6687/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.10.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

gem. § 93 Abs. 1 GOG-NR

 

 

der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler,  

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend „Bandions Blamagen“ und deren Folgen für den österreichischen Rechtsstaat

 

Eine unabhängige, objektive und funktionierende Justiz, der die Menschen dieses Landes vertrauen, ist neben Exekutive und Legislative die dritte wesentliche und tragende Säule eines demokratischen Rechtsstaates. Wankt das Vertrauen der Menschen in die Justiz, wankt auch das Vertrauen in den Staat und das Fundament, auf dem unsere Republik aufgebaut ist, ist bedroht. Die Sicherstellung von Vertrauen durch die Gewährleistung und Verteidigung einer unabhängigen, objektiven und funktionierenden Rechtsprechung ist daher zentrale Aufgabe der politischen Verantwortungsträger, zu aller erst des Justizministers.

 

Im Wissen um diese besondere politische Verantwortung hat es in Österreich Tradition, dass das Amt des Justizministers mit einer Persönlichkeit besetzt wird, die sich durch besondere moralische Integrität, fachliche Kompetenz und absolute Unabhängigkeit auszuzeichnen hat. Diese gelebte und bewährte österreichische Tradition wurde mit der Bestellung von Claudia Bandion-Ortner zur Justizministerin gebrochen. Mit der Folge, dass das Vertrauen in die dritte wesentliche und tragende Säule eines demokratischen Rechtsstaates, die Justiz, nachhaltig erschüttert ist, dem Ansehen der Justiz in Österreich schwerer Schaden zugefügt, und das Prinzip der Rechtstaatlichkeit ausgehöhlt wurde.

 

Denn Bandion-Ortner steht bestenfalls für politische Scheinneutralität und – und das ist wesentlich – sie kann dem Anspruch auf moralische Integrität, fachliche Kompetenz und parteipolitische Unabhängigkeit in keiner Weise nachkommen. Das hat sie durch ihr Tun und Handeln hinlänglich bewiesen, das sich exemplarisch wie folgt darstellt und sich als „Bandions Blamagen“ bezeichnen lässt:

 

Erstens: Der Fall BAWAG

Wesentlicher Bestellungsgrund von Bandion-Ortner zur Justizministerin war ihre Tätigkeit als Richterin im  BAWAG-Prozess und die von ihr gefällten Urteile gegen rote Gewerkschafts- und Bankenfunktionäre. Gleiches gilt für ihren Kabinettschef Mag. Georg Krakow, der Ankläger im BAWAG-Verfahren war. Durch die seitens der Generalprokuratur empfohlene Aufhebung  wesentlicher Teile der Urteile im BAWAG-Prozess, hat sich dieser ursprüngliche Bestellungsgrund für die BAWAG-Richterin Bandion-Ortner zur Justizministerin sowie des BAWAG-Anklägers Krakow zum Kabinettschef in einen Entlassungsgrund verwandelt, sprechen doch selbst laut Austria Presse Agentur ranghohe Vertreter aus der Richter- und Anwaltschaft von einem "Fiasko für die Justizministerin" und ehemalige Arbeitskollegen Bandion-Ortners am Wiener Straflandesgericht von "peinlichen Schnitzern, die in so einem Fall nicht passieren hätten dürfen". Noch bezeichnender ist in diesem Zusammenhang die Aussage des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, wonach Bandion-Ortner nun in ihrer Handlungsfähigkeit als Ministerin „schwer eingeschränkt“ sei. Durch den juristischen Paukenschlag der Generalprokuratur ist die moralische Integrität, fachliche Kompetenz und politische Autorität Bandion-Ortners jedenfalls als schlichtweg nicht vorhanden einzustufen, was die logische Konsequenz des sofortigen Rücktritts zur Folge haben muss.


