6801/J XXIV. GP

Eingelangt am 04.11.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur mit jährlich über 1,2 Mrd Euro ab 2020

 

 

Bereits seit der alten Großen Koalition des letzten Jahrtausends, besonders aber seit dem unter den BundesministerInnen Forstinger und Grasser fixierten sogenannten „Generalsverkehrsplan“ werden diverse milliardenschwere Infrastrukturprojekte vorangetrieben, deren Finanzierung weithin „auf Pump“ erfolgt.

 

Dies belastet im Bereich der ASFINAG das Bundesbudget (Haftung für nötige Fremdfinanzierung samt Zinsen) zunächst nur mittelbar, im Bereich der Schieneninfrastruktur hingegen direkt und in beträchtlicher Höhe, ab 2020 jährlich mit jeweils weit über einer Milliarde Euro.

 

Ausschlaggebend dafür ist das seit der Zeit des ehemaligen BMVIT-Ministers und jetzigen Bundeskanzlers Faymann konzipierte Annuitätenmodell für die Rückzahlung der Investitionen. Demnach verschuldet sich zwar zunächst die ÖBB und nicht der Bund, der Bund verpflichtete sich aber zu mit jedem Jahr steigenden Rückzahlungen, die im Verlauf der Jahre zu exorbitanten Größenordnungen in Milliarden-Dimension kumulieren.

 

Im Gegensatz zur ASFINAG, die in größerem Umfang über eigene Einnahmen verfügt, sind die ÖBB bei der Rückzahlung der Infrastruktur-Investitionssummen weithin von jährlichen Budget-Entscheidungen abhängig. Auch hochrangige Akteure Ihres Ressorts wie Ihr Staatssekretär sehen ebenfalls eine mittel- und langfristige Budget-Hypothek. Alle entsprechenden Entscheidungen und Festlegungen zB in Gestalt der Rahmenpläne erfolgen jedoch im Einvernehmen zwischen dem Finanzminister und der Verkehrsministerin. Mit faktisch ungedeckten Schecks auf Kosten der künftigen Generationen treiben also auch Sie insbesondere Großprojekte voran, die vom WIFO ebenso wie von zahlreichen Verkehrsexperten als unsinnig und unleistbar qualifiziert werden. Dies insbesondere dann, wenn neben den reinen Baukosten im Sinne größerer „Kostenwahrheit“ auch die Finanzierungskosten einbezogen werden, die etwa WIFO-Chef Prof. Aiginger beim Koralmtunnel bei Baukosten von gut 5 Mrd auf nochmals fast 5 weitere Mrd Euro schätzt. Großprojekte sind also vor allem ein langfristig sicheres, gutes Geschäft für Bankkonzerne und spezialisierte Berater.


Auch die jüngst breiter bekannt gewordene Studie des Staatsschuldenausschusses kommt zu dem Schluss, dass aus dem Titel Infrastruktur selbst bei konservativen Annahmen eine exorbitante Budgetbelastung bevorsteht.

 

Selbst die Erfahrungen der Schweiz zeigen, dass sich erstens große Kostensteigerungen bei Groß-Tunnelbauten fast naturgesetzlich einstellen und dass selbst die NEAT-Projekte trotz hoher flächendeckender LKW-Abgabe und entsprechenden Einnahmen samt Querfinanzierung Richtung Schienen-Infrastruktur den Schuldenstand des Landes langfristig stark belasten, 2080 sollen es über 25 Mrd Schweizerfranken sein.

 

Bereits derzeit erfolgen bei den ÖBB Hintanreihungen von wichtigen Verkehrsprojekten, wie z.B. die Verbesserung oder auch nur (Tunnelsicherheit!) gesetzeskonforme Erhaltung der Pyhrn-Route oder die Verbesserung der Strecke von Wien nach Bratislava-Zentrum über Marchegg. Die Anschaffung modernen Wagenmaterials wird aus Spargründen ebenso hintangestellt wie die Attraktivierung von Fahrplänen, Regionalbahnstrecken werden reihenweise stillgelegt oder kaputtgespart statt wie in der Schweiz oder Deutschland attraktiviert – alles, während budgetär für Staat und SteuerzahlerInnen belastende Großprojekte sakrosankt sind.

 

Sie persönlich sprechen wiederholt von einer nachhaltigen Budgetpolitik des Landes und der Reduktion des Schuldenberges. De facto treiben Sie jedoch durch die Infrastrukturpolitik zugunsten der Baulobby und der an Renommierprojekten interessierten Landeshauptmänner den Schuldenstand der ASFINAG und ÖBB in Richtung 25 Mrd Euro.

 

Dass diese Schulden letztlich nach neuen Überlegungen der EUROSTAT in Kürze anders als bisher direkt den Schulden der Republik zuzurechnen sein könnten, hat die erwähnte Studie der ExpertInnen des Staatsschuldenausschusses kürzlich einmal mehr belegt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Welche a) kurzfristige, b) mittelfristige, c) langfristige budgetäre Vorsorge treffen Sie für die Finanzierung der großen Infrastrukturinvestitionen?

 

2.    Wie sollen ab 2020 jährlich zusätzliche 1,2 Mrd Euro für die Rückzahlung der Infrastruktur-Investitionen budgetär bedeckt werden?

 

3.    Warum wurde für die Infrastruktur-Großprojekte kein prominent auf mehr Kostenwahrheit/höhere Mauten und Querfinanzierung Straße->Schiene aufgebautes Finanzierungskonzept wie in der Schweiz erstellt?

 

4.    Wie erklären Sie Ihren Kindern, dass sie noch jahrzehntelang die Investitionen für Tunnelprojekte mit ihren Steuern, Gebühren und Abgaben werden bezahlen müssen, letztlich auf Kosten der Spielräume bei anderen Staatsaufgaben wie Bildung, Pflege, Pensionen, Gesundheit, Umweltschutz etc?

 

5.    Mit welchen Valorisierungsraten rechnen Sie, wie hoch werden die inflationsbedingten Verminderungen der Rückzahlungsraten geschätzt?

 

6.    Wie können Sie verantworten, dass sich das Ranking der Republik Österreichs angesichts der anschwellenden Infrastrukturschulden verschlechtert (vgl. interne Einschätzung der Rating-Agenturen)?


7.    Nachdem selbst die ASFINAG aus bilanztechnischen Gründen keine Vorsorge für Erhaltung bilanziert, um Scheingewinne zu erzielen, und nachdem in Zukunft alle Einnahmen der ASFINAG für die Abdeckung des Zinsendienstes verwendet werden müssen, stellt sich die Frage, warum Sie als Finanzminister nicht schon längst darauf drängen, das Bundesstraßengesetz zu evaluieren und damit die Zahl der Autobahn- und Schnellstraßenprojekte zu reduzieren, damit die ASFINAG handlungs- und zahlungsfähig bleibt?