundesfinanzrahmengesetzes bis 2014 zu erfüllen?

12.   Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um die im Bundesfinanzrahmengesetz vorgegebenen Kürzungspläne bei Kindergärten, Schulen und Universitäten zu erreichen?

13.   Können Sie garantieren, dass in den Zukunftsbereichen Kindergärten,
Schulen und Universit
äten entsprechend der Forderungen vieler ExpertInnen zusätzliche Investitionen getätigt werden, anstatt Budgetmittel zu kürzen?

14.   Wie schätzen Sie vor dem Hintergrund der deutlich besseren Konjunkturentwicklung in Österreich das gesamtstaatliche Defizit (Maastricht- Defizit) für das Jahr 2010 ein?

15. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen sicherstellen, dass die deutlich unterdotierte Grundlagenforschung höher budgetiert wird?


16.   Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen sicherstellen, dass die gesetzlich beschlossene Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen von der ersten bis zur achten Schulstufe umgesetzt wird?

17.   Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen sicherstellen, dass ausreichende Mittel für ein modernes

Dienst- und Besoldungsrecht bereitgestellt werden und die diesbezügliche überfällige Reform damit angegangen werden kann?

18. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen sicherstellen, dass die laufenden Schulversuche ausreichend dotiert sind?

19. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen sicherstellen, dass es zu einer sozial gerechten Ökologisierung des Steuersystems kommt?

20. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen sicherstellen, dass Reichen und sehr hohen Vermögen mit einer Erhöhung der vermögensbezogenen Steuern ein gerechter Beitrag abverlangt wird?

21. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt

Begleitgesetzen sicherstellen, dass Steuerprivilegien für Privatstiftungen abgebaut werden?

22. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen sicherstellen, dass eine reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer Millionenerben in die Pflicht nimmt?

23. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen ausschließen, dass die Umsatzsteuer erhöht wird?

24. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen ausschließen, dass BezieherInnen kleiner Pensionen belastet werden bzw. dass Pensionsanpassungen verschoben werden?

25. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen ausschließen, dass einzelne Pflegestufen abgeschafft und die Dotierung anderer gekürzt wird?

26. Können Sie für die Erstellung des Budgetentwurfes 2011 samt Begleitgesetzen ausschließen, dass Kürzungen bei Behindertenprojekten stattfinden werden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.