Zweitens: Der Fall Natascha Kampusch

Der Fall Kampusch ist ein erschreckendes Beispiel des offensichtlich vorsätzlichen Versagens staatsanwaltlicher Verantwortungsträger bei der Staatsanwaltschaft Wien sowie der Verantwortungsträger im Innenministerium und im Justizministerium. So wurden unzählige Hinweise, insbesondere der ermittelnden Polizeibeamten zu tatsächlichen Widersprüchen hinsichtlich der Mehrtätertheorie bzw. der Stellung des Geschäftsfreundes von Priklopil ignoriert und zum Teil weitergehende Ermittlungen sogar aktiv unterbunden oder beeinflusst. Ohne im Detail auf das 25-seitige Schreiben des früheren Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und ehemaligen Mitgliedes der Kampusch-Evaluierungskommission, Dr. Johann Rzeszut, betreffend „Art. 52 B-VG – Sachverhaltsmitteilung zum staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren im Abhängigkeitsfall Natascha Kampusch“ eingehen zu wollen, ist an dieser Stelle zu vermerken, dass die Frau Bundesministerin für Justiz Bandion-Ortner frühzeitig im Juni/Juli 2009 von Dr. Johann Rzeszut über die von auffälliger Ignoranz gekennzeichnete staatsanwaltliche Fallbehandlung informiert wurde. Bereits am 24. Juli 2009 übermittelte er ein Schreiben an die Justizministerin, „in dem jene gravierenden Gründe angeführt wurden, die eine ehestmögliche, nach konkreten verfahrensaktuellen Erfahrungen im Interesse eines sachdienlichen Verfahrensfortgangs unabdingbare Übertragung der weiteren justiziellen Fallbearbeitung aus dem Verantwortungsbereich der Oberstaatsanwalt Wien an eine andere, ihrem Einfluss nicht unterliegende staatsanwaltliche Ermittlungsverantwortung dringend nahe legten.“ Eine Vorausinformation sei zudem dem Kabinettschef Georg Krakow per Mail zugegangen. Jedoch: Nichts geschah. Es erhärtet sich damit der auf Basis bereits vorliegender Informationen bestehende Verdacht, dass im Fall Kampusch verdeckt und vertuscht wurde und offene Fragen wie die mögliche Involvierung eines Pädophilenringes unbeantwortet blieben. Dieser Sachverhalt ist in Hinblick auf Rzeszuts Schlussbemerkung besonders überprüfungswürdig, die lautet: „Was hier jedoch aus dominierendem öffentlichen Interesse aufgezeigt werden musste, ist die fachlich nicht nachvollziehbare Pflichtverweigerung führender staatsanwaltlicher Verantwortungsträger und das Scheitern des Versuchs, die nach Lage des Falles gebotene Abhilfe an insoweit oberster Verantwortungsebene zu erwirken.“ Das völlig unbefriedigende Ermittlungs- und Verfahrensergebnis erschreckt insbesondere auch in Anbetracht der Vielzahl führender staatsanwaltlicher Vertreter, die in der Endphase des Verfahrens maßgeblich beteiligt waren. So nahmen an einer ermittlungsstrategischen Besprechung im Bundesministerium für Inneres am 30. April 2008 als führende Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft Wien deren Leiter Dr. Werner Pleischl und einer seiner Vertreter, für die Staatsanwaltschaft Wien deren Leiter Dr. Otto Schneider und der den konkreten Fall bearbeitende Staatsanwalt Mag. Hans-Peter Kronawetter teil.

Drittens: Der Fall Hypo Niederösterreich

In die politische Verantwortung der Ministerin Bandion-Ortner fällt die am 7. Juli 2010 seitens der St. Pöltner Staatsanwaltschaft mündlich erteilte Weisung an die ermittelnden Kriminalbeamten, wonach ihre Arbeit in der Causa Hypo Niederösterreich, wo es um den Verdacht der Untreue, Bilanzfälschung und der Verspekulierung von über 1,2 Milliarden Euro Wohnbaugeldern geht, "sofort und bis auf Widerruf" zu stoppen sei. Und das, obwohl sie "noch weit entfernt von einem Abschluss" ihrer Arbeit waren, wie der zuständige niederösterreichische Kriminalbeamte damals erklärte. Im Justizministerium liegt nunmehr ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft St. Pölten auf Einstellung des Verfahrens. Erst nach umfangreicher kritischer Medienberichterstattung sollen die Ermittlungen nun doch wieder aufgenommen werden. Diese Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft St. Pölten sowie des Justizministeriums weckt den Verdacht der politischen Einflussnahme durch ÖVP-Politiker des Landes Niederösterreich auf die unabhängige Justiz und die Justizministerin und stellt die Unabhängigkeit der Justiz massiv in Frage.

 

Viertens: Der Fall Hypo Alpe Adria

Während bei der ÖVP-Landesbank Hypo Niederösterreich die Ermittlungen auf Weisung von oben gestoppt werden, wird im Fall der Hypo Alpe Adria umso vehementer vorgegangen, handelt es sich doch um die vermeintliche „Haider-Bank“, die sie nie war. Kurz gesagt: Nicht das Gesetz, sondern die politische Zugehörigkeit entscheidet unter Bandion-Ortner über eine mögliche Strafverfolgung durch die Justiz. Nicht anders ist es zu erklären, warum in Niederösterreich nur ein Staatsanwalt ermittelt, während in Kärnten gleich fünf Staatsanwälte, plus SOKO Hypo, plus CSI Hypo ermitteln. Nicht anders ist es weiters zu erklären, warum in Niederösterreich Ermittlungen auf Weisung der zuständigen Staatsanwaltschaft gestoppt werden, und ein Vorhabensbericht mit der Empfehlung auf Einstellung des Verfahrens an das Justizministerium wandert, während in Kärnten Personen verhaftet werden. Dieser politisch motivierten Ungleichbehandlung entspricht auch die Vorgehensweise bei weiteren Bankenskandalen, in denen trotz enormer Schadenssummen und tausender geprellter Sparer in strafrechtlicher Hinsicht mangelhaft, schleppend oder gar nicht ermittelt wird, wie etwa in den Causen Kommunalkredit, Immofinanz, Meinl oder Volksbanken.

 

Fünftens: Der Fall Karl-Heinz Grasser

Ebenfalls in die politische Verantwortung der Justizministerin fällt die „schiefe Optik der Zwei-Klassen-Justiz“ wie sie SPÖ-Justizsprecher Dr. Hannes Jarolim im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser ortet. Tatsächlich: Die schleppenden Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser lassen einen gewährten Promi-Bonus seitens der Justizministerin für ÖVP-Leute ebenso vermuten wie eine beauftragte, bewusste Nicht-Verfolgung von ehemaligen politischen ÖVP-Funktionsträgern durch die Justiz.

 

Sechstens: Der Fall Ernst Strasser

Die Frage der bewussten Nicht-Verfolgung von politischen ÖVP-Funktionsträgern stellt sich auch beim ehemaligen Innenminister Ernst Strasser, wurde doch eine zentimeterdicke Amtsmissbrauchs-Anzeige gegen Strasser seitens des zuständigen Staatsanwaltes zufällig genau so lange „übersehen“, bis die Angelegenheit verjährt war.

 

Siebentens: Der Fall der angeblichen Haider-Konten

Nach der Veröffentlichung einer vorgeblichen Aufdeckergeschichte eines Nachrichtenmagazins über angebliche Millionen-Konten des verstorbenen Kärntner  Landeshauptmannes Dr. Jörg Haider erklärte am 02. August 2010 Justizministerin Bandion-Ortner im Morgenjournal-Interview, selbst von den geheimen Konten Jörg Haiders erfahren zu haben. Ob das Geld aus legalen oder illegalen Quellen stamme, das überprüfe nun die Staatsanwaltschaft, so Bandion-Ortner damals. Diese Angaben der Ministerin wurden aber von der Staatsanwaltschaft in Liechtenstein, den Staatsanwaltschaften in Österreich und auch seitens des deutschen Bundeskriminalamtes heftig dementiert. Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) erklärte: "Es ist derlei nicht bekannt. Wir können das in keinster Weise bestätigen." Auch aus Vaduz kam ein Dementi: "In den in Liechtenstein beschlagnahmten Unterlagen sind keine Konten oder Gesellschaften aufgetaucht, die von Dr. Jörg Haider oder seinem unmittelbaren Umfeld kontrolliert wurden oder werden", heißt es in einer Stellungnahme der Leitenden Staatsanwaltschaft. Und die Staatsanwaltschaft Wien betonte ebenso wie die Staatsanwaltschaft in Klagenfurt, nicht auf Konten mit Verbindung zu Haider gestoßen zu sein. Bis heute liegt kein einziger Beweis oder konkreter Hinweis auf die angeblichen Haider-Konten vor. Was aber vorliegt ist der Fall einer Justizministerin, die den verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider übel benachredet sowie die Öffentlichkeit bewusst falsch informiert hat, sich dafür aber bis heute nicht entschuldigt und auch keine Konsequenzen gezogen hat.

 

Achtens: Der Fall Gottfried Kranz

Justizministerin Bandion-Ortner duldet es, dass unter ihr als Ministerin seitens der Staatsanwaltschaften und Ermittlungsbehörden permanente Verstöße gegen das Amtsgeheimnis und der Bruch der Verschwiegenheitspflicht passieren. Bestes Beispiel: Dr. Gottfried Kranz, leitender Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Er hat im Rahmen dieser Funktion Anfang August 2010 gegenüber dem ORF im Zusammenhang mit den Medienberichten rund um angeblich auf Liechtensteiner Konten entdeckten 45 Millionen Euro des verstorbenen Landeshauptmannes Dr. Jörg Haider folgende Aussage getätigt: „Wohl habe ich hier vor ganz kurzer Zeit aus Wien eine Nachricht erhalten, dass hier ein Aktenvorgang nach Klagenfurt unterwegs sein soll, wonach eben tatsächlich aus einem ausländischen Staat nach Liechtenstein auf das Konto von Doktor Jörg Haider ein Betrag von 45 Millionen eingezahlt worden sein soll.“ Diese Aussage von Dr. Kranz hat sich nachweislich als irreführend und falsch herausgestellt, womit der Leiter der Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Öffentlichkeit bewusst falsch informiert hat. Denn der Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Friedrich Alexander König, stellte klar, es handle sich dabei nur um ein Notizbuch mit „Eintragungen vom Hörensagen, die wiederum ein anderer vom Hörensagen gehört haben soll“, was heiße, dass „keine konkreten Beweise bekannt sind“. Dr. Gottfried Kranz hat mit seinen unrichtigen Aussagen in der Öffentlichkeit gegen die Amtsverschwiegenheit verstoßen und einen Bruch des Amtsgeheimnisses begangen, weil er mit seinem Gang an die Öffentlichkeit gegen § 58 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes und gegen die Bestimmungen des Erlasses des Bundesministeriums für Justiz vom 12. November 2003 über die Zusammenarbeit mit den Medien verstoßen hat. Konsequenzen für Kranz gibt es bis heute nicht, was wiederum die Tätigkeit oder besser gesagt völlige Untätigkeit der Ministerin vor Augen führt, die keinerlei Konsequenzen zieht, keinen Korrekturbedarf ortet und das Prinzip der Unschuldsvermutung damit mit Füßen tritt. Dies ist umso dramatischer, als dass es sich beim Fall Kranz um keinen Einzelfall handelt, sondern der Bruch der Amtsverschwiegenheit und der Bruch des Amtsgeheimnisses mittlerweile zur gängigen Praxis in der Justiz gehören. Vor allem, wenn es sich bei den Betroffenen um Politiker der Opposition handelt.

 

Neuntens: Gerichtliche Testamentsfälschungen in Vorarlberg

In der Testamentsfälschungsaffäre am Bezirksgericht Dornbirn wird in Feldkirch in zig Verdachtsfällen ermittelt, in zwei Fällen - die wegen Befangenheit abgegeben wurden - in Steyr. Insgesamt laufen gegen 13 Personen Erhebungen, bei fünf der Beschuldigten handelt es sich um Justizangehörige, darunter auch eine aktive Richterin. Insgesamt wurden bei den Verdächtigen rund 1,8 Mio. Euro an Bankguthaben sichergestellt, zudem weitere Vermögenswerte. Fragen nach der politischen Verantwortung, der Höhe der Schadenssumme, der Zahl der Geschädigten, der nötigen Wiedergutmachung und vor allem der nötigen Schritte zur zukünftigen Verhinderung solcher Vorfälle sind bis dato seitens der Justizministerin unbeantwortet geblieben.

 

Zehntens: Verletzung der Pressefreiheit und Ausschaltung des Redaktionsgeheimnisses

Bandion-Ortner lässt es zu und verteidigt es, wenn in Österreich verfassungsgesetzlich geschützte Rechte wie die Pressefreiheit mit Füßen getreten werden und das Redaktionsgeheimnis ausgeschalten wird. So sind zwei Journalisten des Nachrichtenmagazins "profil" im September 2010 auf Basis eines Rechtshilfeersuchens der Staatsanwaltschaft München 1 seitens der Staatsanwaltschaft Wien formal als Beschuldigte vernommen worden, ohne dass es dafür eine rechtliche Deckung gab. Gleiches drohte einem NEWS-Reporter, der ebenfalls ohne Rechtsgrundlage hätte einvernommen werden sollen. Die internationale Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ bezeichnete dieses Vorgehen der Wiener Anklagebehörde als "grobe Verletzung von Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in Österreich". Der Präsident der Journalistengewerkschaft, Franz C. Bauer, ortete ebenfalls "einen beispiellosen Anschlag auf die Pressefreiheit in unserem Land. Aus Steuergeldern bezahlte Politiker und Beamte versuchen offenbar willfährig, ausländische Gesetze in Österreich zu vollziehen und dabei die Meinungsfreiheit einzuschränken". Seitens der politisch verantwortlichen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner wurden bis heute keine Konsequenzen gezogen oder entsprechende gesetzliche Klarstellungen in Sachen Redaktionsgeheimnis getroffen. Gleiches gilt auch für die Groteske rund um die versuchte Erzwingung der Herausgabe von Videomaterial durch den ORF, was seitens der Justiz nichts anderes als den Versuch der Beschaffung eines Erkundungsbeweises bedeutet. SPÖ-Justizsprecher Jarolim sieht folglich "Feuer am Dach" und greift Justizministerin Claudia Bandion-Ortner an: "Nachdem die Justiz seit der Amtsübernahme von Justizministerin Bandion-Ortner an Ansehen und Vertrauen in der Bevölkerung massiv verloren hat, ist jetzt auch das Grundrecht der Pressefreiheit in Gefahr. Für mich stellt sich grundsätzlich die Frage, inwiefern die Justizministerin hinter dem Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit steht und ob und wie sie diese vor den Organen der Justiz und der ihr unterstellten Staatsanwaltschaft zu schützen gedenkt.“

 

 

Zu diesen „Bandion Blamagen“ hinzu kommen weitere Justizskandale wie die Causa Mensdorff, Fälle von Politjustiz durch die Staatsanwaltschaft Wien, Unterschriftenfälschungen am Bezirksgericht Bludenz, überdies noch die missglückte gesetzliche Einführung der elektronischen Fußfessel und nicht zuletzt wachsender Unmut und Unzufriedenheit in den Reihen der Richterschaft durch ministerielles Missmanagement, fehlende finanzielle Ressourcen und schwere justizpolitische Fehlentscheidungen.

 

In Erfüllung der zentralen Aufgabe der politischen Verantwortungsträger, nämlich der angeführten Sicherstellung von Vertrauen durch die Gewährleistung und Verteidigung einer unabhängigen, objektiven und funktionierenden Rechtssprechung sowie in Sorge um das Ansehen der Justiz in Österreich und die Gültigkeit des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Justizministerin folgende

 

 

 

Dringliche Anfrage:

Der Fall BAWAG

1.        Was entgegnen Sie angesichts dessen, dass Ihre angeblich so exzellente Prozessführung im BAWAG-Verfahren gegen die SPÖ-Verantwortlichen dieses Bankdesasters Ihnen das Ministeramt verschafft hat, den vielfachen öffentlichen Feststellungen – z.B. von Verfassungsgerichtshofpräsident i.R. Dr. Karl Korinek –, dass Sie nach der Blamage der Stellungnahme der Generalprokuratur als Justizministerin nicht mehr voll handlungsfähig sind?  

2.        Werden Sie dann, wenn der Oberste Gerichtshof den Empfehlungen der Generalprokuratur folgt, gemeinsam mit Ihrem ebenfalls für das BAWAG-Verfahren als Ankläger verantwortlichen Kabinettschef Mag. Georg Krakow zurücktreten? Wenn nein, warum sind Sie der Ansicht, dass eine Ressortministerin, der von höchster Stelle fachliche mangelnde Kompetenz bescheinigt wird, das Amt des Justizministers vollwertig ausfüllen kann?

3.        Wann wird das von Ihrem Kabinettschef als damaligem Staatsanwalt im BAWAG-Verfahren schon vor Jahren als unmittelbar bevorstehend angekündigte „BAWAG II Verfahren“ über den Verbleib der angeblich verspekulierten BAWAG-Gelder stattfinden, wie ist der Verfahrensstand derzeit und welche Ermittlungsschritte wurden mit welchem Ergebnis bisher gesetzt? Wenn ein solches Strafverfahren nicht mehr geführt wird, mit welcher Begründung unterbleibt dies angesichts der Tatsache, dass das Urteil für Wolfgang Flöttl bei persönlicher Bereicherung angesichts einer milliardenschweren Schadenssumme wohl anders ausfallen müsste?


4.        Wann wird das Strafverfahren betreffend die aus den „Kellerakten“ erkennbare, zumindest steuerschonende, wenn nicht strafrechtlich relevante Finanzierung von ÖGB und SPÖ durch die BAWAG stattfinden, wie ist der Ermittlungsstand derzeit und welche Ermittlungsschritte wurden mit welchem Ergebnis bisher gesetzt? Wenn ein solches Strafverfahren nicht mehr geführt wird, mit welcher Begründung?

5.        Wie begründen Sie die überlange Untersuchungshaft von mittlerweile mehr als drei Jahren für Helmut Elsner, während sich alle anderen verurteilten Personen auf freiem Fuß befinden?

6.        Aus welchen konkreten Gründen wurde Helmut Elsners Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest abgelehnt und wie beurteilen Sie dies?

7.        Wie beurteilen Sie die Begründung der Ablehnung in Hinblick auf die Gesetzesbegründung, in der klar zum Ausdruck kommt, dass der elektronisch überwachte Hausarrest auch für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Alternative bietet?

 

Der Fall Natascha Kampusch

8.        Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem 25-seitigen Schreiben des Mitglieds der Kampusch-Evaluierungskommission OGH-Präsident i.R. Dr. Johann Rzeszut betreffend „Art. 52 B-VG – Sachverhaltsmitteilung zum staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren im Abhängigkeitsfall Natascha Kampusch“, in dem er

-           eklatante Mängel in der staatsanwaltschaftlichen Behandlung des Falles und bewusste Schritte gegen die Aufklärung wie das Unterlassen bzw. sogar aktive Unterdrücken sinnvoller Ermittlungen gegen wahrscheinlich vorhandene weitere Täter,

-           eine vorzeitige Freigabe der Liegenschaft von Herrn Priklopil zur Räumung, die insbesondere die Entfernung aller elektronischen Aufzeichnungen ermöglichte,

-           eine krass wahrheitswidrige Information der Öffentlichkeit,


-           das Unter-Druck-Setzen des operativen Leiters der Sonderkommission des Bundeskriminalamts mit Selbstmordfolge und schließlich

-           eine nach den Ergebnissen der Evaluierungskommission unvertretbare Einstellung des Verfahrens feststellt?

9.        Aus welchen konkreten Gründen sind Sie den mehrmaligen Ersuchen von Dr. Rzeszut, die justizielle Fallbearbeitung aus dem Verantwortungsbereich der Oberstaatsanwaltschaft Wien herauszuverlegen, nicht nachgekommen?

10.     Aus welchen Gründen wurde das Kampusch-Verfahren eingestellt, obwohl die hochkarätig besetzte Evaluierungskommission des BMI weitere Ermittlungen für unverzichtbar hielt? Wurden diesbezüglich auf irgendeiner Ebene der Staatsanwaltschaft oder des BMJ Weisungen erteilt? Wenn ja, wie lauten sie? Wenn nein, war diese Einstellung mit Ihnen akkordiert?

11.     Werden Sie im Hinblick auf die Vielzahl der bestehenden Widersprüche im Fall Kampusch (Mehrtätertheorie bzw. Stellung des Geschäftsfreundes in Hinblick auf die Aussage der einzigen Zeugin etc.), die von Dr. Rzeszut aufgezeigt worden sind, die Ermittlungen fortsetzen lassen? Wenn nein, warum können Sie es verantworten, dass mögliche Mittäter Priklopils nicht im Interesse der Bevölkerung und des Opfers verfolgt werden? Wenn ja, wird das Verfahren im Bereich einer anderen Oberstaatsanwaltschaft geführt werden?

 

Der Fall Hypo Niederösterreich

12.     Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand im ÖVP-Fall Hypo Niederösterreich?

13.     Aus welchen konkreten Gründen und auf wessen Weisung bzw. mit wessen Zustimmung wurden die Ermittlungen vorübergehend gestoppt und wie beurteilen Sie dieses Vorgehen insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass noch nicht alle polizeilichen Ermittlungsschritte getätigt waren?

14.     Welche Entscheidungen wurden auf Basis des übermittelten Vorhabensberichts der Staatsanwaltschaft St. Pölten von wem und mit welcher Begründung getroffen?


15.     Wurden Sie und, wenn ja, mit welchem Ziel wurden Sie bezüglich dieses Verfahrens seitens des Landeshauptmanns von Niederösterreich, Dr. Erwin Pröll, oder sonstiger Mitglieder der ÖVP angesprochen bzw. gab es oder gibt es politische Einflussnahmen in diesem Verfahren?

16.     Wie begründen Sie die gravierenden Unterschiede im Bereich des Personaleinsatzes zur Aufklärung der Fälle Hypo Niederösterreich und Hypo Alpe Adria?

 

Der Fall Hypo Alpe Adria

17.     Welche Gründe rechtfertigen im Einzelnen, dass sich Wolfgang Kulterer in Untersuchungshaft  befindet und aus welchen Gründen wurde gegen die späteren Entscheidungsträger in der Bank und sonstigen Tatverdächtigen wie Günther Striedinger keine Untersuchungshaft beantragt?

18.     Wurde bei den strafrechtlichen Beurteilungen beachtet, dass die wesentlichen bilanziellen Negativentwicklungen erst nach 2007 in alleiniger Verantwortung des Mehrheitseigentümers Bayern LB und den von ihr eingesetzten Vorständen erfolgten?

 

Der Fall Karl-Heinz Grasser

19.     Was sind die Gründe für die monatelang verzögerten Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser und können Sie ausschließen, dass durch diese Verzögerung Absprachen und die Vernichtung von Beweismitteln ermöglicht wurden?

20.     Können Sie politische Einflussnahmen von Vertretern der ÖVP in diesem Fall ausschließen?

 

Der Fall Ernst Strasser

21.     Welche konkreten Umstände führten dazu, dass ein derart umfangreicher und zentimeterdicker Akt einfach übersehen werden konnte? 


22.     Haben Sie organisatorische Maßnahmen getroffen, die eine Wiederholung eines solchen Fehlers verunmöglichen und wenn ja, welche Maßnahmen sind dies? 

 

Der Fall der angeblichen Haider-Konten

23.     Auf Basis welcher Ihnen damals bekannten Faktenlage haben Sie gegenüber dem ORF am 2. August 2010 erklärt, selbst von den geheimen Konten Dr. Jörg Haiders erfahren zu haben und dass die Staatsanwaltschaft nun prüfe, ob das Geld aus legalen oder illegalen Quellen stamme?

24.     Wie vereinbaren Sie diese Aussage mit Ihrem Amtsverständnis als Justizministerin angesichts der Tatsache, dass ihre Aussage von sämtlichen Staatsanwaltschaften und ausländischen Ermittlungsbehörden zurückgewiesen wurde und bis heute kein einziger Beweis für die von Ihnen behaupteten Konten vorliegt und Sie damit eigentlich den Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllt haben?

25.     Welche konkreten Beweise liegen für die angeblichen Millionenkonten Dr. Jörg Haiders derzeit vor?

 

Der Fall Gottfried Kranz

26.     Auf welcher rechtlichen Basis erfolgte die Veröffentlichung von Informationen betreffend das Ermittlungsverfahren hinsichtlich möglicher Haider-Konten in Lichtenstein durch Gottfried Kranz und wie beurteilen Sie dieses Vorgangsweisen aus strafrechtlicher, disziplinarrechtlicher sowie aus medienrechtlicher Sicht?

27.     Wurden disziplinarrechtliche Schritte gegen Gottfried Kranz eingeleitet?

 

Gerichtliche Testamentsfälschungen in Vorarlberg

28.     Welche konkreten Schritte wurden bisher gesetzt, um aktiv alle Verlassenschaftsverfahren der letzten Jahrzehnte in Dornbirn nachzuprüfen, allen – auch alten – Vorwürfen Betroffener wenigstens nachträglich nachzugehen und den Geschädigten rasch zu einer Wiedergutmachung ihres Schadens zu verhelfen?


29.     Welche konkreten Änderungen wurden oder werden vorgenommen, um ähnliche organisierte kriminelle Machenschaften im Umfeld von Gerichten wirksam zu verhindern?

 

Verletzung der Pressefreiheit und Ausschaltung des Redaktionsgeheimnisses

30.     Wie können Sie erklären, dass dem Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft München 1 entgegen der österreichischen Rechtslage stattgegeben wurde und welche (organisatorischen) Schritte haben Sie gesetzt, um derartigen Fehlern künftig entgegenzuwirken und die Pressefreiheit sowie das Redaktionsgeheimnis ausreichend zu schützen?

31.     Welche disziplinarrechtlichen Konsequenzen wurden gegen die Verantwortlichen in der Staatsanwaltschaft Wien wegen der illegalen Einvernahme von Journalisten im Zusammenhang mit dem Fall Hypo Alpe Adria gezogen und, wenn nein, warum nicht?

32.     Welche gesetzlichen Klarstellungen wollen Sie treffen, um in Zukunft den vorsätzlichen Bruch des Redaktionsgeheimnisses durch strafrechtliche Ermittlungen wie im Fall ORF zu verhindern?

 

 

Wien, 21.10.2010

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühest möglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.